Veganer sind auf dem Vormarsch. Laut dem Allergiezentrum Schweiz leidet jede dritte Person hierzulande an Unverträglichkeiten. Die meisten Allergiker vertragen keine Milchprodukte, Eier und kein glutenhaltiges Getreide. Viele wollen oder müssen zudem aufs Gewicht schauen und verzichten deshalb auf Desserts. Grund genug, sich mit den leckeren Süssspeisen zu beschäftigen. Bilden Petits Fours und Desserts doch den krönenden Abschluss eines gelungenen Abendessens und sorgen für Mehrumsatz.

«Gäste, die das erste Mal meine Rüeblitorte essen, legen meist das Rüebli zur Seite», berichtet Felicia Ludwig, Patissière des Jahres 2022. «Dabei ist es doch das Beste! Es besteht nicht aus Marzipan, sondern aus einer Apfel-Karotten-Creme.» Dieses Beispiel ist exemplarisch für die preisgekrönte Zuckerbäckerin. Wann immer möglich ersetzt sie raffinierten Zucker durch reife Früchte, Muscovado oder Agavensirup. «Ich habe ursprünglich die Ausbildung zum Koch absolviert. Zu viel Zucker schreckt mich ab», erläutert sie. Zudem setzt die Patissière der Bekömmlichkeit halber vegane Milch und veganen Rahm ein.

[IMG 2]

Während die Leichtigkeit ihrer Süssspeisen den Gästen an ihrem ehemaligen Wirkungsort – dem Restaurant Ornellaia nahe der Bahnhofstrasse in Zürich – bekannt war, gibt es im «Razzia» teils noch Erklärungsbedarf. Seit Juni des vergangenen Jahres führt Felicia Ludwig im Zürcher Seefeld ihr eigenes Café. «Ein Traum wurde Realität.» Obwohl die 40-Jährige bereits als Jugendliche in ihrem Heimatland Rumänien Kuchen und Torten für die ganze Verwandtschaft backte, entschied sich die gelernte Köchin erst im Sterne-Restaurant La Brezza dazu, die Patisserie zu ihrem Beruf zu machen. Dort stellte sie 2013 erstmals professionell Patisserie her. Es folgten Stationen in Spitzenrestaurants wie Clouds, Gustav und Mesa in Zürich.

Mit reifen Früchten und Rosmarin
Sieben Monate lang bis zu 16 Stunden täglich arbeitete Felicia Ludwig nach ihrer Ernennung zur Patissière des Jahres 2022 durch. «Das letzte Jahr war zu viel. Jetzt entlasten mich eine Praktikantin sowie eine Stellvertretung», so Ludwig. Denn sie ist neben ihrem Café verantwortlich für die A-la-carte-Desserts des dazugehörigen Restaurants Razzia und dessen Bankette.

Ich habe ursprünglich die Ausbildung zum Koch absolviert. Zu viel Zucker schreckt mich ab.
Felicia Ludwig, Patissière des Jahres 2022, Razzia Café Bar, Zürich

Zudem führt sie ihre eigene Cateringfirma, mit der sie Kunden im Luxussegment beliefert. «Meine Gäste lieben Klassiker neu interpretiert. Und ich liebe es, Desserts zu kreieren.» So besteht Felicia Ludwigs Lemon-Tarte aus Meringues und reifen Früchten, überzogen mit einer Glasur aus Short Bread. Bei ihrem ehemaligem Chef und Förderer Antonio Collaiani lernte sie, dass Säure Desserts leichter und frischer macht. Die Spitzenpatissière scheut sich nicht, Gewürze und Kräuter einzusetzen. «Tasmanischer oder rosa Pfeffer sind tolle Geschmacksverstärker! Kreationen mit Ananas geben sie einen Kick.» Mit ihrem Lieblingsprodukt, der Fenchelblüte, aromatisiert Ludwig eine Creme aus Mascarpone und Apfel. Etwas Rosmarin macht ihre Sablés einzigartig. Mit veganen Kreationen experimentiert sie vermehrt. Obwohl Gemüse in Desserts Trend ist, scheut sich Ludwig davor. «Ich bot einmal eine Süssigkeit in Form eines Kürbisses in der Vitrine an. Unter anderem kamen darin frischer Kürbis, Kürbisöl sowie -kerne vor. Doch niemand probierte davon.» Auch à la carte werden gemüsebasierte Desserts wenig bestellt. Kämen solche jedoch im Menü vor, liebten die Gäste sie, so die Patissière.

Auch Salat und Artischocke können passen
Wie toll gemüsebasierte Desserts ankommen, weiss niemand besser als Andy Vorbusch. Der mehrfach ausgezeichnete Patissier war der erste, welcher seinen Gästen Kopfsalat im Dessert servierte. Mutig hat er im 3-Sterne-Restaurant Vendome von Joachim Wissler in Bergisch Gladbach (D) Salatstiele mit einem Sud aus Kopfsalat und Apfel mit einem Kondensmilch-Zitroneneis zubereitet.

[IMG 3]

«Nach der weiteren Verarbeitung weisen verschiedene Gemüse eine Süsse auf. Diese lässt sich gut in Gerichte einbinden und den Einsatz von Saccharose reduzieren», erläutert der 46-Jährige. Nach seinen letzten Stationen im «The Dolder Grand» in Zürich und im Restaurant Memories im Grand Resort Bad Ragaz SG zeichnet der gebürtige Hamburger seit rund einem Jahr als leitender Patissier für alle Süssspeisen des Hospitality Vision Lake Lucerne (HVLL) in Vitznau verantwortlich. Zusammen mit seinem Team dient er als Anlaufstelle und Produktionsstätte sämtlicher Dessertkreationen für alle drei Hotels und Restaurant-Outlets.

Gemüse sehe ich als ergänzendes Produkt. Es sollte nie plakativ sein.
Andy Vorbusch, Leitender Patissier, Hospitality Vision Lake Lucerne

Wichtig beim Einsatz von Gemüse in Desserts sei, dass die Gäste nachvollziehen könnten, was es sei, weiss der Star-Patissier. Die Wertigkeit müsse erhalten bleiben. Werde rohes Gemüse richtig verarbeitet, sehe er keine Grenzen. Selbst vor der eher bitteren Artischocke macht Andy Vorbusch nicht halt. «In der Kombination mit Kaffee und Süssholz ergibt dies Sinn.» Jedes Gemüse sei es wert, in Desserts ausprobiert zu werden. Bevor man es einsetze, müsse man sich aber überlegen, welches Element es erfüllen solle. «Gemüse sehe ich als ergänzendes Produkt, es sollte nie plakativ sein.»

Mit veganen Produkten zu Publicity
Um die Spannbreite seiner Kreationen zusätzlich zu erweitern, bot Andy Vorbusch auch schon die passende Getränkebegleitung an. Vor Jahren kreierte er im «Dolder Grand» gar ein sechsgängiges Dessertmenü mit passender Getränkebegleitung, «um die Gäste mal anders an das Thema heranzuführen». Die Getränke wie etwa in Physalis eingelegter Pisco mit Aloe-Vera-Sirup und Lakritze stellt er selbst her. Bei den Pairings überlegt er sich zuerst, welchen Part das Getränk übernehmen soll. Soll es ergänzen oder erweitern? Dann sucht er nach dem gemeinsamen Nenner im Dessert und wo er anknüpfen soll. Auch heute kommt im Alltag des leitenden Patissiers der HVLL-Gruppe Gemüse immer mal wieder vor, wie er sagt. Ein immer grösser werdender Teil seiner Tätigkeit jedoch nimmt die vegane und für Allergiker verträgliche Patisserie ein.

In diesem Bereich hat sich Alina Russ mit ihrem Unternehmen Lolas Kitchen einen Namen gemacht. Alle Kuchen und Torten der gelernten Köchin und Restaurantfachfrau mit einem Abschluss in Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Marketing sind vegan, gluten- sowie laktosefrei, ohne Soja und raffinierten Zucker. Neuerdings versendet das 2017 gegründete Unternehmen seine Süssigkeiten schweizweit per Post. Unter anderem in verschiedene Restaurants und Hotels. Mit ihren Kreationen hat Alina Russ ein Nischenprodukt geschaffen. Dies sieht auch Paul Urchs so. Der Gastgeber im 4-Sterne-Superior-Hotel Adula in Flims GR bezieht seine veganen Desserts von Lolas Kitchen. Alle Gäste kommen beim Zimmerbezug in den Genuss der Köstlichkeiten. Der Hotelier verfügt zwar über eine hauseigene Patisserie. Doch da der Aufwand für tolle vegane Desserts nicht unerheblich sei, greife er gerne auf die Spezialitäten von Lolas Kitchen zurück. Die Süssigkeiten stehen in einer Vitrine in der Hotellobby zum Verkauf bereit. «Das Zusatzangebot ist keine Cash-Cow. Doch ist es eine Exklusivität, welche unseren veganen Gästen entgegenkommt und uns zu externen Gästen und Publizität in den sozialen Medien verhilft», so der erfahrene Hotelier.
 

Jetzt anmelden zum Patissier des Jahres 2023

Der Patisserie-Wettbewerb der DACH-Region findet dieses Jahr am 14. November 2023 im «Kameha Grand» in Bonn (D) statt. Er bildet das Pendant zur Kaderschmiede «Koch des Jahres». Auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer warten ein Karrieresprung und 2000 Euro Preisgeld. Die besten sechs erhalten die Chance, sich im Live-Wettbewerb zu beweisen.

Bewerben bis 24. April 2023 können sich alle professionellen Patissièren, Konditoren, Chocolatièren, Bäcker sowie Köchinnen mit Wohnsitz in Deutschland, Österreich, Südtirol und der Schweiz. Um sich zu bewerben, müssen drei eigens für den Wettbewerb kreierte Rezepturen inklusive Fotos, Kalkulation und Philosophie eingereicht werden.

Die Rezepturen müssen folgende Vorgaben erfüllen:
6 Teller Dessert mit fünf Konsistenzen (cremig, gebacken, fruchtig, warm und Eis)
15 Stück Praliné/Petit Four
6 Teller Freestyle- Dessert

patissierdesjahres.com

Sarah Sidler