Vincenzo Ciardo, vor sechs Jahren wurden Sie Direktor im Hotel Ibis Bern, zwei Jahre später übernahmen Sie als Generalmanager die operative Gesamtverwaltung aller drei Accor-Hotels auf dem Berner Messe-Komplex und ab September 2018 steigen Sie als Vice President Operations ins Management der Hotelgruppe auf. Welche persönlichen Gründe haben Sie zu diesem Wechsel bewogen?

Unsere tolle Branche befindet sich nach wie vor in einem unglaublich schnellen Wandel. Die Möglichkeit zu haben, diesen Wandel in einem gewissen Rahmen mitgestalten zu können, ist für mich ein grosses Geschenk.

Wo sehen Sie die Hauptunterschiede zu Ihrer Aufgabe als General Manager?

Fehlentscheide würden ein paar Nullen mehr wiegen (lacht) … Die Arbeit wird bestimmt noch strategischer und breiter sein, als sie es in den letzten Jahren bereits war. Ich freue mich, erfahrene, kompetente, internationale Hoteldirektoren begleiten zu dürfen. Ich werde aber meine Teams in Bern sehr, sehr, sehr vermissen. Ohne die tolle Mannschaft in Bern hätte ich dieses Ziel nicht erreicht.

Sie legten in Ihrer jungen Karriere einen Blitzstart hin, wo sehen Sie sich beruflich in 15 Jahren?

Ich hoffe, in 15 Jahren denselben Enthusiasmus und dieselbe Motivation für unsere Branche zu haben wie heute, alles andere muss sich noch entwickeln und wird sich zeigen. Ziele soll man sich so hoch als möglich setzen, kleiner werden sie von selbst.

Welche drei Tipps geben Sie einem jungen, aufstrebenden Nachwuchs-­Hotelier mit auf seinen Weg?

Sei mutig. Achte bei allem, was du tust, auf das Gleichgewicht. Arbeite ununterbrochen an deiner Inkompetenzkompensationskompetenz.

Was ist das Faszinierende an Ihrem Beruf?

Ich könnte ein ganzes Buch füllen mit dem Faszinierenden daran, in Hotellerie und im Tourismus tätig zu sein, Gastgeber zu sein. MENSCHEN und KULTUREN könnte das Buch heissen. Die sind das Faszinierende!

Wie sieht Ihr «perfektes» Hotel aus?

Ich arbeite noch am Bild von meinem «perfekten Hotel».

Wenn Sie als Gast ein Hotelzimmer betreten, worauf achten Sie am meisten?

Luftqualität, Beleuchtung, Sauberkeit (die versteckte, nicht die oberflächliche) und auf das Gesamtkonzept vom Zim-
mer (falls vorhanden). Allgemein in einem Hotel sind es die Menschen, die es ausmachen, worauf ich am meisten achte.

Mit welcher historischen Person würden Sie gerne Nachtessen?

Mit Winston Churchill, Walt Disney und Licio Gelli gleichzeitig, das wäre eine spannende Runde.

Welche menschlichen Werte liegen Ihnen am Herzen?

Ethik, Loyalität, Respekt, Dankbarkeit. Vor allem aber Neugier im Sinne von stets einen Schritt weiter gehen, um das Gesamte zu verstehen und den Wert zu schätzen.

Vincenzo A. Ciardo lancierte 2001 seine berufliche Karriere mit einer Lehre zum Servicefachangestellten im Hotel Bellevue au Lac in Hilterfingen (BE). Es folgte eine Koch-Lehre im Berner «Schweizerhof» und das eidg. Diplom Hôtelier/Restaurateur HF an der Hotelfachschule Thun. 2014 schloss er den Studiengang Bachelor in Hospitality & Tourism Management ab. 2009 wurde der italienisch-schweizerische Doppelbürger stv. Direktor im Grand Hotel Tiziano, Lecce (IT). Ein Jahr später stieg er bei den Accorhotels als Assistant Manager im Hotel Ibis Bern Expo und bei der Bern Messe Hotels AG ein. 2014 wurde er General Manager der Bern Messe Hotels mit einem Novotel, Ibis und Ibis Budget. Per September tritt er den Posten des Vice President Operations von Accorhotels Schweiz an. 2017 war der heute 33-Jährige für den Milestone-Nachwuchspreis nominiert.

Was bringt Sie auf die Palme?

Wenn ich ein Problem nicht lösen kann, oder wenn jemand denselben Fehler mehrmals macht. Und ganz schlimm finde ich Fingernägelkauen während einem Gespräch/Sitzung, das kann ich gar nicht ausstehen.

Was empfinden Sie als stillos?

Kurzarmhemde, und wenn Gürtel und Schuhe nicht dieselbe Farbe haben. «Underdressed» zu sein, ist mehr als stillos.

Wem würden Sie gerne einmal Ihre Meinung sagen?

Allen selbsternannten Kritikern unserer Branche, die zwar kritisieren wie Profis, aber kaum eine Ahnung haben, was es bedeutet Hotelier, Gastronom oder Touristiker zu sein. Allen Neidern und noch vielen anderen, die zuviel über etwas oder jemanden sprechen, von dem sie nichts verstanden haben.

In welche Schuhe möchten Sie einen Tag lang schlüpfen, und warum?

In jene von Luca Cordero di Montezemolo, einem Manager und Unternehmer mit beeindruckender strategischer Denkweise und passendem Charisma.

Wie erholen Sie sich nach einem anstrengenden Tag?

Mit meiner Familie, beim Kochen, überall wo es einen See oder Meer hat oder bei einem Glas Portwein und einer Partie Schach.

Können Sie eine Woche ohne Handy und Internet überleben?

Geht’s noch? Unmöglich! Nicht mal eine Stunde.

Bei welcher Fernsehsendung sind Sie noch nie eingeschlafen?

Ich schaue grundsätzlich sehr selten TV. Ich würde aber niemals bei einem Klassikern mit Tinto Brass oder Bud Spencer und Terence Hill einschlafen.

Welches ist ihre Lieblingsmusik-Gruppe oder Musiker und warum?

Ein Underground Künstler Namens Juze.  Das ist echte, tiefgründige, authentische Rap-Musik.

Wenn Sie heute Gäste empfangen, was würden Sie für sie kochen?

Ein sogenannter «Panzanella», ein toskanischer Brotsalat, danach ein saftiges Thunfisch-Steak, mariniert mit vielen frischen Kräutern, Kapern, Amalfi-Zitronen und feistem Olivenöl aus Apulien. Dazu vielleicht etwas Couscous oder ein Risotto und ein weisser «Merlot» aus dem Tessin.

Mit welcher Sportart können Sie rein gar nichts anfangen, und warum?

Mit allem, was ab 5 Metern Höhe gemacht werden muss.  – Ich bin akrophob.

Welche besondere Fähigkeit würden Sie gerne beherrschen – und warum?

Die Fähigkeit, nichts zu vergessen, wäre sehr interessant. Alles Erlebte, alles Erfahrene, alles Gelernte lückenlos abrufbar zu haben, würde bestimmt die Sicht auf die Welt stark verändern.

Welchen Jugendstreich vergessen Sie nie?

All die gefährlichen Rennen mit den frisierten Töffli. Ich hatte mehrmals Glück, der Töffliverschleiss war gross …

Was wollten Sie als Kind einmal werden?

Ich wollte Archäologie studieren.

Haben Sie aus Ihrer Kindheit ein Andenken, das Sie noch heute aufbewahren?

Ein Foto von meinen Eltern als beide jung waren, und ich als Kind stets so wunderschön fand. Dieses habe ich seit Jahren immer in meinem Portemonnaie dabei.

An welchen persönlichen Dingen hängen Sie besonders, und weshalb?

Den Familienring, welchen mir mein Vater übergeben hat! Warum, versteht sich von selbst.

Welche Website steht zuoberst auf Ihrer Favoritenliste?

www.htr.ch – natürlich …

Das Interview ist in der htr hotel revue vom 26. Juli 2018 erschienen. (htr/npa)