Obwohl die Zahl und der Erfolg veganer Restaurants stetig wachsen und auch der Anteil vegetarischer und veganer Angebote auf den Speisekarten vieler Restaurants kontinuierlich steigt, ergibt eine kurze Internetrecherche keine Treffer in Bezug auf Innenarchitekturbüros, die «vegan» als Teil ihrer Bürokompetenz präsentieren. Auch bei der Hotelsuche ist es schwierig, meist beschränkt sich das vegane Angebot auf die Kulinarik.

Als positives Beispiel in Bezug auf Materialien und Interior Design sticht etwa die «Agrivilla i pini» in der Toskana hervor. Das vegan positionierte Hotel wurde 2018 vom italienischen Designer Antonio Pascale baubiologisch renoviert, mit dem Ziel, Altes zu bewahren und Neues zu beleben. So verwendeten die Macher nur Lehm, Hanf und Reishülsen. Zudem spielen restaurierte Vintage-Möbel, toskanische Terrakotta-Böden, edle Leinenstoffe und naturbelassene Materialien eine grosse Rolle. Diese Philosophie berücksichtigt nicht nur den veganen Aspekt, sondern nimmt auch Rücksicht auf gesunde und nachhaltige Materialien und integriert bestehendes, noch hochwertiges Mobiliar. [RELATED]

Klar, nicht jedes Hotel will oder kann so konsequent sein. Ein sorgfältiger Umgang bei der Materialisierung sollte heute jedoch selbstverständlich sein. Trotzdem achten erstaunlich wenige Hotel- und Gastrobetriebe beim Bauen und Renovieren konsequent auf gesunde, nachhaltige Materialien. Von veganen Produkten ganz zu schweigen.

[IMG 2] Und ebenso schwierig ist es, eine Hotelarchitektin oder einen Innenarchitekten zu finden, die oder der klar und glaubwürdig kommuniziert, dass sie/er kompetent und engagiert gesunde, nachhaltige Materialien in die Planungen und Entwürfe integriert. Obwohl diese Aspekte gesellschaftlich hohe Beachtung und wachsende Wertschätzung erfahren.

Es besteht also dringend Handlungsbedarf. Denn unsere Branchen, die Hotellerie und die Innenarchitektur, können es sich langfristig nicht erlauben, Gesellschaftstrends zu ignorieren. Wir verspielen es sonst, ein starkes, positives und kraftvolles Argument für Werbung und Marketing zu schaffen und zu nutzen.

Was zu tun ist
Glaubwürdige Aussagen
Die gute CO₂-Bilanz anzupreisen, ist schön und gut. Dabei geht jedoch oft vergessen, was für Materialien verwendet werden. Denn sind durchgängig giftige oder ungesunde Materialien wie umweltbelastende Putz- und Waschmittel, PVC-Böden oder Billigmöbel, die Lösungsmittel diffundieren, im Einsatz, so ist das nicht glaubwürdig.

Sachliche Beweise
Aussagen zur Nachhaltigkeit, die nicht durch sachliche Beweise oder Zertifizierungen durch Dritte gestützt werden, unbedingt vermeiden. Die Beweise müssen sichtbar und leicht zugänglich sein.

Griffige Botschaften
Schwammige, nichtssagende Umweltausdrücke vermeiden. Mit dem Jonglieren von Begriffen wie «umweltfreundlich», «nachhaltig» oder «grün» ist es nicht getan.

Korrekte Labels
Nur bewährte und etablierte Labels und Zertifizierungen auswählen, einsetzen und ausweisen.

Keine irrelevanten Infos
Keine irrelevanten Aspekte hervorheben. Beispiel: die Behauptung, die Klimatisierung sei «FCKW-frei», obwohl Fluorchlorkohlenwasserstoffe seit Jahren gesetzlich verboten sind.

Obwohl stets ein 7-Jahres-Zyklus zitiert wird, haben Innen­ausstattungen von Restaurants,
Lobbys und Hotelzimmern einen realistischen Lebenszyklus von 15 bis 20 Jahren: Die grossen Investitionen sollten also dringend ein kritisches Hinterfragen bestehen, ob sie über diesen langen Zeitraum von der nachwachsenden Gästegeneration als zeitgemäss angenommen werden. Denn Gäste und Mitarbeitende werden immer mehr nach Transparenz und Glaubwürdigkeit verlangen, auch am Arbeitsplatz und in der Freizeit. Und für die junge Generation Z – versiert im Umgang mit allem Digitalen – ist es ein Leichtes, schnell und routiniert die Spreu vom Weizen zu trennen, will heissen, echtes Engagement von aufgesetztem Greenwashing zu unterscheiden.

Ein herausragendes und begeisterndes Beispiel für den Einklang von Nachhaltigkeit, gesunden Materialien und gelebtem Mitarbeitenden-Engagement für den Umweltschutz ist das Vigilius Mountain Resort in Südtirol – gestaltet von Architekt Matteo Thun: Seit fünfzehn Jahren bewähren sich dort die konsequent eingesetzten regionalen Baumaterialien, also Lärchenholz, Naturstein und Lehm für Wände und Putze. Ich war sehr überrascht, wie wenig Unterhalt das Hotel dank guter, kompetenter Planung benötigt. Das Team lebt intensiv nachhaltiges Denken, sucht sich immer neue Herausforderungen mit diversen Ökozertifizierungen und selbst gesteckten Zielen.

Upcycling statt Wegwerf­mentalität leben
Wie eingangs erwähnt, geht es bei einem nachhaltigen Umgang im Bereich Bauen und Einrichten auch darum, Bestehendes zu bewahren. Auch wenn dadurch die veganen Kriterien nicht erfüllt sind. Etwa indem man qualitativ hochstehende, in die Jahre gekommene Möbel durch Upcyling wieder zum Strahlen bringt. Ein gutes Beispiel dafür ist die Schweizer Firma de Sede. Der für Ledermöbel international bekannte Schweizer Brand liefert eine erstklassige handwerkliche Verarbeitung, wie es nur wenige Manufakturen beherrschen. So haben Möbelklassiker von de Sede auch nach 20 oder 30 Jahren noch nicht ausgedient, sondern erhalten ein drittes Leben. Dieses beginnt nach einer Behandlung in der Spezialabteilung des Unternehmens, wo die Polsterung und das Gestell erneuert werden und das Leder aufgefrischt wird, bis es wieder wie neu wirkt. Das ist Nachhaltigkeit pur.

Nachhaltig sind auch die verwendeten Leder: Sie stammen ausschliesslich von Rindern aus der Schweiz, Italien und Deutschland, die zur Fleischproduktion gezüchtet wurden. De Sede kann sich zudem darauf verlassen, dass die Rinder artgerecht gehalten werden.

«Gäste und Mitarbeitende werden immer mehr nach Transparenz und Glaubwürdigkeit verlangen, auch am Arbeitsplatz und in der Freizeit.»
Karsten Schmidt-Hoensdorf, Architekt

In meiner Arbeit als Architekt habe ich nach wie vor viel mit Leder zu tun. Dabei lege ich jedoch grossen Wert darauf, nur gutes Leder einzusetzen und nur da, wo es wirklich sinnvoll ist. Und ich werde misstrauisch, wenn es mir wie ein billiges Stück Plastik angeboten wird. Denn angeblich sollen Leder aus China teilweise von Katzen und Hunden stammen. Welche chemischen Produkte bei billigem Leder in der Gerberei im Einsatz waren und unter welchen Arbeitsbedingungen die Endprodukte entstanden, überlasse ich der Fantasie oder dem Fachwissen der Leserin und des Lesers.

Doch es geht auch in Sachen Leder vegan: So gibt es diverse Ersatzprodukte dafür, unter anderem aus Kork, Ananasfasern oder aus fermentierten Pilzen. Beim echten Leder schätze ich jedoch die Langlebigkeit. Und wird es in der Schweiz von einem Spezialisten verarbeitet, dann ist das für mich das Höchste.

«Es geht auch in Sachen Leder vegan: So gibt es diverse Ersatzprodukte dafür, unter anderem aus Kork, Ananasfasern oder aus fermentierten Pilzen.»
Karsten Schmidt-Hoensdorf, Architekt

Es gibt zahlreiche weitere Schweizer Traditionsfirmen, die viel zum Erhalt von hochwertigen Möbeln beitragen. Horgen Glarus zum Beispiel holt seine Holzstühle nach jahrzehntelangem Gebrauch in der Gastronomie zur Reparatur und Restauration ab und bringt sie dem Betrieb wieder zurück. Auch die Firmen Alias und Girsberger bieten diesen Service an. Und die Firma Embru nimmt ihre Spaghetti-Stühle zurück und restauriert sie.
Mit Sicherheit existieren noch mehr solche Beispiele handwerklich hochstehenden und nachhaltigen Handelns. Von keiner Firma in Übersee können wir das erwarten. Ein Billiggartenstuhl aus Asien hat eine kurze Lebensdauer, und der Transport belastet die Energiebilanz. Und auch die Gestaltung lässt viele Wünsche offen.

Dass sich unsere Branche jedoch in eine gesunde Richtung entwickeln könnte, zeigen Zukunftsforscher wie Matthias Horx. Diese prognostizieren eine Bewegung hin zum Slow-Tourismus. Dieser beinhaltet Respekt vor der Natur und einen sorgfältigen Blick auf die Dinge, die uns umgeben – und das gilt ganz besonders auch im Restaurant und im Hotel in Bezug auf Materialien.



Vegan und nachhaltig

Mit wenig Zusatzaufwand lässt sich viel für ein gesundes Ambiente tun

Vegane und nachhaltige Produkte lassen sich gut im Hotelzimmer einsetzen. Das heisst für Hotelièren und Hoteliers: Ersatz für Daunenfüllungen suchen, Kosmetika wählen, die ohne Tierversuche und tierische Komponenten wie Fette produziert wurden. Wenn ein Ledermöbel gewünscht und sinnvoll ist, Herkunft und Nachhaltigkeit sorgfältig recherchieren. Gesunde Materialien verwenden, die nicht ausdünsten. Lehmputze, zum Beispiel an den Decken, beeinflussen das Raumklima sogar positiv. Echte, regionale Materialien bevorzugen, Handwerker vor Ort suchen. Beim Umbau nicht alles radikal entsorgen, sondern prüfen, ob nicht doch das eine oder andere Möbel es wert ist, restauriert zu werden.
Weitere Infos zu gesunden Materialien:

raumprobe.com
baumuster.ch


Karsten Schmidt-Hoensdorf ist Gründer und kreativer Kopf des Zürcher Architekturbüros und Interior-Design-Studios IDA14. Er verwirklichte in den letzten 25 Jahren zahlreiche Projekte in der Hotellerie und ist national und international als Berater für Hotels und Hotelbrands tätig.