Seit bald 30 Jahren gilt für das Gastgewerbe ein tieferer Mehrwertsteuersatz von 3,8 Prozent. Dies mit gutem Grund: Die Branche gilt aufgrund der vielen Gäste aus dem Ausland quasi als Exportbranche, die ihre Leistungen im Inland erbringt. [RELATED]

Dadurch sind Hotels und Restaurants gleich doppelt betroffen, wenn der Franken gegenüber anderen Währungen an Stärke gewinnt: Zum einen führt ein starker Franken bei den anteilmässig wichtigen Gästen aus dem Ausland zu sinkender Nachfrage. Zum anderen kann die Hospitality-Branche aufgrund ihrer Standortgebundenheit bei anhaltender Frankenstärke nicht wie andere Exportbranchen von günstiger werdenden ausländischen Vorleistungsgütern profitieren. 

Seit der Einführung im Jahr 1996 verlängerte das Parlament den tieferen Satz von 3,8 Prozent anstelle des Normalsatzes von 8,1 Prozent mehrmals. Die letzte Verlängerung hat das Parlament per 2017 für zehn Jahre beschlossen. Diese läuft per Ende 2027 aus.

«Standortgebundene Exportbranche»
Aus Sicht von HotellerieSuisse ist klar: Der tiefere Mehrwertsteuersatz soll auch nach 2027 gelten, um so weiterhin dazu beizutragen, die Branche zu entlasten. «Die Schweizer Beherbergung ist eine standortgebundene Exportbranche, die langfristige Planungssicherheit benötigt», sagt HotellerieSuisse-Präsident Martin von Moos.

«Der Mehrwertsteuer-Sondersatz bietet uns diese Stabilität und ermöglicht es uns, die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen. Da unsere Leistungen vollständig in der Schweiz erbracht werden, ist der Sondersatz entscheidend, um trotz der hohen Kostenstruktur wettbewerbsfähig zu bleiben.» Mit Blick auf das Auslaufen dieser Regelung im Jahr 2027 sei es jetzt wichtig, frühzeitig Massnahmen zu ergreifen, damit die Branche auch in Zukunft erfolgreich im internationalen Wettbewerb bestehen könne.

Auch der Verband Gastrosuisse geht von einer Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit aus, falls künftig eine höhere Mehrwertsteuer gelten würde. «In den meisten europäischen Ländern, mit denen die Schweiz im Tourismus konkurriert, gelten reduzierte Mehrwertsteuersätze für Beherbergungsleistungen.

Eine Aufhebung des Sondersatzes würde insbesondere die Tourismusnachfrage aus dem Inland und den Nahmärkten stark beeinträchtigen», teilt Gastrosuisse-Präsident Beat Imhof auf Anfrage mit. «Gäste aus den benachbarten und gut erschlossenen Nahmärkten wie Deutschland und Italien reagieren viel empfindlicher auf Preisänderungen als Gäste aus den weniger stark ausgeschöpften Fernmärkten. Die inländischen Gäste und jene aus dem benachbarten Ausland sind für die Schweizer Beherbergungsbranche nicht ersetzbar.»

Wertschöpfung weit über Branche hinaus
Die entsprechenden Vorstösse dazu sind auf dem Weg: Ständerätin Esther Friedli (SVP, SG) und Nationalrat Philipp Matthias Bregy (Die Mitte, VS) haben je eine Motion eingereicht, welche den geltenden Sondersatz über das Jahr 2027 hinaus sicherstellen sollen. «Der Tourismussektor erzeugt eine hohe Wertschöpfung, die weit über die Beherbergungsbranche hinausgeht. Viele Wirtschaftssektoren profitieren von einem Sondersatz für Beherbergungsdienstleistungen, was Steuersubstrat generiert und die finanzielle Stabilität vieler Menschen, vor allem in abgelegenen Regionen, gewährleistet», heisst es übereinstimmend in den beiden Motionen.

«Wir haben die je exakt gleichlautende Motion gemeinsam ausgearbeitet und in beiden Räten eingebracht, um die Dringlichkeit des Anliegens zu verdeutlichen», sagt Nationalrat Philipp Matthias Bregy auf Anfrage. Es sei wichtig, dass die Politik das Thema aufgreife. Bregy betont, dass es nicht um eine Steuererleichterung für die Hotellerie geht. «Ein höherer Mehrwertsteuersatz würde sich negativ auf die Konkurrenzfähigkeit der Hotellerie gegenüber dem Ausland auswirken», sagt Bregy.

Bund will höhere Einnahmen
Der Bundesrat lehnt die Motionen indessen ab. In seiner Stellungnahme von 28. August heisst es, im Jahr 2023 seien in der Schweiz die Logiernächte auf einen Rekordwert von 42 Millionen gestiegen. Dies entspreche einer Zunahme von rund 35 Prozent gegenüber dem Niveau von 1996, dem Jahr der Einführung des tieferen Mehrwertsteuersatzes.

«Beherbergungsleistungen werden in den europäischen Ländern, zu denen die Schweiz betreffend Tourismus in Konkurrenz steht, mehrheitlich stärker mit Mehrwertsteuer belastet, obwohl mit Ausnahme von Dänemark eine ermässigte Besteuerung Anwendung findet. Selbst bei einer Besteuerung zum Normalsteuersatz läge die Belastung der Schweizer Hotellerie immer noch mehrheitlich unter derjenigen in diesen Ländern», argumentiert der Bundesrat weiter.

Bliebe der Mehrwertsteuersatz tief, würden dem Bund nach 2027 jährlich Mehreinnahmen von 270 Millionen Franken entgehen.

Ständerat will vertiefte Abklärungen
Vergangene Woche behandelte der Ständerat die Motion ein erstes Mal. Entsprechend einem Ordnungsantrag von Erich Ettlin (die Mitte, OW) wies der Rat das Geschäft vorerst der zuständigen Kommission zu. «Für mich ist das ein positiver Zwischenschritt», sagt Nationalrat Bregy. «Dies zeigt: Das Thema ist wichtig, die Stossrichtung stimmt.» Nun bleibe abzuwarten, ob seine analoge Motion bereits für diese Session traktandiert wird – und was dann im Nationalrat geschieht.

Auch die grosse Kammer könnte das Geschäft der Kommission zuweisen. Wie die Erfahrung zeigt, folgt der Zweitrat oft dem erstbehandelnden Rat. Mit den beiden Motionen besteht je die Möglichkeit, in einem Erstrat eine Zustimmung zu erreichen.