Gastkommentar von Christophe Hans, Leiter Public Affairs HotellerieSuisse; Vorstandsmitglied Trägerverein Initiative «Stop der Hochpreisinsel».
Ab Donnerstag, 20. August 2020, greift die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerats (WAK-S) die verschiedenen Vorschläge auf, die derzeit auf dem Tisch liegen. Wird der Ständerat dem Nationalrat folgen oder sich dem Gegenvorschlag des Bundesrats anschliessen? Wird er sich für eine Formulierung nahe an der Initiative oder für den unbrauchbaren Entwurf der Regierung aussprechen? Der Vorstand des Initiativvereins kündigte diese Woche an, dass er dem Initiativkomitee beantragen werde, die Volksinitiative zurückzuziehen, falls sich die Version des Nationalrats auch im Ständerat durchsetzt. Damit würden die Initianten einen Schritt auf die Gegner zugehen, die eine Gesetzesanpassung einer Ergänzung der Verfassung vorziehen. Die Initianten würden somit auf die langfristige Sicherheit verzichten, die eine Verankerung in der Verfassung bietet, die weit mehr als nur eine Formalität ist.
Die Initiative (und die Version des Nationalrats) sagt den hohen Produktionspreisen und der Schweizer Hochpreisinsel den Kampf an. Allzu oft sind unsere Unternehmen an Vertriebskanäle gebunden, die ihre Preise einseitig durchsetzen. Die Initiative stärkt den Handlungsspielraum der Wettbewerbskommission (Weko) zur Bekämpfung des Missbrauchs durch gewisse Produzenten, die unsere hohe Kaufkraft ausnutzen. KMU sowie Konsumentinnen und Konsumenten zahlen überhöhte Preise, im Durchschnitt um 30 bis 50 Prozent – einzig und allein aufgrund unserer Finanzkraft. Eine Studie von BAK Basel zeigt, dass beispielsweise die Löhne im Detailhandel lediglich 14 Prozent der Preisdifferenz zum Ausland ausmachen. Der Rest ist auf Zölle und technische Handelshemmnisse zurückzuführen oder wird durch Wettbewerbsbehinderungen zwischen den Unternehmen verursacht. An diesem Punkt setzt die Initiative an. Wenn der Wettbewerb funktioniert, sinkt das allgemeine Preisniveau, was der Markt für elektronische Produkte beweist.
In seinem Gegenvorschlag beschränkt der Bundesrat den Anwendungsbereich der Initiative auf Unternehmen, die in direkter Konkurrenz zum Ausland stehen. Dies ist ein getarnter Weg, um Schweizer Unternehmen zu schützen, die ihren Kunden überhöhte Margen aufschlagen. Damit schliesst der Bundesrat ganze Wirtschaftszweige vom Nutzen der Initiative aus: Spitäler, öffentliche Verkehrsbetriebe, öffentliche Verwaltungen, Forschungs- und Ausbildungszentren. Diese geben Milliarden für ihre Ausrüstungen aus und zahlen teilweise Fantasiepreise, was ihre Leistungen und die Rechnung der Steuerzahler unnötig erhöht. In einer aktuellen Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz schätzt Professor Binswanger den Betrag, den die Spitäler jährlich aufgrund der Preisdifferenz – ganz ohne Produktivitätssteigerung – verlieren, auf rund 600 Millionen Franken. Wie könnte dies auch anders sein, wenn ein Dilatationskatheter in Deutschland 120 Franken und in der Schweiz 800 Franken kostet?
Zudem schützt der Bundesrat die Grossverteiler, denn nur das Leistungsangebot – und nicht Angebot und Nachfrage – unterliegt der Missbrauchskontrolle. Doch gewisse Lieferanten, unter anderem Landwirte, sind für den Verkauf ihrer Produkte von Konzernen abhängig.
Die Regierung ist der Ansicht, dass die Hochpreisinsel am besten durch den Abbau technischer Handelshemmnisse und die Senkung der Zölle bekämpft werden kann. Es ist erfreulich, den Staat vor der eigenen Tür wischen zu sehen, hängt doch der Abbau dieser Hürden allein von der Politik ab. Damit umgeht der Bundesrat jedoch die Missstände bei gewissen Unternehmen im Umgang mit ihren Kunden, und genau hier liegt der Hund begraben.
Die Gegner argumentieren, dass Parallelimporte ein besseres Mittel zur Bekämpfung der hohen Preise in der Schweiz sind. Leider funktionieren diese wegen der undurchsichtigen Vertriebskanäle, die die KMU nach wie vor fest im Griff haben, nicht zufriedenstellend. Der Aufbau einer Struktur für den Parallelimport erfordert viel Ressourcen und Know-how, sodass nur Grossunternehmen mit einer Niederlassung im Ausland wirklich davon profitieren.
Die Gegner der Initiative behaupten, dass die Weko die Preise diktieren und enorme bürokratische Kosten zu bewältigen haben werde. Warum sollte sie das, wenn sie bis heute noch nie einen Preis vorgeschrieben hat? Es wird auch keine Untersuchungslawine ausgelöst, denn die weitreichenden Befugnisse der Weko werden auch präventive Funktion haben. Die Unternehmen, die überhöhte Preise diktieren, werden der öffentlichen Schmach ausgesetzt sein, noch bevor die Weko ihr Urteil gefällt hat. Im Konsumgüterbereich werden überhöhte Preise einen Imageschaden nie wettmachen können.
Letzten März liess sich der Nationalrat von den Argumenten der Gegner nicht beirren und stimmte den Initianten in allen Punkten zu. Nun liegt es am Ständerat, diese Version zu bestätigen. Sie wird dazu beitragen, den Wirtschaftsstandort wettbewerbsfähiger zu machen. Dann kann die Initiative zurückgezogen werden und Bundesverwaltung und Wirtschaft können dank eines im Voraus gewonnenen Kampfes die Kosten einer Volksabstimmung vermeiden.