Die gegenwärtige meteorologische Lage zeigt einmal mehr, dass im Zuge des Klimawandels Anpassungen für den Wintertourismus gefunden werden müssen. Die Wintersaison wird immer kürzer – seit 1960 bereits um einen Monat –, und die Schneesicherheit in vielen Skigebieten nimmt zunehmend ab.

Grüne Weihnachten sind zwar kein Novum. Laut dem Institut für Schnee- und Lawinenforschung ist es innert zehn Jahren das dritte Mal, dass in mittleren Höhen kein Schnee liegt. So warm wie zum vergangenen Jahreswechsel war es seit Messbeginn aber noch nie. Wenn sogar der Temperatur-widerstandsfähige Kunstschnee schmilzt, sorgt dies zwar für Aufsehen - der vorausschauende Touristiker weiss aber: Die klimatischen Bedingungen im letzten Jahr – mit einem heissen, trockenen Sommer und einem schneearmen Winter – entsprachen ziemlich genau den Klimaprognosen, wie Wissenschaftler sie bereits vor rund 40 Jahren gemacht haben. [RELATED]

Kunstschnee wird teurer
Gemäss einer aktuellen Studie der Universität Basel dürfte Skifahren zu Weihnachten in mittleren Lagen hierzulande bis Ende des Jahrhunderts kaum mehr möglich sein. Zwar könne Kunstschnee über 1800 Meter über Meer eine 100-tägige Skisaison gewährleisten, doch setze dies vor Weihnachten genügend kalte Temperaturen voraus.

Bei ungebremstem Klimawandel werde beispielsweise die Region Sedrun auf Dauer keine Schneegarantie zu Weihnachten mehr bieten können. Und: Wer weiter auf künstliche Beschneiung setzt, muss künftig tiefer in die Tasche greifen. In normalen Wintern rechnet man mit Kosten von einer Million Franken pro Pistenkilometer.

Wie schnell das Klima einen Strich durch diese Rechnung machen kann, zeigte sich im schneearmen Winter 2017: Der Wasserverbrauch für die Beschneiung eines der drei Teilgebiete von Andermatt-Sedrun-Disentis verdreifachte sich.

Es bringt nichts, tolle Ideen zu ent­wickeln, wenn am Schluss die Bevölkerung vor Ort nicht dahintersteht.

Thomas Egger, Präsident Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB)

Transformationsprozesse müssen eingeläutet werden
Mit Blick auf die Zukunft der tiefer liegenden Winterdestinationen plädiert Thomas Egger, Präsident der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) für mehr Innovation und Flexibilität: «Gebiete in tieferen und mittleren Lagen, die heute noch einseitig vom Skitourismus abhängig sind, müssen einen klaren strategischen Entscheid fällen, in welche Richtung sie sich entwickeln wollen.»

Zusammen mit Vertretern aus sechs Alpenländern beteiligt sich die SAB seit 2022 an der Initiative «Beyond Snow». Innert drei Jahren soll die sozioökologische Klimaresilienz kleinerer Schneetourismus-Destinationen in mittleren Höhenlagen erhöht werden. «Beyond Snow» soll kein Papiertiger werden. Das Projekt soll Modellcharakter haben und Destinationen aufzeigen, wie sie den Transformationsprozess gestalten können und welche Handlungsoptionen es gibt», erklärt Egger. Schweizer Testdestination ist der Sattel-Hochstuckli im Kanton Schwyz; in Österreich ist es Hinterstoder, in Italien Ala di Stura und in Frankreich Metabief.

Den gebietsübergreifenden Erfahrungsaustausch schätzt Egger als «äusserst befruchtend» ein für den Transformationsprozess. Massgebend für den Erfolg seien auch die Einbindung und die Unterstützung lokaler Akteure. «Der Einbezug der lokalen Bevölkerung ist matchentscheidend. Es bringt nichts, tolle Ideen zu entwickeln, wenn am Schluss die Bevölkerung vor Ort nicht dahintersteht», sagt Egger.

Bewährt habe sich in der Vergangenheit der Ansatz der «Local Heroes», bekannter Persönlichkeiten, welche sich öffentlich zum Prozess bekennen und sich dafür einsetzen. Aber auch politische Behörden müssten von Anfang an ins Boot geholt werden. Durch die Absprache und die Kooperationen mit Nachbardestinationen können Ressourcen gespart und Angebote aufgebaut werden, die einander nicht konkurrenzieren, sondern gegenseitig ergänzen.

Wie sich partizipative Prozesse positiv auf den Tourismus auswirken können, zeigt die Interessengemeinschaft Tourismus in den Waadtländer Alpen (CITAV). Auch aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels entschieden sich ab 2008 verschiedene touristische Akteure, Gemeinden und Dienstleistungsbetriebe für die Erarbeitung einer gemeinsamen Marketingstrategie und neuer Tourismusangebote. Während der intensiven Zusammenarbeit gelang es, den Identitätserhalt der einzelnen Stationen zu gewährleisten. Aufgrund dieses Schulterschlusses von Politik, Wirtschaft und Bevölkerung konnte die Wettbewerbsfähigkeit der Region Waadtländer Alpen aufgewertet werden.

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Erfolgreicher Ganzjahres­betrieb ohne Skipiste
Von den 545 Skigebieten, die in der Schweiz je eröffnet worden sind, sind laut einer deutschen Studie 231 verschwunden. Eine genaue Statistik wird in der Schweiz nicht geführt. Wann immer ein Skilift zu drehen aufhört, verschwindet auch ein Teil Tourismusgeschichte und damit wertvolles Kulturgut.

So geschehen 2005 am Stockhorn im Berner Oberland, als sich die Aktionäre unfreiwillig von ihrem Lasenberglift trennten. Zu oft fehlte auf der Skipiste zwischen 1600 und 2000 Meter der Schnee. Heute fokussiert man sich am Thuner Hausberg auf ganzjährige Naherholung ohne Skibetrieb – mit Erfolg. 2022 kommunizierte die Stockhornbahn AG, im Zuge der touristischen Angebotsdiversifikation in den nächsten fünf Jahren in die Erneuerung des Gipfelrestaurants und einen Hoteltrakt mit rund 20 Zimmern investieren zu wollen.


Nachgefragt

[IMG 3] Stefan Schmid, warum war es der richtige Entscheid, 2005 den Skilift am Stockhorn abzu­stellen?
Die Verluste aus dem Winterbetrieb konnten nach der Schliessung des Skibetriebes am Lasenberg nach 2006 minimiert werden. Mit dem Fokus auf die Sommermonate stiegen die Erträge deutlich. Heute sind wir bei einigermassen guten Wetterbedingungen teilweise auch in den Wintermonaten profitabel. 2022 war mit Abstand das beste Jahr in der Unternehmensgeschichte.



Wie schaffte man den Ganzjahresbetrieb ohne Skipiste?
Unser Angebot unterscheidet sich in einigen Punkten von anderen Bergbahnen. Der Schutz und die Erhaltung der Natur und der Tierwelt sind ein Aspekt. Angebote wie Schneeschuhwandern, Eisfischen in den Bergseen finden immer mehr Anhänger. Im Sommer sind die Aussicht und die vielfältigen Wandermöglichkeiten kaum zu übertreffen. Hilfreich ist auch der relativ kurze Anfahrtsweg aus dem Espace Mittelland.

Wie ging die Bevölkerung mit der Skiliftschliessung um?
Die ältere einheimische Bevölkerung hat diesen Entscheid bis heute nicht verstanden. Für viele war der Lasenberg im Winter ein Ort der Begegnung, wo die Kinder Skifahren lernten und die Eltern sich in den Restaurants austauschten. Es ist verständlich, dass die Skiliftschliessung bei vielen Anwohnern gewaltige Emotionen auslöste.

Für welche Destinationen könnte sich ein Rückzug aus dem Skigeschäft lohnen?
Es wäre anmassend, einer anderen Region oder Unternehmung Empfehlungen abzugeben, ohne die Gegebenheiten und Umstände im Detail zu kennen. Die grossen Skigebiete werden weiter florieren, die kleinen benötigen ein hohes Mass an spezifischen Innovationen, USPs, um profitabel zu bleiben oder gegebenenfalls wieder zu werden. Heute ist der Weg vom Skigebiet zur Sommerdestination mit erheblichen Investitionen und Risiken verbunden, schon allein der Rückbau eines Skiliftes ist teuer, ohne dass man damit etwas gewonnen hätte. Da sich die Voraussetzungen wie Anfahrtswege oder Bergtopografie unterscheiden, führt eine spezifische Strategie nicht automatisch woanders auch
zum Erfolg.