Das diesjährige Get-together der Schweizer Tourismusbranche stand unter einem guten Stern – der Vorfreude. Denn endlich konnte man sich nach drei Jahren wieder persönlich, physisch und vor Ort treffen. So war in Arosa GR auf das Saisonende hin am 12. und 13. April nochmals richtig viel los: 1065 Vertreterinnen und Vertreter aus der Tourismusbranche fanden sich im beschaulichen Bergdorf ein, um aktuelle Themen zu diskutieren und miteinander anzustossen.
Schweiz-Tourismus-Direktor Martin Nydegger präsentierte am Willkommensanlass in der Eishalle die Prognosen für das laufende Jahr. Für Europa ist man mit Ausnahme des Ostens optimistisch: Bis Ende Jahr sollen im Vergleich zu 2019 wieder 83 Prozent der europäischen Gäste zurückkehren.
Bei den Fernmärkten ist es komplizierter: Aus Süd- und Nordamerika werden 73 Prozent der Gäste erwartet, aus den Golfstaaten und Indien 70 Prozent. Hohe Zuwachsraten seien von brasilianischen Gästen denkbar: «Das ist ein Markt mit hohem Potenzial.»
Der chinesische Markt werde sich jedoch dieses Jahr noch nicht erholen, danach sei aber eine grosse Reiselust zu erwarten. Bei Südostasien, Korea, Japan, Australien brauche es ebenfalls noch Geduld.
Von zentraler Bedeutung ist für Schweiz Tourismus (ST) die Nachhaltigkeit. Und dies nicht als blosse Marketingmassnahme oder als Trend. «Die Nachhaltigkeit ist ein Gamechanger», sagte Nydegger. Sie verändere nicht nur unser Reiseverhalten, es werde ein Paradigmenwechsel stattfinden: «Die Nachhaltigkeit wird die fünfte industrielle Revolution sein.» [RELATED]
Humor und ein Hauch Hollywood im Bündner Bergdorf
Nebst den Zahlen und viel Optimismus bot ST auch eine gute Portion Unterhaltung und illustre Gäste. Bundesrat Alain Berset hielt eine kurzweilige und humorvolle Rede zu seinem Lieblingsland Schweiz, und Roger Federer trat per Facetime-Liveschaltung auf.
Denn der Tennisstar stand erneut im ST-Imagefilm als Schauspieler vor der Kamera. 2021 mit Robert de Niro, dieses Jahr mit Anne Hathaway. Federer erzählte, wie ihn die Actrice beim Dreh gecoacht hat und wie ihn ihre Komplimente zu seiner Leistung gefreut haben – denn dem Sportler geht die Schauspielerei nicht so leicht von der Hand wie ein Matchball auf dem Tenniscourt.
Auf die gut tausend Ferienprofis wartete ein dichtes Programm: 35 Vorträge und Workshops, der thematische Fokus lag dabei auf Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Innovation und Trends. Besondere Aufmerksamkeit verdient dabei die neue B2B-Plattform «MySwitzerland Pro» von ST.
Neues Tool für die digitale Vernetzung der Partner
Auf dieser nigelnagelneuen Plattform werden die Geschäftspartner des Einreisetourismus vernetzt: Anbieter schweizweit, Reiseveranstalter weltweit und die Fachpersonen von ST. Was derzeit mündlich per Telefon, an Messen oder per E-Mail abläuft, soll in Zukunft auch digital stattfinden: Die Leistungsträger präsentieren ihre Angebote via Plattform, die Käufer – Reiseveranstalter und Reiseagenten – fragen diese dort ab. Sämtliche Anbieter und Einkäufer sind von ST qualitätsgeprüft.
Die Vorteile: Online ist vieles praktischer und schneller als offline, und es werden auch Märkte zugänglich, in denen keine Fachperson von ST vor Ort tätig ist. Zudem spielt die Plattform einem anderen hochaktuellen Thema in die Hand: Sogenannte Hidden Gems, also Zweitdestinationen, können hier besser verkauft werden. Das ist wichtig, denn die Lenkung der Gästeströme ist von grossem Interesse. Vielerorts wünscht man sich Gäste, die gemächlich reisen und auf einzigartige Reiseerlebnisse aus sind und nicht auf schnelles Abknipsen von Hotspots.
«Die Leute kommen nicht in die Schweiz, weil sie billig ist.»
Claire Hanney, Insight Vacations, London
International gibt es tatsächlich vermehrt eine Kundschaft, die Wert auf verantwortungsvolles Reisen legt. Die Schweiz hat diesbezüglich einen Vorteil: Sie hat einmalige ÖV-Verbindungen, intakte Landschaften und viele Anbieter, die Wert auf Nachhaltigkeit legen. «Die Leute kommen nicht in die Schweiz, weil sie billig ist», sagte Claire Hanney von Insight Vacations in London, das voll und ganz auf verantwortungsvolles Reisen setzt. Die Gründe sind also andere, beispielsweise das Erleben der Natur und die Möglichkeit, nachhaltig zu reisen.
Bei den hiesigen Anbietern gibt es aber noch Luft nach oben: Erst 2 Prozent der 35 000 touristischen KMU nehmen etwa am Nachhaltigkeitsprogramm Swisstainability teil.
Auch bei der B2B-Plattform «MySwitzerland Pro» besteht noch Potenzial: Sie befindet sich in den Startlöchern, noch fehlt aber die grosse Masse an Käufern und Anbietern. Es braucht also noch etwas Zeit, bis sich die digitale Leadership von ST auch auf der B2B-Ebene vollumfänglich entfalten kann.