Im Juni hatte der Ständerat moderate Erhöhungen des Budgets für Schweiz Tourismus und Einlagen in den Fonds für Regionalentwicklung gutgeheissen. Doch im Nationalrat fanden diese Erhöhungen im September keine Mehrheiten. Nach der Differenzbereinigung bleibt es bei den Förderbeiträgen in bisheriger Höhe.
Im Rahmen der von beiden Räten bewilligten «Standortförderungsbotschaft 2024–2027» stehen folgende Beträge für die verschiedenen touristischen Förderinstrumente fest:
45,43 Millionen Franken für «Innotour»: Förderung von Innovation, Zusammenarbeit und Wissensaufbau im Tourismus
233 Millionen Franken Finanzhilfe für Schweiz Tourismus
217,3 Millionen Franken für den Fonds für Regionalentwicklung (2024–2031)
«Eher Finanz- als Tourismusdebatten»
Nicolò Paganini, Präsident des Schweizer Tourismus-Verbands (STV) und für Die Mitte im Nationalrat, ist erleichtert, dass es bei den bisherigen Fördermitteln bleibt. Andererseits ist er enttäuscht, dass die moderaten Erhöhungen keine Mehrheiten fanden. «Wir haben klar aufgezeigt, dass für die touristischen Fördermittel ein Mehrbedarf besteht, insbesondere für Schweiz Tourismus.»
Paganini verweist auf die aktuelle Finanzlage des Bundes. «Das Einhalten der Schuldenbremse wird in den nächsten Jahren schwerfallen. Die Debatte zur Tourismusförderung fand vor diesem Hintergrund statt. Teilweise waren das eher Finanz- als Tourismusdebatten.»
Dass die touristischen Förderinstrumente an sich nicht infrage gestellt worden seien, sei erfreulich. «Selbstverständlich habe ich hinter den Kulissen zahlreiche Gespräche geführt. Ich wusste, dass es schwierig wird, über die Anträge des Bundesrats hinaus Mittel zu bekommen.»
Fehlendes Verständnis für die Förderinstrumente
Teilweise werde nicht verstanden, dass es bei der Tourismusförderung um ganze Wertschöpfungsketten gehe, dass auch Branchen ausserhalb des Tourismussektors profitierten und dass der Tourismus im eher ländlichen Raum ein Haupttreiber der wirtschaftlichen Entwicklung sei.
... nicht verstanden, dass es um ganze Wertschöpfungsketten geht.
Nicolò Paganini, St. Galler Nationalrat Die Mitte und Präsident STV
Nach Paganinis Einschätzung hat wohl auch die öffentliche Wahrnehmung des Tourismus die Meinungen im Nationalrat ungünstig geprägt. Für Paganini zeigt sich das anhand eines Votums von Nationalrat Kilian Baumann als Sprecher der Fraktion der Grünen: Baumann erklärte, die Branche habe sich nach der Pandemie schon gut erholt.
Die grüne Fraktion sehe keine Notwendigkeit, die Nachfrage weiter anzukurbeln und die Beiträge an Schweiz Tourismus noch zu erhöhen. «Man nimmt den Tourismus als wieder ‹gut laufend› wahr, und es schwingen wohl die Medienberichte zum Thema Overtourism mit. Dabei geht vergessen, dass die touristischen Förderinstrumente ja mittel- und langfristig wirken sollen. Ausserdem muss der Schweizer Tourismus im Bereich der Nachhaltigkeit und der Digitalisierung zusätzliche Anstrengungen unternehmen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und sich verändernden Bedürfnissen gerecht zu werden.»
Auslandmarketing: Faktische Kürzung der Mittel
HotellerieSuisse wertet das Ergebnis in den Räten als Erfolg. «Dieser Entscheid ist nicht überraschend. Angesichts der aktuellen Finanzlage des Bundes muss das Parlament das Budget entlasten. Seitens Parlament haben wir in der entscheidenden Lobbyphase viel Wohlwollen gegenüber dem Tourismus gespürt. So konnten wir trotz angespannter Bundesfinanzen weitere Kürzungen verhindern», wird Nicole Brändle Schlegel, Leiterin des Bereichs Arbeit, Bildung, Politik bei HotellerieSuisse, in einer Mitteilung an die Verbandsmitglieder zitiert.
Wir haben viel Wohlwollen gegenüber dem Tourismus gespürt.
Nicole Brändle Schlegel, Leiterin Bildung, Arbeit, Politik bei HotellerieSuisse
Mit der abgelehnten Erhöhung könnten nun allerdings geplante Anstrengungen im Bereich der Nachhaltigkeit und der Digitalisierung nicht umgesetzt werden. «Angesichts der teils hohen Teuerung in einigen Quellmärkten bedeutet der unveränderte Zahlungsrahmen von 233 Millionen Franken für Schweiz Tourismus faktisch eine substanzielle Kürzung bei den Mitteln für das Auslandmarketing.»
Einen Kürzungsantrag beim Fonds für Regionalentwicklung konnten die touristischen Verbände verhindern. Eine Kürzung um rund ein Drittel des Betrages stand im Vorfeld der Debatte im Raum. «Dies konnten wir dank grossem Effort verhindern. Wir sind erfreut, dass der Fonds weiterhin über genügend Mittel verfügt», heisst es in der Verbandsmitteilung weiter.
«Neue Regionalpolitik» (NRP)
Die Instrumente der «Neuen Regionalpolitik» (NRP) starten 2024 in ihr drittes achtjähriges Mehrjahresprogramm (MJP3 2024–2031). In den NRP-Zielgebieten hat der Tourismus laut Botschaft des Bundesrates eine hohe Bedeutung und bildet einen thematischen Förderschwerpunkt. Der Bund unterstützt den Strukturwandel, um die einzelnen Destinationen wettbewerbsfähiger und die Schweiz konkurrenzfähiger zu machen.
Qualitäts- und Produktentwicklung: Unterstützt wird die Entwicklung marktfähiger Tourismusprodukte und -dienstleistungen wie Erlebnis-Packages, Indoor-/Outdoor-Aktivitäten oder Markenentwicklungsprozesse. Projekte können zum Beispiel Analysen zu Wertschöpfungsprozessen und Marktpotenzial oder Bündelungen von Angeboten zu erweiterten Wertschöpfungsketten umfassen.
Kooperationen und überbetriebliche Vernetzung: Leistungserbringer und Beherbergungsbetriebe auf Destinationsebene erhalten Unterstützung, um die Nachteile der oft kleinstrukturierten Tourismuswirtschaft abzubauen. Im Vordergrund stehen Projektansätze wie branchenübergreifende Kooperationen, Projekte zur gemeinsamen Nutzung von strategischen Ressourcen sowie Koordinations- oder Marketingplattformen.
Qualifizierung und Coaching: Ein wichtiger Erfolgsfaktor sind regional verfügbare, gut qualifizierte Arbeitskräfte sowie innovative Unternehmerinnen und Unternehmer. Die NRP unterstützt gezielt mit Coachings oder durch Programme zur Förderung des Unternehmertums.
Fernmärkte bleiben bedeutend
Der Bund unterstützt Schweiz Tourismus (ST) in den folgenden vier Jahren mit 233 Millionen Franken. ST fördert im «Auftrag des Bundes die Nachfrage für die Schweiz als Reise- und Tourismusland», wie es in der Botschaft des Bundesrates heisst. Die Gäste aus den Fernmärkten sind für den Schweizer Tourismus von entscheidender Bedeutung und werden von ST auch in Zukunft beworben. Auf sie entfallen derzeit rund 20 Prozent der Logiernächte.
Gäste aus den Fernmärkten buchen mit erheblichem zeitlichem Vorlauf, was den Leistungsträgern Planungssicherheit gibt, und sie reisen während des ganzen Jahres. So ermöglichen sie den Leistungsträgern oft einen Ganzjahresbetrieb und sichern so wertvolle Ganzjahresarbeitsplätze. Zudem sind die durchschnittlichen Tagesausgaben der Gäste aus den Fernmärkten im Vergleich zu denjenigen der übrigen Gäste deutlich höher. Bei der Bearbeitung der Märkte strebt ST einen ausgewogenen Gästemix an: 45 Prozent Schweiz, 35 Prozent Europa und 20 Prozent Fernmärkte.
Nachgefragt bei Nicole Brändle Schlegel
Es wäre wichtig gewesen, dass der Bund die Beiträge für die Tourismusförderung erhöht. Welche Folgen hat es nun, dass es bei den bisherigen Beträgen bleibt?
In der angespannten finanziellen Lage des Bundes sind wir erleichtert, dass die Gelder für den Tourismus nicht gekürzt wurden, wie von verschiedenen Seiten gefordert wurde. Natürlich wäre mit zusätzlichen finanziellen Mitteln mehr möglich gewesen, gerade in Bezug auf Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Dies wäre nicht nur dem Tourismus zugutegekommen, sondern auch vielen vor- und nachgelagerten Branchen. [IMG 2]
HotellerieSuisse setzt sich mit Lobbyarbeit in der nationalen Politik für die Branche ein. Was heisst das konkret?
HotellerieSuisse ist auf allen Stufen des Gesetzgebungsprozesses aktiv, um für die Branche möglichst vorteilhafte Bedingungen zu erreichen, sei dies über persönliche Kontakte, Arbeitsgruppen und Gremien, die Aufbereitung von relevanten Informationen oder Öffentlichkeitsarbeit.
Die Branche soll besser im Parlament vertreten sein. Was würden einzelne Vertreterinnen und Vertreter ändern?
Auch ohne direkte Vertretung aus der Hotellerie gibt es zahlreiche Parlamentarierinnen und Parlamentarier, welche unserer Branche positiv gesinnt sind. Wir setzen uns aber dennoch für direkte Vertreterinnen und Vertreter unserer Branche im Parlament ein, weil diese unsere Herausforderungen à fonds verstehen und somit unsere Interessen allenfalls noch besser vertreten können.
Wie will HotellerieSuisse in vier Jahren noch mehr Branchenvertreterinnen und -vertreter ins Parlament bringen?
Einerseits durch die Unterstützung von Hoteliers und Hotelièren in den Gemeinde- und Kantonsparlamenten. Diese Aufbauarbeit zahlt sich mittelfristig auf nationaler Ebene aus. Andererseits durch die Sensibilisierung unserer Mitglieder. Wir müssen unseren Mitgliedern noch stärker aufzeigen, wie wichtig die Politik ist, um gute Rahmenbedingungen für unsere Branche zu schaffen und zu erhalten.