Mitarbeiterführung ist das A und O für den Bestand der Branche: Der cholerische, mit Pfannen werfende Küchenchef, der nicht unter 100 Dezibelmit seinen Mitarbeitern kommuniziert, ist heute glücklicherweise einAuslaufmodell. Dennoch denken viele nach wie vor, dass nur ein «richtiger» Kochwird, wer durch eine besonders harte Schule geht. Die Teilnehmer des IntergastraThink Tanks, der dieses Jahr erstmals Experten und Entscheider aus Gastronomieund Hotellerie zur gemeinsamen Diskussion nach Stuttgart brachte, sind sich einig: Das geht auch anders.

«Unsere Branche wird aus verschiedenen Gründen – Bezahlung, Arbeitszeiten,Vereinbarkeit mit der Familie – ohnehin oft als wenig attraktiv wahrgenommen»,erklärt Andreas Müller vom Hotel Adler am Schloss in Bönnigheim (DE). «Wenn dann auch noch derEindruck hinzukommt, in jeder Küche herrsche ein schlechtes Arbeitsklima, habenwir verloren.»

Dabei gebe es zahlreiche Ansätze für Inhaber und Chefs, wie sie nichtnur neue Mitarbeiter gewinnen, sondern sie auch dauerhaft halten können. «Um dem Nachwuchsmangel entgegenzuwirken, brauchen wir unternehmerischstringente Schritte. Wir müssen wieder Begeisterung bei der Berufswahl weckenund die fachlichen und persönlichen Qualifikationen junger Leute fördern», sagtRalph Hilse, Mitglied der Geschäftsleitung bei Rauschenberger Gastronomie. «Hochglanz-Kampagnen sind zwar ein ausgezeichnetes Mittel für vordergründigesRecruiting, im Zuge der globalen Digitalisierung wird jedoch Social Media immerwichtiger.»

Eine weitere Möglichkeit sei die Zusammenarbeit mit Mentoren undAusbildungsbotschaftern, die Grund- und weiterführende Schulen besuchen undso schon früh Begeisterung für den Job bei den Köchen von übermorgen wecken.Und auch am System lasse sich einiges verändern: «Die Ausbildungsverordnunggibt uns so viel Spielraum, den wir gar nicht ausnutzen», erklärt Eva Maria Rühlevon der Reha-Klinik Schwäbische Alb. «Wir sollten unsere schon jetzt moderneAusbildungsverordnung im Bereich der dreijährigen Ausbildung nutzen undJugendliche ihren Fähigkeiten entsprechend fördern und fordern. Zudembrauchen wir aber die Möglichkeit, theorieschwache junge Leute – gerne auchJugendliche mit Migrationshintergrund oder Flüchtlinge – in kürzerer, in derTheorie abgeschwächter Ausbildung zu qualifizieren.»

Arbeitgeber müssen Anreize schaffen
Der größte Fehler bei derMitarbeitersuche? «Aus der Not heraus ohne Herz für die Branche zu rekrutieren,nur damit Stellen besetzt sind», so Ralph Hilse. Langfristigen Erfolg bringe nur dieVerbindung von Ausbildungsqualität, Bewerberauswahl und den eigenenunternehmerischen Leitlinien. Attraktive Incentives heben den eigenen Betrieb von der Konkurrenz ab undbieten den Angestellten spannende Perspektiven. Das fange im Kleinen beiTeamevents an und gehe über die Vereinbarung von Bonuszahlungen fürbesonders gute Leistungen bis hin zur – bei entsprechender Firmengröße –Bereitstellung sozialer Benefits wie beispielsweise hauseigener Kitaplätze.

Softe, aber nicht minder wichtige Faktoren für das Finden und Halten vonMitarbeitern seien gegenseitige Wertschätzung, Motivation undEntwicklungsmöglichkeiten. «Junge Leute heute sind sehr sicherheitsorientiert undwünschen sich berufliche Perspektiven, aber 85 Prozent der Gastronomien inDeutschland sind Kleinstbetriebe. Da sind Aufstiegsmöglichkeiten aus dergewachsenen Struktur heraus schwer möglich», erklärt Eva Maria Rühle. Umsowichtiger sind flache Hierarchien, die intensive Einbindung der Angestellten unddie Schaffung klarer Kompetenzbereiche. «Und ruhig auch mal den Mut haben,die Stelle um den Menschen herumzubauen und von seinen ganz individuellenFähigkeiten zu profitieren», so Rühle. Denn eigenständige Arbeit und Vertrauen indie Mitarbeiter sorgen nicht nur für Motivation, sondern langfristig auch fürEntlastung in der Chefetage.

Wo gelerntes Personal fehlt, können Quereinsteiger oder auch Flüchtlingeeinspringen. «Wichtig sind nur die richtige Anleitung und ein kontinuierlichesCoaching», sagt Andreas Müller vom Hotel Adler am Schloss. «Wenn wir bestimmteAufgabenblöcke in einfache Prozesse herunterbrechen und sie beispielsweise mitleicht verständlichen Videos erklären, sind die Handlungsanweisungen auch fürfachfremde Mitarbeiter klar.» Ein positiver Nebeneffekt: Höher qualifiziertesPersonal, das diese Aufgaben vorher mit abgedeckt hat, werde entlastet und könnesich wieder auf seine Kernaufgaben konzentrieren.

Bitte keine Schwarzmalerei
«Oft bekommt man den Eindruck, wir arbeiten in der unattraktivsten Branche derWelt. Dabei ist das gar nicht so», erklärt Mario Pick von der Novum Group. «Wirsollten weniger über die Schwächen reden und stattdessen das Positiveherausstellen, denn davon gibt es eine ganze Menge. Zum Beispiel unsereFlexibilität: Hat man in der Gastro oder Hotellerie gelernt, kann man überall aufder Welt arbeiten. Und irgendwie haben die Menschen, die in dieser Branche tätigsind, das ja auch in der DNA.»

Jürgen Lochbihler von Der Pschorr ergänzt: «Natürlich arbeitet man bei uns auch am Wochenende. Aber viele junge Leuteheute haben sowieso keine Lust auf 9 to 5, sie wollen Rock’n’Roll und lieber malsamstags arbeiten, wenn sie dafür montags frei haben und Skifahren gehenkönnen.» (htr/og)

Intergastra18
Die ganze Welt des Gäste-Business – das ist der Anspruch der Intergastra, eineder wichtigsten europäischen Fachmessen für Gastronomie, Hotellerie undengagierte Gastgeber. Das umfassende Angebot auf über 100.000Quadratmetern brachte 2016 knapp 100.000 Besucher mit rund 1.300 Ausstellernaus dem In- und Ausland zusammen. Mitdem Bau der neuen Messehalle 10 bietet die Messe ab 2018 mit 115.000Quadratmetern noch mehr Platz für Innovationen und Trends.Küchentechnik und Food, Ambiente und Ausstattung, Dienstleistungen,handwerklich hergestelltes Speiseeis, Getränke und Kaffee – das sind die Themen,zu denen sich die Fachbesucher aus dem In- und Ausland informieren und dabeiauch über den Tellerrand blicken. Im Südwesten schlägt das gastronomische HerzDeutschlands und bietet mit der Intergastra zum Jahresanfang Innovationen,Trends und vielfältige Möglichkeiten zum fachlichen Austausch. Weitere Infos unter www.intergastra.de.