Die Ungleichbehandlung zwischen Gastgewerbe und Take-Aways würde bei einer Annahme der Initiative zwar beseitigt. Menschen mit tieferen Einkommen dürften unter dem Strich aber weniger Geld in der Tasche haben als heute. Zunächst ist fraglich, ob die Wirte eine Senkung des Steuersatzes überhaupt an die Kunden weitergeben würden.
Die Erfahrungen sprechen eher dagegen: Als 1999 die Importsteuer auf ausländische Spirituosen um 50 Prozent gesenkt wurden, merkten Restaurantgäste und Barbesucher vorerst wenig davon: Viele Wirte verzichteten darauf, an den Preisen für Drinks und Schnäpse zu schrauben und die Steuersenkung an die Gäste weiterzugeben.
Sache des Wirtes
Nach zahlreichen Beschwerden schritt der Preisüberwacher ein und forderte die Wirte auf, die Preise zu senken. Gastrosuisse liess damals verlauten, der Preisüberwacher habe keine Befugnisse in der Angelegenheit, die Preisgestaltung sei Sache jedes einzelnen Wirtes.
Heute tönt es kaum anders: «Letztlich liegt die Entscheidung beim einzelnen Unternehmer», schreibt Gastrosuisse-Präsident Casimir Platzer auf eine Frage der Nachrichtenagentur sda. Bei einer Senkung des Steuersatzes werde Gastrosuisse seine Mitglieder auffordern, die Preise neu zu kalkulieren. Es könne sein, «dass einige Unternehmer die Preise senken und andere zumindest nicht erhöhen werden», schreibt Platzer.
In den Abstimmungsunterlagen lässt der Bundesrat offen, ob eine Steuersatzsenkung dem Gast, dem Angestellten oder dem Wirt zu Gute käme. In der Botschaft ans Parlament geht er jedoch auf eine Untersuchung der Eidg.Finanzkontrolle (EFK) ein, die sich 2007 mit der Weitergabe von Mehrwertsteuer- Senkungen im In- und Ausland befasst hatte.
Höhere Marge dank Steuersenkung
Darin stellte die EFK unter anderem fest, dass die Schweizer Hotellerie die Reduktion des für sie geltenden Satzes im Jahr 1996 nur teilweise an die Kundinnen und Kunden weitergegeben hatte. Die Studie weist auch auf Fälle im Ausland hin, in welchen die Konsumenten nur zum Teil von einer Mehrwertsteuer-Senkung profitieren konnten.
Diese Erfahrungen zeigen laut Bundesrat, dass Steuersatzsenkungen nicht in jedem Fall an die Abnehmerinnen und Abnehmer weitergegeben werden. Trotzdem stützt die Verwaltung alle Berechnungen zu den Auswirkungen der Initiative auf diese Annahme. Aber auch dann könnte die Initiative für den Arbeiter zum Verlustgeschäft werden.
Selbst wenn die Wirte die Senkung des Mehrwertsteuersatzes vollständig an die Gäste weitergeben, kämen ausgerechnet Personen mit tiefem Einkommen schlecht weg. Nach Ansicht des Bundesrats lässt sich die Initiative nämlich nur umsetzen, indem Leistungen des Gastgewerbes zum reduzierten Satz besteuert werden.
Teurere Lebensmittel und Medikamente
Das würde die Haushalte zunächst um durchschnittlich 195 Franken pro Jahr entlasten. Tiefe Einkommen bis 4699 Franken pro Monat würden gemäss Berechnungen der Bundesverwaltung jährlich mit knapp 80 Franken profitieren, hohe Einkommen über 12'500 Franken mit gut 351 Franken.
Weil das zu Steuerausfällen von 700 bis 750 Millionen Franken pro Jahr führt, schlägt der Bundesrat vor, den reduzierten Satz von heute 2,5 auf 3,8 Prozent anzuheben. Die Folge wären teurere Lebensmittel, Medikamente, Zeitungen oder Futtermittel und Dünger. Auch der Sondersatz für die Hotellerie müsste leicht erhöht werden.
Diese Mehrwertsteuererhöhung würde gemäss den Berechnungen der Bundesverwaltung bei Haushalten mit tiefen und mittleren Einkommen jede Einsparung im Restaurant gleich wieder wegfressen. Die Kategorie der tiefsten Einkommen würde 42 Franken mehr zahlen, die höchsten Einkommen hingegen kämen gut 56 Franken besser weg.
Grund dafür ist, dass Haushalte mit bescheidenem Einkommen einen grösseren Anteil davon für Nahrungsmittel ausgeben, jedoch einen kleineren für Restaurantbesuche. Sie trifft die Erhöhung des reduzierten Satzes hart, während sie von tieferen Mehrwertsteuern im Restaurant kaum profitieren. «Für solche Haushalte ergäbe sich per Saldo eine spürbare Mehrbelastung gegenüber dem Status quo», schreibt der Bundesrat in der Botschaft.
Gastrosuisse schweigt zur Umsetzung
Andere Umsetzungsvarianten sind zwar denkbar. Weil der Bundesrat aber von einer haushaltsneutralen Umsetzung ausgeht, geht es dabei nur im die Frage, wer am Schluss die Zeche zahlt.
Die Initiative selbst äussert sich nicht zur Umsetzung. Gastrosuisse-Präsident Platzer spricht sich aber entschieden gegen eine Erhöhung des reduzierten Satzes für Lebensmittel aus. «Wir sind überzeugt, dass es Möglichkeiten gibt, die Initiative so umzusetzen, dass der Konsument nicht zusätzlich belastet wird», schreibt er. Konkrete Vorschläge dazu macht Platzer nicht. (Nicolas Hehl/sda/npa)