Was wünschen Sie sich für den Schweizer Tourismus?
Ich bin vorsichtig, wenn es darum geht, Patentlösungen für das ganze Land zu formulieren. In St. Moritz und dem Engadin wünsche ich mir mehr Mut. Eine gewisse Furchtlosigkeit hat St. Moritz damals zu dem gemacht, was es heute ist. Wir dürfen nicht nur in der grossen Vergangenheit schwelgen. Wir müssen vermehrt auch handeln wie die Pioniere.

Zur Person
Christian Jott Jenny wurde am 8. August 1978 geboren. Der gebürtige Zürcher studierte Gesang und gründete im Jahr 2007 das «Festival da Jazz St. Moritz». Letztes Jahr startete der Musiker, Schauspieler, Produzent und Unternehmer seine Karriere in der Politik: Christian Jott Jenny wurde Ende Jahr in St. Moritz zum Gemeindepräsidenten gewählt und hat das Amt am 1. Januar 2019 angetreten.

Was zeichnet einen guten Touristiker aus?
Er muss ein Menschenfreund sein. Er muss Gastgeber sein wollen. Und ich glaube, die Zeiten sind vorbei, als es darum ging, wer sich tiefer vor den Gästen verbeugen kann. Ein Touristiker solle nicht einfach der perfekte Diener sein. Er sollte die Menschen auf Augenhöhe bei sich «zu Gast» empfangen.

Welchen Tipp würden Sie jungen Touristikern geben?
Sicher ist es ratsam, in die Welt hinauszugehen. Man sollte aber nicht einfach nur schauen, was grad in ist, sondern versuchen, Neues anzustossen und auszuprobieren. Auch hier gilt: Furchtlos sein. Man darf im Leben auch einmal Fehler machen.

Was ist das Faszinierende an Ihrem Beruf?
...welchen meinen Sie nun? Der Politiker? Der Unternehmer oder den Künstler? – Pauschal geantwortet: Alle drei scheinen in meinem Falle Berufung zu sein. Ich hatte noch nie das Gefühl, etwas aus Zwang zu müssen. Ich wollte stets selber. Aus eigenem Antrieb. Das ist erfüllend!

Was mögen Sie an der Tourismusbranche nicht?
Der Hang zum Zerstörerischen von Mutter Natur.

Wie sorgen Sie für eine Work-Life-Balance?
Ganz ehrlich: Das ist nicht wirklich ein Wort in meinem Vokabular. Ich arbeite spätnachts an Mails. Ich bin sehr früh wach, arbeite viel, nehme mir aber immer auch Zeit für meine Kinder. Ich kenne keine Stempeluhr. Die Dinge vermischen sich oft in meinem Leben. Aber ich mag es so und will es so.

Wie begeistern Sie Mitarbeitende?
Mit Humor. Ich nehme mich nicht zu ernst. Zudem mag ich es routinierte Abläufe etwas auszuhebeln. Das hält mich wach und die Mitarbeitenden ebenso.

Welche Tourismusregion inspiriert Sie?
Der Mond.

Was machen Sie als erstes, wenn Sie als Gast ein Hotelzimmer betreten?
Schauen ob das WLAN funktioniert. Danach hüpfe ich wild auf dem Bett herum und begutachte die Sprungkraft. 

Wofür würden Sie sich entscheiden: Punk-Musik in einem 5-Sterne-Hotel oder Walzer in einer Jugendherberge?
Wir hatten vor zwei Wochen einen Punk im Badrutts Palace: Nigel Kennedy, der Stargeiger und Enfant-Terrible der internationalen Musikszene, war Gast am Festival da Jazz St.Moritz...

Welches Hotel inspiriert Sie und weshalb?
Das «Paradiesli» in Betlis, unterhalb Amden. Der neue Luxus ist Einfachheit, Authentizität und nahe an der Natur, an der Quelle. Hier rennen Pfauen rum, Alpaccas und Hühner wecken einen und man ist weit davon entfernt, darüber nachzudenken, was in den (einfachen!) Zimmern fehlt. Es ist vollkommen egal. Dafür gibt es ein Faxgerät.

Mit welcher berühmten Person würden Sie gerne Nachtessen?
Man warnt ja gerne davor, seine Helden zu treffen. Trotzdem hätte ich wohl nichts gegen ein kleines Dinner mit der Opernsängerin Maria Callas, dem Unternehmer Gottlieb Duttweiler und mit dem Komiker Peter Sellers.

Was darf auf keinen Fall fehlen, wenn Sie auf Reisen gehen?
Mit einer Kreditkarte und meinem geliebten alten Nokia käme ich schon ziemlich weit. 

Welches Buch/Lektüre liegt bei Ihnen auf dem Nachttisch?
Die Bibel. Da ich oft in Hotels wohne... Aber sie bleibt in der Schublade. 

Was würden Sie unternehmen, wenn Sie ein Jahr lang frei hätten?
Frei? Was ist das? Es mag komisch klingen, aber nach einem Monat reisen würde ich wohl wieder anfangen Konzerte zu organisieren oder selbst vermehrt auf Bühnen zu stehen. «Frei» zu haben ist nicht wirklich auf meiner Wunschliste. Es ist überbewertet. Der Mensch wäre mit allzuviel «Frei» hoffnungslos überfordert. Wir brauchen Aufgaben. Dies auch in Form von Arbeit.

Was trifft eher zu: Ein orgiastisches Bankett wie bei Asterix oder gesunde Karotten, wie Bugs Bunny sie knabbert?
Für mich stets die Orgie!

Was wollten Sie als Kind einmal werden?
Sänger.

Welchen Jugendstreich vergessen Sie nie?
Gemeindepräsident geworden zu sein. 

Welche besondere Fähigkeit würden Sie gerne beherrschen?
Man müsste Klavier spielen können  – denn wer Klavier spielt hat Glück bei den Frauen...

In wessen Schuhe möchten Sie einen Tag lang schlüpfen?
In die Latschen von Donald Trump.  (og)