In frühen Stadien der Pandemie seien Beschränkungen wohl am effektivsten gewesen, um die Ausbreitung zu stoppen, wie Forscher in einer Studie im Fachjournal «The Lancet Public Health» schreiben. Es sei dagegen unwahrscheinlich, dass Reisebeschränkungen wirksam seien, wenn sich das Coronavirus bereits schnell in einem Land verbreite.

«Daher ist es wichtig, dass die Regierungen Reisebeschränkungen gezielt anwenden», sagte der Leiter der Studie, Mark Jit, Professor an der London School of Hygiene and Tropical Medicine laut einer Mitteilung. «Bevor Einschränkungen eingeführt werden, sollten sie lokale Infektionszahlen, epidemische Wachstumsraten und den Umfang von Reisenden aus Ländern berücksichtigen, die stark vom Virus betroffen sind.»

Modellierungen mithilfe von Flugdaten
Zu Beginn der Corona-Pandemie hatten Staaten weltweit bis Ende April Reisebeschränkungen erlassen, um die Ausbreitung des Coronavirus einzuschränken. Die Studie ermittelte nun mithilfe von Schätzungen und mathematischen Modellen, wie sich mögliche Einschleppungen von Corona-Fällen auf nationale Pandemiegeschehen auswirkten. 

Dazu griffen die Wissenschaftler auf Flugdaten zu Reiseströmen aus dem Jahr 2019 zurück, als keine Beschränkungen galten. Sie verglichen die Zahl der durch Flugreisen zu erwartenden Covid-19-Fälle für zwei Szenarien in den Monaten Mai und September 2020 mit den Infektionen, die sich daraus innerhalb der Länder ergeben hätten.

Anteil der importierten Fälle nimmt ab
Die Forscher kamen demnach zu dem Schluss, dass Reisebeschränkungen vor allem zu Pandemie-Beginn effektiv gewesen sein könnten. Hätte es im Mai keine Verringerung der Reiseströme gegeben, würden der Studie zufolge die eingeschleppten Covid-19-Fälle in 102 von 136 untersuchten Ländern mehr als 10 Prozent der Infektionen ausmachen.

Auf mittelfristige Sicht schwächte sich der Einfluss aber ab: Sofern es bis September keine Reisebeschränkungen gegeben hätte, würden eingeschleppte Fälle lediglich bei 56 von 162 Ländern mehr als 10 Prozent der Infektionsfälle ausmachen. Bei der Mehrheit von 106 Ländern machten die importierten Fälle weniger als 10 Prozent der Infektionen aus – in 21 Ländern wären es sogar weniger als 1 Prozent.

«Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass strenge, nicht zielgerichtete Reisebeschränkungen in vielen Ländern wahrscheinlich nicht gerechtfertigt sind (...)», heisst es in der Studie. Ausnahmen seien aber Länder, die entweder gute internationale Reiseverbindungen haben oder insgesamt eine sehr geringe Inzidenz aufweisen. Zudem könnten Beschränkungen auch in Ländern wirksam sein, die sich an der Grenze zum exponentiellen Wachstum befänden – nicht aber dort, wo sich das Virus bereits rasch ausbreite, hiess es. (sda dpa)