Die Hälfte der Schweizerinnen und Schweizer treibt mindestens einmal pro Woche Sport. Kein Wunder, möchten sie auch in den Ferien aktiv sein. «Andere wiederum nutzen genau diese Zeit, um endlich etwas für ihre Fitness zu tun», erläuterte Florian Kurz, Managing Partner von SportCamp365.com. Er eröffnete das Sport.Tourismus.Forum in St. Gallen vor rund 220 Gästen mit Zahlen zum Thema Aktivurlaub. Die Grundlagen dazu stammen aus einer Umfrage, bei der fünfzig Destinationen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz mitgemacht haben.

Unbestritten ist der Wintersport in der Alpenregion die Nummer eins auf der Beliebtheitsskala (53 %); wobei Ski alpin vor Langlauf und Skitouren am besten ankommt. Im Sommer gehen die meisten Gäste wandern (80 %), «und dieser Boom setzt sich fort», so Florian Kurz. Solide Mittelwerte erreichen Klettern, Wassersport (je 10 %) und Golf (16 %); sinkend ist seit Jahren Tennis (2 %). Am Wachsen ist hingegen der Radsport (45 %), wobei das Mountainbike das bevorzugte Gefährt ist, vor E-Bike und Gravelbike.

Paare und Menschen über 55 Jahre im Fokus
Frau und Herr Schweizer geben pro Jahr rund 4,7 Milliarden Franken für Sportferien aus. Den grössten Anteil machen Paare und Individualreisende aus (70 %), gefolgt von Ü55ern (52 %), Familien (45 %) und Gruppen (15 %). Und: Ferienhungrige fragen sich immer weniger, wo sie hinreisen möchten – sondern was sie tun wollen. Entsprechend wählen sie dann den idealen Ort dafür aus.

Eine Zukunft mit nachhaltigeren Technologien
Wer sich fürs Skifahren entscheidet, kann heute in den Alpen zwischen 2100 Skigebieten auswählen. Tendenziell wird diese Zahl jedoch abnehmen, da aufgrund des Klimawandels die Schneesicherheit sinkt. «Schätzungen des Instituts für Schnee- und Lawinenforschung gehen davon aus, dass wir bis 2060 diesbezüglich keine Probleme bekommen», erzählte Reto Branschi, CEO der Destination Davos-Klosters. Dennoch setzt die Region konsequent auf Nachhaltigkeit. So soll sich Davos bis 2030 zum ersten klimaneutralen Ferienort der Schweiz mausern.

Niemand hat das Eishockey abgeschafft, nur weil es keine Natureisbahnen mehr gab.

Andreas Steibl. Der Tourismusprofi von Ischgl spricht sich klar für die Beschneiung aus.

Andreas Steibl, langjähriger Geschäftsführer des Tourismusverbandes Ischgl-Paznaun, gab zu bedenken: «Beim ökologischen Fussabdruck am meisten ins Gewicht fällt die An- und Abreise – viele Gäste inszenieren sich gerne mit ihren grossen Schlitten.» E-Mobilität helfe da in Zukunft, konterte Reto Branschi. Auch in anderen Bereichen schreite die Technologie voran und mache zum Beispiel Beschneiungsanlagen effizienter: «Dadurch werden Sportarten wie das Skifahren automatisch auch nachhaltiger.»

Neue Ideen mit Esprit, Elan und Enthusiasmus
Andere Regionen suchen nach frischen Ideen und setzen auf eine neue Positionierung. So solle sich das Südufer des Bodensees in ein SUP-Paradies verwandeln, erzählte Projektleiter Roland Anderegg: «Wir möchten das Netzwerk der einzelnen Anbieter stärken und die nötige Infrastruktur schaffen.» Enthusiasten im Stand-up-Paddeln wie Dario Aemisegger helfen zudem, den Sport bekannter zu machen, bieten Kurse an und sorgen mit Seequerungen für Präsenz in der Öffentlichkeit.

Wie das Projekt wirtschaftlich einen Nutzen für die Region bringt – der See steht schliesslich allen gratis zur Verfügung – ist noch nicht klar. Aemisegger kann sich «Kombiangebote mit Hotels für spezielle Kurstage» vorstellen, Anderegg denkt über Paddle-Parks und Pauschalbeiträge wie beim Loipenpass nach.

Zahlen und Fakten
50 Millionen neue Aktivitäten werden pro Monat auf der Outdoor-Plattform Komoot geteilt. Die User interessieren sich vorab für Wandern (64 %) und Genussbiken (60 %).

40 Prozent der Europäerinnen und Europäer können Eislaufen, nur15 Prozent Skifahren.

1 Million Menschen besuchen pro Jahr den Red Bull Ring in Spielberg (A) für Rennen (Formel 1, Moto GP), Events und Führungen.

1998 hat der erste Gigathlon stattgefunden – 2022 folgt der vorerst letzte. Die Strecke ist dieselbe wie damals, nur umgekehrt: von Zürich ins Bergell, 244 km und 5400 Höhenmeter.

Quelle: Zahlen aus den Referaten

Neue Ideen brauchen manchmal auch etwas Mut
Einen Event aus den USA hat Andreas Wirth 2021 erstmals in die Schweiz gebracht: Grinduro kombiniert die besten Elemente aus den Bereichen Gravel und Enduro-Mountainbike. «Doch es geht dabei nicht nur um sportliche Leistungen, sondern um den Festivalgedanken.» Zum mehrtägigen Anlass gehört ein Rahmenprogramm mit Musik und Kulinarik – das spricht nebst den Bikefans auch ihre Familien und Begleitpersonen an. «Und uns gibt es die Möglichkeit, mehr Einkommen zu generieren und den Event finanziell breiter abzustützen», so Andreas Wirth.

Einen Blick über die Alpenländer hinaus bot Martin Schobert von der Geschäftsleitung Saint Elmo’s Tourismusmarketing. Seine Beispiele sind Inspiration, wie lustvoller Zeitvertreib aussehen kann: von der Saunagondel in Finnland über Eislaufparks in den Bergen bis hin zu Beizentischen mit Rollen, die der Gast selber an seinen Lieblingsort ziehen kann. «Wieso gibt es das bei uns nicht?», fragte er und ermunterte dazu, auch mal etwas zu wagen.

Fanreisen sorgen für volle Betten und Campingplätze
Selbst die passiven Sportlerinnen und Sportler sorgen in der Branche für Umsatz, dank Fanreisen. Einblick in ihr Zusammenspiel von Beschleunigung und Entschleunigung gewährte die Destination Murtal in der Steiermark (A). Hier ist die Rennstrecke Red Bull Ring daheim – und ebenso ein Naturparadies für Wanderer und Biker.[RELATED]

«Bei uns hat jeder einen Bezug zum Motorsport», sagte Manuela Machner, Geschäftsführerin der Erlebnisregion. Emotional wie historisch ist die Region mit der Rennstrecke verbunden. Und damit aus Fans des Motorsports dereinst Stammgäste des Murtals werden, «bietet wir auch ein spezielles Programm für Familien an», erklärte Gustav Fenz, Head of Marketing & Sales, Red Bull Ring. Bei 560 000 Übernachtungen pro Jahr rechnet Machner mit einer Auslastung von knapp 40 Prozent dank der Rennstrecke. Hotelbetten stehen allerdings nur 6000 zur Verfügung, viele davon in Privatzimmern. Dazu kommen rund 30 000 Plätze in Campinganlagen. Das sei ein enormer Vorteil: «So sind wir extrem flexibel und haben kaum leere Betten.»

Die htr hotel revue ist Medienpartnerin des Sport.Tourismus.Forum.


Nachgefragt bei Béatrice Wertli, DirektorinSchweizerischer Turnverband

Frau Wertli, Sie sprachen am Forum zum Thema neue Formate, mehr Festival statt nur Wettkämpfe und Rennen. Ziehen Sie da mit?[IMG 2]
Die Verbindung von Spitzensport und Volksfest kennen wir schon lange! Unser Potenzial: noch näher zu den Menschen. In Montreux findet jeweils das Waterrings statt: ein Show-Wettbewerb mit Schaukelringen und Sprüngen in den See. Erstmals war der Event verbunden mit den Swiss Parkour Series. Dank der Gymotion brachten wir unseren Vereinssport sogar ins Hallenstadion.

Was muss eine Destination bieten, damit sie den Zuschlag für ein Eidgenössisches Turnfest erhält?
Nebst Infrastruktur wie grossen Hallen und freien Wiesen: Begeisterung für die Sache! 2025 findet das Eidgenössische Turnfest (ETF) in Lausanne statt. Diese Stadt sucht aktiv nach Sportevents, weil sie sich als Sportstadt stark positionieren will. Und dafür tut und bietet sie viel. So wird unter anderem für die Übernachtungen eine ETF-eigene Booking-Plattform aufgeschaltet – und die Sportinfrastruktur indoor und outdoor ist grosszügig.

Und wie profitiert Lausanne längerfristig davon?
Solche Sportveranstaltungen bringen Gäste, die so eine neue Region kennenlernen und vielleicht dereinst wiederkommen. Gerade in den Turnvereinen wirken von Jung bis Alt alle mit, aus allen Gesellschaftsschichten. Unsere Reichweite ist enorm: Wir haben 3000 Turnvereine in der Schweiz, in jeder Gemeinde gibt es also mindestens einen. Das könnten sich Destinationen ganz allgemein besser zunutze machen.

Jede Gemeinde der Schweiz hat mindestens einen Turnverein

Wie?
Stimmt die Philosophie überein, gehen wir gerne Partnerschaften ein. Unser Versprechen lautet: Wir ermöglichen Sport, Bewegung und Erlebnisse schweizweit für alle und schaffen damit Gemeinschaft und Wohlergehen. Diese Werte passen auch gut zu den Regionen. Möchte jemand dann zum Beispiel speziell Familien ansprechen, können wir entsprechende Events und Wettkämpfe zusammen organisieren.

Ihre 370 000 Mitglieder sind somit Ihr grösstes Potenzial?
Der STV wird zu fast zwei Dritteln durch Mitgliederbeiträge finanziert. Wenn wir also in einem der kantonalen Verbände plötzlich übermässig viele Mitglieder verlieren, kümmere ich mich darum – denn sie sind für uns sehr wichtig.

stv-fsg.ch