Marketing – und als Teil davon die Werbung – ist aus der modernen Hotellerie nicht mehr wegzudenken. Die Marketingkosten machen je nach Hotelkategorie zwischen 1,6 (2-Sterne-Hotels) und 8,5 Prozent (5-Sterne-Hotels) des Gesamtertrags aus. Bei den Kollegen vor 120 Jahren wären solch hohe Auslagen auf Unverständnis gestossen. Reklame galt als Mittel, zu dem eigentlich nur erfolglose Hotels greifen mussten. Ein gutes Hotel spreche für sich.

Selbstredend war der US-amerikanische Zirkuspionier Phineas Taylor Barnum, der für seine schrillen, marktschreierischen Werbestrategien bekannt war, der Schweizer Hotel-Revue, wie sich die Zeitung 1902 nannte, suspekt. Als «König des Humbugs» wurde er deswegen im Blatt verunglimpft.

Zeitung wettert gegen «Parasit»
Um die Werbefrage entbrannte sogar ein veritabler Kleinkrieg, der ein aus heutiger Sicht unvorstellbares Ausmass annahm. Ihren Anfang nahm die Fehde in den 1890er-Jahren:

Es liessen sich hunderte von Reklame-Unternehmen aufzählen, die sich ihre Annoncen mit schwerem Gelde bezahlen lassen, ohne dafür auch nur die geringste Garantie zu bieten, dass das Geld gut angelegt ist.

Schweizer Hotel-Revue vom 15. Januar 1898

Im Artikel wurde auch eine gewisse «The English Mail» erwähnt. Anfangs kritisierte die Hotel-Revue nur die exorbitanten Preise dieser Publikation aus Frankfurt. Im Jahr 1902 aber drehte sich alles um die Frage, wie gross denn die Zahl der Abonnenten der «English Mail» eigentlich sei. Denn: «Es ist bekannt, dass Inserenten auf die hohe Auflage eines Blattes, in welchem sie inserieren sollen, grossen Wert legen.» Der Hotel-Revue war kein Aufwand zu gross, nachzuweisen, dass der Verleger, Herr Felbermann – von der Redaktion auch als «Parasit» tituliert –, die Reichweite seiner Zeitung geschönt hatte.

Man telefonierte etwa reihenweise die Hotels auf den Abonnentenlisten des «Herrn F.» ab, und zwar nicht nur in der Schweiz, sondern auch im Ausland. Dabei stellte die Redaktion etwa fest: 32 Hotels in Cannes waren gar nicht Abonnenten. Als sich Herr Felbermann in der «Wochenschrift», dem Organ des Internationalen Vereins der Gasthofbesitzer, rechtfertigen durfte, warf die Hotel-Revue der deutschen Zeitung Komplizenschaft vor. Diese wiederum beklagte die «ehrenrührige Beleidigung» und drohte mit einem Gerichtsprozess.

«Ein letztes Wort in Sachen der ‹English Mail›» - von wegen!
In Ausgabe 23 des Jahres 1902 – nach mehrmaligem Hin und Her zwischen den Zeitungen und dem Verleger – erschien der Beitrag «Ein letztes Wort in Sachen der ‹English Mail›». Mit einer flächendeckenden Umfrage unter den Mitgliedern des Schweizer Hotelier-Vereins wollte die Hotel-Revue die Angelegenheit ein für alle Mal klären:

Mit diesen Ausführungen [...] betrachten wir die Angelegenheit der „English Mail", ohne dass wir unserseits noch etwas beifügen, als erledigt, es sei denn, dass Herr Dr. Felbermann auch jetzt noch nicht zu der Einsicht gelangt, dass er besser gethan hätte, auf den ersten Angriffnicht zu reagieren, und er uns durch weitere Repliken zwingt, noch deutlicher zu sprechen. In diesem Falle werden wir von seinem Blatt auf seine Person übergehen, die er in der „Wochenschrift" vom 8. März so „über alles erhaben" hinzustellen versteht. A hon entendeur salut.

Schweizer Hotel-Revue vom 7. Juni 1902

Die Sache war damit gegessen? Weit gefehlt! Auch zehn Jahre später warnte die Hotel-Revue noch, Dr. Felbermann versuche «trotz aller Warnungen, die Schweizer Hotels [...] hineinzulegen». Beeindruckend, diese Hartnäckigkeit.

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