Die Tourismusforscher Christian Laesser und Pietro Beritelli von der Universität St. Gallen fordern einen Wandel im Destinationsmanagement. In ihrem kürzlich veröffentlichten White Paper argumentieren sie, dass traditionelle, zentralisierte Ansätze im Destinationsmanagement den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht werden. Stattdessen schlagen sie eine flexiblere und kooperative Herangehensweise vor, die besser auf die komplexen und dynamischen Herausforderungen im Tourismus reagiert.

Laut den Experten ist eine Destination nur eingeschränkt steuerbar, da der Tourismus ein stark nachfragegetriebenes Phänomen ist, das von individuellen Entscheidungen der Reisenden abhängt. Diese Entscheidungen führen zu unterschiedlichen Erlebnissen, die gemeinsam mit verschiedenen Anbietern in einem Raum von Ressourcen und Vorleistungen koproduziert werden. Diese Dezentralisierung macht eine zentrale Steuerung des Destinationsmanagements nahezu unmöglich.

Um dieser Komplexität gerecht zu werden, schlagen Laesser und Beritelli drei zentrale Ansätze vor:

Nachfrageperspektive
Hierbei wird betont, dass die Bedürfnisse und Bewegungen der Gäste stärker berücksichtigt werden müssen. Moderne Technologien wie Geo-Daten ermöglichen eine präzisere Erfassung von Besucherströmen, was zu gezielten Massnahmen führen soll, die den tatsächlichen Bedürfnissen der Reisenden entsprechen.

Kollektive Verantwortung
Die Entwicklung von Tourismusdestinationen sollte in einem Netzwerk von Akteuren erfolgen. Dabei müssen kontextuelle Faktoren sowie die unterschiedlichen Agenden der Beteiligten beachtet werden. Die Autoren empfehlen, konkrete Projekte und Budgets in den Vordergrund zu stellen und die Rolle der Destination Management Organisationen (DMOs) neu zu definieren – hin zu Moderatoren und Unterstützern von Projekten.

Wirkungsrelevanz
Projekte und Initiativen sollten so gestaltet werden, dass sie messbare Ergebnisse liefern, die den Gästen, touristischen Unternehmen oder der lokalen Bevölkerung zugutekommen. Traditionelle Impact-Messungen seien oft nicht geeignet, um den tatsächlichen Erfolg von Massnahmen im Destinationsmanagement abzubilden.

In ihrem White Paper hinterfragen die Autoren auch gängiges Wissen und Vorgehensweisen im Destinationsmanagement und leiten daraus erste praktische Implikationen ab. Dazu gehören unter anderem die Einführung eines Destinationsentwicklungsfonds zur Finanzierung von Projekten sowie ein alternatives Rollenverständnis für die wichtigsten Stakeholdergruppen in einer Tourismusdestination.

Laesser und Beritelli laden alle Interessierten ein, sich an der Diskussion zu beteiligen. Das White Paper soll nach Abschluss des Diskussionsprozesses weiterentwickelt und in einer neuen Version veröffentlicht werden.

Die erste Version steht bereits zum Download bereit.