Auf dem grossen Backsteinbau neben dem Bahnhof Burgdorf prangt stolz das Logo der Firma Schwob. Das Berner Familienunternehmen produziert seit 150 Jahren Textilien, hat zwei Weltkriege überstanden, immer wieder der Frankenstärke getrotzt und die hohen Produktionskosten des Standortes stets mit aussergewöhnlicher Qualität wettgemacht.
Drinnen ist es laut, die Webmaschinen sind voll in Betrieb, jede lässt mit rasend schnellem Tempo das Garn quer durch sieben-, acht- oder neuntausend aufgespannte Fäden schiessen. Langsam weben sich zentimeterweise edle Stoffe.
Hightech webt jedes Muster
Die elf Jacquard-Webmaschinen, benannt nach dem französischen Erfinder aus dem 19. Jahrhundert, sind ein technisches Wunderwerk: «Man kann damit jedes erdenkliche Muster ins Gewebe weben – ob Grafisches, Blumenmotive oder Schriftzüge», sagt Stephan Hirt, Vorsitzender der Geschäftsleitung und Mitinhaber der Schwob Leinenweberei. «Der Schussfaden – jener, der durch die längs aufgespannten Kettfäden schiesst – wird entweder unten oder oben durchgeführt.»
150 Jahre Schwob
Tag der offenen Tür:
13. August 2022
13 bis 17 Uhr
Kirchbergstr. 19
Burgdorf
Website: schwob.swiss
Der Computer steuert jeden einzelnen Kettfaden an, das ist einzigartig. Mit etwa zwei Zentimetern Webstoff pro Minute wird an einer der Maschinen ein Tischtuch mit dem Logo des «Bären Dürrenroth» fabriziert.
Schweiz- und sogar weltweit setzen Hotels und Gasthäuser auf die edlen Stoffe aus dem Emmental. Etwa das Zürcher Dolder Grand, das Waldhaus Flims, Reka, der Basler Teufelhof oder das Kempinsky in Muscat (Oman). Jedes Jahr verlassen rund 300 Kilometer Stoff die Weberei – grösstenteils Tisch- und Bettwäsche, 10 Prozent davon gehen ins Ausland.
Emmentaler Leinen eroberte einst die Welt
Dass sich die Weberei ausgerechnet im beschaulichen Burgdorf ansiedelte, ist kein Zufall. Die Textilproduktion besitzt hier eine lange Geschichte. «Das Emmental war reich an Flachsfeldern», weiss Manuel Küng, Leiter Verkauf und Geschäftsleitungsmitglied. Das Emmental war mit dem Oberaargau, dem Entlebuch und Willisau ab Ende des 18. Jahrhunderts das Zentrum des Schweizer Leinwandgewerbes.
[IMG 4]Hotelwäsche statt Aussteuer für Brautleute
In den 1970er-Jahren verschwand der Flachs von den hiesigen Feldern, er wurde von günstigeren ausländischen Garnen wie der Baumwolle verdrängt. Auch in der Firma Schwob hat sich seit ihrer Gründung 1872 vieles verändert. Fast hundert Jahre war sie in der Aussteuer besonders stark. «Doch diese Zeiten sind vorbei», sagt Hirt schmunzelnd. «Heute muss man keine handbestickten Servietten und Tischtücher mehr in die Ehe einbringen.»
Nun sind andere Dimensionen und ein neues Kundensegment angesagt. Das Unternehmen mit seinen 230 Mitarbeitenden operiert hauptsächlich Business to Business und ist schweizweit einer der wichtigsten Partner in der Hotellerie – bei Grand- und Luxushotels ist es sogar marktführend.
Von Färbung bis Veredelung durch und durch schweizerisch
Die regionale Verankerung ist immer noch elementar: Die gesamte Produktion findet in der Schweiz statt, einzig die Baumwolle stammt aus dem Ausland, da es keine inländische gibt.
Die Regionalität ist eine Grundüberzeugung des Betriebs: So wird das Garn bei der ökozertifizierten Färberei Probst in Emmenmatt BE gefärbt, die gewebten Stoffe werden in Zofingen AG veredelt, und in den Ateliers in Burgdorf werden Säume, Betten- und Kissenbezüge genäht und Stickereien appliziert.
Sosehr in der Weberei Hightech regiert, Säume, die breiter sind als 1,5 Zentimeter, werden von Hand genäht. Von den 65 Mitarbeitenden in Burgdorf arbeiten 15 in der Näherei.[IMG 5]
In der Veredelung werden die Stoffe stabiler, geschmeidiger und robuster gemacht: «Man kann sie so problemlos 400-mal waschen.» Alles geschieht dabei mit wenig Chemie und viel Bewusstsein für die Umwelt. Schwob ist mit dem Label Oeko-Tex zertifiziert und produziert auch mit kontrollierter Bio-Baumwolle. Doch selbst ein grosser Traditionsbetrieb kann nicht nur auf die Qualität der Textilien setzen, um zu überleben.
«Zu Textilien gehört auch das Waschen. Es ist naheliegend, dass wir dies anbieten.»
Stephan Hirt, Vorsitzender Geschäftsleitung Schwob AG
Wäscheservice und Textilmiete – alles aus einer Hand
2008 wagte Schwob etwas Neues und stieg in die Wäschereibranche ein. Die Firma, die während 136 Jahren ausschliesslich im Textilgewerbe tätig gewesen war, übernahm ihre ersten Grosswäschereien. «Zu Textilien gehört immer auch das Waschen», sagt Hirt. «Es war naheliegend, das auch anzubieten.» Mit den Wäschereien setzte sie gleich eine neue Geschäftsidee um: «Sie waren der Start unseres Mietwäsche-Vollservices.»
[IMG 2]Bei Schwob kann man seither individuelle Tisch-, Bett-, Frottier- und Küchenwäsche nicht nur kaufen, sondern auch mieten. Egal, ob mit einem kleinen Hotel oder grossen Betrieb, die Hotelièren und Gastronomen können ihre eigene Tisch- und Bettwäsche produzieren lassen, ohne sie zu kaufen – sie lassen sie dann in der Schwob-Wäscherei waschen. «Die Hotels müssen so die Investition für die Textilien nicht tragen und können das Waschen auslagern.»
Mit den fünf Standorten Niederuzwil SG, Olten SO, Jonen AG, Weggis LU und Sementina TI ist Schwob schnell beim Kunden und die Wäsche wird garantiert richtig gepflegt. Das neue Businessmodell ist gefragt: Mittlerweile verarbeitet Schwob pro Jahr 11 000 Tonnen Wäsche.
Auch wer hochwertige Koch- und Kellnerbekleidung sucht, ist in Burgdorf richtig: Seit fast zehn Jahren arbeitet das Unternehmen mit dem nachhaltigen holländischen Label «Le nouveau chef» zusammen und kleidet ganze Crews mit individuell bestickter Arbeitskleidung ein.
150 Jahre: Die Geschichte der Leinenweberei Schwob
1872
Die Gebrüder Schwob gründen in Bern die Firma Schwob Frères mit einem «Tuch-Magazin» am Waisenhausplatz für den Verkauf «en gros und en détail». Zwölf Jahre später ziehen sie an den Bubenbergplatz (damals Christoffelplatz) und eröffnen einen Laden. Schon damals verkaufen sie hauptsächlich Tischtücher, Servietten, Hand- und Küchentücher. Sie werben mit «äusserst billigen Preisen» und «kompletten Aussteuern».
1907
Die Firma nennt sich nun Leinenweberei Bern, Schwob & Cie. Zehn Jahre später löst sie sich auf, es entstehen zwei Unternehmen: die spätere Schwob AG und die Leinenweberei Bern.
1918–20
Schwob baut an der Berner Stauffacherstrasse eine neue Fabrik und nimmt dort 24 Webstühle in Betrieb. Das Gebäude liegt an den Gleisen kurz vor dem Bahnhof Bern. Es ist noch heute mit seinem typischen Schriftzug von weit her erkennbar.
1955
Schwob muss seine Webereien in Huttwil BE und Tramelan BE, die es zwei Jahrzehnte zuvor gekauft hat, schliessen.
1990er-Jahre
Übernahme der Leinenweberei Schmid AG und Verlagerung der gesamten Produktion von Bern nach Burgdorf.
1995
Mit der Investition in neue Jacquard-Maschinen entsteht die modernste Weberei Europas.
2008
Einstieg in den Wäschereiservice: Fusion der Wäschereien der Bad Schinznach AG (Niederuzwil SG, Olten SO und Arlesheim BL) mit der Schwob Gastrotextil AG.
2021
Es wird eine Grosswäscherei in Härkingen SO geplant. Die gesamte Textilproduktion ist nach wie vor in Burgdorf.
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