Während der Pandemieschliessungen 2020 liessen Alexandra und Daniel Leuenberger, Besitzer des Hotel des Vignes in Sion, das Restaurant zum Co-Working-­Space umgestalten. Dabei beriet sie der Zermatter Spezialist Pura Worka, der auch Partner ist. Der Workspace, den Hotelgäste gratis nutzen können, hat zwanzig Arbeitsplätze mit Pflanzen zwischen den Tischen, eine Küchenecke mit Kaffee- und Teemaschine, eine Sofaecke, einen Drucker und draussen die Terrasse für die Pausen.

Ein kreativer Mix aus Old-School-­Management und digitalen Nomaden.
Daniel Leuenberger, Besitzer Hotel des Vignes

Vor allem Start-ups und Studierende arbeiten hier, aber auch etablierte Unternehmen. Für Gastgeber Daniel Leuenberger «ein kreativer Mix aus Old-School-­Management und digitalen Nomaden». Die Unternehmen nutzen den Raum als Alternative zum klassischen Homeoffice oder für Seminare und Workshops. «Dass sie mal einen Workspace buchen würden, hätten sie sich vor der Pandemie wohl nicht vorstellen können.» Die Grundzutaten für ein gutes Angebot sind aus Leuenbergers Sicht: «cosy Feeling» mit professionellem Touch, gute Bürostühle und modernes Design, angenehmes Licht und Farben, super Wi-Fi-Verbindung. Dazu Wasser, Kaffee, Softdrinks. [RELATED]

Es gibt im Haus auch ein Co-Living-Apartment zum gemeinsamen Bewohnen auf Zeit. Co-Living und Co-Working ergänzten sich gut, so Leuenberger. Ein direkter Umsatzbringer ist der Workspace aber nicht, vielmehr eine «Inspirationsquelle für multiples Networking». Co-Worker, Hotelteam und Hotelgäste – alle lernen sich in entspannter Atmosphäre kennen und erhalten neuen Input. So etwas passe wunderbar zur Hotellerie, findet Leuenberger: «Vergessen wir nicht, dass konventionelles Netzwerken in unseren Lobbys seit über einhundert Jahren gepflegt wird. Es macht einen grossen Teil des Geistes eines Hotelbetriebs aus.»

Multifunktionalität nutzen, aufs Raumdesign achten
Der Workspace im Zermatter Hotel Zermama, das ebenso mit «Pura Worka» kooperiert, wird multifunktional genutzt: Morgens frühstücken die Gäste dort, danach verwandelt sich alles in einen Workspace oder ein Sitzungszimmer. Abends wird der Raum wieder zur Dinner-­Location.
 

Für Inhaberin Sandrine Julen eine effiziente Lösung: «Frühstücksräume werden in vielen Hotels ja nur morgens gebraucht, danach stehen sie den ganzen Tag leer. Wir wollten einen Raum, der den ganzen Tag in Benutzung ist und eine Einheit mit dem Hotel bildet.» Die Multifunktionalität erfordere ein genau abgestimmtes Raumdesign. Abends sollten die Gäste ja nicht das Gefühl haben, in einem Büro zu dinieren. Und tagsüber brauche es den passenden Komfort, Licht und Funktionalitäten zum Arbeiten. «Wir bekommen diese Balance sehr gut hin.»

Auch die Lage des Workspace spielt eine grosse Rolle. Sonst lägen Arbeitsräume abseits des F&B-Bereichs in ruhigen Teilen von Hotels, im «Zermama» jedoch nicht. Hier befinde sich der Workspace gleich neben Bistro und Bar, dem Herzstück des Hotels. Die kurzen Wege sind gut für den Service: Das Personal kann Co-Working-Gästen mal eben Getränke bringen.

Kunden sind grössere Firmen, die etwa Teambuilding-Events veranstalten. «Sie brauchen Logie, Arbeitsplatz, Verpflegung, Aktivitäten – was wir alles aus erster Hand anbieten.» Lokale Firmen sind auch oft zu Gast – und zwar dauerhaft. So richtet eine Skischule ihr Büro für die komplette Wintersaison im «Zermama» ein. Praktisch, weil der Skilift gleich nebenan ist. Fixe Packages bietet das Hotel nicht an.

Für Julen ist es wichtiger, auf Wünsche einzugehen. Gäste möchten mal kurzfristig ein Mittagessen haben, mal benötigen sie den schnellen Transport zum Flughafen. Es sei vergleichbar mit einem ans Co-Working angeschlossenen Concierge-Service. Die «wunderschöne Berglandschaft» drumherum helfe bei der Vermarktung des Angebots, so Julen. Dank der Remote-Work-Optionen können Gäste ihre Ferien sogar problemlos verlängern. Sie entschliessen sich kurzfristig, ein paar Tage Zermatt dranzuhängen, korrespondieren in dieser Zeit vom Hotel aus mit ihrer Firma und erledigen Arbeiten. «Davon haben alle etwas, die Gäste und wir.»

Massgeschneiderte Pakete, hervorragende Infrastruktur
In Städten müssen sich Hotels in einem anderen Co-Working-­Umfeld positionieren als in den Bergen – wie sich im «Placid» in Zürich zeigt, das seine Workspaces inhouse konzipierte. «Das Angebot hier in Zürich ist immens», sagt Direktor Kurt Ecker. «Es gibt viele, die ausschliesslich auf Co-Worker fokussieren.

Mit einem Anbieter wie Westhive zu konkurrieren, ist für uns aber preislich wenig interessant.» Ein fester Platz im «Westhive» koste 165 Franken pro Monat, ein 20-Personen-Seminar mit Tagespauschale bringe dem «Placid» dagegen 2000 Franken am Tag. Hotelräumlichkeiten und Personalstock seien auch auf solche Pakete ausgerichtet.

Für wichtig hält Ecker massgeschneiderte Pakete. Im «Placid» können Projektteams für mehrere Wochen oder Monate buchen. Sie bekommen dann ein Teambüro für zum Beispiel zehn Personen und dazu zehn Zimmer. «Damit haben wir unsere Marktlücke gefunden.»

Die zusätzlichen Buchungen durch Co-Working seien «eher gering» und bewegten sich bei drei Prozent der Gesamtbuchungen. Wegen des New-Work-Trends dürfte Co-Working aber attraktiv bleiben. Eckers Erfolgsrezept: hervorragende Infrastruktur plus ansprechende Networking-Angebote. Wer so etwas habe, mache das Rennen.

Das 1x1 des neuen Arbeitens

New Work: Konzept für eine modernisierte und flexiblere Arbeitswelt. Unter anderem ist die Anwesenheit im Büro nicht mehr obligatorisch. Der Begriff geht auf den österreichisch-amerikanischen Sozialphilosophen Frithjof Bergmann zurück.

Remote Work: Fernarbeit, entweder von zu Hause oder von einem beliebigen Ort aus. Einzige Voraussetzung: eine ordentliche Internetverbindung.

Workation: Kofferwort aus den englischen Begriffen «work» und «vacation». Also Arbeiten und Urlaubmachen miteinander verbunden. Steht für die zunehmende Verschmelzung von Freizeit und Arbeitszeit.

Bleisure: Das Wort setzt sich aus den Begriffen «business» (Geschäft) und «leisure» (Freizeit) zusammen. Gemeint sind Geschäftsreisen mit angehängtem Privataufenthalt im Hotel.