Wer wird Nachfolgerin oder Nachfolger der beiden abtretenden Bundesräte Johann Schneider-Ammann (FDP) und Doris Leuthard (CVP)? Die Antwort wird die Bundesversammlung bei den Bundesratsersatzwahlen am 5. Dezember liefern. Zur Wahl stehen drei Frauen und ein Mann, darunter drei Vertreter aus Bergregionen. Die Herkunft der Bundesratsaspiranten ist nicht nur für die Repräsentation der verschiedenen Landesteile interessant, sondern auch in Hinblick auf die Zukunft des Schweizer Tourismus. Denn mit dem Abgang Schneider-Ammanns entsteht eine Vakanz an der Spitze des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung, unter dessen Dach auch das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) und damit das Ressort Tourismuspolitik angesiedelt sind.

Ob die Nachfolgerin oder der Nachfolger des Wirtschaftsministers einer der beiden Neuzugänge sein wird, ist indes offen. Gemäss dem «Anciennitätsprinzip» dürfen nämlich die amtsälteren Bundesratskolleginnen und -kollegen zuerst ihr Wunschdepartement nennen. Unabhängig von der Vergabe der Departemente werden die beiden neuen Bundesräte die Schweizer Tourismuspolitik der kommenden Jahre massgeblich mitprägen. Die htr hat die vier Bewerberinnen und Bewerber deshalb zu ihren Vorstellungen in der Tourismuspolitik befragt. Alle vier Befragten präsentieren sich – wenig überraschend – ausgesprochen tourismusfreundlich. Kritisch ins Gericht gehen sie dagegen mit der Stellenmeldepflicht, deren Umsetzung nicht nur, aber gerade im Gastgewerbe massiv kritisiert wird.

Welche Impulse für die Schweizer Tourismuspolitik darf man von Ihnen als Bundesrätin bzw. Bundesrat erwarten?

Viola Amherd: Aufgabe des Bundes ist es, Tourismusakteuren optimale Rahmenbedingungen für deren Entwicklung zu bieten. Damit sich der Tourismus international behaupten kann, müssen wir die Strukturen und Prozesse optimieren. Und zwar so, dass jeder investierte Franken gegenüber dem Gast maximale Wirkung erzielt, wir die regionale Wertschöpfung steigern und unser hohes Qualitätsniveau halten können. Strategische und finanzielle Impulse sollten gerade im Bereich der Digitalisierung und in diesem Zusammenhang auch in Themen der Zusammenarbeit und der Qualifizierung ausgelöst werden.

Heidi Z'graggen: Der Tourismus ist ein wichtiges Standbein der Schweizer Volkswirtschaft. Für viele Regionen in unserem Land ist er existenziell. Weltweit ist der Tourismus seit Jahren eine der stark wachsenden Wirtschaftsbranchen. Die Schweiz verfügt über hervorragende Voraussetzungen, um dieses anhaltende Wachstum sowohl in den Städten als auch im Berggebiet erfolgreich zu nutzen. Voraussetzung ist, dass wir den Tourismus auf die sich verändernden Rahmenbedingungen ausrichten, attraktiv und leistungsfähig und damit international wettbewerbsfähig entwickeln können.

Während meiner Amtszeit als Urner Regierungsrätin habe ich das Dossier «Tourismusresort Andermatt» federführend betreut. Dieses Projekt zeigt die enorme gesamtwirtschaftliche Bedeutung und das Potential der touristischen Entwicklung. Es beweist aber auch, dass es möglich ist mit entsprechenden Anstrengungen aller beteiligten Partner, gute Kompromisse zwischen Ökonomie und Ökologie zu finden.

Karin Keller-Sutter: Die Tourismusbranche und die damit verbundenen Branchen sind wichtig für unser Land. Wir stehen dabei im internationalen Wettbewerb. Der Schweizer Tourismus kann nur bestehen, wenn wir weiterhin auf Qualität und Innovation setzen. In der Gesetzgebung ist weniger mehr. So klagt die Branche zu Recht über steigende Anforderungen z.B. im Lebensmittelrecht.

Hans Wicki: Als Verwaltungsratspräsident der Titlisbahnen und auch als Nidwaldner Ständerat kenne ich die Bedürfnisse 
aber auch die Bedeutung der Tourismusbranche sehr gut. Die Rahmenbedingungen für ein innovatives Agieren der Tourismusbranche müssen dringend angepasst werden.

Obwohl die Anzahl der Logiernächte aktuell wieder steigt, bleibt die betriebswirtschaftliche Lage vieler Schweizer Beherbergungs­betriebe angespannt. Sollten die Betriebe Ihrer Meinung nach zusätzlich entlastet werden?

Viola Amherd: Die angespannte Lage hat unterschiedliche Ursachen. Für mich ist es grundsätzlich ein Anliegen, die administrative Last für Betriebe so gering wie möglich zu halten. So kann zum Beispiel durch Kooperation oder neue Möglichkeiten im Bereich der Digitalisierung auf die Herausforderungen, die sich den einzelnen Betrieben stellen, reagiert werden. Der Bund soll Vorhaben in diesen Themenbereichen weiterhin über die bestehenden Förderinstrumente unterstützen.

Heidi Z'graggen: Ein attraktives Beherbergungsangebot in geeigneten wettbewerbsfähigen Strukturen ist für die Zukunft wesentliches Element des touristischen Erfolgs. Eine Fortsetzung des Strukturwandels muss deshalb aktiv gefördert und unterstützt werden. Die Förderung eines tourismusfreundlichen Regulierungsumfeldes – wie es auch in der Tourismuspolitik des Bundes klar zum Ausdruck kommt – ist dabei ebenso wichtig und dringend wie finanzielle Investitionsanreize.

Karin Keller-Sutter:
o    Tourismus als attraktiver Arbeitsmarkt: Der Tourismussektor muss Arbeitnehmende gemäss den Bedürfnissen der Touristen beschäftigen können (Sonntagsarbeit, durchgehende Öffnungszeiten etc.).
o    Abbau von technischen Handelshemnissen (z.B. Importbarrieren) zur Senkung der Preise.
o    Fairer Wettbewerb und gleich lange Spiesse zwischen traditionellen und neuen Geschäftsmodellen (bspw. Hotels und Airbnb-Angebote).
o    Infrastrukturen in der Schweiz stärken: Eine sehr gute Verkehrsanbindung, ein exzellenter Internetanschluss sowie ein hervorragendes Mobilfunknetz sind notwendige Voraussetzungen, damit der Schweizer Tourismus generell und speziell in der Peripherie wettbewerbsfähig bleiben kann.
o    Weitere Eingriffe in die Raumplanung verhindern (z.B. keine weitere Verschärfung der Lex Koller).

Hans Wicki: Wichtig ist, dass man das touristische Potential seiner engeren Heimat erkennt. Dann braucht es eine Vision für eine erfolgreiche Nische und natürlich auch den Drang, etwas erreichen zu wollen. Soviel zur Aufgabe der Unternehmer. Die politische Aufgabe ist es, diese unternehmerische Haltung nicht zu bremsen. Aus diesem Grund müssen alle einengenden Rahmenbedingungen eliminiert werden.

Der Bund erarbeitet zurzeit die Botschaft für die Standortförderung für die Jahre 2020-2023. Zentral sind dabei die touristischen Förderinstrumente Schweiz Tourismus, die Schweizerische Gesellschaft für Hotelkredit (SGH), die Neue Regionalpolitik (NRP) und Innotour. Welche Rolle sollen diese Instrumente Ihrer Meinung nach in Zukunft spielen?

Viola Amherd: Die heute bekannten Förderinstrumente haben sich etabliert und ergänzen sich gut. Sie sollen aber nach dem Bedürfnis der Tourismusakteure weiterentwickelt werden können. Gerade mit der Digitalisierung verändern sich Aufgaben und Anforderungen an Infrastrukturen oder an Kompetenzen. Der Bund kann darauf reagieren, indem er die Schwerpunkte der Förderinstrumente richtig setzt. Grundsätzlich ist es wichtig, aktiven Tourismusakteuren Anschubfinanzierungen für ihre Projekte zu bieten.

Heidi Z'graggen: Diese Instrumente sind wichtig. In Andermatt haben wir insbesondere mit den Mitteln der neuen Regionalpolitik sehr gute Erfahrungen gemacht. Besonders ist dabei, dass wir über die Kantonsgrenzen hinweg mit den Kantonen Wallis, Graubünden und Tessin das NRP-Pionierprojekt «San Gottardo» aufbauen durften. Die finanziellen Leistungen der Kantone werden im Rahmen der NRP nach genau vorgegebenen Kriterien durch den Bund ergänzt. Das ergibt eine Hebelwirkung, die im Fall von Andermatt mit Erfolg unterstützend eingesetzt werden konnte.

Karin Keller-Sutter: Solche Überbrückungs- und Anschubhilfen durch den Staat dürfen eine Rolle spielen, doch muss das Ziel immer sein, dass die Tourismusbetriebe langfristig ihre Wettbewerbsfähigkeit beweisen und auf eigenen Beinen stehen können.

Hans Wicki: Alle Förderinstrumente, die mit Steuergelder alimentiert werden, müssen Innovationen ermöglichen, die zukünftig ein nachhaltiges erfolgreiches Agieren in der Tourismusbranche ermöglichen. Die Tourismusbranche leidet heute unter einem enormen Wettbewerbsdruck aus dem Ausland und aus diesem Grund auch unter sinkenden Margen. Mit diesen Förderinstrumenten kann der Bund der Tourismusbranche helfen, auch zukünftig innovative Angebote in gewünschter Qualität zu erbringen und dabei auch noch die notwendige Rendite zu erzielen.

Der Fachkräftemangel ist eine der grössten Herausforderungen des Gastgewerbes. Zusätzlich erschwert wird die Lage durch die Stellenmeldepflicht, die Branchenberufe mit sehr unterschiedlichen Qualifikationsanforderungen über einen Kamm schert. Werden Sie sich als Bundes­rätin bzw. Bundesrat dafür einsetzen, die Stellenmeldepflicht branchengerechter auszugestalten?

Viola Amherd: Im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben ist es mir ein Anliegen – übrigens nicht nur für die Tourismusbranche – die bürokratischen Lasten so gering wie möglich zu halten und den unterschiedlichen Stellenanforderungen gerecht zu werden. Zusätzlich gilt es, bei Rekrutierungsprozessen innovative Lösungen mit Hilfe digitaler Möglichkeiten zu finden, etwa über branchenspezifische Plattformen.

Heidi Z'graggen: Die Stellenmeldepflicht ist ein erst kürzlich eingeführtes Instrument. Die bisherigen Rückmeldungen zeigen, dass Optimierungsbedarf besteht. Die von den Betrieben aufgezeigten Probleme sind rasch und sorgfältig zu prüfen und die vertretbaren Resultate umgehend in einer Anpassung der Vorgaben umzusetzen.

Karin Keller-Sutter: Es ist klar, dass die Bürokratie bei der Stellenmeldepflicht abgebaut werden muss. Die Rücksichtnahme auf branchenspezifische Umstände kann eine zusätzliche Verbesserung bringen.

Hans Wicki: Es war nicht der Wille des Parlaments, die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative so restriktiv umzusetzen. Das war der Wille des Bundesrates in seiner damaligen Zusammensetzung. Selbstverständlich werde ich mich auch in dieser Frage für eine möglichst unternehmerfreundliche Umsetzung einsetzen und versuchen, meine Politik optimal im Bundesrat durchzusetzen.

[IMG 2] Viola Amherd, 56. Die diplomierte Anwältin und Notarin aus Brig (VS) ist seit 2005 für die CVP im Nationalrat. Zwölf Jahre lang war sie Stadtpräsidentin der Gemeinde Brig-Glis. Amherd ist unverheiratet.


Heidi Z'graggen, 52. Die ausgebildete Primarlehrerin und promovierte Politologin aus Uri ist seit 2004 Regierungsrätin und Justizdirektorin. Die CVP-lerin ist liiert und wohnt in Erstfeld. [IMG 3]


[IMG 4] Karin Keller-Sutter, 54. Die ausgebildete Konferenzdolmetscherin aus Wil (SG) mit Weiterbildung in Pädagogik ist seit 2011 FDP-Stände­rätin. Zuvor war sie zwölf Jahre Regierungsrätin. Sie ist verheiratet.


Hans Wicki, 54. Der Ökonom aus Hergiswil (NW) sitzt seit 2015 für die FDP im Ständerat und ist u. a. VR-Präsident der Bergbahnen Engelberg-Trübsee-Titlis AG. Wicki ist verheiratet und hat zwei Kinder. [IMG 5]