Die Geschichte von Madame Sum nahm bereits 2017 ihren Anfang, als die Hotelfachschulabsolventen der Ecole hotelière de Lausanne Yves Jäger, Arnaud Verschueren und Tobia Tagliacozzo im Rahmen eines Praktikums im Restaurant Buech in Herrliberg ihr erstes Gastspiel gaben. Marc Wyss, der Geschäftsführer des Restaurants, hatte sie angefragt, ob sie nicht während seiner Ferienabwesenheit das Restaurant führen wollten. Und ob sie wollten.

Europäische Aromen und fernöstliches Handwerk
Das Konzept war schnell gefunden. Es sollte Dumplings geben. Dumplings, die europäische Aromen mit fernöstlichem Handwerk verbinden. Yves Jäger hatte die chinesischen Teigtaschen im Rahmen eines Praktikums kennen und schätzen gelernt.

Das Pop-up war damals so erfolgreich, dass sie nach dem Abschluss der Hotelfachschule im 2019 beschlossen, aus ihrer Praktikumsidee ein Geschäftsmodell zu entwickeln – mit einem handfesten Businessplan. Als Start in die Selbstständigkeit bespielten die drei Neo-Hoteliers von Dezember 2019 bis Ende Januar 2020 das Restaurant Buech ein zweites Mal. Diesmal boten sie neben den Dumplings noch weitere Side-Dishes an.

«Dieser Einstieg war für uns ein sehr guter Deal. Wir konnten die Infrastruktur eines bestehenden Lokals nutzen und mussten wenig Geld investieren», sagt Yves Jäger. Wer die drei Mittzwanziger in ihrem Atelier in Herrliberg besucht, findet stets einen köchelnden Topf auf dem Herd. Die drei Gastrounternehmer, die mittlerweile neun Mitarbeitende beschäftigen, werden nicht müde, immer wieder neue Kombinationen zu testen. «Wir verbinden die Aromen und die Klassiker aus der europäischen Küche mit dem Handwerk chinesischer Dumpling-Meister», erklärt Yves Jäger.

Zurzeit stehen elf Sorten im Angebot, die teils saisonal variieren. So etwa die Pork-belly-Dumplings, deren Füllung während 24 Stunden sous vide gekocht und mit Minze verfeinert wird, oder Wolfsbarsch mit Butter-Lemon-Sauce sowie diverse Gemüsefüllungen wie zum Beispiel die Verbindung von Shiitakepilzen und Marroni.

Langfristiges Ziel ist die Belieferung der ganzen Schweiz
Obwohl Madame Sum nach dem erfolgreichen zweiten Pop-up in Herrliberg eher auf kleiner Flamme köchelte – viele Kunden kamen direkt im Atelier in Herrliberg vorbei, um die Dumplings abzuholen –, zog ihr Bekanntheitsgrad immer grössere Kreise. Dazu beigetragen hat sicherlich die Teilnahme am Zürcher Streetfoodfestival und am Weihnachtsmarkt auf dem Zürcher Sechseläutenplatz sowie der Aufbau ihrer Community und die damit einhergehende rege Werbung auf Social Media.

Nicht nur, aber auch durch die Corona-Krise bedingt, bauten sie im Frühling 2020 innert kürzester Zeit einen Webshop auf und stellten auf Home-Delivery-Service um. Für die Auslieferung haben sich die Start-upler eine eigene kleine Rollerflotte angeschafft. «Die Zusammenarbeit mit einem Lieferservice war für uns keine Option. Einerseits geht die Kosten-Nutzen-Rechnung langfristig nicht auf, andererseits sind die Arbeitsbedingungen der Mitarbeitenden teils prekär», sagt Yves Jäger. Aktuell beliefern sie Zürich und Umgebung, Lausanne und demnächst auch Genf. Zürich wird direkt von Herrliberg aus beliefert, in Lausanne und Genf gibt es sogenannte Storage-Punkte, von wo die Dumplings verteilt werden. Dank der Methode des Schockgefrierens und einer intakten Kühlkette ist dies problemlos möglich. Yves Jäger, Arnaud Verschueren und Tobia Tagliacozzo denken gross. Ihr langfristiges Ziel ist es, ihr Liefergebiet auf die ganze Schweiz auszuweiten. «Wir erhalten auch viele Anfragen aus Gebieten, die für den Aufbau eines Belieferungsnetzes zu wenig Potenzial bieten. Da hoffen wir darauf, dass die Post über kurz oder lang entsprechende Dienstleistungen anbieten wird», erklärt Yves Jäger.

Diversifizierung innerhalb des Unternehmens
Doch sie begnügen sich nicht mit dem Home-Delivery-Service, sondern setzen auf zwei weitere Standbeine. Da ist einerseits die Belieferung von Gastronomie und Hotellerie sowie andererseits das Konzept des Gastspiels in bestehenden Infrastrukturen (zurzeit im Hotel Steffani in St. Moritz, siehe Text unten).

Was die Belieferung von Gastronomie und Hotellerie anbelangt, so freuen sich die drei jungen Gastrounternehmer über die Zusammenarbeit mit dem Restaurant Saltz im «The Dolder Grand» in Zürich und dem traditionsreichen Hotel Lausanne Palace. Das «Saltz» zeichnet die Dumplings nicht speziell aus, im «Lausanne Palace» sind die Dumplings hingegen gebrandet und werden in der Bar und anderen Outlets sowie im Room-Service angeboten.

Eine Win-win-Situation für beide Kooperationspartner
Für traditionelle High-End-Hotels kann eine solche Kooperation sehr interessant sein. «Das Neue an dieser Kooperation sind die ungleichen Kooperationspartner und das Marketing, von dem sich beide Partner unterschiedliche Effekte erhoffen», erläutert Rafael Saupe von der Gastroberatung Desillusion. Laut dem Gastroexperten sind dies hippe Start-up-Vibes, Verjüngung des Images und Zugang zu neuen Zielgruppen bei den Grandhotels, starke Kunden, zuverlässige Partner und Zugang zu neuen Zielgruppen für die Jungunternehmer. So entsteht für beide Seiten eine Win-win-Situation, die durch die grossen Imageunterschiede der Partner ermöglicht wird.

madamesum.com
thedoldergrand.com
lausanne-palace.ch


Gastspiel in St. Moritz: Infrastruktur versus Innovation

Seit Ende Dezember gibt Madame Sum ein Gastspiel in St. Moritz. Und zwar im Hotel Steffani. Daniela Märky, die das 4-Sterne-Haus zusammen mit ihrer Schwester in vierter Generation führt, suchte nach einer Alternative für das hoteleigene chinesische Restaurant Le Mandarin. Aufgrund der Corona-Pandemie war es unmöglich, Köche aus China zu rekrutieren. So stand im Oktober letzten Jahres ein Entscheid an. «Ich wollte unser Angebot nicht noch mehr reduzieren, sondern den Gästen etwas Tolles bieten», erzählt Märky. Durch ihren ehemaligen Studienkollegen Nicolas Bernheim wurde sie auf die jungen und innovativen Gründer von Madame Sum aufmerksam. «Wir haben in ihnen die idealen Partner gefunden», erzählt die Hotelière. «Wir bieten ihnen die Infrastruktur – das Restaurant und die Küche – zu einer umsatzbasierten Miete. Im Gegenzug erhalten wir ein junges, innovatives und hochwertiges Konzept ins Haus.» Madame Sum trägt zwar das Risiko der Umgestaltung und die Lohnkosten der Mitarbeitenden, jedoch keine erdrückende Mietenlast.

Das Projekt wurde innerhalb von wenigen Wochen auf die Beine gestellt. Die Inhaber von Madame Sum übernahmen die Umgestaltung des Lokals. Mit einem neuen Anstrich, neuen Vorhängen, neuem Mobiliar und farbenfrohen Bildern verliehen sie dem Pop-up namens «Dumplings in Altitude» ein ganz neues, frisches Erscheinungsbild. In der Küche sind zwei junge, talentierte Köche im Einsatz, die zuletzt in Barcelona tätig waren. Neben den unkonventionellen Dumplings bieten sie weitere asiatische Gerichte an. Die Hotelgäste können diese im umgestalteten Lokal geniessen, Einheimische und Touristen greifen auf das Take-away zurück. Daniela Märky, die während acht Jahren in namhaften New Yorker Hotels tätig war, ist überzeugt, dass solche Kooperationen gerade für Familienbetriebe mit limitierten Kapazitäten wegweisend sein könnten. «Mit Partnern zusammenzuarbeiten, ist extrem bereichernd.» [IMG 3]

steffani.ch


Mit Erfolg outsourcen

  1. Qualität von Produkt und Service
    Die Qualität von Produkt und Service – von der Bestellung über die Lieferung und Ver-packung bis hin zur Bezahlung – stimmt und ist auf dem Level des eigenen Qualitätsstandards.
     
  2. Bilanz von Leistung und Ertrag
    Die outgesourcte oder eingekaufte Leistung bringt dem Hotel mehr ein, als sie kostet. Dadurch kann gezielt eine nachfragegerechte Verpflegungsleistung geboten werden.
     
  3. Aufwand für Fertigung und Service
    Für die Fertigung und den Service im Betrieb dürfen nur minimale Aufwände entstehen. Der Gast bezahlt einen marktgerechten Preis, und der Hotelier erreicht einen relevanten Deckungsbeitrag für seine laufenden Kosten.
     
  4. Mehrwert von Inszenierung und Vermarktung
    Der Mehrwert solcher Kooperationen liegt in der Inszenierung und der Vermarktung. Ganz im Sinne des Storytellings ergeben sich schöne Geschichten für die Speisekarte, für die Website, für Social Media und für die Medien.

Tipps von Rafael Saupe, Desillusion Gastronomiekompetenz & Beratung GmbH

BERNADETTE BISSIG