Chris Rosser denkt gern grösser. Nicht bloss, weil er ein Talent dafür hat. Der Adelbodner Hotelier und Gastronom scheut sich vor allem nicht, auch mal zu scheitern. «Wer seine Visionen verwirklichen will, muss den Mut zum Risiko in den Genen haben», findet Rosser. Was der Unternehmer auf die Beine stellt, ist oft gewagt, meist erfolgreich und sicher anders, als man es kennt. So auch sein neustes, zehn Millionen schweres Grossprojekt, für das er etliche Finanzierungspartner brauchte und das am 17. Dezember mit einem Dorffest in Adelboden eingeweiht wird. Rosser eröffnet ein Aparthotel mit 144 Betten, die digitale Dorfstrasse, die erste Filiale des Restaurants Mister Cordon und den Laden Vogellisi Genusswelt.

«Wer seine Visionen verwirklichen will, muss den Mut zum Risiko in den Genen haben.»
Chris Rosser

Das Spannende an Rossers Geschäftsmodell: Es nutzt die Synergien zwischen den digitalen und analogen Elementen maximal aus, bietet Kooperationen mit lokalem Gewerbe und ist äusserst schlank aufgestellt. Gerade mal acht Mitarbeitende, alles Quereinsteiger, werden das Grossprojekt operativ stemmen. «Damit es funktioniert, musste ich alle Aufgaben möglichst vereinfachen. Die Angestellten arbeiten selbstständig und tragen auch die Verantwortung für ihre Entscheide mit», so Rosser. Er selbst bleibt als CEO der Coiffeurkette Haarwerk angestellt und wird in Adelboden vor allem als «Troubleshooter und treibende Kraft» walten.

  1. Das erste Aparthotel in Adelboden
    Mitten auf dem Dorfplatz, wo einst das Hotel Kreuz von Rossers Eltern stand, prangt ein Neubau im Chaletstil. «Wir haben relativ früh über die Nachfolgeregelung gesprochen, und es wurde schnell klar, dass wir das 109-jährige Haus mit seinen 25 Mitarbeitenden so nicht weiterführen können.» Es brauchte zeitgemässe Strukturen und ein profitableres Geschäftsmodell. Das neue Aparthotel ist deshalb mehr als eine Gästeunterkunft. Es fungiert als Schaltzentrale von Rossers Vision. Im Erdgeschoss hat der Hotelier einerseits ein Lager für die Produkte der digitalen Dorfstrasse eingerichtet, andererseits die Lobby belebt – mit dem Restaurant Mister Cordon, dem Vogellisi-Laden und der Gelateria Fridas.

    Eine Réception gibt es nicht, Ein- und Auschecken geht nur digital. Rossers Zielpublikum sind Familien und unkomplizierte Kunden, die in den funktional eingerichteten Zimmern mit Bad und Küche alles finden, was sie für ihren Aufenthalt brauchen. «Meine Gäste kommen nicht wegen des Hotels nach Adelboden, sondern wegen der Natur.» Eine Nacht im 6-Bett-Zimmer kostet zwischen 200 und 390 Franken. Für längere Aufenthalte gibts Vergünstigungen.

  2. Die digitale Dorfstrasse mit lokalen Produkten
    Zugespitzt formuliert ist die digitale Dorfstrasse das Amazon von Adelboden. Ein Onlineshop mit 300 lokalen Produkten – von Brot über Fondue, Kaffee und Fleisch bis zu Souvenirs. «Wir starten mit 14 Betrieben, die ihre Waren auf Digitaledorfstrasse.ch anbieten.» Rosser schwärmt von einer Win-win-Situation: «Für die Läden im Dorf sind wir keine Konkurrenz, weil wir ja ihre Produkte verkaufen, und dies auch dann, wenn die Geschäfte geschlossen sind.»

    Als Kunden peilt Rosser im ersten Jahr die vielen Tages- und Wochentouristen an, die heute in den Tankstellenshops entlang der Hauptstrasse einkaufen. Rossers Hoffnung: In seinem Onlineshop können Touristen ihr Apéroplättli oder das Fondue bereits bei der Anfahrt per Handy bestellen, vielleicht sogar auf der Piste oder dann nach dem Skifahren gemütlich in der Gondel. «Wenn sie in Adelboden ankommen, ist das Znacht bereits zum Abholen parat», freut sich Rosser.

    Im Aparthotel wird er dafür eine Pick-up-Box einrichten, die Produkte werden aber auch innert vier Stunden in die Region Frutigen geliefert. «Ich denke, dass es etwas Zeit braucht, bis die Leute verstehen, wie die digitale Dorfstrasse funktioniert, und sich das Ganze auch rechnet.» Umso wichtiger ist die Vermarktung. «Wir werden die digitale Dorfstrasse bereits bei der Hotelreservation vorstellen, Werbetafeln an der Hauptstrasse platzieren, und die Shops werden nach Ladenschluss ein Schild mit einem QR-Code aufhängen, der auf den Onlineshop verweist.»

  3. Der Hotelladen «Vogellisi Genusswelt»
    Ein Ort, an dem die digitale Dorfstrasse ein analoges Gesicht bekommt, ist der Hotelladen Vogellisi Genusswelt. Die Produkte sind nämlich dieselben wie im Onlineshop. Für Rosser bedeutet dies keinen Mehraufwand, für die Hotelgäste ist es jedoch ein attraktives Zusatzangebot. «Wenn sie anreisen, können sie schon mal das Frühstück oder das Abendessen einkaufen und vor der Abreise Geschenke shoppen», so Rossers Idee.

  4. Das Franchise-Restaurant «Mister Cordon»
    Wenn es um eine klare Positionierung geht, ist das «Mister Cordon» ein Paradebeispiel: Auf der Karte stehen ausschliesslich Cordons bleus. Mit Kalb, mit Schwein, vegan oder vegetarisch, mit und ohne Laktose. Die Cordons bleus werden in Langenthal produziert und im Restaurant dann in einer eigens entwickelten Cordon-bleu-Maschine in genau sechs Minuten auf den Punkt gebacken. Eine Person in der Küche reicht dafür aus. Eine zweite macht den Service. Der Clou: Die Gäste bestellen und zahlen ihr Essen per Handy, genauso gilt Selfservice bei Softdrinks. Die Servicekraft alias Mister Cordon bringt aber Bier und Wein und natürlich die Cordons bleus an den Tisch.

    «Adelboden ist ein Pilot, hier werden wir vieles bis zur Schmerzgrenze testen», sagt Rosser. Zum Beispiel wird man den Tisch nur für eine Stunde und 15 Minuten buchen können. «Da bei uns das Essen in sechs Minuten auf dem Tisch steht und die Gäste zum Zahlen nicht erst dreimal der Bedienung winken müssen, kann man eigentlich in einer halben Stunde essen», findet Rosser. Praktisch sei dieses Konzept vor allem für Familien, wenn die Kinder nach dem Skifahren Hunger hätten. Er sieht aber auch viel Potenzial bei unkomplizierten Gästen, die sich in einer geselligen Runde ein paar Cordons bleus teilen wollen.

    Natürlich hat sich der Unternehmer auch ein cleveres Marketingkonzept ausgedacht, das auf einer «wahren» Comic-Geschichte rund um Mister Cordon und Lady Bleu basiert. Funktioniert das Geschäftsmodell, will Rosser im Winter 2022 die ersten zwei «Mister Cordon»-Filialen in der Region Emmental und Interlaken eröffnen. «Diese betreiben wir selber, aber wenn sich alles gut eingespielt hat, machen wir ein Franchising daraus.» Laut Rosser sind bereits mehr als zehn Gastronomen interessiert, 2023 ein «Mister Cordon» zu eröffnen.

Dass am Anfang nicht alles reibungslos über die Bühne gehen wird, ist Chris Rosser nach über zehn Jahren im Business klar. So richtig Bauchweh machen ihm aber nur jene Dinge, die er selber nicht beeinflussen kann. «Wenn es wieder einen Lockdown gibt oder bis Ende Februar kein Schnee fällt, dann bin ich geliefert.» Steht ihm keine höhere Macht im Weg, ist der Visionär zuversichtlich, dass sein Grossprojekt die Saison mit einer 80-prozentigen Wahrscheinlichkeit übersteht. «Und an den restlichen 20 Prozent werden wir ab Frühling feilen.»

Dorffest am 17. Dezember: 
Fünf Bühnen, ein Weltrekordversuch, eine Show mit internationalen Gästen und ein Auto-Gewinnwettbewerb. Zudem werden Bagatello auf der Hauptbühne auftreten, Sandee sorgt für Gänsehaut und der Entertainer schlechthin - Bubi Rufener - moderiert den Abend. Der Event unterliegt der 2G-Regel – dadurch fällt die Maskenpflicht weg. Food- und Getränkestände bieten ihr normales Angebot an. Für jene, die nicht dabei sein können, gibt es einen Livestream auf Facebook sowie YouTube. Alle Informationen rund um den Event finden Sie hier.

Lucie Machac