Tobias Rein, das Tourengeschäft kam zu Beginn der Pandemie fast komplett zum Erliegen, Sie mussten sich von 90 Mitarbeitenden trennen, einem Sechstel der Belegschaft. Konnten Sie inzwischen wieder Mitarbeitende einstellen?

Die Nachfrage zieht spürbar an, wir bewegen uns bereits wieder auf dem Niveau von 2018. Punktuell stellen wir bereits wieder Leute ein, ja.

Wie hat sich der Tourenmarkt in der Krise verändert?

Früher waren grosse Attraktionen wie der Eiffelturm oder der Burj Khalifa wenig an einer Kooperation mit uns interessiert. Das hat sich in der Pandemie geändert. Wir konnten seither sehr gute neue Partnerschaften aufbauen. Offenbar haben selbst die grossen Touristenattraktionen gemerkt, dass es ganz allein nicht mehr geht.

Tobias Rein gründete 2009 gemeinsam mit vier weiteren ETH-Studenten das Start-up Getyourguide. Heute ist die Plattform zum Buchen von Touren und Aktivitäten eine der grössten weltweit. Tobias Rein drückte die Schulbank in der Kantonsschule in Wetzikon und studierte anschliessend Elektrotechnik an der ETH Zürich. Er lebt zurzeit mit seiner Frau und seinen beiden Buben (4 und 6 Jahre) in seinem Geburtsort Uster am Greifensee.
getyourguide.ch

Sie konnten in der Krise Ihre Marktmacht vergrössern und ausspielen?

Das ist so. Auch viele Tourguides sind in der Krise auf uns zugekommen und haben uns gefragt, was sie jetzt machen sollten. Wir alle haben realisiert, dass wir im gleichen Boot sitzen.

Die Anbieter geraten in die Abhängigkeit von Getyourguide...

Wir sind uns dieser Problematik bewusst. Alle Hoteliers hassen Booking. Langsam bewegen wir uns ebenfalls in diese Richtung. Wir bemühen uns, fair zu bleiben. Aber wenn wir die Gästefrequenzen bringen, dann vergrössert sich automatisch unsere Macht, das ist klar. Wir hoffen, dass der enge Austausch während der Krise das gegenseitige Vertrauen gestärkt hat.

Ihr CEO Johannes Reck übte scharfe Kritik an Google. Die Plattform untergrabe die Unabhängigkeit kleinerer Unternehmen und verhindere Innovation. Wird Getyourguide mit der Zeit selbst zum «Google» des Tourensektors?

Auf die Google-kritischen Äusserungen von Johannes Reck erhielten wir teils schnippische Reaktionen im Sinne von «Ihr macht doch genau das Gleiche». Es ist nicht leicht, dagegen zu argumentieren. Auch bei uns werden Geldflüsse umgeleitet, Einnahmen etwa aus Rom werden beispielsweise in Marseille reinvestiert. Das sind schwierige Fragen, über die wir intern heftig diskutieren. Letztendlich habe ich keine schlüssige Antwort auf Ihre Frage. Wichtig ist, dass wir das Vertrauen der Anbieter pflegen und nicht verlieren.

Gibt es auch bei Ihnen Knebelverträge wie zwischen Online-Buchungsplattformen und Hotels?

Bei uns kann jeder mitmachen, und wir sind überzeugt, dass wir eine faire Marge bieten. Aber auch unsere Verkaufsabteilung hat den Anspruch, die Kommissionen zu erhöhen. Die grösseren Player sind hier im Vorteil, da sie bei uns eine direkte Ansprechperson und damit einen gewissen Verhandlungsspielraum haben.

Auch Getyourguide kann sich dem natürlichen Kreislauf nicht entziehen...

(lacht) Das scheint so zu sein in der Digitalisierung. Ich kann es nicht verleugnen.

Wenn ich ein Tourenangebot schaffen und bei Ihnen auf die Seite bringen wollte, welchen Tipp würden Sie mir geben?

Bieten Sie keine fünfstündigen Touren an – die interessieren niemanden. Zwei- bis dreistündige Touren verkaufen sich viel besser.

Welche Angebote fehlen in der Schweiz?

Ich würde mehr Attraktionen bauen wie das Riesenrad «London Eye» in London. Das zieht wie die Sau! Jeder und jede will es sehen. Deshalb wäre eine ZKB-Gondelbahn über den Zürichsee eine coole Sache gewesen. Attraktionen wie diese sind bei uns ständig ausgebucht.

Am 7. und 8. September 2021 findet in der Halle 550 in Zürich-Oerlikon der erste Hospitality Summit von HotellerieSuisse statt. Am zweitägigen Kongress treffen die Entscheidungsträgerinnen und -träger der Beherbergungsbranche auf Tobias Rein und andere hochkarätige Referierende. Noch bis Ende Juli – also nur noch drei Tage lang – profitieren Buchende vom Early-Bird-Angebot. Kann der Summit aufgrund der epidemiologischen Lage nicht durchgeführt werden, wird der volle Kaufpreis zurückerstattet.
hospitality-summit.ch

Nur wenige Start-ups können sich am Markt behaupten, noch weniger schaffen es zum «Einhorn». Hatte Getyourguide einfach Glück, oder haben Sie etwas fundamental anders gemacht als andere Start-ups?

Selbstverständlich haben wir Glück gehabt, aber auch vieles richtig gemacht. Wir haben sehr früh gemerkt, dass der Tourenmarkt noch sehr jung ist und sich eine Professionalisierung lohnt. Die Flugbranche, die Hotellerie und sogar die Restaurants machten es uns vor – somit war es nur logisch, auch Tourenangebote auf einer digitalen Plattform zu bündeln. Was uns ebenfalls von den meisten Unternehmen unterscheidet: Wir sind fünf Gründer. Somit konnten wir von Anfang an ein sehr breites Feld an Kompetenzen abdecken. Vier dieser fünf Gründer sind auch heute nach rund dreizehn Jahren noch dabei.