Noch bis zum 14. August steht Locarno ganz im Zeichen des 74. Locarno Film Festival . Ein cineastisches Werk hat nun auch den Monte Verità, ein Ort oberhalb von Ascona, verewigt. Der Film ist in erster Linie ein Porträt einer Frau, die unter den gesellschaftlichen Normen ihrer Zeit leidet und vor einer schwierigen Entscheidung steht. Es ist aber auch ein Film, der die Seele des Monte Verità, die Stimmung unter den Sinnsuchenden zu Beginn des 20. Jahrhunderts und die Schönheit der dortigen Natur einfängt.

Wie Regisseur Stefan Jäger im Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte, will der Film kein historischer Abriss der wahren Begebenheiten auf dem Monte Verità sein, sondern ein künstlerisches Werk mit einem spannenden Plot. Der Film feierte in Locarno Weltpremiere und kommt am 26. August in die Deutschschweizer Kinos.

Vom Zufluchtsort für Weltverbesserer zum «Ort für alle»
Die einstige Kommune Monte Verità ob Ascona hat im Laufe der Zeit einen starken Wandel durchgemacht. Nach dem Auszug der Gründer 1920 wird der 321 Meter über Meer gelegene «Berg» durch Baron Eduard von der Heydt erworben. Der Bankier, Kunstsammler und Mäzen lässt den Monte Verità zur Residenz umwandeln und bewohnt ab 1926 die Casa Anatta, später zieht er in eine Villa nach Ascona und macht den Berg zu einem Treffpunkt von Persönlichkeiten aus Politik, Gesellschaft und Kunst.

Mit der Ankunft von Eduard von der Heydt zieht auch die moderne Architektur ins Tessin ein. Der ursprüngliche Auftrag zur Errichtung eines Hotels im vom Bauhaus geprägten Stil geht an den holländischen Architekten Mies van der Rohe, ausgeführt wird er durch seinen deutschen Berufskollegen Emil Fahrenkamp. Letzterer hatte bereits das Shellhaus in Berlin gebaut und erstellte später die Rheinstahlwerke. [IMG 2]

Das Hotel besticht durch einfache, klar erkennbare Bauteile, schlichte Zimmerfluchten mit Bauhausmöblierung und lichtdurchfluteten Gesellschaftsräumen. Es sei in erster Linie dem Bau des Hotels zuzuschreiben, dass die Meister des Bauhauses wie Gropius, Albers und andere Ascona besuchten, schreiben die heutigen Betreiber des Kultur- und Kongresszentrums Monte Verità auf der Homepage.

Seit 1964 im Besitz des Kantons
Gemäss dem testamentarischen Willen von Eduard von der Heydt geht der ganze Komplex 1964 in den Besitz von Republik und Kanton Tessin über. Wie die vom Kanton Tessin und von der ETH Zürich gegründete Stiftung Monte Verità festhält, habe der Baron gewünscht, dass das Areal fortan «für hochstehende künstlerische und kulturelle Tätigkeiten von internationalem Anspruch» genutzt werde.

1978 wird die baufällig gewordene Casa Anatta - einst vom Architektur-Theoritiker Siegfried Giedion als Musterbeispiel für befreites Wohnens bezeichnet - renoviert und ist seit 1981 als Museum der Geschichte des Monte Verità öffentlich zugänglich.

Daneben betreibt die ETH Zürich auf dem Berg eine Begegnungsplattform. Die «Congressi Stefano Franscini» (CSF) ist nach dem gebürtigen Tessiner Bundesrat benannt, der 1854 massgeblich an der Gründung der ersten Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) der Schweiz beteiligt war. Gemäss eigenen Angaben hat sich die Plattform zum Ziel gesetzt, internationale Kongresse «auf höchstem wissenschaftlichem Niveau»  durchzuführen.

Für Einheimische und Touristen
Heute möchte der Monte Verità «der einheimischen Öffentlichkeit und den Touristen ein Programm an kulturellen Treffen und Veranstaltungen bieten». Verwalterin des Kongress- und Kulturzentrums Monte Verità ist seit der Gründung 1989 die gleichnamige Stiftung.

Ziel des Zentrums ist es gemäss eigener Definition, das historische und kulturelle Erbe des Monte Verità und der Region Ascona «aufzuwerten und wissenschaftliche, künstlerische, philosophische sowie ganz allgemein humanistische Kenntnisse zu verbreiten». Oder wie der Tessiner Vorsteher des Kultur- und Erziehungsdepartements und heutige Regierungspräsident Manuele Bertoli vor zwei Jahren sagte: Der Monte Verità solle ein «luogo aperto a tutti» - «ein Ort, der allen offensteht» - sein. (sda/bbe)