Seit bald zwei Jahren begleitet uns die Corona-Pandemie in allen Lebensbereichen und mit ihr das Gefühl des Ausnahmezustands. Altvertraute Themen wie Digitalisierung oder Strukturwandel sind plötzlich in den Hintergrund getreten. Sie sind wegen der Krise aber nicht inexistent geworden. Die von der öffentlichen Hand ergriffenen Massnahmen konnten die coronabedingten Einschnitte weitgehend ausgleichen – und die strukturellen Veränderungen in der Ferienhotellerie für den Moment einfrieren. So ist beispielsweise die Zahl der Konkurse nicht so hoch ausgefallen wie zunächst befürchtet.

Es gilt, sich nicht in falscher Sicherheit zu wiegen
Die Meldungen der letzten Wochen zum steigenden BIP, dem sich erholenden Konsum und der Wertschöpfungssteigerung im Dienstleistungssektor geben Grund zur Hoffnung, dass auch der Schweizer Tourismus und mit ihm die Ferienhotellerie mit einem blauen Auge davonkommen werden. Gleichzeitig dürfen diese positiven Nachrichten aber nicht zu einer Fehleinschätzung der Situation führen. Die tat-sächlichen Auswirkungen der Krise werden sich erst nach einiger Zeit und nach Auslaufen aller Massnahmen zeigen. Dann werden allerdings die Folgen der Pandemie sowie die altbekannten Kräfte gemeinsam auf die Branche wirken.

Ziel sollte deshalb nicht sein, zum Vorkrisenzustand zurückzukehren. Die Ferienhotellerie hat während der Pandemie grossen Ideenreichtum, hohe Flexibilität und guten Kooperationsgeist gezeigt. Viele neue Konzepte sind entstanden und wurden in kürzester Zeit realisiert, so zum Beispiel innovative Angebote im Bereich von Homeoffice-im-Hotel, Langzeitaufenthalten (Staycation) oder Take-away und Lieferservices. Jetzt gilt es, diesen neu entstandenen Schwung zu nutzen, die Branche zu transformieren und zukunftsfit umzubauen. Statt einer Phase der Erholung (Recovery) muss deshalb eine der Neuentdeckung (Transcovery) eingeläutet werden. [DOSSIER]

Neue Gästewünsche zur Produktentwicklung nutzen
Eine sehr grosse Zahl Schweizer Gäste hat in den vergangenen Monaten die eigene Heimat als Reiseziel wiederentdeckt. Dies bietet eine unglaubliche Chance, sich diese Klientel dauerhaft zu erschliessen, indem unsere Ferienhotels durch herzliche Gastfreundschaft und hohe Qualität überzeugen. Hier gilt es, für die neu gewonnenen Gäste ein offenes Ohr zu haben und genau aufzunehmen, wofür sie sich begeistern, und das Hotelangebot entsprechend daran auszurichten. Zwar führen die aufgestauten Feriensehnsüchte nach Strand und Meer unwillkürlich zu einem höheren Reiseaufkommen ins Ausland, sobald wieder unbeschwert gereist werden kann, aber die alten und hoffentlich positiven Erinnerungen bleiben und führen den einen oder anderen Gast wieder zurück.

Fachkräftemangel mittelbar und unmittelbar beheben
Bekanntlich hat sich durch die Krise die Fachkräftesituation deutlich verschärft. Um heutzutage für Mitarbeitende attraktiv zu sein, ist bei den Ferienhotels ein hohes Mass an Flexibilität gefragt. Neben der Schaffung von Teilzeitstellen, geeigneten Qualifizierungsmassnahmen für Quereinsteigende oder Späteinsteigende (50+) muss dringend am eigenen Employer Branding gearbeitet werden, damit unter anderem auf Social Media junge Menschen erreicht und begeistert werden können. Dagegen sind die grossen Herausforderungen im Bereich der Personalunterbringung häufig nur von mehreren Hotels in Zusammenarbeit mit der Gemeinde zu meistern, denn Wohnraum für Einheimische ist knapp und teuer.

Das Thema Fachkräftemangel muss deshalb ebenfalls mittelbar angegangen werden, denn in einer Branche mit vergleichsweise tiefer Arbeitsproduktivität können erfahrungsgemäss nur eher wenig attraktive Löhne bezahlt werden. Daher liegt der entscheidende Schlüssel in der Optimierung der Kostenstrukturen und im Einsatz der frei werdenden Mittel in der Schaffung eines besseren Vergütungsniveaus. Dies kann einerseits durch den Einsatz von Digitalisierung in Backend-Prozessen (beispielsweise im Wareneinkauf oder bei der Personalplanung) erfolgen oder durch die Nutzung von Synergien bei der Zusammenlegung von betrieblichen Aufgaben mit anderen Hotels (etwa im Housekeeping, beim Unterhalt, im Marketing oder der Vorproduktion von Speisen). Egal, welchen Weg ein Unternehmen wählt, es braucht viel Anstrengung und Engagement, anfängliche Investitionen und vor allem den Sprung über den eigenen Schatten.

Mit Kraft aus der Krise und in eine neue Zeit
Um den anstehenden Strukturwandel bewältigen zu können, muss sich jeder Betrieb fragen, was sich in der Krise bewährt hat, was mit in eine neue Zeit getragen werden soll und wie dies in einem «neuen», erstarkten Betrieb aufgehen kann. Der Einschnitt, den die Corona-Pandemie hinterlassen hat, muss zum Anlass genommen werden, nicht nur mehr im Betrieb zu arbeiten, sondern vor allem mehr am Betrieb zu arbeiten. Nur so kann die «Transcovery» gelingen und der betriebliche Fortbestand gesichert werden.


Fachautorin Lena Pescia ist Dr. rer. soc. und Dozentin für Tourismusmanagement am Institut für Tourismus und Freizeit (ITF) der FH Graubünden und widmet sich unter anderem der Untersuchung von neuen Lebens- und Arbeitsformen im Tourismus.[IMG 2]


Fachautor Norbert Hörburger ist Prof. FH und stellvertretender Leiter Forschung & Dienstleistung am Institut für Tourismus und Freizeit (ITF) der FH Graubünden und beschäftigt sich schwerpunktmässig mit Tourismusinfrastrukturen und -immobilien.[IMG 3]