Das Referendumskomitee hat bis 8. Oktober Zeit, um die 50'000 nötigen Unterschriften zu sammeln. Die Räte hiessen in der Sommersession die gesetzlichen Grundlagen für die App gut und erklärten die Änderungen im Epidemiengesetz für dringlich.
Angst vor «digitaler Diktatur»
Eine echte Debatte über die Risiken dieser Tracing-Technologie sei während den Ratsdebatten nicht geführt worden, kritisiert das Komitee. Zu ihm gehört als einziger Bundesparlamentarier der Walliser SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor. Das Komitee fürchtet wegen der App eine «digitale Diktatur» wie in China.
Den Ursprung habe das Komitee, das unter dem Titel «Stop Swiss Covid» auftritt, in der Westschweiz, sagte sein Sprecher François de Siebenthal der Nachrichtenagentur Keystone-SDA am Montag auf Anfrage. Nach und nach breite sich die Opposition gegen die App aber auf das ganze Land aus.
Die App müsse die Betriebssysteme von Google und Apple durchlaufen, so das Komitee. Da bestehe die Gefahr, dass die Internetgiganten Daten abschöpfen könnten. Auch bestehe bei der eingesetzten Bluetooth-Technologie ein Missbrauchsrisiko. «Falsche positive Fälle» und unnötige Quarantäne-Verfügungen könnten die Folgen sein.
«Gesellschaftlicher Druck»
Das Epidemiengesetz schreibt vor, dass «alle angemessenen technischen und organisatorischen Massnahmen» getroffen werden müssen, damit keine an dem System teilnehmenden Menschen bestimmbar werden. Daten dürfen ausschliesslich auf den einzelnen Mobiltelefonen gespeichert werden und müssen gelöscht werden, wenn sie für eine Benachrichtigung nicht mehr nötig sind.
Mit ausländischen Systemen kann das Proximity Tracing System verbunden werden, wenn der jeweilige Staat einen «angemessenen Schutz der Persönlichkeit» gewährleistet.
Das Komitee macht auch geltend, dass «gesellschaftlicher Druck» ausgeübt werden könnte, die App zu verwenden. Das Gesetz schreibt derweil ausdrücklich vor, dass das Herunterladen und Einsetzen der App freiwillig sein muss und niemand benachteiligt werden darf, der die App nicht verwendet.
Räte wollten Gesetzesgrundlagen
Das Komitee argumentiert zudem, dass die befristet geltenden Änderungen im Epidemiengesetz, die für die Verwendung der App die Gesetzesbasis bilden, auf immer eingeführt werden könnten. So sei es seinerzeit auch bei der direkten Bundessteuer oder bei der Autobahnvignette geschehen.
Die Gesetzesänderungen hatte das Parlament mit einer Motion verlangt. Der Bundesrat nannte den Vorstoss unnötig. Gesundheitsminister Alain Berset verwies auf die schon damals weit fortgeschrittenen Arbeiten. Datenschutz, dezentrale Speicherung und die freiwillige Nutzung seien bereits berücksichtigt.
Am 19. Juni, am Ende der Sommersession, hiessen die beiden Kammern die Änderungen im Epidemiengesetz gut und erklärten sie für dringlich. Damit konnten sie unmittelbar nach der Session in Kraft treten, und sie sind bis zum 30. Juni 2022 gültig.
Termine im März und im Juni
Das Ergreifen oder Zustandekommen eines Referendums habe für ein dringlich beschlossenes Gesetz keine aufschiebende Wirkung, hiess es bei der Bundeskanzlei. Komme das Referendum zustande, sollte die Abstimmung vor dem 19. Juni 2021 stattfinden.
Denn gemäss Verfassung tritt ein dringlich erklärtes Gesetz ein Jahr nach der Genehmigung im Parlament ausser Kraft, wenn das Referendum verlangt wurde und das Volk nicht oder noch nicht zugestimmt hat. 2021 gibt es Blanko-Abstimmungstermine am 7. März und am 13. Juni.
Wann worüber abgestimmt wird, legt der Bundesrat fest, gemäss Gesetz wenigstens vier Monate vor dem Abstimmungstermin. Eine Abstimmung im März müsste demnach im November beschlossen werden. Eine gesetzliche Frist für das Ansetzen einer Volksabstimmung gibt es bei Referenden nicht, wie die Bundeskanzlei schreibt.
Die seit 25. Juni verfügbare App wurde bisher fast 1,85 Millionen Mal heruntergeladen, wie das Bundesamt für Gesundheit (BAG) letzte Woche bekanntgab. Aktiv waren am Sonntag indes nur etwa halb so viele Apps, nämlich knapp 940'000. (sda)