An der 29. Ausgabe des Tourismusforum Alpenregionen (TFA) vom 1. bis 3. April traf sich das Who-is-who der (Seilbahn-)Branche im Kongresszentrum Innsbruck. Offizielles Motto: «Tourismus Souveränität». Was man sich darunter vorstellen kann, dafür gab Karin Seiler-Lall, Tourismusdirektorin von Innsbruck, gleich ein heimisches Beispiel: Entscheidungen treffen und durchsetzen, auch wenn sie nicht jedem schmecken. Unter dem Slogan «Innsbruck – mehr als eine Stadt» vermarktet ihre Organisation Innsbruck und die weitere Umgebung unter einem Label, darunter auch ländliche Destinationen wie den eine Stunde entfernten Wintersportort Kühtai. Das habe anfangs viel Überzeugungsarbeit gekostet, so Seiler-Lall. «Alle wollen unterschiedliche Dinge, Extrawürste, haben Sonderwünsche.» Gemacht worden sei am Ende aber das Gegenteil: Man sei weggekommen vom Fokus auf die Bedürfnisse der einzelnen Regionen, hin zu einem Fokus auf bestimmte Themen und einer konsequenten Gästesicht. Heute gilt das Beispiel Innsbruck als Vorzeigemodell für die touristische Kooperation.
Souverän die Highlights von anderen «kapern»
Wie ein solches Modell in der Schweiz aussehen könnte, zeigte Tourismusdirektor Martin Sturzenegger («Städte sind die neuen Berge») am Beispiel Zürich. Aus Sicht der Ferngäste spiele es nämlich keine Rolle, ob Rigi, Pilatus, Titlis oder der Rheinfall tatsächlich in Zürich liegen oder nicht. In der Werbung im fernen Ausland vermarkte man diese Attraktionen deshalb einfach mit – ohne die betroffenen Regionen vorher gross um Erlaubnis zu fragen. «Wir kapern andere Highlights», so Sturzenegger. Profitieren würden davon letztendlich alle. Eine klassische Win-Win-Situation, entstanden durch eine souveräne Entscheidung.
Bike-Angebot ja oder nein? Es kommt darauf an…
Ein Highlight am diesjährigen TFA war der thematische Schwerpunkt rund um den aktuellen Bike-Hype. Gleich mehrere Experten boten den rund 180 Teilnehmenden spannende Sichtweisen auf das Thema. Darunter ein Bike-Enthusiast der ersten Stunde, ein echter «First Mover»: Kornel Grundner, CEO der Leoganger Bergbahnen. Bereits 2001 errichtete er in der kleinen Salzburger Berggemeinde einen Bikepark. Bis dieser jedoch rentierte, seien Jahre vergangen, erzählte Grundner. Er warnt denn auch vor übertriebenen Erwartungen seitens der Bergbahnen und Destinationen. Der Bike-Tourismus sei für die Bergbahnen keine Cash-Cow.
Ins gleiche Horn stiess Reto Gamper, Projektleiter Bike bei der TFA-Veranstalterin grischconsulta. Unter dem Leitsatz «Ein Biker macht noch keinen Sommer» präsentierte er ein betriebswirtschaftliches Rechenbeispiel, ob und ab wann sich ein Bike-Betrieb für eine Bergbahn lohnt. Sein Fazit: Die Hoffnung, dass der Bike-Betrieb eine serbelnde Bergbahn rettet, ist unrealistisch. Bergbahnen, die schon in der Wintersaison nicht profitabel sind, rät Gamper gänzlich von der Entwicklung eines Bike-Angebots ab. Stattdessen müsse ein Finanzierungsmodell her, bei dem die ganze Destination mitzieht. TFA-Gründer, Moderator und Stunt-Statist (siehe Bild) Roland Zegg brachte es auf den Punkt: «Es kann nicht sein, dass die Bergbahnen alles bezahlen und die ganze Destination davon profitiert.»
Auch für Provokationen nicht zu schade
Bekannt ist das TFA nicht nur für hochkarätige Fachbeiträge, sondern nicht zuletzt für ungewöhnliche Denkanstösse von ausserhalb der Branche. Persönlichkeiten wie der ehemalige Schweizer Schiedsrichter Urs Meier, «Watson»-Gründer Hansi Voigt, Top-Management Trainer Dieter Lange oder der Holzbau-Pionier Erwin Thoma boten am diesjährigen TFA nicht nur Inspiration, sondern auch gute Unterhaltung.
Einen ganz besonderen Auftritt legte der Querdenker Michil Costa hin. In seiner bisweilen hochphilosophischen Präsentation vermittelte der stets extravagant gekleidete Südtiroler Hotelier den Teilnehmenden seine ungewöhnliche «Kultur der Gastlichkeit». In deren Genuss kommen in Costas Betrieben nicht nur seine Gäste («Bei uns gibt es keine Cola»), sondern auch die Mitarbeitenden: «Frauen verdienen bei uns grundsätzlich mehr als Männer. Frauen sind die Zukunft.»
Das nächste TFA findet vom 30. März bis 1. April 2020 in Andermatt statt.
Die htr berichtet im Rahmen einer Medienpartnerschaft über das Event.