Wer kann von sich behaupten, beinahe 500 Beherbergungsbetriebe in der Schweiz besucht und dabei mit den Hoteliers und Hotelièren ein persönliches Gespräch geführt zu haben? Als Direktor von HotellerieSuisse ist es mein Privileg, dass ich diese Möglichkeit während der letzten sieben Jahre wahrnehmen konnte.
Auf meinen ersten Besuchen in verschiedenen Betrieben hörte ich immer wieder, dass der nationale Verband zu abgehoben und zu akademisch sei. Da wurde mir klar: Für unsere Arbeit der Verbandsgeschäftsstelle müssen wir den Puls bei den Mitgliedern noch stärker fühlen, um adäquat auftreten zu können. Neben vielen bestehenden Austauschmöglichkeiten gelingt dies meiner Ansicht nach am besten im direkten Kontakt vor Ort. So kam mir die Idee der Tour d’HotellerieSuisse, auf der ich auch in diesem Jahr wieder unterwegs bin und Mitglieder in der ganzen Schweiz besuche.
Ich spüre die Gastfreundschaft, die uns alle im Kern verbindet.
Gute Planung ist das A und O
Eine solche Tour durch die Schweiz bedarf einer guten Organisation. Ich möchte jeweils eine effiziente Route zusammenzustellen, um auf meinem Weg möglichst viele Betriebe zu besuchen. Zum Teil gestaltet sich das einfacher: Bin ich beispielsweise in Zürich unterwegs, befinden sich die Betriebe in Gehdistanz. Einige Reiserouten sind weitaus spektakulärer. So kommt es vor, dass ich für einen Tag im Wallis bis zu sechs Mal mit der Seilbahn fahre. Ich versuche, wenn immer möglich, mit dem ÖV zu reisen. Ist dies in gewissen Regionen nicht optimal möglich, kann ich auf das Geschäftsauto von HotellerieSuisse zählen, das mich zuverlässig von A nach B bringt. So vielfältig und unterschiedlich wie meine Routen sind auch die Beherbergungsbetriebe, die ich besuche: von Swiss-Lodge-Betrieben zu 5-Sterne-Häusern, von Marken- über Individualbetriebe bis hin zu Hotelgruppen – Betriebe mit 12 bis 320 Zimmern.
Dem Tempo der Zeit standhalten und gemeinsam weiterkommen
Trotz der Unterschiede unserer Betriebe und Mitglieder erkenne ich auch immer wieder die Gemeinsamkeiten. Ich werde stets offen empfangen und spüre die Gastfreundschaft, die uns alle im Kern verbindet. Obwohl die Gespräche inhaltlich immer anders sind, kristallisieren sich die gemeinsamen Herausforderungen heraus. Dazu gehören Aspekte rund um das Thema Fachkräftegewinnung sowie deren Weiterentwicklung. Auch die sich immer schneller verändernden Gästebedürfnisse beschäftigen die Branche. Die Nachhaltigkeit gewinnt beispielsweise immer mehr an Bedeutung. Die Hotelièren und Hoteliers fragen sich, wie sie dem Tempo der Zeit standhalten und die Trends zeitnah und sinnvoll antizipieren, umsetzen und schlussendlich für die Gäste sichtbar machen können. In den Gesprächen kann ich immer auf konkrete Hilfestellungen des Verbandes hinweisen, etwa auf unser digitales Nachhaltigkeitshotel, das einen kompakten Einstieg ins Thema bietet.
Allgemein beschäftigen auch unterschiedliche Finanzierungsfragen die Betriebe. Es geht um Aspekte wie die Rückzahlung der Covid-Kredite, die Auseinandersetzung mit Investitionsplanungen, weitere Kostenstrukturanpassungen mittels Digitalisierung oder um Nachfolgeplanungen und Betriebsverkäufe. Auch bei diesen Fragestellungen empfehle ich den HotellerieSuisse-Mitgliedern, sich bei Bedarf mit Experten auszutauschen. Unser Coaching-Programm bietet den Mitgliedern ideale Unterstützungsmöglichkeiten. Bereits mehr als 200 Mitglieder haben davon Gebrauch gemacht.
Nicht zuletzt höre ich oft, dass die Positionierung und die Produktgestaltung in den Regionen Knacknüsse sind. Wie in den Betrieben selbst unterscheiden sich die Herausforderungen je nach Destinationen: In den grossen Städten wie Basel fragt man sich, wie man neben dem Messe- und Geschäftstourismus den Freizeittourismus stärken kann. In den klassischen Feriendestinationen will man neben der Wintersaison das Sommergeschäft fördern und die Lücken in den Zwischensaisons füllen. Es zeigt sich, wie herausfordernd diese enge Abstimmung innerhalb der Tourismusregionen und -destinationen ist, damit alle touristischen Akteure ihre Produkte und Dienstleistungen optimal aufeinander abstimmen können.
Der Austausch mit anderen Kolleginnen und Kollegen ist essenziell.
Offener und vertrauensvoller Dialog
Die Treffen sind stets offen und vertrauensvoll. So erzählt mir ein Hotelier, der vor der Pensionierung steht, dass er sich Sorgen um die Nachfolgeregelung mache, aber nicht wisse, wo er Hilfe bekomme. Ein Jung-Hotelier, der am Anfang seiner Karriere steht, erzählt von herausfordernden ersten Monaten in seiner ersten Führungsposition in einem neu eröffneten Betrieb. Bei solchen persönlichen Herausforderungen erscheint es mir wichtig, dass wir vom Verband auf die zahlreichen Hilfestellungen hinweisen. Der Austausch mit anderen Kolleginnen und Kollegen ist essenziell. Deshalb erzählte ich von unseren Erfa-Gruppen oder dem Young Leaders Club, die wichtige Gefässe darstellen, um den Erfahrungsaustausch unter unseren Mitgliedern zu fördern. Mir persönlich erschliessen sich durch solche Gespräche auf meinen Touren auch immer wieder neue Ideen und Mitgliederbedürfnisse. Unter anderem fragte ich mich, wieso der Verband keine Plattform bietet, wo erfahrene, vielleicht auch bereits pensionierte Hotelièren und Hoteliers ihre wertvollen Erfahrungen mit jungen Branchenkolleginnen und -kollegen teilen, die zum ersten Mal in der Betriebsführung sind – ähnlich wie in einem Tandem. Eine spannende Idee, die ich mit zurück nach Bern nehme.
Diese Beispiele zeigen, wie wertvoll der Austausch mit unseren Mitgliedern für uns als Verband ist. Auch erfahre ich jeweils eine grosse Dankbarkeit und Wertschätzung gegenüber der Arbeit der Geschäftsstellen unserer Regionalverbände und gegenüber dem Engagement der nationalen Geschäftsstelle. Gerade die Unterstützung und die zeitnahen Informationen während der Pandemie werden oft erwähnt.
Gastgebertum in der DNA – Aufholbedarf in der Politik
Was mir aber auch auffällt: Nur selten führe ich mit den Mitgliedern politische Diskussionen. Dies zeigt einerseits, dass der Fokus der Hotelièren und Hoteliers auf dem Gastgebertum und ihren Betrieben liegt. Der Fachkräftemangel trägt sicherlich seinen Teil dazu bei, dass die Zeit fehlt, sich zusätzlich zu engagieren. Aus betrieblicher Sicht ist das richtig und wichtig, doch hat diese Medaille auch eine Kehrseite. Die bitter nötige Sicht unserer Branche in der Politik fehlt. Nur wenige Vertreterinnen und Vertreter aus unserer Branche haben ein politisches Amt auf regionaler oder kantonaler Eben inne. Auf nationaler Ebene haben wir seit 1991 keine Vertretung aus dem Kreis der HotellerieSuisse-Mitglieder, und für die kommenden Wahlen gibt es zurzeit mit Daniel Grünenfelder aus dem Kanton St. Gallen eine einzige Kandidatur aus unseren Reihen. Um die Anliegen der Beherbergung jedoch auf kommunaler, kantonaler und nationaler Ebene einbringen zu können, braucht es Vertreterinnen und Vertreter auf allen Stufen, die sich über den eigenen Betrieb hinaus engagieren. Hier sehe ich uns alle in der Verantwortung. Nur wenn wir diese wahrnehmen, können wir die politischen Entscheide und die Entwicklung der für uns so wichtigen Rahmenbedingungen auf allen Ebenen aktiv mitgestalten.
Weitblick für die nachhaltige Entwicklung von Betrieb und Branche
Die meisten Gespräche handeln vom Ist-Zustand. Dabei spüre ich eine starke Ambivalenz zwischen Arbeitsalltag im Betrieb und den eigentlich notwendigen strategischen und konzeptionellen Überlegungen auf Betriebsebene. Die Führungspersonen sind im täglichen operativen Betrieb oft dermassen stark eingebunden, dass die Zeit und der Raum für das grössere Denken mit Weitblick fehlen. Doch genau die Auseinandersetzung mit der strategischen Weiterentwicklung des eigenen Betriebs – über den funktionierenden operativen Alltag hinaus – ist von essenzieller Bedeutung. Darum versuchen wir als Verband immer wieder, Impulse für unsere Mitglieder zu setzen.
Die bitter nötige Sicht unserer Branche in der Politik fehlt.
Zusätzlich lohnt es sich, auch physisch aus dem Betriebsalltag auszubrechen und sich mit Branchenkolleginnen und -kollegen auszutauschen. Der Hospitality Summit am 14. und 15. Juni in Zürich-Oerlikon ist dafür eine ideale Plattform. Die Besucherinnen und Besucher erhalten dort eine Aussensicht auf die unterschiedlichsten Themen. Zudem ist der wertvolle Austausch mit anderen Teilnehmenden möglich, den man sonst wahrscheinlich nicht hätte – ähnlich demjenigen, den ich auf meiner Tour erleben darf. Diesen frischen Wind können Hoteliers und Hotelièren in ihre Betriebe zurücknehmen und in die Planung der nächsten zwei, fünf oder zehn Jahre einfliessen lassen. Nur so bleiben wir nachhaltig erfolgreich, können als Branche weiter unsere Innovationskraft fördern und schlussendlich die Schweizer Beherbergungsbranche gemeinsam weiterentwickeln, verbinden und beleben.
Und so freue ich mich auf viele weitere Möglichkeiten, den direkten Kontakt zu unseren Mitgliedern zu pflegen – sei dies am kommenden Hospitality Summit, an anderen Branchenanlässen oder auf der nächsten Tour d’HotellerieSuisse.
Claude Meier zu Besuch bei...
Von Basel über den Aargau ins Wallis und ins Berner Oberland; von Zürich in die Ostschweiz und ins Bündnerland. Claude Meier besucht Verbandsmitglieder. In den nächsten Tagen führt seine Reise nach Genf, Zug, die Region Bern und ins Tessin.
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