Das Ermitage Wellness- & Spa-Hotel in Gstaad-Schönried ist seit 2023 Partner der Schweizer Friedensorganisation «Cuisine sans frontières». Im Rahmen dieses Projektes bietet das Ausbildungshotel den zwei besten Absolventinnen und Absolventen von «El Fogon» – der Gastronomieschule im ecuadorianischen Regenwald – einen Ausbildungsplatz an. Im dreimonatigen Praktikum sollen die jungen Gastgeber ihr Wissen im direkten Austausch erweitern und vertiefen.

Am 28. August hatten die 20-jährige Loly Magaly Chamikit Wisuma und der 25-jährige Fidel Geovanny Grefa Aguinda dann ihren grossen Tag. Sie durften das bisher Gelernte unter Beweis stellen und die geladenen Gäste des Hotel Eermitage mit ecuadorianischen und einheimischen Spezialitäten verköstigen. Am 31. August war dann der letzte Tag ihres Praktikums.  

Dankbar für die Chance
«Ich fühle mich geehrt und bin sehr aufgeregt!», sagte Loly Magaly kurz vor dem Eintreffen der Gäste. «Es ist eine grosse Verantwortung, aber auch eine wunderbare Chance, zu zeigen, was wir gelernt haben. Ich möchte, dass alles perfekt läuft und die Gäste ein unvergessliches Dinner erleben.»

Fidel Geovanny pflichtete ihr bei: «Es ist ein besonderer Moment für uns, unsere Leidenschaft und harte Arbeit zu präsentieren. Wir sind ‹El Fogon› und dem ‹ Ermitage› sehr dankbar für die Chance, die wir erhalten haben. Wir haben so viel gelernt und jetzt können wir es endlich zeigen: Wir geben alles!»

Ein Menü, das für Freundschaft steht
Beim Menü haben sich die beiden für Ceviche mit Garnelen und vegetarische Cevichocho, Rindfleisch mit Chimichurri und Salsa de Mauro entschieden - alles typische ecuadorianische Gerichte.

«Ceviche ist ein Klassiker aus unserer Heimat, und wir wollten etwas Vertrautes, aber auch Modernes anbieten. Aber wir wollten auch etwas Variation hineinbringen und das Ganze moderner gestalten, damit für jeden Geschmack etwas dabei ist. Das Rindfleischgericht ist für uns etwas Besonderes, da wir uns nach den langen und strengen Schulwochen immer mit unseren Mitschülern wie in einer Familie zum Grillen getroffen haben. Es erinnert uns an eine grossartige Zeit, in der wir viel Kraft gesammelt haben und wunderschöne Freundschaften schliessen konnten. Eine Art Abschied und gleichzeitig ein Symbol für Gemeinschaft und Freundschaft.»

«Gegenseitig sehr viel gelernt»
Auch Hoteldirektor Romuald Bour war voller Freude: «Der Austausch mit Loly und Fidel war für alle bereichernd. Wir haben sehr viel gegenseitig gelernt – nicht nur über das Kochen.» Für ihn steht es ausser Frage, dass das Programm mit «Cuisine sans frontières» auch in den nächsten Jahren fortgesetzt wird.

«Wir sind sehr stolz auf Loly und Fidel. Das Praktikum ermöglicht den jungen Menschen eine echte Perspektive in ihrem Heimatland Ecuador und sie nehmen neben den neuen Berufs-Skills auch viele schöne Erinnerungen und neu gewonnene Freundschaften über alle Grenzen hinweg mit nach Hause. Das Projekt beweist, dass man sich beim Kochen ohne viele Worte und mit ganz unterschiedlichen Lebensentwürfen auf Augenhöhe begegnen und finden kann», sagt Silvana Lindt, Geschäftsleiterin von «Cuisine sans frontières».

Die ecuadorianische Botschafterin in der Schweiz, Veronica Augusta Bustamante Ponce, richtete ein Grusswort an die Gäste. Sie beglückwünschte die beiden jungen Gastgeber Loly und Fidel, aber auch die Organisation «Cuisine sans frontières» zu deren integrativen Arbeit. Durch den Abend führte Vorstandsmitglied des Vereins «Cuisine sans frontières» und SRF-Moderatorin Monika Schärer. 

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Über «Cuisine sans frontières»
Der Regenwald ist Unesco Biosphäre und geschützt. Dennoch dringen die Erdölindustrie und Palmölproduzenten immer tiefer in das geschützte Gebiet ein. Indigene Gruppen verlieren zunehmend ihren Lebensraum. Dagegen kämpft die Schweizer Friedensorganisation «Cuisine sans frontières» mit dem Kochlöffel. Gastronomie und Ökotourismus schaffen den indigenen Jugendlichen eine neue Perspektive. «El Fogon» ist eine gastronomisch-touristische Fortbildung. Das Programm befähigt Indigene aus der Region, ein touristisches Unternehmen zu führen. Gleichzeitig ist es ein Ort des Austausches und des Empowerments für die jungen Menschen. 


Interview mit Fidel Geovanny Grefa Aguinda und Loly Magaly Chamikit Wisuma

Loly und Fidel, Ihr seid im «Ermitage», weil Ihr die besten Absolventen von «El Fogon», der Gastronomieschule im ecuadorianischen Regenwald, seid. Wie habt Ihr das geschafft?
Loly: Meine Schwester hat mich inspiriert. Sie hat ebenfalls die Ausbildung gemacht und mir gezeigt, wie viel Freude das Kochen bringen kann. Am Anfang war es leicht, aber es wurde immer schwieriger. Doch ich wollte reisen und die Welt entdecken. Als ich von der Möglichkeit hörte, in die Schweiz zu gehen, setzte ich mir dieses Ziel fest. Der Weg war hart und voller Herausforderungen, aber ich habe gelernt, meine Leidenschaft und Hingabe für die Gastronomie zu nutzen, um diese Hürden zu überwinden. Meine Eltern haben meine Entscheidung nicht verstanden, aber ich wollte ihnen beweisen, dass ich mit meiner Liebe zum Kochen Grosses erreichen kann.

Fidel: Ich bin ganz zufällig in die Gastronomie geraten. Nach drei Monaten Arbeit an der Grenze zu Peru erzählte mir mein Onkel von der Schule. Ich habe alles gespart und mich dann entschieden, mich anzumelden. Ab dem ersten Tag habe ich mich in die Kunst des Kochens verliebt. Das Programm hat mir die Chance gegeben, meine Leidenschaft zu entdecken und zu leben. Es war eine lange Reise von Coca nach Putini, aber ich habe jede Sekunde genossen. Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals noch eine grössere Reise auf mich nehmen würde. Ich möchte meine Fähigkeiten weiterentwickeln und eines Tages andere junge Menschen ausbilden, um ihnen zu zeigen, dass es immer einen Weg gibt.

Welchen Eindruck habt Ihr bis jetzt von der Schweiz? Was gefällt Euch am besten? Was hat Euch überrascht?
Loly: Alles! Ein Fotograf der Organisation ist nach Ecuador gekommen und hat uns viele Bilder gezeigt, aber ich konnte es nicht glauben: die Farbe des Wassers, die Berge, die Landschaften. Die Stille, als ich am ersten Morgen aufwachte, war unglaublich. So ein innerer Frieden! Ich fühle mich wie ein einziger Mensch allein auf meinem Planeten. Die Menschen hier sind sehr hilfsbereit, jeder lebt sein eigenes Leben, aber ist dennoch bereit zu helfen. Es war sofort eine Verbindung da.

Fidel: Die Vertrautheit hier hat mich schnell in ihren Bann gezogen. Es fühlt sich fast an, als hätte ich eine neue Familie gefunden. Die Schweiz hat mir gezeigt, wie anders Umwelt und Natur sein können. Hier gibt es eine Ordnung und Regeln, die mir sehr gefallen. Es gibt mir das Gefühl, dass ich diese Lebensqualität möchte, welche ich in meinem eigenen Leben haben will. Jeden Tag sage ich mir, dass dies eine grossartige Chance ist. Unsere Köche im «Ermitage» sind grossartig und haben uns so gut aufgenommen.

Was habt Ihr im «Ermitage»gelernt?
Loly: Ich habe so viel über die Küche und das Anrichten von Gerichten gelernt. Die Präzision und die Liebe zum Detail sind hier unglaublich. Ich bin hungrig nach Wissen und will alles aufsaugen! Am 1. August habe ich viel über das Schweizer Essen gelernt, und in der Patisserie habe ich trotz meiner Ungeduld viel gelernt. Vor allem die Genauigkeit und die Liebe zum Detail. Auch das Anrichten der Teller, das sogenannte «Schicken», und die individuelle Art und Weise, wie jeder arbeitet, haben mich fasziniert. Ich habe von allen viel gelernt, sowohl von den positiven als auch von den negativen Erfahrungen. Das Schneiden von Gemüse, das Abschmecken, und den Druck, unter dem wir arbeiten, haben mich stark geprägt.

Fidel: Ich habe viel über die kalte Küche gelernt, über die verschiedenen Salate, Gemüse sowie vegane und vegetarische Gerichte. Das gleichzeitige Anrichten der Speisen war eine Herausforderung, aber ich habe schnell gelernt, und mittlerweile kann ich allein anrichten. Alle Köche hier haben eine andere Arbeitsweise, und von jedem das Beste zu lernen, ist ein grosser Schatz. Vor allem hilft es mir, mich selbst weiterzuentwickeln und herauszufinden, wer ich bin.

Was könnten die Schweizer von Ecuador lernen?
Fidel: Die Sprachenvielfalt und Offenheit im Umgang miteinander. Die Schweizer sind ein bisschen distanzierter, aber auch herzlich. Es braucht Zeit, bis man warm wird, aber dann ist die Bindung stark. Vor allem könnten die Schweizer von unseren Produkten lernen, wie Fisch und Gemüse, und wie wir mit den Gewürzen umgehen.

Was sind Eure Ziele?
Fidel: Ich möchte weiter lernen und mich ausbilden lassen. Ein eigenes Restaurant wäre mein Traum, um meiner Familie etwas zurückzugeben. Aber auch ist es mir wichtig, anderen zu helfen und sie in einer Stiftung auszubilden. Ich möchte den Jugendlichen zeigen, dass es einen anderen Weg gibt, so wie ich eine Chance hatte.

Loly: Ich möchte ein eigenes Restaurant haben! Die ganze Arbeit und der Schweiss, den ich investiert habe, sollen sich lohnen. Ich habe einen Plan und möchte mein Projekt verwirklichen – für mich. Ich will mich auch im administrativen Bereich weiterbilden, um mein eigenes Restaurant selbst bewirtschaften und optimieren zu können.

Welchen Gast/welche prominente Person würdet Ihr am liebsten einmal bekochen dürfen?
Fidel: Meine Familie! Es wäre eine Ehre, ihnen zu zeigen, was ich gelernt habe. Aber auch der Präsident von Ecuador wäre spannend.

Loly: Chef Daniel Contreras, bei dem ich mein Praktikum gemacht habe. Er hat immer an mich geglaubt und mich gefördert. Es wäre mir eine Freude, ihm etwas zurückzugeben. (mm)