Auf der Arabischen Halbinsel sind die Temperaturen jetzt im Sommer extrem hoch – da ist die vergleichsweise kühle Schweiz ein attraktives Reiseziel. Entsprechend kommen die meisten Gäste aus den Golfstaaten zwischen Juni und August. So ist es auch in der Ferienregion Interlaken: Rund 75 Prozent der Übernachtungen bei dem Markt fallen in die Sommermonate. Allgemein strebt Interlaken Tourismus aber den Ausbau zur Ganzjahresdestination an. Entsprechend würden auch den arabischen Gästen die Saisonalitäten und deren Vorzüge nähergebracht, so Lisa Spring, Manager Communication Interlaken Tourismus. «Zum Beispiel der Herbst mit den gefärbten Wäldern und der dann einzigartigen Fernsicht in den Bergen.» Der Erfolg zeigt sich bereits: In den letzten Jahren gab es eine leichte kontinuierliche Zunahme bei den Logiernächten in der Zwischensaison. 

Wir entwickeln neue, kreative und auf den Markt zugeschnittene Angebote und Dienstleistungen.
Lisa Spring, Manager Communication Interlaken Tourismus   

Besonders das Element Wasser fasziniere arabische Gäste, beobachtet Spring. «Neben Seen, Flüssen und Wasserfällen sind natürlicher Schnee und Eis absolute Highlights.» Die Ferienregion stehe in den Golfstaaten sinnbildlich für «die ganze Schweiz an einem Ort». Um die Position noch auszubauen, werden zusammen mit Partnern, Leistungsträgern und Beherbergern «neue, kreative und auf den Markt zugeschnittenen Angebote und Dienstleistungen» entwickelt. Zum Beispiel die Lady-Pilot-Tandem-Paraglidingflüge in Begleitung einer weiblichen Pilotin.


2,6 Nächte blieben die Gäste aus den Golfstaaten 2019 durchschnittlich im Hotel.

Familie Familienfreundlichkeit nannten 9,5 Prozent als Hauptgrund für ihre Reise.

8,8 Prozent die Schweizer Natur.

420 Franken gaben die Reisenden gemäss «Tourismus Monitor Schweiz 2017»im Schnitt täglich aus.

70,7 Prozent der Gäste aus den Golfstaaten übernachten während ihrer Ferien im Hotel.
 

Ein Grossteil der arabischen Gäste reist mit der Familie. Entsprechend sollten familienfreundliche Bergerlebnisse angeboten werden, rät Spring. Auch Adventure-Angebote kämen gut an. «Wir haben da eine Fülle an professionell veranstalteten Aktivitäten auf kleinstem Raum, eingerahmt von perfekten Landschaften.» Soft Adventure, Jetboat oder Canyoning, würde von der Gästegruppe bevorzugt. Ein wichtiger Teil der Marktpflege sei die Bespielung von Social-Media-Kanälen: «Die meisten arabischen Gäste besitzen mehrere Smartphones und sind sehr Social-Media-affin.» Aktuell seien vor allem Tiktok, Facebook und Youtube beliebt. Diese Kanäle versorgt Interlaken Tourismus mit passendem Content. «Hierbei achten wir darauf, dass Tonalität und Bildsprache auf die religiösen und kulturellen Befindlichkeiten der Zielgruppe abgestimmt sind.»

Frühstück bis zum Mittag, Abend­essen bis 23 Uhr
Das Verständnis für Gäste aus fernen Ländern zu fördern, ist für Spring ein weiterer wichtiger Punkt. Seit Jahren werden interkulturelle Workshops durchgeführt, an denen Entscheidungsträger und Mitarbeitende von touristischen Leistungsträgern sowie Einheimische teilnehmen können. Gleichzeitig sollen aber auch die Gäste gut vorbereitet sein. Das lokale Reisebüro Arab Service Interlaken erarbeitet dafür in Zusammenarbeit mit Interlaken Tourismus Lernvideos und Broschüren, die neben buchbaren Angeboten auch Informationen zur Schweiz liefern. Dort wird zum Beispiel erklärt, dass es für die Benutzung von Schweizer Autobahnen und -strassen eine Vignette braucht. Interkulturelle Kompetenz hält auch Marco von Euw, Direktor Hotel Metropole in Interlaken, für zentral.

Es komme darauf an, praktische Erfahrungen zu sammeln und sie dann im täglichen Umgang mit arabischen Gästen anzuwenden. Diese hätten einen gewissen Anspruch an die Flexibilität von Personal und Service. So sei der Tagesrhythmus etwas anders als der anderer Gästegruppen. Frühstück und Abendessen möchten arabische Gäste tendenziell später haben – Frühstück bis am Mittag, Abendessen bis mindestens 23 Uhr. Ein Hotel sollte entsprechende Zeiten anbieten. Von Euw fällt bei den Gästen eine anfängliche Skepsis auf. «Wenn wir ihnen aber etwas Zeit widmen, gewinnen wir ihr Vertrauen. Dann können sie zu Stammgästen werden.» Das Kulinarische ist ein besonders wichtiger Punkt. Halal-Essen gehört bei den Gästen nicht nur zur Tradition, es ist Teil ihrer Religion. «Zum einen setzen wir bei unseren Gerichten entsprechende Halal-konforme Zutaten ein. Zum anderen haben wir traditionelle Speisen wie Kichererbsen, Couscous und Lammgerichte auf der Karte.» Grundsätzlich seien die Gäste kulinarisch recht neugierig.

Aufmerksamkeit auf die unbekannten Seiten lenken
«Wir haben eine starke Position in den Golfstaaten», sagt Adrien Genier, Direktor Genève Tourisme. Er beschreibt die Gäste als «loyal und respektvoll». Sie mögen den Genfer Lifestyle, die Kombination aus Stadt und Land mit See und Bergen in der Nähe. Wichtig für die Marktpflege sei es, das ganze Jahr in engem Austausch mit lokalen Reiseanbietern zu stehen und Partnerorganisationen regelmässig über touristische Neuigkeiten zu informieren: neu eröffnete Restaurants, Hotelsanierungen, neue Städtetouren. «So stellen wir sicher, dass die Programme immer up to date sind.»

Die Reiseveranstalter werden auch regelmässig mit aktualisierten Listen von Restaurants versorgt, in denen es Halal-Speisen gibt. Die aktuelle Kampagne heisst «Unexpected Geneva» und wird im Markt Golfstaaten unter anderem über Instagram, Snapchat und Tiktok bespielt. «Das Konzept ist einfach, aber wirkungsvoll», so Genier. Genf habe einige ikonische Symbole: den Jet d’eau, die Luxus-Uhrmacherei, den Genfersee. «Diese allein sind ein Reisegrund, aber wir haben noch mehr – und darauf soll die Kampagne den Blick lenken. Wir wollen die Symbole Genfs als Hebel nutzen, um andere, unbekanntere Aktivitäten aus Bereichen wie Gastronomie und Wassersport zu promoten. So sollen sie aus dem touristischen Schatten der Berühmt­heiten heraus­treten.»

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Rückzugsmöglichkeiten bieten und viel Präsenz im Markt zeigen
Das Walensee Resort in Unterterzen bietet Comfort- und De-luxe-Apartments an und gehört zu den Golfstaaten-Spezialisten. Die meisten Gäste kommen von der Arabischen Halbinsel, vor allem aus den Vereinigten Arabischen Emiraten.  «Jedoch arbeiten wir daran, die Anteile der Gäste aus Katar und Saudiarabien in den nächsten zwei Jahren zu erhöhen», so Teba Cosentino, Geschäftsführerin der Walensee House & Apartments GmbH. Die Gäste buchen das Resort nicht nur wegen der «bezaubernden Schönheit» der Heidiland Tourismusregion, sondern auch wegen Cosentinos arabischer Herkunft. «Ich spreche ihre Sprache, verstehe und respektiere ihre Religion und Traditionen. Das ist für die Gäste wie ein Sicherheitsanker fernab der Heimat.» Besonders achtet Cosentino auf die Dienstleistung, schliesslich lebe ein Tourismusunternehmen davon.

«Was gewünscht wird, versuchen wir 24/7 zu erfüllen. Das ist nicht immer möglich, aber wir bemühen uns. Die arabischen Gäste sollen sich hier wie zu Hause fühlen. Dort können sie auf unbegrenzte Dienstleistungen zurückgreifen.» Auch die Räumlichkeiten sind ein Erfolgsfaktor bei dem Markt. Geschätzt werden die modularen Wohneinheiten mit Verbindungstüren. Sich im Urlaub ganz ins Private zurückziehen können, ist ebenfalls ein wichtiger Buchungsgrund für arabische Gäste, weil es ihnen ein Gefühl von Sicherheit gibt. Die Resort-Website ist auch auf Arabisch abrufbar. «Ein zusätzlich unterstützender Service», so Cosentino. Viele Buchungen erfolgen aber per E-Mail oder telefonisch. Unerlässlich sind «konsequente und nachhaltige Marketingaktivitäten». Cosentino ist viel in den Golfstaaten unterwegs, um Präsentationen bei Reisebüros durchzuführen und an Tourismusmessen teilzunehmen. Es gebe ein ganzes Bündel an Massnahmen – nur so lasse sich das Interesse am Resort auch aufrechterhalten.


Nachgefragt

Aufmerksam sein, besondere Wünsche erfüllen

Carsten Wiegandt ist General Manager des Kempinski Hotel & Residences Muscat in Oman.

Carsten Wiegandt, wie würden Sie Ihre arabischen Gäste beschreiben?
Die meisten sind sehr weit gereist, qualitätsbewusst und anspruchsvoll. Was sich darin zeigt, dass sie oft sehr gut Englisch sprechen und technologisch auf dem neusten Stand sind. Sie erwarten höchste Freundlichkeit, ein warmherziges Lachen und ungeteilte Aufmerksamkeit. Ihre Wünsche sollten zügig erfüllt und ein Room-Service zu jeder Tages- und Nachtzeit angeboten werden. Zudem ist es gut, wenn das Personal eine gewisse Gelassenheit gegenüber quirligen Kindern an den Tag legt. [IMG 3]

Wovon hängen die Bedürfnisse der Gäste im Einzelnen ab?
Zum Beispiel von der Gruppengrösse. Ab einer gewissen Anzahl Reisender werden gerne geräumige Suiten gebucht, mit mehreren Zimmern und Badezimmern oder Zimmern mit Verbindungstüren. Es kann vorkommen, dass eine Familie mit mehr als 30 Personen reist, eventuell sind noch Fahrer, Butler, Nanny oder Sekretär dabei. Ich erinnere mich auch an Fälle, bei denen Gäste eigene Möbel vorausgeschickt haben, die wir dann in den Zimmern platzierten.

Sollten Angestellte Arabisch sprechen können?
So etwas kommt immer gut an. Sie können zurate gezogen werden, wenn es sprachlich tatsächlich mal Barrieren geben sollte. Manchmal freuen sich die Gäste auch einfach, in ihrer Muttersprache begrüsst zu werden oder eine Konversation führen zu können.

Was ist mit besonderen Anliegen und Wünschen?
Um die kümmert sich bei uns – und auch in allen anderen Kempinski-Hotels – die «Lady in red». Sie trägt ein elegantes und massgeschneidertes rotes Outfit, welches die modischen Traditionen der jeweiligen Destination widerspiegelt. Das kann bei uns eine Abaya sein, eine Art Überkleid für Frauen. Die «Lady in red» steht Gästen als vertrauensvolle Ansprechpartnerin für jegliche Anliegen zur Seite, sie macht das Unmögliche möglich. Das kann bei arabischen Gästen die kurzfristige Organisation eines Kindergeburtstages sein, eine Lieferung von Datteln und Blumen oder die Bitte, den Vertreter eines Luxuslabels mit einer riesigen Auswahl an Schuhen, Kleidern, Handtaschen oder Schmuck ins Hotel zu bestellen, sodass die Gäste in der Privatsphäre einer Suite stresslos einkaufen können.

Arabische Gäste erwarten ein warmherziges Lachen.


Worauf legen arabische Gäste im Spa-Bereich Wert?
Sie kennen sich sehr gut mit luxuriösen, internationalen Kosmetiklinien aus und zeigen grosses Interesse an den neusten Wirkstoffen im Produktbereich. Ein Hotel sollte also führende Labels anbieten. Zudem sollten die Behandlungen auf die individuellen Bedürfnisse der Haut zugeschnitten sein. Da ist professionelles Fachpersonal gefragt, das sich mit der einzelnen Person und dem Hauttyp auseinandersetzt und nicht einfach ein «One fits all»-Programm durchführt.

Sollten bestimmte Zusatz­services ausserhalb des Hotels angeboten werden?
Ja. Wir führen Museumsbesichtigungen durch, Privattouren mit Guide zu historischen Stätten oder landestypischen Plätzen, Picknick in einer Oase, Shoppingausflüge, Wanderungen durch die berühmten Wadis oder Katamarantouren zum Schnorcheln auf vorgelagerte Inseln. Unsere arabischen Gäste erwarten dabei ein massgeschneidertes Erlebnis. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass eine Luxusboutique exklusiv nur für einen einzigen Gast öffnet. Oder dass für den Ausflug eines Autofans ein Rolls-Royce organisiert wird.

Nehmen wir mal an, ein Schweizer Hotel überlegt, Halal-Speisen aufs Menü zu setzen. Was ist da zu beachten?
«Halal», also gemäss Koran erlaubt, sind frisches Obst und Gemüse, Getreide, Hülsenfrüchte, Eier, Frischmilch, Milchprodukte, frischer Fisch mit Schuppen wie Lachs, Forelle oder Karpfen, pflanzliche Fette wie Olivenöl, Zucker und Honig. Tabu sind vor allem Schweinefleisch und Alkohol. Fleisch vom Rind, Schaf, von der Ziege, vom Lamm oder Huhn ist erlaubt, wenn diese nach besonderen Vorschriften geschlachtet wurden.

Was kommt bei arabischen Gästen kulinarisch gut an?  Haben Sie da ein paar Tipps?
Empfehlenswert sind Hummus, Falafel oder Mutabal, eine Art Auberginenpüree mit der Sesampaste Tahin. Auch beliebt: Teigtaschen mit Lammhack und Ful Medames, ein Frühstücksgericht aus Favabohnen. Wichtig ist, dass Hotels die Speisen immer deutlich als «halal» kennzeichnen.

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