Während die Mehrheit der Kantone und bürgerlichen Parteien den Ideen der Regierung weitestgehend folgen, gibt es auf links-grüner Seite sowie von Umweltverbänden eine grosse Skepsis gegenüber einer zweiten Röhre. Die Argumente auf beiden Seiten sind seit Monaten die gleichen.
Die Befürworter sehen einen zweiten Tunnel während der Sanierung der bestehenden Röhre als einzig sinnvolle Lösung. Nur damit könne eine Isolierung des Tessins vom Rest der Schweiz über mehrere Jahre verhindert werden, schrieb etwa der Tessiner Staatsrat in seiner Stellungnahme.
Zudem erhöhe ein zweiter Tunnel die Sicherheit und die Stabilität der Nord-Süd-Verbindung. Das vorgestellte Projekt sichere gleichzeitig ab, dass das Verkehrsaufkommen auf der Strecke nicht erhöht werde.
Angst vor mehr Verkehr
Genau dies befürchten aber die Gegner. «Die Vorlage der Landesregierung öffnet der Politik Tür und Tor, um den Alpenschutz in der Verfassung auszuhebeln und die Verlagerungspolitik zu sabotieren», teilte der Verkehrs-Club der Schweiz(VCS) mit.
Das vom Bundesrat vorgeschlagene Gesetz, das festschreibt, dass nach der Sanierung des alten Strassentunnels nie mehr als zwei Fahrspuren gleichzeitig geöffnet werden sollen, sei eine Farce. «Für das Parlament wäre es ein Leichtes, eine solche Vorschrift zu einem späteren Zeitpunkt zu ändern.»
Darüber hinaus sei der Bau einer zweiten Röhre in höchstem Masse unwirtschaftlich. Sollte das Parlament dem Bundesrat folgen, wird der VCS deshalb zusammen mit seinen politischen Partnerorganisationen das Referendum ergreifen.
Zählen kann der Umweltverband auf die Alpeninitiative. Sie fordert die Rückkehr zu den ursprünglichen Plänen der Landesregierung: Sanierung des Strassentunnels am Gotthard ohne den vorgängigen Bau einer zweiten Röhre.
Sicherere Lösung
Dies kommt bei den Befürwortern ebenso wenig in Frage wie andere alternative Szenarien, etwa die Einrichtung einer rollenden Landstrasse oder der Bau von grossen LKW-Terminals auf Tessiner Boden. Solche Projekte würden unverhältnismässig viel kosten, hohe technische Risiken bergen und den Bergregionen schaden, schreibt die Tessiner Regierung.
Unterstützung erhält der Bundesrat von zahlreichen Verbänden. Für den Schweizerischen Nutzfahrzeugverband ASTAG ist der Bau eines Sanierungstunnels ohne Kapazitätserweiterung die beste Lösung. Sie diene zudem auch der Verkehrssicherheit. «Das Risiko von Frontalkollisionen mit Todesfolge wird damit effektiv reduziert.»
Der Automobil Club der Schweiz (ACS) führt vor allem wirtschaftliche Gründe für den Bau einer zweiten Tunnelröhre ins Feld. «Eine Vollsperrung des bestehenden Tunnels während mehrerer Jahre hätte für die Schweizer Bevölkerung und Wirtschaft gravierende Folgen.»
Ins gleiche Horn stösst der Schweizerische Gewerbeverband (sgv) und die Stiftung RoadCross Schweiz.
Offener Ausgang
Der Bau einer zweiten Strassentunnelröhre am Gotthard scheidet also weiterhin die Geister. Das letzte Wort dürfte also das Volk haben. Die Fronten sind geklärt, der Ausgang einer allfälligen Volksabstimmung vollkommen offen.
Es wäre das dritte Mal nach 1994 (Alpenschutzinitiative) und 2004 (Avanti-Initiative), dass das Volk direkt oder indirekt über den Bau eines zweiten Tunnels befinden würde. Bisher lehnte es die Bestrebungen immer ab. (sda/dbo)