SVP-, FDP- und CVP-Vertreterinnen und -Vertreter nahmen die Eintretensdebatte zum überarbeiteten Covid-19-Gesetz zum Anlass für eine «Chropfleerete». Es wurde nicht gespart mit Kritik, Vorwürfen und Vorschlägen an die Adresse des Gesamtbundesrats.
Hannes Germann (SVP/SH) sprach von einem «Versagen auf verschiedenen staatlichen Ebenen». Geradezu «lächerlich» sei der Streit um die Aussenterrassen in Restaurants. Es brauche nun «sinnvolle Korrekturen».
Der Bund sei längst weit nicht so gut unterwegs, wie von den Behörden regelmässig behauptet werde, monierte Ruedi Noser (FDP/ZH). Es fehle an einer kohärenten Impf- und Teststrategie. Peter Hegglin (CVP/ZG) plädierte für eine «pragmatische Öffnungsstrategie».
«Kein Öffnungsdatum im Gesetz»
Auch Pirmin Bischof (CVP/SO) sah bei der Krisenbewältigung Luft nach oben. So habe die Regierung etwa nicht immer treffend begründen können, weshalb welche Massnahmen ergriffen wurden. Es sei aber wichtig – betonte er wie viele seiner Vorredner –, dass dem Bundesrat die Handlungskompetenz nicht entzogen werde.
«In einer Krise ist es wichtig, die verfassungsmässigen Instrumente einzuhalten», sagte Bischof mit Blick auf Anträge, die am kommenden Montag im Nationalrat zu reden geben werden. Egal, was der Schwesterrat entscheide: «Vom Ständerat wird kein Öffnungsdatum ins Gesetz geschrieben.»
Damit sollte er in der Detailberatung Recht behalten. Keine Chance hatte etwa ein Antrag von Thomas Minder (parteilos/SH), dem Parlament ein Vetorecht einzuräumen. Er verlangte, dass im Falle eines Lockdown die zuständigen Kommissionen das letzte Wort haben sollen.
Regionale Lockerungen möglich machen
Der Ständerat präzisierte stattdessen die Leitlinien, innerhalb derer der Bundesrat in Zukunft seine Corona-Entscheide treffen soll. Er hat einen Absatz ins Covid-19-Gesetz aufgenommen, wonach der Bundesrat seine Strategie auf mildest- und kürzestmögliche Einschränkungen ausrichten soll. Zudem soll der Bundesrat die Kantonsregierungen vermehrt in seine Entscheide miteinbeziehen.
Weiter will der Ständerat regionalen Entwicklungen der epidemiologischen Lage vermehrt Rechnung tragen. Der Bundesrat soll «vorbildlichen» Kantonen Erleichterungen der Corona-Massnahmen gewähren. Die bürgerliche Mehrheit sieht darin die Chance, das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen. Finanzminister Ueli Maurer warnte vergeblich vor diesem Schritt: «Wir wecken damit sofort wieder Erwartungen, dass die Kantone wieder sehr viele Freiheiten haben.»
«Der Weg muss breiter werden»
Von linker Seite war während der über fünfstündigen Debatte kaum Kritik am Kurs des Bundesrats zu vernehmen. Paul Rechsteiner (SP/SG), der Präsident der Gesundheitskommission, lobte das Krisenmanagement ausdrücklich. Die Eingriffe in die Freiheit der Menschen seien in der Schweiz weit weniger stark gewesen als im umliegenden Ausland.
Maurer sprach von einer Gratwanderung, auf der sich der Bundesrat seit langem befinde. Das Ziel sei immer eine rasche Rückkehr zum normalen Betrieb. «Der Weg muss breiter werden, damit uns die Bevölkerung noch folgen kann.» Wirtschaftliche und gesellschaftliche Aspekte sollten nun einen höheren Stellenwert erhalten.
Mehr Bundesgelder für Unternehmen
Bei der Ausweitung des Härtefallprogramms – ursprünglich der zentrale Punkt der neuerlichen Gesetzesrevision – entschied der Ständerat wenig überraschend im Sinne der Kantone. So soll sich der Bund bei mittelgrossen Unternehmen mit 80 Prozent an den Kosten der kantonalen Härtefallmassnahmen beteiligen. Der Bundesrat sah einen Finanzierungsanteil von 70 Prozent vor.
Mehr Unterstützung sollen Grossfirmen erhalten. Für grosse Unternehmen mit einem Umsatzrückgang von mehr als 70 Prozent soll nach dem Willen des Ständerats der Bundesrat auch mehr als 10 Millionen Franken zahlen können.
Abgelehnt hat der Ständerat den Antrag seiner Kommissionsmehrheit, dem Detailhandel in den nächsten zwei Jahren zwölf Verkaufssonntage pro Jahr zu ermöglichen. Es handle sich hier um ein unerwartetes Geschenk aus Bern, das niemand gefordert und erwartet habe, argumentierte Mitte-Links erfolgreich. (sda og)