«Ich habe in meinen 34 Jahren bei den Jungfraubahnen viele Krisen mitgemacht, doch die Corona-Krise ist einschneidender als alle anderen», sagte Kessler am Donnerstag im Gespräch mit AWP.

Einigermassen vergleichbar sei die jetzige Situation höchstens mit der Sars-Epidemie vor 17 Jahren. Nach Rekordergebnissen im vergangenen Jahr rechnet der Jungfraubahnen-Direktor im laufenden Jahr mit einem deutlichen Gewinnrückgang.

Erhalt der Arbeitsplätze
In Zeiten von Corona geniesse die Gesundheit der Mitarbeitenden oberste Priorität, fuhr Kessler fort. Rund zwei Drittel der Belegschaft sind in Kurzarbeit. Das Ziel von Kessler ist, das «Jungfraubahnen-Team zusammenzuhalten» und Entlassungen zu vermeiden. «Der Erhalt der Arbeitsplätze ist mir sehr wichtig. Und wir halten uns für die Zeit nach der Schliessung bereit und warten dazu unser Rollmaterial.»

Wann der Tag kommt, an dem das Reisen in der Schweiz wieder möglich sein wird, bleibt aber höchst unsicher. Bis mindestens am 19. April gilt die vom Bundesrat erlassene Verordnung, die unter anderem auch touristische Reisen verbietet. Der ausgedünnte ÖV-Fahrplan bleibt mindestens bis Ende April in Kraft.

Hoffnung auf Start im Mai
«Wir analysieren die Lage situativ von Tag zu Tag und hoffen, dass wir die touristischen Angebote Anfang Mai zumindest für den Schweizer Markt wieder eröffnen können», sagte Kessler. Sollte sich die Lage tatsächlich so rasch bessern, könne wohl ab zweiter Hälfte Juni verstärkt mit der Ankunft internationaler Gäste vor allem aus Asien gerechnet werden. «Die Erfahrungen aus der Vergangenheit haben gezeigt, dass der internationale Flugverkehr sehr rasch hochfahren kann.»

Trotz aller Hoffnung ist die Verunsicherung am Reisemarkt laut Kessler derzeit gross, insbesondere auch im wichtigen asiatischen Markt. Und das dürfte auch so bleiben, solange nicht klar ist, wann genau der Alltag in die Schweiz zurückkehrt und Reisen in Europa wieder möglich sind. Im Geschäft mit Gruppenreisenden stellt Kessler daher einen Buchungsstau fest.

Totaler Shutdown als Worst Case
Und es könnte noch schlimmer kommen. Der Jungfraubahnen-Direktor denkt insgesamt in vier Szenarien. Das Letzte, ein Worst-Case-Szenario, geht von einem längeren, eventuell kompletten Shutdown der Aktivitäten der Jungfraubahnen aus. Dieses Szenario würde laut Kessler dann zum Thema, wenn bis in den Sommer hinein die Bahnen, mit Ausnahme der ausgedünnten ÖV-Linien, geschlossen bleiben müssten.

«Die Entwicklungen und die Normalisierung rund um das Coronavirus in China stimmen mich aber zuversichtlich, dass wir früher starten können», bleibt Kessler optimistisch. «Ich gehe momentan davon aus, dass sich die Märkte im Juni erholen werden.» (awp sda)