Artikel von Ophélie Lasnier, AWP

«Viele Arbeitnehmer aus der Hotellerie, der Gastronomie und von Reisebüros, welche derzeit wegen tiefen Umsätzen mit Teilzeitarbeit konfrontiert sind, ziehen derzeit einen Berufswechsel in Betracht», sagt Monika Bandi Tanner in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP. Bandi Tanner ist Co-Leiterin der Forschungsstelle Tourismus im Zentrum für Regionalentwicklung der Uni Bern.

Kündigungen trotz Fluktuation
«Es scheint, dass sich der Arbeitsmarkt über die natürliche Fluktuation etwas ausgleichen könnte, zu Kündigungen wird es aber wohl dennoch kommen», so Bandi Tanner. Am ehesten dürfte dies die Städte betreffen sowie Destinationen mit dem Gästefokus auf Fernmärkten wie den USA, den Golfstaaten oder Asien.

«Die Situation ist beunruhigend», stösst die Sprecherin des Dachverbandes HotellerieSuisse, Karin Sieber, ins gleiche Horn. «Der Anteil der in der Hotellerie beschäftigten Arbeitnehmer liegt zwar bei lediglich 1,5 Prozent der Gesamtbeschäftigung in der Schweiz. Von den knapp 55'000 Stellen, die im zweiten Quartal verloren gegangen sind, waren aber gut 10 Prozent dem Übernachtungssektor anzurechnen.»

Allein in der Westschweiz dürften 10 bis 15 Prozent der rund 30'000 im Hotelgewerbe Beschäftigten, also etwa 3'000 bis 4'500 Personen, ihre Stelle verloren haben, sagt Stefano Brunetti Imfeld, Präsident des Hotellerie Verbandes von Lausanne.

Und stützt man sich auf eine Studie der Konjunkturforschungsstelle KOF der Uni Zürich, bleiben die Aussichten auch für das dritte Quartal düster. «Die Aussichten für die Hotels und die Restaurants sind negativ und es ist mit weiteren Stellenreduktionen zu rechnen», meint Sieber von HotellerieSuisse.

Konkrete Prognosen wollte sie zwar noch nicht machen. Allein schon die Auslastungsrate der Hotels in den grösseren Städten im Juli – sie erreichte noch 24 Prozent nach 76 Prozent im Vorjahr – lasse aber weitere Kündigungen erwarten, auch wenn es regionale Unterschiede gebe.

Jungfraujoch und Titlis «out»
Im Bereich öffentliche Transporte leiden Destinationen mit einer starken Ausrichtung auf insbesondere asiatische oder nordamerikanische Gäste mehr als solche, die schon von Corona auf Schweizer ausgerichtet waren, wie Bruno Galliker ausführt, der Sprecher des Dachverbands öffentlicher Verkehr und Seilbahnen Schweiz. Er verweist dabei auf grosse Unterschiede zwischen verschiedenen Touristenattraktionen.

«Grosse Gipfel, wie etwa das Jungfraujoch, haben starke Einbussen erlitten, während andere Ziele einen besseren Sommer als üblich erlebt haben.» Hart getroffen von der Coronakrise wurden etwa auch die Titlis Bergbahnen, welche auch seit der Wiedereröffnung Anfang Juni weit weniger Gäste als erhofft begrüssen können. Das Umsatzniveau bewegt sich seither im Bereich von 20 bis 30 Prozent verglichen mit den Vorjahren.

Die Bahn hat für den Herbst denn auch einzelne Kündigungen nicht ausgeschlossen. Immerhin kommt es im Hinblick auf den Winter nicht zu Massenentlassungen.

Massiv in Mitleidenschaft gezogen wird auch der Luftverkehr. Bekanntlich will die Swiss die Kosten um 20 bis 25 Prozent reduzieren. Dass dies wie geplant ohne Entlassungen gelingen kann, scheint alles andere als sicher. Laut dem Schweizerischen Verband des Personals öffentlicher Dienste VPOD sind bei der Swiss über
1400 von rund 9500 Stellen gefährdet.

Bei Easyjet soll die Flaute ebenfalls mit Kurzarbeit für die 1'000 Mitarbeitenden in der Schweiz überbrückt werden. Zweifellos dürften aber auch in den Flughafen-nahen Betrieben wie dem Catering, den Boden- oder den Gepäckabfertigungsdiensten zahlreiche Stellen verschwinden.

Bei den Reisebüros stehen von den schweizweit knapp 8200 Arbeitsplätzen etwa 3000 auf der Kippe. Dies ist die Schätzung des Schweizerischen Reisbüroverbands. Dessen Präsident Max Katz sieht die Existenz vieler gesunder und unverschuldeter Unternehmen bedroht, wie er gegenüber AWP sagt.

Stützungsmassnahmen der Behörden
Laut Tanner von der Uni Bern haben die Massnahmen im Bereich Kurzarbeit sowie die Covid-Kredite indes dazu beigetragen, den Schaden durch die Krise einzuschränken und zu verzögern. «Eine Kündigungswelle im Tourismus konnte dadurch bisher vermieden werden.» Sie geht aber dennoch davon aus, dass es insbesondere in der Städte-Hotellerie und bei den Reisebüros zu Veränderungen kommen wird.

Auch Gian Reto Caduff, Leiter des Amts für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA) des Kantons Graubünden, möchte die getroffenen Stützungsmassnahmen nicht missen. Sie hätten geholfen, die Zahl der Arbeitslosen in den Bereichen Transport, Gastronomie und Hotellerie zu limitieren.

Der Kanton Wallis wiederum hat dem Tourismussektor mit einer Promo-Aktion unter die Arme gegriffen und dafür insgesamt 16 Millionen Franken aufgewendet. Von den unter die Leute gebrachten Gutscheinen zu je 100 Franken sollen insbesondere die Restaurants, die Bahnen und die Sportgeschäfte profitieren, wie Christoph Juilland vom Walliser Beschäftigungsobservatorium (OVE) erklärte.

Der Tourismussektor in der Schweiz beschäftigt laut Zahlen des Bundesamtes für Statistik über 170'000 Personen, mehr als die Hälfte davon arbeitet in der Gastronomie oder in einem Hotel. (awp sda)