Dossier: Tischgespräch
Branchenpersönlichkeiten diskutieren
Tischgespräche
Die Rolle von Textilien im Gastgewerbe wird unterschätzt
Viele Hotelièren und Restaurateure nehmen die Aufgabe und die Wirkung von Textilien nicht ernst, darin sind sich die vier Experten im Round Table einig. Ihre Beispiele aus der Praxis unterstreichen ihre Annahme. Kratzende Bademänteln und schlecht saugende Badetücher können das Gästeerlebnis dämpfen. Beim Einkauf geht es nicht nur um die Befindlichkeit der Gäste, sondern auch um die Wirtschaftlichkeit.
Bei der…
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Tischgespräch
Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz unter einem Hut
Einsparungen mit nachhaltiger Gebäudetechnik: Lohnen sich die Investitionen? Und was bringt Digitalisierung?
Jan Pyott und Martin Sonderegger, wo stehen Ihre Betriebe in Sachen Nachhaltigkeit?
Sonderegger: Wir haben eine Ökobilanz gemacht und dabei gesehen, dass der grösste CO₂-Ausstoss tatsächlich im Zusammenhang mit Lebensmittelabfällen entsteht. Es ist klar, dort haben wir noch einen Hebel. In diesem Bereich müssen wir uns noch verbessern. Ansonsten haben wir versucht, das zu machen, was wir können.
Pyott: Wir haben von unserem Vorgänger das Fernwärmesystem übernommen. Mit neuen Übergabepunkten konnten wir die Effizienz steigern. Seit diesem Winter haben wir eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach mit 420 Quadratmetern Fläche und 90 Kilowatt pro Stunde. Wir könnten damit neun Elektrofahrzeuge bei voller Leistung parallel laden. Wir brauchen 70 Prozent selbst und speisen 30 Prozent ins Netz ein. Das ist ziemlich cool. Was wir aber noch neu eingebaut haben, ist eine Klimaanlage. Im August wird es auch in Grindelwald 36 bis 38 Grad warm. Durch die Holzfassade und die Dämmung können sich Räume bis auf 40 Grad erwärmen. Das goutiert kein Gast mehr. Ich bin gespannt, was von den bisherigen 30 Prozent noch übrig bleibt.
Wo entstehen noch Klimagase?
Pyott: Einzig noch durch den holzkohlebetriebenen Yakitori-Grill. (lacht) In der Flotte haben wir noch ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Der Rest sind Elektroautos.
Sonderegger: Wir haben noch ein Haus in der Altstadt mit Gasversorgung. Leider war es nicht möglich, die Fernwärmeleitung dorthin zu führen.
Pi-System ist spezialisiert auf Gebäudeautomatisierung. Bernhard Sax, welche Rolle spielt die Automation für die Nachhaltigkeit?
Sax: Die Automation leistet einen hohen Beitrag zur Nachhaltigkeit. Sie macht etwa 2 Prozent der Gebäudekosten aus, ist aber verantwortlich für 50 Prozent der Energiekosten. Wir messen immer zuerst, um zu sehen, welche Einsparungen drinliegen. Wenn die Wassermengen eines Fernwärmetauschers nicht stimmen, ist das höchst ineffizient. Hotelzimmer sollten nur klimatisiert werden, wenn sie belegt sind beziehungsweise zwei Stunden vorher. Wenn das automatisiert geschieht, braucht sich niemand von der Réception darum zu kümmern. Heute macht man dies über die Anbindung ans Buchungssystem.
Wie verhalten sich Kosten und Einsparungen zueinander?
Sax: Die Finanzabteilungen unserer Kunden würden gern konkrete Zahlen sehen. Doch der Verbrauch hängt stark vom Wetter und vom Ausbaustandard ab. Wir erstellen Dashboards, um Vorjahresvergleiche machen zu können. Ab 20 Grad Zimmertemperatur bedeutet jedes zusätzliche Grad sechs Prozent mehr Energiebedarf. Das kumuliert sich.
Sonderegger: Auch wenn es Bernhard nicht gern hört: Weniger ist mehr. Wir haben uns gesagt, dass wir nur dort automatisieren, wo es nötig ist und Sinn macht. Alles, was automatisch ist, frisst wieder Energie. Andererseits braucht es wieder Installationen, Verkabelungen. Bei der Modernisierung des «Schützen» haben wir uns beispielsweise für die manuelle Regulierung der Heizungen entschieden.
Pyott: Für die klassischen Heizkörper mit den Drehreglern gäbe es inzwischen Smart-Aufsätze, die auf die Temperatur reagieren. Damit könnte man es automatisieren. Sobald die Fenster aufgehen, unterbricht ein Funksignal sofort die Klimatisierung. Viele Gäste lassen das Fenster offen, um die schöne Aussicht zu bewundern. (lacht) Darum haben wir solche Smart-Anbindungen gemacht.
Sax: Intelligente Verkabelung ist ein riesiges Thema. Man muss sich tatsächlich gut überlegen, was man macht. Solange man etwas bewusst macht, ist es eine gute Sache. Heikel ist es nur dann, wenn man sich nicht bewusst ist, wo die Energie verpufft.
Sonderegger: Ich habe zwei Sorten von Gästen: Businessgäste, die durchschnittlich 1,4 Tage bei uns bleiben, und Patientinnen und Patienten, die vier bis acht Wochen bleiben. Auch bei uns ist es im Sommer relativ warm. Bei einem Altbau stellt sich die Frage, wo man Lüftungsschächte einbaut. In einem Neubau kann man das besser planen.
Pyott: Viele asiatische Gäste wollen mit der Kühlung an die Grenze.
Sax: Wir haben mit dem Kunden überlegt, welche Strategien es gibt, um damit umzugehen. Darüber muss man sicherlich zu reden beginnen. Technisch wäre es kein Problem, aus einem Buchungssystem die Nationalität auszulesen und dementsprechend den Soll-Wert der Klimatisierung zu steuern. Malaysier: 20 Grad, Schweizer 24 Grad. Datenschützerisch wäre das sehr, sehr heikel.
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Behördliche Auflagen: Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
Sonderegger: In Rheinfelden erlebe ich es als Miteinander. Wir arbeiten mit einem Architekturbüro zusammen, das Erfahrung hat mit Altstadtbau-Sanierungen und nachhaltigem Bauen. Die Projektleitenden pflegen einen guten Austausch mit den Behörden.
Pyott: Ich habe beide Erfahrungen gemacht. Die Fotovoltaikanlage wurde ohne Baugesuch durchgewunken. Die Antwort auf unsere Anfrage kam postwendend: Es sei in Ordnung, mit Vorbewilligung gleich mit der Umsetzung zu starten. Das war der schönere Fall. Aktuell warten wir seit dreizehn Monaten auf eine Baubewilligung für fünf neue Elektrotankstellen auf dem Parkplatz. Fast jedes Amt wurde bei uns vorstellig, fehlt bloss noch der Fischer. (lacht) Alle hatten Einwendungen und Auflagen. Auch bei unserem zukünftigen Schwesterhotel warten wir seit dem 2. Dezember auf eine Antwort. Es geht um ein Gebäude, das wir totalsanieren und von Ölheizung auf Fernwärme umstellen wollen. Es geht nicht voran.
Sax: Wenn es die Gemeinde gleich selbst entscheiden kann, wie im Fall der Fotovoltaik, geht es wohl schneller. Ist das Raumplanungsamt im Spiel, läuft es oftmals eher zäh.
Strompreis, Fotovoltaik, Elektroautos: Was kommt auf Hotels zu?
Gehen Sie künftig von erhöhtem Stromverbrauch aus?
Sonderegger: Unser modernisiertes Haus, den «Schützen», haben wir im Juni wiedereröffnet. Wir erhoffen uns, dass der Stromverbrauch durch die baulichen Massnahmen sinkt. E-Fahrzeuge haben wir keine, unsere beiden Fahrzeuge fahren mit Diesel. Bei einem Gebäude wäre eine Solaranlage rechtlich möglich gewesen. Diese hätte circa zehn Prozent einspeisen können. Wir warten diesbezüglich ab, wir müssen den bisherigen Umbau erst konsolidieren.
Pyott: Unsere PV-Anlage kann unseren Stromverbrauch zur Hälfte decken. Im Winter liegen wir bedingt durch den Eiger einen Monat lang komplett im Schatten und sind dann völlig vom lokalen Wasserkraftwerk abhängig. Wir kaufen den Energy-Blue-Wasserkraft-Strommix bei der BKW ein und sind auch in der Nacht vom eingekauften Strom abhängig, wir speichern keinen Strom im Haus. Im Moment sind dort die Kosten für die Investition höher als der Nutzen. Grindelwald hat viele Sonnentage, aber zu wenig Niederschläge und damit zu wenig Schnee, letzte Saison waren es nur knapp 12 Schneetage. Der Eiger bleibt nicht mehr weiss. Letztes Jahr war er Mitte Juni bereits grau. Die weisse Kappe ist im Sommer nicht mehr garantiert.
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Was planen Sie bezüglich Ladeinfrastruktur für E-Autos: Sind Sie bereit für die Zukunft?
Sonderegger: Wir haben uns tatsächlich Gedanken gemacht, ob wir in Ladestationen investieren sollten. Zu Beginn war ja die Erwartung, dass Hotels die Stromtankstelle gratis anbieten. Die Kosten für die Säule sind das eine, aber teuer ist die Leitung vom Hausanschluss zur Ladestation. Wir fragten uns, ob die sich rasch entwickelnde Technologie bald wieder veraltet wäre. Vielleicht braucht es künftig eine Tankstelle für Wasserstoff, wer weiss. Wir verzichten jedenfalls im Moment auf eine E-Ladestation. Auch deshalb, weil wir gut an den ÖV angebunden sind und die Stadt und das umliegende Gewerbe Ladestationen anbieten.
Pyott: Bei uns ist das ganz anders. Wir sind ein Ferienort. Es klafft je nach Saison ziemlich auseinander. Im Winter kommen die Skifahrer zu uns, wir reden mehr Deutsch. Ab April bis November werden wir extrem international, die dominante Sprache ist Englisch. Der Wintergast reist mit dem Auto, die Gäste im Sommer zu 60 Prozent mit dem ÖV an. Fast alle Gäste aus Asien reisen per Zug an. Autovermieter stellen je länger, je mehr E-Autos und Hybridfahrzeuge zur Verfügung. Somit stehen bei uns immer mehr Elektrofahrzeuge auf dem Parkplatz. Wir haben aktuell zwei Ladestationen, wir würden gerne auf sieben aufstocken, damit wird diesem Trend Folge leisten können. Der Gast wählt uns aus, weil wir dies anbieten. Dank der relativ hohen Ampere-Zahl können Gäste bei uns das Auto innerhalb von drei Stunden laden. Das bringt uns auch am Mittag Gäste ins Restaurant. Seit letztem Herbst sind wir eine E-Tankstelle geworden. Das heisst, wir verkaufen den Strom. Unsere zwei Ladesäulen sind Profit-Center geworden. Dieses Jahr sind es bereits vierstellige Beträge. Die Ladestationen haben sich schon amortisiert. Es besteht also klar eine Nachfrage. Weil wir tagsüber Strom selber produzieren, haben wir den vollen Nutzen. Die Gäste kämpfen um die Säulen. Wir müssten eigentlich ein Leitsystem organisieren. (lacht) Die Gäste kommen zu uns und fragen, ob das vollgeladene Auto an der Ladestation umparkiert werden könnte. Wir geben Chips heraus, so können wir rückverfolgen, wer lädt.
Sonderegger: Das ist doch schon ein Stress, oder?
Pyott: Der Stress beginnt schon beim Fahren, wenn der Balken des Ladestands immer mehr runterkommt. (lacht) Einmal reichte es bei mir nicht bis nach Hause.
Sax: Man muss Fahrten viel besser planen.
Pyott: Das Ladestationennetz ist in der Schweiz sehr gut. Jenseits der Landesgrenze sieht es anders aus. In Frankreich hat die Tankstellenlobby verhindert, dass es an Raststätten Ladestationen gibt. Das heisst, dass man die Autobahn verlassen und einige Kilometer bis zur nächsten E-Tankstelle fahren muss, um laden zu können – sofern sie nicht kaputt ist.
Sonderegger: Oder sie ist bereits besetzt, und man wartet in der Schlange.
Sax: Spannend finde ich, was jetzt nach dem Verbrenner-Aus in der EU passiert. Eigentlich impliziert dies, dass wir in 20, 30 Jahren fast nur noch Elektrofahrzeuge haben werden. Ich glaube, das ist eine Herausforderung für Schweizer Hoteliers. Man kann sich durchaus fragen, ob es deren Job ist, Gästeautos zu tanken. Es ist aber auch eine Chance, sich als Hotelier zu profilieren.
Pyott: Das Hotel wird indirekt auch zur Tankstelle. Vielleicht kann man dann auch einen Tankstellenshop eröffnen.
Sonderegger: Aber der Hotelier muss auch die Möglichkeit haben, diese Investitionen zu tätigen.
Pyott: Es ist ein Extra, welches jene bezahlen, die es erhalten.
Sax: Im Moment ist der Beschaffungsstress vorhanden, die Zahlungsbereitschaft ist entsprechend hoch. Die EU meint es ernst, es wird auch für die Schweiz Folgen haben.
Pyott: Preislich steht der Strom allerdings in keiner Relation zum Benzin. Wir reden von 8 bis 15 Franken, abhängig von der Ladedauer.
Sax: Wir sehen es bei unserer eigenen Flotte. Wenn ich einen Verbrenner tanke für eine Reichweite von 400 Kilometern, kostet das 60 oder 70 Franken. Diese Rechnung muss man auch machen.
Pyott: Wir haben Gäste, die planen ihre Reise durch halb Europa entlang der Hotels mit Ladestationen. Das ist unser USP.
Welche Rolle spielt Automation im Bereich E-Mobilität?
Sax: Wir haben oft mit sogenannten ZEV-Kunden zu tun – Zusammenschluss zum Eigengebrauch. Das sind hauptsächlich Mehrparteienhäuser, die gemeinsam eine PV-Anlage nutzen. Dazu braucht es Abrechnungssysteme. Auch die E-Mobilität ist zunehmend ein Thema, insbesondere das Lastmanagement. Wenn in einer Überbauung mit fünfzig Wohnungen und zehn Ladesäulen alle um 18 Uhr nach Hause kommen, das Elektroauto an die Ladestation anschliessen und dann den Kochherd starten, kommt es zu ausgeprägten Spitzen. Die damit verbundene Strafgebühr dürfen die Eigentümer an die Mieter weitergeben. Das heisst, viele Mieter zahlen mehr für den Strom wegen jener Mieter, die ein Elektroauto haben. Das sind Herausforderungen bei der Elektrifizierung des Individualverkehrs, die den meisten Menschen nicht bewusst sind. Bei der Mobilität vergisst man manchmal, dass es künftig davon abhängt, wie sauber all die betankte Energie ist.
Nachhaltigkeit in der Kommunikation: Wie sage ich es den Gästen?
Wie kommunizieren Sie, was Sie im Bereich der nachhaltigen Gebäudetechnik machen?
Pyott: Wir haben zwei Zertifikate gemacht. Einerseits Ibex Fairstay, das für die Hotellerie wichtig und bekannt ist. Wir konnten direkt auf der Stufe Platinum einsteigen. Damit kam automatisch das Swisstainable-Label von Schweiz Tourismus, auch dort sind wir mit «leading» in der höchsten Stufe. Entsprechend hat uns dies neue Gäste gebracht, die sich solche Betriebe spezifisch aussuchen. Daneben haben wir auch Gäste, die das Zimmer auf Kühlschranktemperatur herunterkühlen wollen und für die Nachhaltigkeit ein Fremdwort ist. Am Tourismusort Grindelwald ist die Schere extrem, letztes Jahr hatten wir Gäste aus 120 Nationen.
Sonderegger: Bei Ibex Fairstay sind wir erst auf dem Gold-Level, weil wir im Moment in einem Haus noch eine Gasheizung haben. Den Monoblock auf dem Dach kommuniziere ich nicht aktiv, das interessiert den Gast nicht. Aber vielleicht interessiert es ihn, ob das Eichenholz im Hotelzimmer früher schon dort war und ob wir renoviert statt neuen Parkett verlegt haben? Viele Leute erwarten schlicht, dass wir uns in diese Richtung bewegen, die Labels sind richtig und wichtig. Ob sie uns in der Stadt deswegen aussuchen, weiss ich nicht. Letztlich will der Gast bei uns ein angenehmes Zimmer mit angenehmer Temperatur und stimmiger Technik. Aber natürlich legen wir Wert auf Nachhaltigkeit und kommunizieren unsere Bemühungen auch.
Was kann die Automation beitragen?
Sax: Wir visualisieren den Verbrauch. Man könnte auf dem Bildschirm das Dashboard anzeigen und dazu anregen, die Soll-Temperatur für die Kühlung anzuheben. Für unsere Kunden ist es wichtig, dass unsere Systeme solide funktionieren und sie mit vertretbarem Aufwand zufriedene Gäste haben. Am besten haben wir unseren Job dann gemacht, wenn man unsere Systeme gar nicht wahrnimmt, diese zum Wohlbefinden beitragen und der Hotelier trotz hohen Energiepreisen einen Gewinn erwirtschaften kann.
Fazit
Jan Pyott: Wenn die Sustainability beim Endkunden ankommt, ist das eine gute Sache. Man kann auf tiefer Schwelle starten, und je mehr Verantwortliche sich Gedanken machen und investieren, desto mehr kommt etwas ins Rollen.
Martin Sonderegger: Wir wägen die Massnahmen ab. Dann und wann müssen wir auch auf etwas verzichten. Investitionen muss man zuerst finanzieren können. Wir überlegen gut und springen nicht auf jeden Trend auf.
Bernhard Sax: Wie auch immer man entscheidet, man sollte aufgrund klarer Grundlagen entscheiden. Zuerst muss man wissen, wo die Energie hinfliesst. So wird dann auch klar, was man gewinnen beziehungsweise verlieren kann.
Die Teilnehmenden
Jan Pyott
Der Inhaber und Geschäftsführer des Boutique-Hotel Glacier in Grindelwald, hat das Hotel zusammen mit seiner Frau 2018 wiedereröffnet. Es existiert seit 1864. Pyott absolvierte in den USA ein Wirtschaftsstudium und war während 20 Jahren Profi-Triathlet. Er ist Hotellerie-Quereinsteiger. Am Anfang stand der Wunsch, ein Café zu eröffnen. Eröffnet haben sie aber schliesslich ein 4-Sterne-Superior-Hotel. «Wir streben im Restaurant einen Michelin-Stern an», sagt Pyott. [IMG 4]
Martin Sonderegger
Der Direktor der Schützen Hotels Rheinfelden, wurde schon in einem Hotel geboren, seine Eltern waren Hoteliers. Seit 13 Jahren führt er die Schützen Hotels. Die Gruppe besteht aus drei Hotels und Restaurants. Gemäss Konzept beherbergen die Schützen Hotels gesunde und kranke Menschen unter einem Dach. Sonderegger kommt ursprünglich aus der Ferienhotellerie. Er wuchs im Bündnerland auf und arbeitete lange Zeit in Zermatt. «Man kann nicht einfach nur in Nachhaltigkeit investieren. Man muss sie auch leben», sagt er. [IMG 5]
Bernhard Sax
Der CEO Pi-System, hat stets im Bereich Gebäudeautomation gearbeitet. Heute ist er Geschäftsführer von Pi-System, einem mittelgrossen Unternehmen mit 30 Mitarbeitenden. Seit vergangenem Herbst hat sich laut Sax der Kundenfokus weg vom Komfort hin zum Sparen verschoben. Im Kundenportfolio befinden sich einige mittel- bis oberklassige Hotels. «Für mich ist es immer wieder spannend, Einblick in unterschiedliche Betriebe mit unterschiedlichen Philosophien zu erhalten.» [IMG 6]
Table Ronde
Sommeil et mieux-être: mystères ou perspectives pour un séjour à l'hôtel
Pour notre table ronde sur le thème du sommeil et du mieux-être organisée par hotelrevue, nous avons souhaité inviter dans nos locaux des experts de ce domaine, familiers aussi du lien et de la collaboration avec les hôteliers. Voici les différents sujets que nous leur avons soumis. Tout en privilégiant le mode de la conversation et du débat d'idées.
- création de suites ou de chambres liées au sommeil dans les hôtels
- expériences de sommeil personnalisées
- anxiétés du voyageur, atmosphère de l’hôtel, rêves
- qualité de l'air, de l'eau, protection contre les ondes électromagnétiques
- temps de vie d’un matelas et entretien par les gouvernantes
- qualité du lit
- rôle de l’acoustique et impact de la lumière
- spa, sport, mieux-être, méditation, pleine conscience
- dilemme des hôteliers: proposer des lieux de convivialité, de gastronomie, de détente, de fêtes et de sommeil
Ce qui nous rassure du sommeil, c’est qu’on en sort, et qu’on en sort inchangés, puisqu’une interdiction bizarre nous empêche de rapporter avec nous l’exact résidu de nos songes.
Marguerite Yourcenar
Des recherches sur la forme du lit et les sources de lumière
Les conditions réunies pour qu'une chambre facilite le sommeil
Raphaël Kaufmann: Je me souviens avoir dormi merveilleusement bien dans un lit ni trop dur, ni trop mou dans un hôtel.
Alexandre Caldara: Vous vous rappelez de l’hôtel? Raphaël Kaufmann: Oui, l’Hôtel Le Louis, à Versailles, dormir ainsi était exceptionnel à cette époque pendant mes voyages d’affaires.
Tim Weiland: Et vous avez acheté le matelas à l’hôtel?
Raphaël Kaufmann: (Rires) Non, j’aurais dû.
Benoît Saint-Girons: Souvent, les hôtels restent mieux équipés que l’habitat en Suisse du point du vue de la literie. On y dort mieux, même si chaque client entre dans son lit avec ses propres problèmes.
Alexandre Caldara: Parlez-nous des différents éléments que l’on peut retrouver dans la mise en place de votre projet de Sleep Suite, à l’Hôtel Alpina, à Gstaad, Tim Weiland?
Tim Weiland: Nous testons cette suite depuis une année et demie, nous ne la commercialisons pas comme telle, nous invitons certains spécialistes et la proposons à nos clients sans spécifier de quoi il s’agit. Certains remarquent sa particularité d’eux-mêmes. Le lit reste très important, nous travaillons avec l’entreprise Freshbed. Nous disposons de deux télécommandes pour le lit pour les deux personnes qui le partagent. Nous contrôlons la température, l’humidité, la qualité de l’air de la chambre. Comme dans des bungalows aux Maldives, nous avons décidé d’enlever les télévisions. Nous travaillons avec des lunettes blue light très efficaces, du CBD, des huiles essentielles.
Benoît Saint-Girons: Et si malgré toutes ces précautions, en tant qu’hôte, vous consultez des écrans avant de dormir? Tout risque de s’écrouler.
Tim Weiland: Oui, l’omniprésence électrique est néfaste. Nous ne sommes pas des animaux de nuit.
Benoît Saint-Girons: 5% des Français sont considérés comme électrosensibles. Notre chambre doit devenir un sanctuaire contre les ondes électromagnétiques. La table de chevet éclairée ou les sommiers de lit bardés de câbles électriques restent une contradiction. Il faudrait couper le Wi-Fi. L’oscillateur magnétique de compensation (CMO) fonctionne bien, ce cône compense les effets biologiques des rayonnements électromagnétiques des appareils quotidiens.
Rocco Cristofaro: Il existe des recherches sur des smart beds qui permettent de mesurer les phases du sommeil à travers la température du lit et de changer de lit au besoin. La forme du lit évolue en fonction de la forme du corps. Nous vendons aussi des lunettes blue light qui fonctionnent bien. Je reste ingénieur et m’intéresse à l’évolution des technologies, mais toutes les méthodes naturelles marchent bien également.
Raphaël Kaufmann: Je comprends la nécessité d’outils de mesure pour prendre conscience des réalités du sommeil. En tant qu’ancien économiste au Centre suisse d’électronique et de microtechnique, je connais les sleep trackers; ils permettent d’analyser des facteurs. Mais je pense que la compréhension du domaine passe aussi par les hasards de la vie et la mise en place de cadres personnels.
Je comprends la nécessité d'outils de mesure pour prendre conscience des réalités du sommeil. Mais je pense que la compréhension passe aussi par les hasards de la vie et la mise en place de cadres-
Raphaël Kaufmann, Directeur marketing de Continuum Solutions
Bien se réveiller, faire une sieste, boire de l'eau, éviter les irritations
Toutes les conditions qui peuvent contribuer à faciliter le sommeil
Benoît Saint-Girons: J’essaie d’aller au lit entre 22h et 22h30 pour me réveiller naturellement entre 4h et 6h. On parle toujours du bien-dormir, mais il faut aussi bien se réveiller, sans réveil ou juste avant pour passer une bonne journée.
Raphaël Kaufmann: Entendre et être entendu dans une chambre ne met pas à l’aise. Il est bon de prendre possession d’un cocon.
Tim Weiland: J’ai réalisé l’une de mes meilleures siestes de deux heures au milieu du vacarme des enfants sur une plage au Maroc.
Benoît Saint-Girons: Le climat et le soleil aident.
Tim Weiland: Mais sans obscurité, ni rideaux tirés…
Rocco Cristofaro: J’aime particulièrement les nuits sans aucun dérangements, ni bruits qui conduisent vers un réveil naturel.
Benoît Saint-Girons: Il est difficile de dormir si on reste agacé par sa journée. Il faut éviter l’irritation, les douleurs et contrôler sa nutrition. Bergson disait que dormir c’est se désintéresser.
Raphaël Kaufmann: Il faut parvenir à trouver un sentiment personnel de bien-être.
Benoît Saint-Girons: Je recommande deux gouttes d’huile essentielle de petit grain à respirer.
Il fait circuler une petite fiole.
Tim Weiland: On va tous s’endormir.
Raphaël Kaufmann: Cela sent bon, cela permet de lâcher prise profondément. Je recommande aussi le système lumineux de l'entreprise Philips Hue.
Rocco Cristofaro: Il faut vendre du sommeil et pas seulement un lit. Nous continuons à suivre les recherches les plus performantes sur le smart bed, notamment My Zmartbed de Bico et Happy. Le matelas reste la colonne vertébrale, mais l’ensemble de la chambre doit correspondre au besoin. Une approche holistique avec des coachs du sommeil et des aromathérapeutes reste essentielle.
Tim Weiland: Comme spécialiste de l’hôtellerie, c'est l’ensemble de l’expérience qui nous importe. Je ne suis pas pour une carte des oreillers comme le pratiquent certains établissements. Nous proposons sur l'ensemble du séjour des conseils lifestyle, il semble évident que manger un burger ou regarder un film d'action n'aide pas. Mais nos clients restent en vacances, on ne veut rien leur imposer.
Benoît Saint-Girons: Il ne faut pas oublier un élément déterminant: la qualité de l’eau. Nous consommons des eaux trop minéralisées et nos eaux du robinet sont également plus chlorées. Tout ce que nous consommons devrait nous apporter de l'énergie, c'est-à-dire être légèrement acide et antioxydant. Il existe des techniques pour filtrer et redynamiser l'eau pour un hôtel, telles que le biofiltre et un biodynamiseur. Filtrer l’eau permet de lui redonner de l'énergie jusqu'à lui faire retrouver ses propriétés énergétiques d'eau de source au naturel.
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La notion de routine importante pour le sport et l'endormissement
La question centrale du sport et de l’effort physique en général
Raphaël Kaufmann: Il faut arrêter de dire que le sport est mauvais pour la santé. Lorsqu'on arrive dans un établissement inconnu comme un hôtel, cela génère automatiquement du stress. Il faut décompresser, prendre le sport comme un outil. Et établir une routine et la conserver le plus possible. Ne pas soumettre son corps à un stress, plutôt le décharger. Il faut laisser le temps au corps de retrouver sa température corporelle après l’effort, de redescendre, de se calmer.
Benoît Saint-Girons: Un sport trop intensif peut nuire au sommeil. Mais ne rien faire aussi empoisonne. Les Asiatiques ne cultivent pas l’obsession de la performance. Ils recherchent la circulation énergétique via une respiration de qualité, notamment à travers le tai-chi ou le qi gong. .
Raphaël Kaufmann: L’oxygénation naturelle doit se faire par le ventre et non pas par les poumons.
Tim Weiland: On doit d’abord rechercher nous-mêmes les multiples origines qui nous font mal dormir. Mais dans ce domaine, nous consultons notre thérapeute du spa et un moine tibétain pour mettre au point des méthodes de relaxation que nous transmettons à nos hôtes, tout autant que des experts du matelas et de l’air.
Raphaël Kaufmann: Désormais, nous pouvons travailler avec de nouveaux outils innovants, comme le coaching digital ou un miroir connecté. Ils donnent des conseils très utiles pour la décharge mentale.
Benoît Saint-Girons: Concernant la notion de routine dont Raphaël parle dans le sport, on peut également l’appliquer à l’endormissement: s’étirer, bailler, se vider la tête. Pour calmer son mental, on peut s’aider avec de la musique relax, de la lumière pulsée, notamment avec la technologie Psio. Mais aussi à travers des messages d’endormissement et des techniques d’hypnose ericksonienne.
Raphaël Kaufmann: Je dormais mal à la naissance de mon garçon et cela s’accumulait avec le stress de mon travail. Me suis remis au sport et j'ai commencé à pratiquer le yoga afin de trouver un équilibre. Il faut apprendre à créer, à aménager sa nuit.
Rocco Cristofaro: Toutes vos réflexions montrent que l'on ne peut pas continuer à mettre le matelas au centre de tout, même s'il reste une colonne importante pour le sommeil. Nous travaillons avec des coachs du sommeil, des thérapeutes aromatiques pour vendre un lit, une chambre.
Les Asiatiques ne cultivent pas l’obsession de la performance. Ils recherchent la circulation énergétique via une respiration de qualité.
Benoît Saint-Girons, Consultant en solutions écologiques
Un écosystème sans solution unique
Une phrase de synthèse et de conclusion pour chacun.
Raphaël Kaufmann: On voit que lorsqu'on parle du sommeil, il s'agit d'un écosystème qui passe par une prise de conscience personnelle, globale, pas seulement par des changements matériels.
Tim Weiland: Il n'existe pas de solution unique aux problèmes du sommeil, cela concerne l'individu et passe par des solutions individuelles.
Rocco Cristofaro: On peut commencer par s'occuper du matelas et du lit, mais en prenant conscience de toutes les autres dimensions et en respectant une routine personnelle.
Benoît Saint-Girons: L'ensemble des problèmes liés au sommeil ne peut pas être considéré comme une fatalité. Nous devons finalement parvenir à une écologie du sommeil avec un minimum de pollutions pour respecter nos sens et donner du sens.
Les invités
[IMG 2]Benoît Saint-Girons est consultant en solutions écologiques, fondateur de Solutions Bio, à Genève, et auteur de nombreux essais. Diplômé de l'Ecole Supérieure de Gestion de Paris, il travaille à son retour d'Asie sur les thérapies naturelles et la notion de mieux-être.
solutionsbio.ch
[IMG 3]Raphaël Kaufmann exerce comme directeur commercial et marketing de Continuum Solutions, structure innovante dans le monde du sport et du fitness, et comme entrepreneur dans les cosmétiques. Economiste de métier, il s'intéresse à la naturopathie pour améliorer sa vie.
continuum-solutions.ch
[IMG 4]Tim Weiland est directeur général de l'Hôtel Alpina, cinq étoiles, à Gstaad, depuis quatre ans. Il a grandi en Afrique et a travaillé en Chine, en Inde, au Maroc. Diplômé de l'EHL, il se spécialise dans la direction d'établissements de luxe défendant certaines valeurs, notamment pour le groupe Aman.
thealpinagstaad.ch
[IMG 5]Rocco Cristofaro travaille comme Innovation Manager auprès de Hilding Anders. Cet ingénieur de formation se spécialise, depuis plus d'une dizaine d'années, dans les nouvelles technologies liées aux recherches sur le sommeil et l'environnement propice à l’endormissement.
hildinganders.com
Tischgespräch
Wohnlichkeit und Behaglichkeit werden immer bedeutender
Dort, wo man sich wohlfühlt und ein gutes Gefühl bekommt, geht man gerne und oft hin. Doch was ist ausschlaggebend dafür, dass man sich gerne in einem Restaurant oder Hotel aufhält, länger sitzen bleibt, mehr konsumiert und mit einem Glücksgefühl nach Hause geht? Das Zusammenspiel verschiedener Elemente ist entscheidend. Von der Inneneinrichtung über Materialien, Geräuschkulisse, Düfte bis zum Licht. Nicht zuletzt trägt auch die Wahl der Mitarbeitenden zur Atmosphäre bei, die ein Restaurant oder ein Hotel ausstrahlt.
Lichtplaner Adi Aicher, Hotelier Philip Arnold, Gartendesignerin Sarah Hauser sowie Hotelière Sophia Marthaler haben sich beim htr-Tischgespräch darüber unterhalten, wie man ein Ambiente findet, das zum Hotel passt. Inspirationsquellen können die Landschaft und die Historie des Hauses sein. Ein Klosterhotel beispielsweise orientiert sich in der Regel an seiner oft mehrere hundert Jahre alten Geschichte und setzt entsprechend Akzente bei Mobiliar oder Tischwäsche.
Holz, Naturstein und Naturfasern für das Wohlbefinden
Die Inneneinrichtung trägt wesentlich zu einer schönen Atmosphäre bei. Natürliche Materialien wie Holz, Naturstein und Naturfasern vermitteln ein Gefühl des Zuhauseseins und der Geborgenheit. Naturmaterialien gewinnen laut Zukunftsforscher David Bosshart sogar noch an Bedeutung. Die Menschen werden in den nächsten Jahrzehnten vermehrt Orte aufsuchen, die gemütlich und behaglich sind und wo man sich der Natur und seinen Wurzeln nahe fühlt. Dabei spielt auch das Licht eine grosse Rolle. Natürliches Licht wird bevorzugt, und künstliches Licht soll möglichst natürlich aussehen. Beliebt sind Gartenanlagen und Innenräume, die mit Aussenräumen in Verbindung stehen, von wo aus man in die Natur sehen kann.
Wie findet man die richtige Atmosphäre?
Sophia Marthaler: Bei uns lautete das Motto: Die Gäste sollen ankommen und sich wohlfühlen. Damit das geschieht, muss die Einrichtung zum Haus passen. Bei uns fällt sie spartanisch aus, weil das zu unserem Klosterhotel passt. Es liegt auf der St. Petersinsel und ist 900 Jahre alt. Deshalb gibt es bei uns Holztische, historische Stühle, die alle unterschiedlich sind, Leinenläufer und Porzellan in einer Steingutoptik in Natur- und Pastelltönen.
Adi Aicher: Das Klosterhotel ist ein Haus mit Geschichte. Da sollte man aufpassen, dass man nicht zu viel inszeniert, nicht zu viel beleuchtet. Damit könnte man die Atmosphäre zerstören.
Philip Arnold: Ein Gast, der im Hotel ankommt, hat gewisse Erwartungen. Die sollte man erfüllen. Eine Réception bespielsweise sollte nicht als Museum, sondern als Réception eingerichtet sein. Doch wer ist dafür verantwortlich? Ich finde, die Hoteliers, obwohl wir dafür fast keine Zeit finden, weil wir so stark ins Tagesgeschäft eingebunden sind.
Adi Aicher: Es gibt viele Gastronomen und Hotelièren, die ein gutes Gespür für Atmosphäre haben. Sie wissen genau, was die Gäste suchen. Ich sehe meine Funktion als Lichtplaner darin, diese Ideen umzusetzen. Es gibt aber auch Bauten, bei denen der Hotelier noch nicht bekannt ist, bei Investorenprojekten beispielsweise. Dann arbeite ich eng mit den Architekten und Innenarchitekten zusammen.
Sarah Hauser: Über alles gesehen gibt es in der Architektur mehrere Ansätze, um auf die Spur der Atmosphäre zu kommen. Wie Adi Aicher gesagt hat, kann man sich an den Hoteliers orientieren, an ihrer Erfahrung und ihrer Persönlichkeit. Aber man kann sich wie im Fall des Klosterhotels auch auf die Historie konzentrieren und sich von ihr inspirieren lassen. Es gibt auch den Ansatz, sich an der Landschaft auszurichten. Das würde ich beispielsweise im Maiensässhotel Guarda Val so machen, wo die Berglandschaft beeindruckt.
Philip Arnold: Die Landschaft ist in der Tat eine Inspirationsquelle. Wir nehmen sie nicht nur in der Architektur, sondern auch in der Buffetpräsentation auf. Das Buffet dient zwar der Speisepräsentation, doch den grösseren Effekt holen wir mit der Materialwahl des Buffets heraus. Oft arrangieren wir dafür Strohballen und arbeiten mit Öllampen, das verleiht eine rustikale Wohlfühlatmosphäre. Damit müssen die Speiseplatten weniger filigran dekoriert und das Buffet nicht überladen werden. Manchmal stellen wir einen Früchtekorb aufs Buffet und daneben ein Schneidebrett statt Platten voller frisch aufgeschnittener Früchte. Weil es weniger Resten gibt, können wir Warenkosten sparen. Manchmal machen wir im Garten Feuer und sieden dort Weisswürste, die unsere Kellner in Lederhosen servieren. Angesichts der Hygienevorschriften gehen solche Konzepte nicht überall. Beim Frühstücksbuffet mussten wir beispielsweise einen Spuckschutz montieren. Jetzt ist das Bild gestört, auch wenn der Schutz aus Altholz ist.
Sophia Marthaler: Im Klosterhotel servieren wir das Frühstück in der Bauernstube. Das ist zwar authentisch, aber die Fenster beschlagen vom Dampf des Eierkochers und vom Chafing Dish. Deshalb müssen wir die Fenster regelmässig trocknen und mit dem Öffnen der Türen die Frischluftzufuhr regulieren. Und doch trägt die urige Bauernstube zur authentischen Atmosphäre bei. Ebenfalls, dass die Produkte aus der Region kommen. Natürlich schreiben wir das an.
Die Menschen schätzen den Aussenraum immer mehr. Jetzt geht der Trend sogar dahin, das Aussen nach innen zu bringen.
Sarah Hauser, Inhaberin Hauser Design
Von Naturmaterialien und Düften berührt
Philip Arnold: Wir haben das «Guarda Val» 2008 letztmals komplett neu renoviert, bespielt und eingerichtet. Noch heute, 14 Jahre später, sind die Betten und die Möbel von herausragender Qualität. Das ist nicht selbstverständlich, denn die Gäste nutzen sie unbekümmert. Es gibt Flecken. Polster nutzen sich ab, und Holzmöbel bekommen auch mal Kratzer. Eine gute Qualität kann man reinigen und Möbel frisch aufpolstern. Und weil wir wissen, dass unsere Gäste Freude haben an unserer Einrichtung und am Garten, investieren wir viel.
Sophia Marthaler: Unsere Gäste lieben die Landschaft auf der Insel, die naturgeschützt ist. Wir geben den Gästen gerne Tipps mit, wo sie den schönsten Steg und den höchsten Aussichtspunkt finden, da ist die Ausstattung im Hotel zweitrangig.
Sarah Hauser: Die Menschen schätzen den Aussenraum immer mehr. Jetzt geht der Trend sogar dahin, das Aussen nach innen zu bringen.
Philip Arnold: Deshalb haben unsere Gäste auch im Zimmer die Möglichkeit, sich mit der Natur zu beschäftigen. Wir geben jeden Tag etwas anderes aufs Zimmer. Zur Auswahl steht beispielsweise eine Biene hinter einem Glas. Dazu reichen wir eine Lupe, mit der sie sie genau betrachten können. Oder ein Sammelsurium von flachen Steinen, mit denen man ein Steinmandli bauen kann. Ebenfalls bieten wir Holzschnitte an: Die Schnitte sind aus Lärchen, Föhren, Fichten und Buchen. Damit sprechen wir den Tast- und den Geruchssinn an. Der Duft hat eine beruhigende Wirkung. Viele Menschen schlafen mit Holzdüften besser. Mit unserem Programm machen wir die Natur fassbarer.
Adi Aicher: Wie entwickeln Sie solche Ideen?
Philip Arnold: Der Verwaltungsrat wie auch die Geschäftsleitung wollten die Unternehmensvision weiterentwickeln, um uns von der sehr guten Bündner Konkurrenz abzuheben. Bei einem Brainstorming haben wir uns darauf geeinigt, die Gäste mit ihren Kindheitserinnerungen zu verbinden. Durch den Tastsinn, die Düfte, aber auch durch echtes Holzfeuer tauchen die Gäste in Erinnerungen, in erlebte Abenteuer aus der Kindheit ein. Ein externer Partner war für die Weiterentwicklung und die Umsetzung unserer Ideen verantwortlich. Wenn man es richtig machen will, braucht es Fachpersonen und ein gewisses Budget. Den finanziellen Aspekt sollte man aber klären, bevor man beginnt.
Sarah Hauser: Natürlichkeit ist heute kein Trend mehr, sie ist selbstverständlich. Mit der Auswahl der Pflanzen tragen wir automatisch zur Biodiversität bei. Wenn das ganze Jahr über etwas blüht, ist ein Garten biodivers, aber das verkaufen wir durch die Ästhetik. Denn niemals sollte Naturschutz die Ästhetik negativ beeinflussen. Wir regen mit unseren Gärten alle Sinne an. Der Duft der Blumen den Geruchssinn. Den Tastsinn, wenn Bäume berührt werden können, und auch den Gehörsinn: Kieswege eignen sich gut für Hintereingänge, dann hört man, wenn der Garten betreten wird.
Damit Lebensmittel frisch und geschmackvoll aussehen, muss die Farbe des Lichts stimmen.
Adi Aicher, Lichtplaner und Mitbegründer Firma Sektor4
Licht, unsichtbarer Baustoff der Emotionen
Sarah Hauser: Als Gartenplanerin stellt sich die Frage, was Licht im Garten zu suchen hat. Licht ist dann erfolgreich, wenn man es nicht bemerkt, ausser natürlich, es strahlt einen dekorativen Springbrunnen an. Draussen verwendet man weniger Licht als in Innenräumen. Erstens, weil so eine gemütliche Atmosphäre entsteht, und zweitens, weil wir wegen der Lichtverschmutzung im Konflikt mit der Natur stehen.
Adi Aicher: Die Lichtverschmutzung ist ein grosses Thema. Noch immer gibt es viele Glaskugeln aus den 1980er-Jahren, die nach allen Seiten abstrahlen, zu 80 Prozent in die falsche Richtung. Im Freien sollte man Licht immer nur gegen den Boden und nie gegen den Himmel richten.
Sophia Marthaler: Licht ist im Aussenbereich des Klosterhotel ein Dauerbrenner. Viele haben mitzureden, auch der Naturschutz, denn es gibt acht verschiedene Fledermausarten, die nicht gestört werden dürfen. Wir dürfen deswegen Licht nur sparsam einsetzen. Als Hotelière ist es gar nicht so einfach, damit umzugehen. Wir möchten Atmosphäre schaffen, müssen uns aber sehr einschränken. Jede Lampe, die ich im Eingangsbereich in einen Baum hänge, muss mit dem Naturschutz abgesprochen sein.
Adi Aicher: Licht hat eine grosse Wirkung. Auch in der Produktpräsentation. Damit Lebensmittel frisch und geschmackvoll aussehen, muss die Farbe des Lichts stimmen. Wassertropfen auf den Früchten oder dem Gemüse unterstützen diesen Frischeeffekt. Bei einem Buffet oder in der Auslage im Supermarkt beispielsweise. Am besten eignet sich immer Tageslicht. Die Qualität der Speisen kann im Tageslicht intuitiv erkannt werden. Es ist natürlich nicht immer möglich, das Buffet ans Fenster zu platzieren, und abends wird schliesslich auch gegessen. Das Licht muss einfach gut geplant sein. Bei der Planung kommt es neben der Farbwahl des Lichts auch darauf an, ob die Restauranttische immer am selben Ort stehen oder je nach Anlass an woanders aufgestellt werden. In Seminar- und Banketträumen ist die vielfältige Nutzung ein grosses Thema. In jedem öffentlichen Raum sollen Licht und andere Komponenten zusammenspielen. Nichts darf zu «laut» sein, auch das Licht nicht.
Philip Arnold: Frisch aus der Hotelfachschule, hätte ich nicht gesagt, dass das Licht zu den wichtigen Dingen in einem Hotel gehört. Aber ich habe meine Meinung in den letzten Jahren geändert: Wenn man die Gelegenheit und genug Budget hat, sollte man das Licht von Anfang an richtig planen. Die Atmosphäre lebt vom Licht.
Adi Aicher: Um Licht richtig einzusetzen, bedarf es oft eines etwas grösseren Aufwands, eventuell müssen Decken erneuert und gleich auch die Elektroverteilung angepasst werden, damit das Licht richtig platziert werden kann.
Philip Arnold: Und dann kommt noch die Qualitätssicherung. Wenn ein Gebäude neu gestaltet ist, zeigt der Fachmann unseren Mitarbeitenden, bei welcher Lampe welches Leuchtmittel verwendet wird. Wie das Lichtkonzept und der Aussenbereich im Alltag tatsächlich daherkommen, ist eine Kontrollsache.
Gärten und Innenräume werden wichtiger
David Bosshart hat von 1999 bis 2020 das Gottlieb-Duttweiler-Institut geleitet. Der Zukunftsforscher sagt, dass die Natürlichkeit in Innen- wie Aussenräumen immer wichtiger werde. Gründe sind die Auswirkungen der Digitalisierung, Homeoffice und die Unsicherheit, die unbekannte urbane Räume auslösen können. Ein weiterer Faktor ist die Unversehrtheit der Natur, die immer seltener wird und dadurch an Wert gewinnt. Schuld daran ist die Klimaerwärmung mit mehr Hitze und Trockenheit, denn geschätzt 80 Prozent der Haushalte in grossen urbanen Räumen werden bis 2050 auf eine Klimaanlage angewiesen sein. Folgende Punkte müssen Hotels beachten.
Natürliche Materialien
Alle Materialien, die eine Natürlichkeit ausstrahlen, sind im Trend. Holz beispielsweise vermittelt ein Gefühl von Nähe, Regionalität und Verwurzelung. Auch Wandplatten aus Heu und Lavendel sowie Naturstein und selbst Beton werden wesentlich, wenn sie Gefühle der Ursprünglichkeit anklingen lassen. Auch Farben und Gerüche, die Anspielungen auf die Unversehrtheit der Natur machen, sind im Trend. Die Naturwahrnehmung und -wertschätzung ist immer kulturell und lokal geprägt.
Gemütliche Innenräume
Die Verbindung von Innen- und Aussenräumen wird wertvoller. Man möchte im Wohnzimmer sitzen, von Pflanzen umgeben sein und direkt in die Natur schauen: auf den Garten vor der Tür und vom Balkon auf die Berge, den Fluss oder den Wald. Die Innenräume sollen gemütlich, behaglich und wohnlich sein. Diesen Trend nehmen neuste Konzepte wie das der 25 hours Hotels in Zürich, aber auch Geschäfte im Detailhandel auf. Das multinationale Lifestyleunternehmen Urban Outfitters beispielsweise forscht an einem Konzept mit dem Namen Terrain, in dem Detailhandel, Garten und Restaurant kombiniert werden.
Im Garten sitzen, ein Luxus
Heute tönt das vielleicht banal, aber der Aufenthalt im Garten wird immer luxuriöser. Es soll auch ohne künstliche Wärmeregelung nicht zu warm und nicht zu kalt sein. Die Nachfrage nach schönen Gartenanlagen, (Rooftop-)Terrassen und Balkonen mit Wohlfühlatmosphäre wird steigen.
Natürliches Licht, bitte
Kalte, dunkle Räume verströmen keine Behaglichkeit. Um die Gesundheit zu fördern, investieren Unternehmen viel Geld in natürliches Licht. Als Vorbild dient das Hotel Cheval Blanc im Luxuswarenhaus Le Samaritaine in Paris, wo Lichthöfe und Glasdächer installiert wurden. Im Hotelzimmer soll mit offenen Fenstern gewohnt werden können.
Als Vorbild dient das Hotel Cheval Blanc im Luxuswarenhaus Le Samaritaine in Paris, wo Lichthöfe und Glasdächer installiert wurden.
David Bosshart, Trendforscher und Retail & Consumer Analyst
[IMG 3 ]Der 48-jährige Adi Aicher ist Mitbegründer der Lichtplanungsfirma Sektor4 in Zürich. Spezialisiert hat sie sich auf Museen, Hotels und Restaurants. Alles Orte, wo Licht den Fokus setzt und den Besuchern und Gästen ein bestimmtes Gefühl vermittelt. Sektor4 betreibt keinen Handel, ist herstellerunabhängig und produktneutral. Im Portfolio sind Hotels wie das Bürgenstock Resort und das Baur au Lac in Zürich.
[IMG 4] Der gebürtige Solothurner ist eidgenössisch diplomierter Hotelier/Restaurateur HF. Der 35-Jährige hat in Häusern wie dem Beau-Rivage Palace in Lausanne, dem Giardino Ascona und der Huka Lodge in Neuseeland gearbeitet. Im Maiensässhotel Guarda Val, einem 5-Sterne-Superior-Haus in Sporz GR, ist er seit acht Jahren tätig. Die operative Leitung obliegt ihm und seiner Frau Bettina Arpagaus seit drei Jahren.
[IMG 5] Die Firma Hauser Design im schwyzerischen Freienbach plant, realisiert und pflegt alles rund um Aussenbereiche und Gärten. Der Grundstein legte Max Hauser 1980. 2017 übernahmen die Geschwister Sarah und Mark Hauser die Leitung des Familienbetriebs mit 110 Mitarbeitenden. Die 33-jährige Sarah Hauser ist von Haus aus Landschaftsarchitektin. Später studierte sie Gartendesign in London.
[IMG 6] Die 57-jährige Sophia Marthaler ist gelernte Hotelfachfrau. Die gebürtige Nordrhein-Westfälin arbeitete fünf Jahre lang auf Expeditionsschiffen weltweit und führte das Restaurant Worlds End im norddeutschen Münster. Seit 2021 ist sie Gastgeberin im Klosterhotel auf der St. Petersinsel. Es ist 900 Jahre alt und liegt mitten im Naturschutzgebiet. Erreichbar ist es nur zu Fuss oder mit dem Schiff.
Mehr Gesprächsstoff
Regelmässig lädt die Redaktion der htr hotelrevue branchennahe Experten zu Tischgesprächen ein, um über akute und zeitlose Themen aus der Hotellerie zu diskutieren – von Wellness bis Wein. Über diesen QR-Code gelangen Sie zu den vergangenen Gesprächsrunden.
htr-Tischgespräch zum Thema «Generation Clean»
Hygienekonzepte schaffen Vertrauen – im Betrieb und bei Gästen
Hygiene, Sauberkeit und Reinlichkeit haben schon immer zu den Qualitätsmassstäben in der Beherbergungsbranche gehört. Vor der Corona-Pandemie wurde in Hotels Hygiene zwar ernst genommen und praktiziert, darüber gesprochen hat aber kaum jemand. Schon gar nicht vor den Gästen. Im postpandemischen Zeitalter gewinnen Hygienemassnahmen aber zunehmend an Bedeutung. Die Mitarbeitenden und die Gäste wollen sich im Hotel, ob als Arbeitsplatz oder Urlaubsort, geschützt und sicher fühlen.
Ein Hygienekonzept bestehend aus Plexiglasscheiben an der Réception oder prominent platzierten Dispensern mit Desinfektionsmittel wie bisher ist nicht mehr zeitgemäss. Gültige Hauswirtschaftspraktiken müssen überdacht werden. Fast drei Jahre nach Beginn der Pandemie gehört die transparente Diskussion um das Hygienemanagement zum guten Ton. Sauberkeit zeugt von Verantwortungsbewusstsein und Professionalität, weckt Vertrauen und darf durchaus auch zu verkaufstechnischen Zwecken bei den Gästen angepriesen werden.[DOSSIER]
Branchenübergreifendes Verantwortungsbewusstsein
Wie sehen die neuen Hygienestandards für die Hotellerie aus? Welche Lehren wurden aus der Vergangenheit gezogen? Wo besteht Nachholbedarf, und was sind die Gästeerwartungen? David Romanato, General Manager der Hauenstein Hotels, Roger Nessensohn, Leiter Verkauf und Marketing bei Steinfels Swiss, und Fabrizio Vagli, Geschäftsführer bei der Alice Cleantech AG, sind sich sicher, dass Hygienefragen das Leben und Arbeiten im Hotel weiterhin massgeblich beeinflussen werden und zur neuen Normalität gehören.
Am Tischgespräch der htr hotelrevue diskutierten der Hotelier, der Hygienefachmann und der Lüftungsexperte über die Aufgaben, die es für den branchenübergreifenden Erfolg zu bewältigen gilt, und definierten gemeinsame Lösungsansätze für die neue «Generation Clean».
Wissen, Einsatz und Verantwortung sichtbar machen
Die drei Gesprächspartner wurden sich schnell einig, dass es künftig absolut notwendig ist, auf gegenseitige Aufklärung und Wissenstransfer zu setzen.Hygieneexperten stünden in der Pflicht, ihr Know-how an ihre Kundinnen und Kunden aus der Hotellerie weiterzugeben. Damit solle sichergestellt werden, dass sich die schmerzhaften Erfahrungen und das Gefühl der Überforderung aus der Corona-Pandemie nicht wiederholten.
In einem weiteren Schritt müssten Hotelièren und Hoteliers als verantwortungsvolle Arbeitgeber den Wissenstransfer an ihre Mitarbeitenden gewährleisten. Wem es zudem gelinge, Hygienemassnahmen auch für die Gäste während der gesamten Customer Journey transparent zu machen, gehöre zu den Gewinnern, so der Konsens.
Inwiefern haben sich Hygieneansprüche an die Branche verändert?
David Romanato: Die Hygieneansprüche der Gäste an das Gastgewerbe und die daraus resultierenden Bedürfnisse sind so vielfältig wie die Gäste selbst. Für die einen ist die Pandemie Geschichte, für die anderen ist sie immer noch sehr präsent. Eine nicht zu volle Sauna oder genügend Abstand zum Nachbartisch im Restaurant gehören beispielsweise zu den neuen Branchennormen, die nicht mehr so schnell verschwinden und weiterhin geschätzt werden. Die Nachfrage nach Angeboten für kleine Gruppen ist definitiv gestiegen. Dies kann auch mit einem erhöhten Bedürfnis nach mehr Privatsphäre, wie wir das während der Pandemie erlebt haben, zu tun haben.
Fabrizio Vagli: Seit der Pandemie ist man sensibilisierter für die Themen Hygiene und Raumluftqualität. Mittlerweile weiss man, dass Räume mit einem konstanten und wechselnden Besucherstrom wie ein Sitzungszimmer, eine Hotelréception oder auch der ÖV Lufthygiene-Hotspots werden können. Bis vor zwei, drei Jahren wurde die Raumluftqualität noch als nebensächlich betrachtet. Heute ist sie ein wichtiges Auswahlkriterium für Gäste und Kunden, auch in der Hotellerie.
David Romanato: Wir bemerken in unseren Betrieben durchaus einen Unterschied zwischen den Hygieneansprüchen einheimischer und internationaler Gäste. Dies kann auch mit dem hohen Hygienestandard, den wir hierzulande geniessen, erklärt werden. Trotz dem hohen Standard, den wir uns in der Schweiz gewohnt sind, legen auch Schweizer Gäste seit der Corona-Pandemie noch mehr Wert auf Hygiene und Reinlichkeit. Diesem Anspruch gilt es seitens der Beherbergungsbranche gerecht zu werden.
Roger Nessensohn: Seit der Corona-Pandemie sind gesamtbetrieblich definierte und transparente Reinigungskonzepte und -pläne in den Vordergrund gerückt. Das war aber nicht immer so. Wir erhielten bei Steinfels Swiss gerade zu Beginn der Pandemie viele Anfragen aus der Branche, wie Räume und Gerätschaften professionell gereinigt werden müssten. Erstaunt hat uns auch das anscheinend vorhandene Bedürfnis nach Reinigungsanleitungen, wie sie auf den Portalen der Branchenverbände aufgeschaltet worden sind. Das zeigte uns, dass sich viele Betriebe bislang nicht eingehend und vor allem gesamthaft mit dem Thema Hygiene auseinandergesetzt haben. Vielmehr sah man die einzelnen Betriebsabteilungen wie beispielsweise die Küche oder die Etage in der Verantwortung. Neu ist das gesamtheitliche Hygienebewusstsein langfristig in den Betrieben verankert.
David Romanato: Vor Corona fanden die Reinigungsarbeiten jeweils im Hintergrund statt. Es durfte gegenüber den Gästen auf keinen Fall den Anschein machen, als ob etwas schmutzig wäre. Heute wird eine Hotellobby oder ein Aufzug auch mal oder gerade in Anwesenheit der Gäste geputzt und desinfiziert. Den Gästen werden seit der Pandemie bewusst Hygiene und Reinlichkeit und das entsprechende Verantwortungsbewusstsein der Gastgeber vermittelt.
Fabrizio Vagli: Dieses Hygiene- und Verantwortungsbewusstsein wird auch vermehrt kommuniziert. Die Hygienetransparenz gegenüber den Gästen, aber auch den Mitarbeitenden gehört seit der Pandemie zu den neuen Bewertungsmassstäben. Nicht nur für die Hotellerie, sondern branchenübergreifend. Diese Transparenz wird meiner Meinung nach sogar zu einem neuen Key Performance Indicator. Wer in Zukunft im Standortwettbewerb mithalten will, muss bereit und fähig sein, dem Kunden offen und vor allem verständlich Hygienemassnahmen, vielleicht sogar detaillierte Messdaten mit einzelnen Werten zu kommunizieren.
Aufklärug und Vermittlung bei Mitarbeitenden und Gästen nötig
Roger Nessensohn: Die Thematik rund um Hygiene und Gesundheit wird uns weiterhin beschäftigen. Zwar ist das gesamtheitliche Hygienebewusstsein mittlerweile in den Betrieben verankert, doch endet der Lernprozess damit nicht. Ein Szenario der Panik und Überforderung, wie wir es in den letzten Jahren erlebt haben, kann nur durch eine gezielte Aufklärung und den Wissenstransfer von Experten an Arbeitgebende, Arbeitnehmende und Gäste verhindert werden.
David Romanato: Diesbezüglich wird nur zielführend sein, wenn der Hotelière oder dem Hotelier das nötige Know-how durch verlässliche Partner zugespielt wird.
Fabrizio Vagli: Damit es aber überhaupt dazu kommen kann, sind sie auf die Lernbereitschaft der Kunden angewiesen. Des Weiteren gelingt eine nachhaltige Wissensvermittlung nur dann, wenn sie in einer allgemein verständlichen Sprache und ohne viel Fachjargon passiert. Der Vorteil des Raumluftqualitätsexperten ist, dass er die Materie versteht und in der Lage ist, die Problematik herunterzubrechen und langfristige Lösungsansätze im besten Fall allgemeinverständlich wiederzugeben.
Dem Gast werden seit der Corona-Pandemie bewusst Hygiene und Reinlichkeit und das entsprechende Verantwortungsbewusstsein der Gastgeber vermittelt.
David Romanato, General Manager Hauenstein Hotels
Roger Nessensohn: Uns erreichen immer wieder Anfragen aus dem Gastgewerbe betreffend rasch wirkende Hygienemassnahmen. Gesucht werden Mittel oder Gerätschaften, mit welchen sich innert kürzester Zeit gleich ganze Räume desinfizieren lassen. Gleichzeitig war unser Kundendienst während der Pandemie vermehrt mit Fragen betreffend Verträglichkeit eines Produktes und Gebrauchsnebenerscheinungen beschäftigt. Das muss nicht sein. Es bestehen nach wie vor zu grosse Wissenslücken, was den nachhaltigen Umgang mit Reinigungsmitteln und Hygienemassnahmen angeht.
Expertentransparenz bildet die Grundlage für eine gute Partnerschaft.
Fabrizio Vagli, Geschäftsführer Alice Cleantech AG
David Romanato: Die Aufklärung und die Wissensvermittlung sind für mich ein Zusammenspiel aller involvierten Parteien. Als Hotelière oder Hotelier ist man auf Inputs verschiedenster Experten angewiesen, die für den jeweiligen Betrieb Lösungen anbieten und bei der Erarbeitung und Definition entsprechender Konzepte mithelfen. Als Arbeitgeber wiederum ist man in der Pflicht, mittels interner Schulungen das erlangte Wissen an die Mitarbeitenden weiterzugeben. Nur dank diesem Zusammenspiel können die Bedürfnisse der Branche und Massnahmenpakete auch erfolgreich an die Gäste getragen werden.
Roger Nessensohn: Als Experten sind wir gefordert, Hand zu bieten und stets zu erkennen, womit wir unsere Kunden entlasten können. Schliesslich sind Hygienetrends unser Kerngeschäft und nicht dasjenige der Hotellerie. Als Hersteller und Vermarkter ist die Wissensvermittlung auch in unserem eigenen Interesse. Chemie ist generell negativ behaftet. Umso mehr müssen wir auf die nachhaltige Produktentwicklung achten. Dazu gehört auch die Ausbildung der Mitarbeitenden im Gastgewerbe, damit sie sich, genau wie die Gäste, im Betrieb sicher fühlen. Die Notwendigkeit hierfür wurde bereits vielerorts erkannt und entsprechende Massnahmen laufend umgesetzt und optimiert.
Fabrizio Vagli: Meiner Meinung nach haben zahlreiche Anbieter die Unsicherheiten ihrer Kunden während der Pandemie ausgenutzt und Massnahmen verkauft, deren Schutzwirkung kaum bis gar nicht nachgewiesen war. Kunden sollten immer auf eine beratende Erstanalyse durch den Experten bestehen. Auch sollten sie darauf zählen können, dass ihnen sämtliche Lösungsansätze aufgezeigt werden. Im Sinne des Kunden sollte es sich dabei um Massnahmen handeln, die nicht in erster Linie einer grossen Investition bedürfen, sondern einen hohen Effekt haben. Expertentransparenz bildet die Grundlage einer guten Partnerschaft. Bereits mit kleinen Schritten können sehr wirksame Optimierungen erreicht werden.
Sauberkeit als gewinnbringendes Markenzeichen?
David Romanato: Das Marketingpotenzial von Hygienemassnahmen in der Hotellerie schätze ich zurzeit für den Schweizer Gast als gering ein. Dies aus dem einfachen Grund, dass Hygiene und Sauberkeit in unserem Land vorausgesetzt werden und zum allgemeingültigen Standard gehören. Allerdings kann sich das je nach Entwicklung des Infektionsgeschehens auch rasch wieder ändern.
Roger Nessensohn: Die Schweiz gilt auf der ganzen Welt als sauberes Land. Dieser hohe Hygienestandard wird wahrgenommen und geschätzt, sowohl im In- wie im Ausland. Warum sollte dies vom Tourismus und von der Beherbergungsbranche nicht vermehrt beim Kunden angepriesen und vermarktet werden?
Fabrizio Vagli: Die Aussenluft in der Schweiz hat über das ganze Jahr betrachtet eine gute bis sehr gute Qualität. Tage oder sogar Wochen mit stark belasteter Aussenluft, wie es öfter in grossen Metropolen im Ausland vorkommen kann, sind bei uns zum Glück ein sehr seltener Zustand. Die beste Massnahme zur Verbesserung der Raumluftqualität ist hierzulande deshalb in den meisten Fällen das Einbringen von Aussenluft. Dies kann kontrolliert über eine dezentrale oder zentrale Lüftungsanlage oder ganz einfach durch regelmässiges Lüften über die Fenster passieren.
Roger Nessensohn: Es wäre durchaus sinnvoll, auch solche einfachen Massnahmen dem Gast transparent zu vermitteln.
David Romanato: Mit Blick auf Hotelbetriebe im Ausland kann festgestellt werden, dass Hygienemassnahmen durchaus als Marketingtool genutzt werden. Massnahmen übrigens, die wir hierzulande als normal und nicht besonders nennenswert betrachten. Für die internationalen Gäste scheint das Bedürfnis nach mehr Information also zu bestehen. Auf jeden Fall würde es nicht schaden, wenn das Hygienemanagement für die Gäste ersichtlich wäre und auch kommuniziert würde. Dabei ist eine gewisse Sensibilität in unserer Branche aber nach wie vor nötig.
Unsere Klientel verlangt vermehrt nachhaltige Lösungen. Hygiene um jeden Preis geht nicht mehr.
Roger Nessensohn, Leiter Marketing und Verkauf Steinfels Swiss
Roger Nessensohn: Ähnlich wie die mittlerweile gängigen Checklisten auf den Toiletten, die zeigen, wer wann gereinigt hat. Eine offene Kommunikation dient dazu, branchenübergreifend das Vertrauen der Gäste zu gewinnen und zu festigen.
Fabrizio Vagli: Dies kann zum Beispiel mittels Luftqualitätsfühler in den Hotelzimmern passieren oder auch zentral über einen Monitor oder ein Tablet, auf welchem die aktuellen Raumluftwerte angezeigt werden.
Roger Nessensohn: Unsere Klientel verlangt vermehrt auch nachhaltige Lösungen. In allen Branchen. Hygiene um jeden Preis geht nicht mehr. Die Schweizer Industrie ist sehr nachhaltigkeitsaffin und diesbezüglich sehr innovativ unterwegs. Dies darf gegenüber den Kunden vermehrt in den Vordergrund gerückt werden.
Was gehört zum neuen Hygienestandard?
Fabrizio Vagli: Transparenz in Bezug auf Hygiene ist künftig ein absolutes Muss und wird auch in der Hotellerie zum neuen Standard. Der Informationsfluss muss von den Hygieneexperten über die Gastgeber bis zu den Mitarbeitenden auf allen Stufen gewährleistet sein. Niemand mehr kann heute einfach sagen, dass bei ihm hygienetechnisch alles in Ordnung ist, ohne dies auch nachweisen zu können.
David Romanato: Die Hygienestandards in der Hotellerie müssen weiterhin sehr hochgehalten werden, wie dies auch schon vor der Pandemie der Fall war. Transparenz in Form einer sauberen und korrekten Kommunikation ist für die Zufriedenheit der Gäste und der Mitarbeitenden unabdingbar. Danach muss jeder Betrieb für sich individuell entscheiden, wo er noch eine Schippe zulegen muss oder will. Dazu gehört sicher auch die Prüfung eines Labels oder einer Zertifizierung, sofern dies vom Gästesegment gewünscht wird. Ein weiteres Plus im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie wäre eine grosszügigere Raumaufteilung oder tiefere Belegungsgrenze, sofern dies für den Betrieb wirtschaftlich machbar ist.
Roger Nessensohn: Hygieneschulungen des Personals müssen in Zukunft vermehrt in den Mittelpunkt gestellt werden. Es müssen viele Sprachen und unterschiedliche Wissensstandards beachtet werden. Neue Technologien können dabei helfen und Arbeitsprozesse und Hygienetransparenz massgeblich erleichtern. Lohnenswert wäre sicher, ein spezielles Augenmerk auf die Innenausstattung im Betrieb zu lenken. Gerade die Verwendung von «einfach» zu reinigenden Materialien fällt in der Hotellerie oft der architektonischen und designmässigen Gestaltung von Räumen zum Opfer. Je nach Materialauswahl erhöht sich der zeitliche Aufwand für das Reinigungspersonal stark. Auch können durch eine durchdachte Materialwahl oft Schäden vermieden werden.
Die Gesprächsteilnehmer
David Romanato
[IMG 2]Der 37-Jährige ist seit Juni 2021 General Manager der Hauenstein Hotels mit Sitz in Gunten BE. Dazu gehören drei Hotels im 3- bis 4-Sterne-Superior-Bereich und sieben Restaurants am Thunersee, die Teil der Hauenstein-Gruppe sind. Romanato war von 2014 bis 2018 und von 2020 bis 2021 Co-Direktor im Belvédère Strandhotel in Spiez BE und von 2018 bis 2020 Direktor im Ermitage Wellnesshotel & Spa in Gstaad BE.
Fabrizio Vagli
[IMG 3]Seit 2022 ist der Heizungs-, Lüftungs- und Klimaexperte Geschäftsführer der Alice Cleantech AG mit Sitz in Menziken AG. Das innovative Gebäudetechnikunternehmen setzt auf Beratung und Optimierung der Raumluftqualität und nachhaltige Gebäudetechniklösungen. Vagli hat sich während seiner beruflichen Laufbahn eingehend mit Luftfiltrationsanlagen und Raumluftqualität im In- und Ausland auseinandergesetzt.
Roger Nessenshon
[IMG 4]Seit 2017 ist der Ostschweizer als Leiter Verkauf und Marketing bei Steinfels Swiss in Winterthur ZH tätig. Steinfels Swiss bedient nebst Spitälern, Heimen und Industrie auch die Schweizer Beherbergungsbranche mit professionellen Reinigungsprodukten und Hygienelösungen. Das Traditionsunternehmen wurde 1832 in Zürich gegründet und ist heute eine Division der Coop Genossenschaft.
htr-Tischgespräch zum Thema Sport
Hotels und Destinationen können vom Sportboom profitieren
«Der Schweizer Sportmarkt 2021 mit Rekord-Wachstum», titelte das Marktforschungsinstitut GFK diesen Frühling eine Mitteilung. Um 14 Prozent sei der Sportmarkt letztes Jahr gewachsen. Gerade der Outdoorbereich ist seit längerem im Hoch. Zum Beispiel das Wandern: Zwischen 2013 und 2019 hat der Anteil der Wanderer und Wanderinnen in der Schweiz laut Schweizer Wanderwege um 12,6 Prozentpunkte zugenommen. Insgesamt wandern rund 4 Millionen Schweizerinnen und Schweizer regelmässig.
Am Gespräch teilgenommen haben
(in alphabetischer Reihenfolge)
Im Alter von 17 Jahren gründete Thomas Binggeli die Thömus AG unter dem Namen «Velo Service Oberried». 1998 folgte mit der Eigenmarke Thömus der Schritt vom Händler zum Fahrradentwickler. 2009 brachte Binggeli das E-Bike Stromer auf den Markt. Der von Binggeli initiierte Swiss Bike Park in Oberried BE wurde 2019 eröffnet.
Sibylle Böhler ist Direktorin im Hotel Gasthof zum Ochsen in Arlesheim. Ihre Stellvertreterin im Bike-Hotel ist Regula Hügli. Zum über 300-jährigen Familienbetrieb von Barbara und Christoph Jenzer gehört auch eine eigene Metzgerei. Er ist damit einer der letzten drei Gasthof Ochsen der Schweiz mit hauseigener Metzgerei.
Seit Februar leitet Aldo Samueli das zur Hotelgruppe Arenas The Resorts gehörende Hotel Victoria-Lauberhorn in Wengen. Davor war der ehemalige Volleyball-Profi Operations Manager im Hotel Ambassador in Zermatt VS. Lange Zeit war er zudem in verschiedenen internationalen Positionen für den Hotelkonzern Accor tätig.
Christian Wyss ist Geschäftsleiter, Verwaltungsrat und Mitinhaber der Mauchle Pool AG, die seit über 25 Jahren Edelstahlbecken für Hotels, Gemeinden und Privatpersonen baut. Die Produkte des Unternehmens aus Sursee sind Einzelanfertigungen, die nach den individuellen Kundenwünschen in den Werkhallen im Kanton Luzern entstehen.
Auch der Radsport erfreut sich grosser Beliebtheit. Wie gross diese ist, weiss Thomas Binggeli, der mit seiner Marke Thömus zu den wichtigsten Velounternehmern der Schweiz gehört. «Normalerweise verkauft die Branche 300 000 Velos pro Jahr, während Corona waren es jährlich 500 000. Dieser Nachfrage gerecht zu werden, war für uns eine riesige Herausforderung.»
Für Schweizer Sporthotels sind das alles gute Nachrichten – beispielsweise für das Bike-Hotel Gasthof zum Ochsen in Arlesheim BL. «Während der Pandemie war die Nachfrage bei uns enorm gross», freute sich Direktorin Sibylle Böhler am htr-Tischgespräch zum Thema Sporttourismus. «Wir hatten auf einmal Anfragen von ganzen Bikegruppen statt nur von Pärchen wie früher.» Gleichzeitig hat das Hotel, das schon länger auf Velofahrer fokussiert, noch eine Schippe nachgelegt: «Wir haben zum Beispiel unsere Angestellten geschult, ihnen die neusten Trails gezeigt, damit sie kompetent Auskunft geben können. Uns war wichtig, den Gästen nicht nur eine Strecke empfehlen zu können, sondern mehrere, damit sie auch mehrere Tage bleiben.»
Der Velo-Hype dürfte nicht so bald verpuffen
Dass immer mehr Destinationen und Hotels die Radfahrer umgarnen, störte Böhler nicht: «Ich denke, der Boom ist so gross und andauernd, da gibt es Potenzial für alle.» Und: Wenn die Destinationen laufend neue Touren aufbauten, halte das wiederum den Boom am Leben.
Dem pflichtete Binggeli bei: Er rechne nicht damit, dass der Velo-Hype so bald verpuffe. Allerdings sei die Sache kein Selbstläufer, und die Branche bleibe gefordert, müsse etwa Innovationen liefern. Denn ohne Innovation, ohne Gründe, ein neues Bike zu kaufen, werde es nicht gehen. Binggeli nimmt aber auch den Tourismus in die Pflicht: Nur wenn alle an einem Strick zögen – Bike-Branche, Umweltverbände, Wanderwege, Hotellerie, Destinationen –, könne ein gutes Produkt entstehen.
«Wir stellen fest, dass alle Nationalitäten sportinteressiert sind. Allerdings gibt es Unterschiede bei den Sportarten.»
Aldo Samueli
General Manager im Arenas Resort Victoria-Lauberhorn in Wengen
Sport steht im Übrigen nicht nur bei Schweizerinnen und Schweizern hoch im Kurs, wie Aldo Samueli, General Manager im Arenas Resort Victoria-Lauberhorn in Wengen BE, zu berichten wusste: «Wir stellen fest, dass alle Nationalitäten sportinteressiert sind. Allerdings gibt es Unterschiede bei den Sportarten. Schweizer Gäste sind zum Beispiel vor allem an E-Bikes und Wanderungen interessiert. Engländer und Amerikaner dagegen sind lieber im Swimmingpool oder auf dem Velo.»
Interessenkonflikte zwischen sportlichen und unsportlichen Gästen gebe es nicht, sagten die Gesprächsteilnehmenden unisono. «Radlerhose neben Anzug, das funktioniert bei uns sehr gut. Wenn ein Biker richtig verdreckt ins Hotel kommt, entstehen oft die besten Unterhaltungen», sagte Sibylle Böhler.
Welche Rolle spielen Kooperationen im Sporttourismus?
Kooperationen sind im Sporttourismus zentral, darin waren sich alle einig – ebenso darüber, dass in Sachen Zusammenarbeit noch viele Fortschritte möglich sind und grosses Potenzial brachliegt.
Grob unterteilt wurde am htr-Tischgespräch über drei Arten der Kooperation gesprochen. Erstens: In einer Destination arbeiten Geschäfte, Hotels und andere Anbieter zusammen, um Sportler anzusprechen. So geschieht es etwa in Arlesheim, wo der Gasthof zum Ochsen mit der Velowerkstatt im Ort kooperiert und Baselland Tourismus verschiedene Biketouren zusammengestellt hat.
Auch der Swiss Bike Park in Oberried pflegt diese Art der Zusammenarbeit: Die von einer Stiftung betriebene Anlage vor den Toren Berns werde etwa von verschiedenen Partner-Bikeschulen genutzt, sagte der Initiator Binggeli. Sogar die Skischule von Arosa habe dort ihre Skilehrer zu Bike Guides ausbilden lassen. Als Übernachtungspartner arbeite man mit Bike-Hotels in der Region Bern zusammen. «Für ein touristisches Resort wie den Bike Park sind Kooperationen zentral», meinte Binggeli.
«Wenn beispielsweise ein Hotel eine tolle Badelandschaft und das andere einen professionellen Fitnessbereich hat, wäre das kombinierte Angebot viel attraktiver für die Gäste beider Häuser, als wenn jedes Hotel ein bisschen Baden und ein bisschen Fitness bietet.»
Christian Wyss
Geschäftsleiter, Verwaltungsrat und Mitinhaber der Mauchle Pool AG
Zweitens: Anbieter mit unterschiedlichen Spezialitäten ergänzen sich. Hoteldirektor Samueli erklärte: «An meinem alten Arbeitsort hatten wir ein Golfhotel in der Nähe; wir dagegen verfügten über einen Fitnessraum. Also haben wir unseren Gästen gegenseitig diese Sportaktivitäten ermöglicht: Unsere Gäste konnten beim anderen Hotel Golf spielen und dessen Gäste bei uns in den Fitnessraum.»
Dieses Modell wäre auch in anderen Bereichen denkbar, fand Christian Wyss, Geschäftsleiter und Mitinhaber des Pool-Bauers Mauchle: «Wenn beispielsweise ein Hotel eine tolle Badelandschaft und das andere einen professionellen Fitnessbereich hat, wäre das kombinierte Angebot viel attraktiver für die Gäste beider Häuser, als wenn jedes Hotel ein bisschen Baden und ein bisschen Fitness bietet.» Er würde solche Kooperationen eigentlich sehr begrüssen, sagte Wyss. Seine Erfahrung zeige aber, dass im Schwimmbadbereich jedes Hotel lieber für sich schaue. Wenn Mauchle einen Hotelpool plane, heisse es oft sogar: «Aber sagt ja niemandem, was wir hier bauen werden.»
Bei der Zusammenarbeit sind Hoteliers noch ein bisschen Eigenbrötler
Bei der dritten Form der Zusammenarbeit bilden Anbieter aus der gleichen Branche, aber aus verschiedenen Destinationen ein Netzwerk. Ein mögliches Beispiel: Wäre es nicht attraktiv für den «Ochsen», wenn er gemeinsam mit anderen Bike-Hotels Velotouren anbieten könnte, bei denen die Gäste einmal hier, einmal da übernachten? «Doch, das wäre letztlich ein Gewinn für alle Beteiligten», fand Sibylle Böhler. «Das Baselbiet ist schon lange eine Bikeregion. Für die nächsten Jahre müssen wir Bike-Hotels uns besser vernetzen, etwa mit Gepäcktransport und Mehrtagestouren. Da können wir noch viel gemeinsam entwickeln.»
Binggeli pflichtete ihr bei: «Unbedingt! Auch verschiedene Routen anbieten. Technisch gibt es dafür heute viele Möglichkeiten, Plattformen wie Komoot und Strava, auf denen sich die Leute eh schon bewegen.» Auch Samueli sprach über die Vorzüge solcher Kollaborationen: «Eine solche Zusammenarbeit haben wir noch nicht. Aber es wäre durchaus sinnvoll, wenn wir zum Beispiel einem Gast, der von Wengen mit dem Bike nach Meiringen fahren möchte, am Zielort ein Partnerhotel empfehlen könnten.» Er werde das angehen, sobald die Renovationsarbeiten am Hotel abgeschlossen seien.
Auch Binggeli möchte in dieser Richtung noch weitergehen: «Unser Ziel ist es, dass die Gäste in den Bike Park kommen, vier, fünf Stunden die Technik erlernen, und dann geht es mit dem E-Bike zum Beispiel nach Gstaad, nach Wengen oder nach Arlesheim, egal wohin. In einem Tag kommt man mit dem Fahrrad so weit, das ist ja das Geniale.»
Was braucht es neben dem eigentlichen Sporterlebnis?
Dass Gäste eines Wanderhotels in der Nähe Wanderwege und Gäste eines Golfhotels einen Golfplatz erwarten, liegt auf der Hand. Auch dass ein Bike-Hotel über einen Veloraum verfügen sollte, überrascht nicht. Doch wie wichtig ist das Drumherum neben dem eigentlichen Sporterlebnis? «Das Drumherum ist enorm wichtig», hielt Binggeli fest. «Mit Hotelier Hans C. Leu haben wir vor 28 Jahren schon die Gourmet-Biketouren gemacht. Dort haben wir gelernt: Wenn man am Abend ankommt, muss man unbedingt etwas trinken – ein kühles Bier, ein Glas Wein oder auch etwas ohne Alkohol, um sich zu verwöhnen. Dazu ein kleines Plättli, noch in den verschwitzten Kleidern. Unterwegs isst du Riegel und trinkst Isostar. Daran magst du nach der Ankunft nicht mehr denken.» Solche «Magic Moments», wie Binggeli sie nennt, kosteten das Hotel nicht viel, seien für den Gast nach sechs Stunden im Sattel aber Genuss pur.
Binggeli empfahl den Hoteliers, besser auf Genusssportler zu setzen statt auf Leistungssportler. Ein Hotel, das voll auf Training und Leistungssteigerung setzen wolle, sei eine ganz eigene Kategorie. «Da braucht es Massagen, Ernährungspläne, Physio. Ein klassisches Bike-Hotel kann das nicht bieten.» Letztlich seien die Genusssportler auch deshalb attraktive Hotelgäste, weil sie eine hohe Kaufkraft besässen: «Die Fahrräder, die wir verkaufen, kosten im Durchschnitt 7000 Franken. Wer das ausgibt, hat Geld, um sich am Abend ein gutes Essen und eine gute Flasche Wein zu leisten. Wenn man ein paar Stunden auf dem Fahrrad war, gönnt man sich danach gerne etwas», ist Binggeli überzeugt.
«Sport, Wellness und gutes Essen sind bei uns ein Paket»
Im Bike-Hotel Ochsen hat man genau diese Genussmenschen im Fokus: «Wer bei uns das Bike-Package gebucht hat und nach einer Tour ins Hotel zurückkommt, dem servieren wir ein Weizenbier und ein Plättli von der Metzgerei nebenan», sagte Böhler – und erntete ein anerkennendes Nicken von Binggeli. Am Abend wollten die meisten Gäste dann ein feines Stück Fleisch mit Beilagen und ein gutes Glas Wein.
«Sport, Wellness und gutes Essen sind bei uns ein Paket.»
Aldo Samueli
General Manager Arenas The Resorts Victoria-Lauberhorn Wengen
Mauchle-Chef Wyss rät den Sporthotels eher davon ab, Schwimmbecken zu bauen, die den Ansprüchen von Leistungsschwimmern genügen. «Ob es sich für ein Hotel lohnt, eine entsprechende Anlage einzubauen, wage ich zu bezweifeln. Hotels gehen lieber eine Kooperation mit einem Hallenbad in der Nähe ein, wo die Hotelgäste trainieren können.»
Wenn er Hotelier wäre, sagte Wyss, würde er stattdessen auf Wellness setzen, weil dort die Nachfrage einfach viel grösser sei. Und, wenn es die Platzverhältnisse zuliessen, einen Bereich im Pool abtrennen, damit Gesundheitsschwimmer dort ihre 200 Meter Brustschwimmen absolvieren könnten, ohne ständig auf eine Sprudeldüse oder einen Nackenschwall zu treffen.
Zudem machte der in Wengen tätige Samueli darauf aufmerksam, wie wichtig es besonders bei schlechtem Wetter sei, dass man den Gästen neben dem Sport etwas bieten könne. Bei ihm seien dann unter anderem der Poolbereich und Massagen gefragt. «Sport, Wellness und gutes Essen sind bei uns ein Paket.»
Was bringt die Spezialisierung zum Sporthotel?
Zusätzlich zu den Sternen können sich Hotels in mehreren Kategorien um Spezialisierungen bemühen. Im Sport-Bereich sind die Spezialisierungen Bike-Hotel, Golfhotel, Schneesporthotel und Wanderhotel möglich. Derzeit gibt es in der Schweiz gut 400 Wanderhotels, je rund 300 Bike- und Schneesporthotels sowie über 60 Golfhotels, wie eine Auswertung von HotellerieSuisse zeigt.
«Für uns ist die Spezialisierung als Bike-Hotel, die wir seit einigen Jahren haben, sehr wichtig», sagte Regula Hügli, stellvertretende Geschäftsführerin im Hotel Gasthof zum Ochsen – «vor allem, um überhaupt gefunden zu werden.» Während Corona hätten viele Schweizerinnen und Schweizer zum Beispiel über die Website von Schweiz Tourismus gezielt nach Bike-Hotels gesucht. Dort müsse man präsent sein, wenn man gefunden werden wolle. Sie sei sich sicher, sagte Hügli, dass das Hotel dank der Spezialisierung zahlreiche Gäste habe gewinnen können, die das Baselbiet davor als Bike-Region nicht gekannt hätten.
Die Spezialisierung ist eine Voraussetzung, damit Schweiz Tourismus ein Hotel in die entsprechende Kampagne aufnimmt. Denn für den Vermarkter hat das Label von HotellerieSuisse den Vorteil, dass er nicht jedes Hotel prüfen muss. Allerdings muss dazu auch gesagt werden, dass nicht alle Kategorien gleich aktiv vermarktet werden. Am meisten läuft diesbezüglich derzeit im Bike-Bereich.
«Die Anforderungen an die Infrastruktur sind nicht riesig»
Aber decken die bei einer Spezialisierung geprüften Kriterien überhaupt ab, was Sportler von einem Hotel erwarten? Einer, der genau weiss, was Velofahrer von einem Bike-Hotel erwarten, ist Vollblutbiker Binggeli. «Die Anforderungen an die Infrastruktur sind nicht riesig: Es braucht einen sicheren Veloraum und eine kleine Werkstatt. Aber Biker suchen kein Hotel, das ihnen eine voll ausgerüstete Werkstatt bietet oder einen tollen Waschplatz», meinte der Unternehmer. Viel wichtiger sei ihnen, dass sie verstanden würden – «und ein Infopoint, der über die lokale Szene informiert».
Im Idealfall seien die Leute an der Réception selber Biker, die Auskunft geben und Problemchen lösen könnten, sagte Binggeli und ergänzte: «Natürlich freuen sich die Gäste auch über eine kleine Aufmerksamkeit wie eine Sitzcreme anstelle einer Bodylotion im Hotelzimmer. Optimal ist auch, wenn das Hotel einen kleinen Shop hat, in dem es zum Beispiel Schläuche zu kaufen gibt.»
«Ein Hotel allein macht noch keine Bike-Destination.»
Thomas Binggeli
CEO und Inhaber des Bike-Unternehmens Thömus
Am Ende mache ein Hotel allein aber noch keine Bike-Destination. Es brauche zusätzlich zur Unterkunft ein ganzes Ökosystem rundherum. «Es braucht Routen, es braucht Restaurants, die mitziehen, es braucht Fachgeschäfte, es braucht Guides.» Wenn dieses Ökosystem in einer Destination entstehe, dann ergebe eins plus eins auf einmal drei.
Roundtable
Coworking eröffnet der Hotellerie neue Perspektiven
Die Pandemie hat die Digitalisierung der Arbeitswelt beschleunigt und sie flexibler und mobiler gemacht. Coworking-Spaces sind inzwischen weit verbreitet und sprechen einen breitgefächerten Kundenkreis an. Diese kontaktfreudigen, mobilen Erwerbstätigen suchen die inspirierende Atmosphäre, die Ambiance und den Komfort, die sie im Büro und zu Hause nicht finden. Bei diesem neuen Trend kann die Hotellerie eine Rolle übernehmen. Vor allem Stadt- und Businesshotels sind auf der Suche nach neuen Absatzmärkten.
Die mehrmals jährlich organisierten Roundtables der htr hotelrevue haben zum Ziel, Fachleute aus verschiedenen Bereichen zusammenbringen, um ein Thema auszuleuchten. Dieses Mal haben wir den Ingenieur und Architekten Andrea Fanzun, den Informatiker Martin Pally und die beiden selbständigen Hoteliers Christoph Zen Ruffinen und Daniel Leuenberger zu einer Diskussion über Coworking in der Hotellerie eingeladen.
Die auch unter dem Begriff «Workspitality» bekannten Coworking-Spaces bieten der Hotelbranche ein interessantes Potenzial. Ein Beispiel ist die Accor-Gruppe, die 2019 die Wojo-Räume eingeführt hat. Ihr CEO Stéphane Bensimon will «weltweit ein Netzwerk von Orten entwickeln, die einzigartige Arbeitserfahrungen ermöglichen, mit Dienstleistungen bereichert und für Vergnügen, Leistung und die Vernetzung von Talenten gedacht sind.» Die Hotellerie erfährt damit eine Erweiterung ihrer Mission und ihrer Chancen, zu diversifizieren und eine neue Kundschaft anzusprechen.
Zwar hat die Kettenhotellerie den Weg für grosszügige und attraktive Gemeinschaftsräume geebnet, doch Coworking auch für andere eine Option. Viele unabhängige Hotels interessieren sich ebenfalls dafür. Wie die Erfahrung unserer Referenten zeigt, gibt es viele Möglichkeiten, diese Räume zu gestalten. Und auch der Return on Investment ist vielfältig.
Die Teilnehmer
[IMG 2] Andrea Fanzun
CEO des Architekturbüros Fanzun AG und gelernter Ingenieur. Andrea Fanzun leitet zusammen mit seinem Bruder Gian und seinen Partnern Urs Simeon und René Meier das von Vater Fanzun gegründete Unternehmen. Die Fanzun AG begleitet Architekturprojekte von A bis Z und beschäftigt rund 100 Mitarbeiter. Ihre Kunden sind zu einem Drittel Hoteliers.
fanzun.swiss
Christoph Zen Ruffinen [IMG 3]
Berater der Geschäftsleitung des Everness Hotel & Resort in Chavannes-de-Bogis an der Côte. Christoph Zen Ruffinen leitete das 4-Sterne-Hotel mit 170 Zimmern bis Ende 2021 und entwickelte dort beim Innenumbau des Hotels 2017-2018 in der Lobby auf einer Fläche von 300 m2 einen Coworking-Space. Dessen Nutzen hat sich besonders während der Covid-Pandemie gezeigt.
everness.ch
[IMG 4] Martin Pally
Martin Pally, Gründungsdirektor der pally online gmbh, bietet digitale Dienstleistungen und Lösungen für kleine und mittlere Unternehmen und vor allem für Hotels und Restaurants an. Der Fachmann insbesondere für Website-Management und E-Commerce ist Initiator des Projekts GaschtInfo für Bündner Hoteliers und Landwirte und der Website:
homeoffice-im-hotel.ch
pally.ch
Daniel Leuenberger [IMG 5]
Direktor und Eigentümer des Hôtel des Vignes (4 Sterne, 39 Zimmer) in Uvrier, 5 km von Sion. Daniel Leuenberger und seine Frau Alexandra haben die Covidpandemie für die Einrichtung eines Coworking-Spaces genutzt, der im Oktober 2020 eröffnet wurde. Der aus einer Zusammenarbeit mit der Coworking-Firma PuraWorka entstandene, 200 m2 grosse Raum wird von Geschäftsleuten, Start-ups und Studenten genutzt.
hoteldesvignes.ch
Diversifizierung der Kundschaft in einer sich verändernden Arbeitswelt
Christoph Zen Ruffinen: Wir fragten uns, wie wir eine neue Kundschaft ansprechen könnten, und insbesondere die mobileren Generationen Y und Z. Unser Hotel hat über 170 Zimmer und 12 Seminarräume, und es liegt auf dem Land. Vor der Pandemie war es mit 85 % der Gäste sehr businessorientiert. Unsere Idee war, die Gemeinschaftsräume zu erweitern, um eine einladende Ambiance und einen Raum zu schaffen, in dem sich der Gast aufhalten kann. Bis dahin standen ihm dafür ausser seinem Zimmer nur die Bar und das Restaurant zur Verfügung.
Daniel Leuenberger: Bei uns war die Lobby schon immer ein Ort für den Austausch und fürs Netzwerken. Man kam, um sich zu informieren, um zu arbeiten und zu diskutieren. Mit der Entscheidung, unser Gourmetrestaurant zu schliessen, wurde eine Fläche von 200 m2 frei. Marcel Maurer, damals Stadtpräsident von Sion, brachte uns auf die Idee, einen Raum für die Unternehmen zu schaffen. Dann trafen wir Neil Beecroft, den Gründer des Coworking-Unternehmens PuraWorka, das im Hotel Zermama in Zermatt bereits präsent war. Die Pandemie bot uns die Möglichkeit, das Projekt zu realisieren. Durch die Partnerschaft mit PuraWorka profitieren wir von einem bestehenden Netzwerk und einer Gemeinschaft, und vom Renommée in der Coworking-Welt. Das ist sehr interessant.
Christoph Zen Ruffinen: Heutzutage müssen wir unser Angebot unbedingt diversifizieren, um eine breite Kundschaft zu erreichen.
Martin Pally: Die Gäste wollen ihr Erlebnis optimieren, unabhängig davon, ob sie geschäftlich oder privat unterwegs sind. Der Begriff «Work-Life-Balance» ist überholt. Man kann beim Langlaufen über neue Ideen für die berufliche Arbeit nachdenken. Ich will inspiriert werden, egal wo ich arbeite. Gesellschaftliche Veränderungen wie Individualisierung und Personalisierung spielen bei diesen Überlegungen eine wichtige Rolle.
Daniel Leuenberger: Im Laufe der Pandemie ist den Menschen klar geworden, dass es nicht nötig ist, von Montag bis Freitag von 8-12 und 13.30-17.30 Uhr physisch in einem Büro zu arbeiten. Und dass man Arbeit und Ferien verbinden kann. Auch Unternehmen haben es erkannt: Vor der Pandemie behaupteten manche Unternehmen, für ihre Branche sei Coworking nicht geeignet, und heute sind sie Kunden bei uns.
Andrea Fanzun: Die Zeitfenster für Arbeit, Freizeit und Reisen verschmelzen immer mehr, also braucht es flexible Lösungen. Die Hotellerie hat den Vorteil, dass die ganze Infrastruktur schon vorhanden ist.
Christoph Zen Ruffinen: Der Hotellerie kommt eine wichtige Rolle zu, man entwickelt einen Lebensraum, man zeigt sich und wird gesehen. Dieses Coworking ist mit dem Wunsch verbunden, wieder zusammenzuleben.
Daniel Leuenberger: Ein Coworking-Space im Hotel bringt Leben in die Bude. In den Städten ist Coworking eher mit der Arbeit in Büros vergleichbar. Wenn man in ein Hotel kommt, gibt es dort schon Leben, eine Ambiance und Dienstleistungen. Coworking bietet die Möglichkeit, Kontakte und Synergien herzustellen, vor allem mit jungen Menschen. Unser Hotel hat sich in Richtung Arbeitswelt geöffnet. Wir haben eine gemischte Kundschaft von Studenten über Start-ups, Geschäftsleute, Piloten, bis zu Rentnern, die Ruhe suchen, um zu schmökern.
Martin Pally: Neben Arbeitsplätzen findet man im Hotel eine ganze Reihe von Dienstleistungen, die sonst niemand anbieten kann, z. B. eine Bar, ein Fitness, einen Pool. Es liegt am Hotel, seine attraktiven Seiten auszuspielen, ein Paket damit zu schnüren, um Kunden anzusprechen und das Angebot zu vermarkten. Das wollten wir mit der Website homeoffice-im-hotel.ch fördern. Sie ist von der deutschen Version inspiriert und wurde während der Pandemie innert zwei Tagen erstellt. Als die Hotels begannen, Zimmer als Büros zu vermieten, habe ich mich gefragt, wie dieses Angebot langfristig bestehen und sich auszahlen könnte. Es hat ein paar Wochen gebraucht, um die Kriterien festzulegen, die ein Coworking-Space in einem Hotel erfüllen muss, um als solcher anerkannt zu werden.
Andrea Fanzun: Ich habe festgestellt, dass es oft schwierig ist, ein genaues Bild von den Leistungen zu gewinnen, die ein Hotel anbietet...
Martin Pally: Es gibt viele interessante Hotelinitiativen, die aber nicht bekannt sind. Ich frage mich auch, warum zwischen Tourismus- und Hotelinformation unterschieden wird. Die Präsenz des Gastes im Tourismusbüro oder im Hotel müsste genutzt werden, um das eigene Angebot gezielt zu bewerben.
Raumvielfalt, Fensterfronten und Komfort wie zu Hause
Andrea Fanzun: Die Unterteilung von Raum und Arbeitsplätzen ist entscheidend, deshalb müssen die Möbel flexibel sein. In den für Gruppenarbeiten bestimmten Bereichen sind grössere Tische vorzuziehen. Der Stil des Hotels sollte auch im Coworking-Space spürbar sein. Zu vermeiden sind nüchterne weisse Schreibtische, wie man sie zu Hause hat. An einen Coworking-Space werden hohe Anforderungen gestellt: Ergonomische Arbeitsplätze sind ein Muss, gute Beleuchtung, Akustik und Belüftung ebenso. Zwingend ist zudem ein Blick ins Freie. Wichtig sind auch Rückzugsmöglichkeiten.
Martin Pally: Das erinnert mich an das CitizenM in Zürich, wo es viele Ecken zum Entspannen, Arbeiten und Diskutieren gibt, und überall reichlich Steckdosen. An der Ambiance kann der Gast ablesen, was er dort alles machen kann, ohne dass man etwas erklären muss.
Christoph Zen Ruffinen: CitizenM, Moxy, Mama Shelter sind im Trend. Da wird die Bar zur Reception und zum Mittelpunkt des Hotels. Wir haben diese neue Hotel-Generation zum Vorbild genommen und die Lobby, die schon 200 m2 gross war, um zusätzliche 100 m2 erweitert, um sie zu einem richtigen Lebensraum zu machen. Die sehr grosszügige neue Verglasung gibt die herrliche Aussicht auf den Genfersee und den Mont Blanc frei.
Daniel Leuenberger: Wir hatten das Glück, einen sehr gut gelegenen Raum im Hotel erben zu können. Er ist sehr hell und bietet einen schönen Blick auf den Garten und einen direkten Zugang zur geschützten Terrasse und zum Rasen, um im Freien zu arbeiten. Der Raum ist sehr freundlich, aber eher nüchtern. Wir haben Doppelarbeitsplätze geschaffen, an denen bis zu 12 Personen arbeiten können. Neben dem Restaurant liegt ein kleiner Saal, in dem wir mehr Coworking-Platz schaffen oder Veranstaltungen für 60 bis 80 Personen ausrichten, virtuelle Konferenzen oder Meetings organisieren können. Er ist mit einem riesigen Touchscreen mit einem Display von diagonal 250 cm ausgerüstet. In diesen Raum haben wir alles in allem 100’000 Franken investiert – für Böden, Farbe, massgefertigte Möbel, davon 10’000 allein für den Touchscreen.
Christoph Zen Ruffinen: Wir haben einen langen Tisch für 5 bis 8 Personen aufgestellt, mit einem Drucker und zwei Laptops. Wir bieten auch bequemere Bereiche an, in denen sich eine kleine Gruppe von 3-4 Personen gut zurückziehen kann. Bei diesen Bereichen fragen wir uns, ob wir sie eventuell verglasen sollen, um mehr Diskretion zu gewinnen, ohne die Sicht zu behindern. Denn es ist wichtig, sich auch dort mitten unter Menschen zu fühlen.
Daniel Leuenberger: Bei uns haben wir eine alte Telefonkabine aufgestellt. Wir stellen auch einen Drucker und eine Nespresso-Maschine zur Verfügung und 16 Schliessfächer für Coworker, die persönliche Dinge deponieren möchten. Im Preis für das Coworking ist alles inbegriffen, auch eine Mikrowelle, die sehr geschätzt wird. Diese Ausstattung sorgt dafür, dass sich die Benutzer wie zu Hause fühlen.
Christoph Zen Ruffinen: Schliessfächer haben wir auch eingebaut, ähnlich wie die Schliessfächer in Bahnhöfen. Sie sind mit Steckdosen ausgestattet. Ich hatte das schon bei Moxy in Frankfurt gesehen. Auf Besuch bei der Konkurrenz kann man sich inspirieren lassen.
Daniel Leuenberger: Oder man wird selbst zum digitalen Nomaden.
Martin Pally: Man muss sich in die Situation des Kunden versetzen. Oder ihn fragen, was er braucht, und es dann umsetzen.
Schnelles, sicheres und professionelles Wifi
Martin Pally: Ein sehr schnelles WLAN sollte Standard sein, und ebenso die Möglichkeit, mehrere Geräte gleichzeitig anzuschliessen. Dann braucht es reichlich Steckdosen, und das Hotel sollte auch Verlängerungskabel, Doppelsteckdosen und Adapter zur Verfügung stellen können.
Christoph Zen Ruffinen: Viele Leute arbeiten lieber mit Kabeln. Das heisst nicht, dass WLAN nicht gut wäre, aber Kabel geben dem Kunden mehr Sicherheit. Die Cybersicherheit ist heute sehr wichtig.
Martin Pally: Viele Hoteliers entwickeln selbst Lösungen, und das WLAN installiert zum Beispiel der Elektriker des Hauses. Ein paar Grundregeln sollten dabei aber unbedingt eingehalten werden. Es braucht z. B. ein internes und ein Gästenetzwerk, auch physisch getrennt, mit zwei Routern von verschiedenen Herstellern. Und es ist wichtig, regelmässig Updates durchzuführen und sich von einer Fachperson helfen zu lassen.
Daniel Leuenberger: Wir arbeiten mit einem separaten Buchungssystem, mit dem man über die Website von PuraWorka Räume und Arbeitszeit reservieren kann. Beim Coworking muss sich der Kunde auf dem System von PuraWorka einloggen, das vom WLAN des Hotels völlig getrennt ist.
Andrea Fanzun: Der Coworking-Kunde ist anspruchsvoller als der normale Kunde. Er will produktiv sein. Das WLAN muss sicher und schnell sein, das ist meiner Meinung nach wichtiger als die Kostenfreiheit. Ich denke auch, dass vor allem Führungskräfte ins Hotel kommen und nicht Computerspezialisten. Das Buchungssystem für Coworking sollte unkompliziert und schnell sein.
Return on Investment: Mehr soziale Kontakte und mehr Übernachtungen
Daniel Leuenberger: Unser Coworking-Space bringt viel in Form von Kontakten, von Kommunikation und Veranstaltungen. Unser Ziel war nie, viel Geld damit zu verdienen. 2021 hat er knapp 15'000 Franken Umsatz generiert und damit die Kosten gedeckt.
Christoph Zen Ruffinen: Das direkte Ergebnis des Coworkings ist schwer zu beziffern. In unserem Hotel stellen wir die Nutzung dieses Angebots nicht in Rechnung. Die finanziellen Auswirkungen sind mit der Auslastung verbunden, die sich stabilisiert und verbessert hat, vor allem an den Wochenenden. Manche Geschäftsreisende haben ihren Aufenthalt verlängert oder sind zurückgekehrt, weil sie gemerkt haben, dass wir nicht nur ein Business-Hotel sind, sondern ein "Bleisure"-Hotel. Früher haben wir an Wochenenden 30 Zimmer vermietet. Heute kommen wir schnell einmal auf 60, 70 oder sogar 80.
Daniel Leuenberger: Das Coworking generiert zusätzliche Übernachtungen, aber eher unter der Woche, da wir hauptsächlich businessorientiert geblieben sind. In Bezug auf den Umsatz profitieren also eher die Zimmer und das Restaurant vom Coworking. Wir vermieten auch ein 50m2 grosses Coliving-Studio mit Zugang zum Coworking. Wir hatten schon ausländische Start-ups dort, die eine ganze Woche blieben. Dieses Segment der längeren Aufenthalte ist weiter auszubauen.
Christoph Zen Ruffinen: Während der Pandemie haben wir festgestellt, dass sogar Leute bei uns ein Wochenende verbrachten, die nur einen Kilometer vom Hotel entfernt wohnten.
Andrea Fanzun: In Graubünden sind wir es gewohnt, dort zu arbeiten, wo andere Leute die Ferien verbringen.
Daniel Leuenberger: Mit diesem Raum wollten wir das Hotel bereichern, Kontakte fördern und die Generationen einander näherbringen. Ein Student, der regelmässig im Coworking arbeitet, kümmert sich heute um unsere digitale Kommunikation. Wir organisieren auch viele Freizeitveranstaltungen, zu denen wir die Wirtschaftsakteure von Sion einladen, z. B. Yoga am Nachmittag, Foodtruck am Abend und Garten-Party. Damit können wir das Coworking stimulieren und Lust darauf machen, zum Arbeiten zu uns zu kommen.
Martin Pally: Meiner Meinung nach sind nicht die einzelnen Gäste das Zielpublikum, sondern die Unternehmen. Unternehmen, die ihre Mitarbeiter zur Telearbeit schicken, denen die Gesundheit am Arbeitsplatz wichtig ist, die Veranstaltungen organisieren. Dieses Angebot muss noch bekannt gemacht werden. Ich denke, hier müssten die Arbeitgeberverbände oder die Bundesverwaltung etwas tun. Z.B. erhalten alle Unternehmen eine Stromrechnung. Warum sollten sie nicht genutzt werden, um das Coworking-Angebot bekannt zu machen? Solange ein Hotel nur auf die eigenen Marketingkanäle setzt, bringt das nichts Neues. Denn wie hier schon gesagt wurde: Das Angebot ist interessant und sympathisch, aber nicht sehr rentabel.
Daniel Leuenberger: Zu unseren Kunden gehören grosse Unternehmen, die ihren Mitarbeitenden über ein Kreditsystem Stunden für die Telearbeit zur Verfügung stellen.
Andrea Fanzun: Es braucht professionelle Beratung, um dieses Angebot zu entwickeln und eine USP zu schaffen. Denn das Gleiche zu machen wie Hunderte andere ist nicht innovativ.
Daniel Leuenberger: Uns erscheint der Aspekt Mobilität und Erreichbarkeit sehr wichtig, um das eigene Coworking gut zu positionieren.
Übersetzung: Christina Miller
Version française disponible ici
[DOSSIER]
HTR-Tischgespräch zum Thema Wein
Unterschätzte Rebsorten gilt es aufzuwerten
Mit ihren Tischgesprächen will die htr hotel revue das Gespräch zwischen Erzeugern, Hoteliers und allen Akteuren der Branche eröffnen. Diesmal haben wir auf Französisch die Frage der Vermarktung des Schweizers Weins und der möglichen Märkte für die weitere Entwicklung der Hotellerie und Gastronomie hierzulande erörtert. Dabei ging es um die Aspekte bezüglich des Marketings, vor allem im Hinblick auf eine transversale Zusammenarbeit zwischen den Weinbauregionen, aber auch darum, wie man bestimmte Rebsorten oder Schaumweine gegenüber der ausländischen Konkurrenz fördern kann.
Dies insbesondere mit der Betonung der Qualität der Schweizer Weine und den Möglichkeiten für Innovationen, um herauszufinden, wie man die Verbindungen zwischen der Hotellerie und Gastronomie sowie den Produzenten intensivieren und neue Netzwerke entwickeln kann. Und nicht zuletzt ist es eine interessante Begegnung zwischen vier Persönlichkeiten, die ihre Berufe mit Leidenschaft ausüben, einen Meinungsaustausch in Form von Dialogen und Denkanstössen. Doch kommen wir gleich zur Sache.
Die Bedeutung des Markts für Schweizer Weine
Ruth Montereale (Albergo Ristorante Conca Bella, Chiasso-Vacallo)
Als mein Mann noch lebte, waren in unserer grossen Önothek alle Terroirs wie Burgund, Bordeaux, Kalifornien usw. vertreten, und mit 17 Punkten im Gault Millau gehörte die «Conca Bella» zu den Spitzenrestaurants der Schweiz. Aber 2018 haben wir uns für ein einfacheres Restaurant entschieden, doch immer noch mit Produkten von guter Qualität. Eine neue Kundschaft legt Wert auf lokale Erzeugnisse, und wir arbeiten mit einem Sommelier, der die Schweizer und italienischen Weine gut kennt.
Yann Künzi (Maison Mauler, Môtiers)
Den Gegensatz von Schweizer und ausländischen Weinen finde ich nicht sinnvoll. In den letzten dreissig Jahren hat sich die Qualität der Schweizer Weine verbessert, wir produzieren gute Weine. Obwohl einige Güter vielleicht nicht genug in den Verkauf investiert und Absatzmärkte wie etwa das Internet verpasst haben. Gewisse Erzeuger mit nur fünf Hektaren Rebland verkaufen alles schon lokal sehr gut.
François Schenk
Das Problem der ausländischen Konkurrenz besteht vor allem in den Einstiegssegmenten.
François Schenk (Schenk SA, Rolle)
Das Problem der ausländischen Konkurrenz besteht vor allem in den Einstiegssegmenten. Der Markt mit Spitzenweinen scheint mir gesund zu sein. Allerdings werden nur 35 Prozent des Schweizer Weins im Inland konsumiert, gegenüber 60 Prozent der einheimischen Produktion in Österreich. Trotzdem darf man keinesfalls Rebstöcke ausreissen. Wir müssen aus dem Einstiegssegment herauskommen, dies mit guten Produkten, guter Werbung, guter Verpackung und vernünftigen Preisen auf jeder Ebene. Letztes Jahr haben wir Christophe Chauvet als Generaldirektor von Schenk eingestellt, um sich mit diesen Fragen zu befassen, der zuvor als Weinspezialist bei LVMH tätig war.
Geoffrey Bentrari (Chefsommelier, Hotel President Wilson, Genf)
Man muss immer wissen, von welchem Terroir und welcher Rebsorte man spricht, um richtig zu kommunizieren. Einfach zu sagen, die Kleinen machen guten Wein, aber sie haben nichts mehr zu verkaufen, und die Grossen produzieren keinen guten Wein, finde ich zu simpel. Man darf nicht nur an den Preis denken, sondern muss auch den Geschmack der Konsumenten berücksichtigen. Letzthin habe ich einen Chasselas aus dem Lavaux geöffnet, für den ich zwei Tage brauchte, bis ich ihn getrunken hatte, weil ich ihn so schwer fand. Die Neuenburger stellen einen nicht auf der Hefe gefilterten und deshalb trüben Weisswein her, der nicht mit anderen Chasselas zu vergleichen ist. Der lässt sich in Supermärkten nicht ohne entsprechende Erklärung verkaufen.
Yann Künzi
Der Non-filtré ist ein gutes Beispiel. Wir produzieren als einzige 120 000 Flaschen, und es stimmt, der Absatz in den Supermärkten bleibt bescheiden. Vielleicht sollten wir Verpackungen entwickeln, damit die Flasche auf dem Kopf steht. Doch da er ja im Januar als erster Wein des Jahres auf den Markt kommt, ist er in den Restaurants oft schon nach sechs Monaten ausverkauft. Man könnte sich überlegen, 100 000 zusätzliche Flaschen in einer zweiten Distribution im Juli auf den Markt zu bringen.
Die Schaumweine: eine neue Herausforderung
Yann Künzi
Wir vermarkten unsere Schaumweine zu wenig in der Spitzengastronomie, vor allem in Tourismusorten wie Montreux und Gstaad, wo man nach wie vor auf den Bekanntheitsgrad des Champagners und seines Marketings schwört. Unsere Produkte im Einstiegs- und mittleren Segment verkaufen sich jedoch sehr gut, sowohl direkt als auch in den Supermärkten; schwieriger ist es noch immer in der Gastronomie. Wir müssen unser Know-how in der traditionellen Methode und unseren Prieuré in den Vordergrund stellen.
Yann Künzi
Wir vermarkten unsere Schaumweine zu wenig in der Spitzengastronomie.
Geoffrey Bentrari
Aber Sie sind auch Gefangener des Images Ihres Prieuré St-Pierre und seines historischen Gewichts. Sie könnten ja auch den Absatz über Pop-up Stores entwickeln, die die Jungen ansprechen... Bei Blindverkostungen schneiden Ihre Weine sehr gut ab, der Begriff Mousseux ist Ihr Handicap.
Yann Künzi
Ja, der Sommelier Jérôme Aké hat uns geraten, eine neue Appellation zu kreieren, nach dem Vorbild des Crémant d’Alsace.
Geoffrey Bentrari
Kunden aus dem Nahen Osten fragen mich zum Beispiel häufig nach einer Marke wie dem Grapillon der Schenk-Gruppe.
François Schenk
Danke, dass Sie den Erfolg dieses alkoholfreien Weissweins und Rosés erwähnen, für den wir gerade an einem neuen Image arbeiten, wobei wir auch den Zucker reduzieren.
Geoffrey Bentrari
Um ihr Image aufzufrischen, müssen wir unsere neuen Produkte auch den Influencern präsentieren.
Geoffrey Bentrari
Um ihr Image aufzufrischen, müssen wir unsere neuen Produkte auch den Influencern präsentieren.
François Schenk
Ich weiss nicht, ob die über Vierzigjährigen da so leicht beeinflussbar sind...
Die Rolle aller Partner beim Weinverkauf
Yann Künzi
Lösungen ergeben sich auch dank dem Engagement und der intensiven Arbeit der Swiss Wine Promotion mit ihren Initiativen Swiss Wine Gourmet und Swiss Wine Week. Während der Covid-Krise haben wir festgestellt, dass sich neue Kunden für einheimische Erzeugnisse interessieren.
Ruth Montereale
Ich glaube nicht, dass dies immer durch Initiativen wie Casa del Vino geschieht. In erster Linie müssen wir es den Restaurateuren überlassen, ihre Weine zu verkaufen, und können dieses Metier nicht für sie übernehmen.
Geoffrey Bentrari
Man muss über globale Strategien für lokale Produkte nachdenken, etwa den Wein zusammen mit Kartoffeln und Karden verkaufen und dafür sorgen, dass unsere Gastronomen die Erzeugnisse besser kennen.
[IMG 2]
Yann Künzi
Die Ausbildungsmöglichkeiten sind vorhanden, insbesondere die Swiss Wine Campus, und man muss sie bekannt machen. Vor allem sollten wir alle kantonalen Förderstrukturen zusammenführen, zum Beispiel bei Messen. Das ist zurzeit nicht einfach, weil sie von kantonalen Mitteln abhängig sind.
François Schenk
Wir müssen zu den Grundlagen unserer Produktion zurückkehren und strengere Appellationen verwenden. Man kann die Weinwirtschafts-Identität eines Landes nicht über 20 Rebsorten erfassen. Denken wir ans Burgund, das mit rund drei Rebsorten auskommt. Wir könnten den Chasselas auch als Gastro-Wein neu positionieren, seine grossen Jahrgänge aufwerten und seine Entwicklung thematisieren. Also die Savoyarden mit ihren Mondeuses als Beispiel nehmen.
Geoffrey Bentrari
Wir sollten bei unseren Promotionen im Ausland den Wein nicht mehr getrennt vom Käse, der Schokolade, den Uhren und unseren Landschaften bewerben. Ich freue mich immer, wenn ich in einer Gratiszeitung, die an alle Haushalte verteilt wird, in einer Kolumne über einen Wein berichten kann. Man muss den Diskurs demokratisieren.
Yann Künzi
Es gibt Projekte mit der Interprofession du Gruyère und Rundtour-Angebote in Zusammenarbeit mit der Uhrenindustrie, die noch stärker gefördert werden sollten, insbesondere durch die neue Swiss Wine Tour.
Der Önotourismus als zugkräftiges Produkt
Ruth Montereale
In unserem Hotel bieten wir ein Paket mit zwei Übernachtungen und einem Degustationsmenü mit Tessiner Wein an. Erwähnt werden muss auch die Investition des Weinhändlers Carlo Crivelli. Er versteht es, Geschichten zu erzählen, etwa rund um das höchst erfolgreiche Tessiner Bike'n'Wine-Angebot.
François Schenk
Das Burgund ist bei solchen Angeboten nach wie vor weit voraus. Wir werden eine Weinroute organisieren, auf der man an den Wochenenden mit E-Bikes vier unserer Weingüter besuchen kann; beteiligt sind auch lokale Restaurants für die Mahlzeiten.
Geoffrey Bentrari
Man kann auch auf Witz und Provokation im angelsächsischen Stil setzen. So verfügt die Domaine du Mont d'Or in Sitten über 15 Guérites, wie die Weinberghäuschen im Wallis genannt werden. Drei davon sind für ein Escape Game eingerichtet, das den Besucher dank einer App erlaubt, auf spielerische Weise den Reichtum des Guts zu entdecken.
Yann Künzi
Als ich im Château d'Auvernier arbeitete, gab es eine Gruppe für den Exportverkauf für Erzeuger aus mehreren Kantonen, und wir arbeiteten unter anderem mit Testuz und Gilliard zusammen. Dies als konkretes Beispiel dafür, wie sich Weinproduzenten zusammentun können. Man muss sich auch auf Zielmärkte konzentrierten, so wie etwa die Weinkritikerin Chandra Kurt einen Zusammenschluss von Winzern aus verschiedenen Kantonen organisiert, um den Absatz in den USA zu fördern.
Geoffrey Bentrari
Die Sommeliers insbesondere in den Golfstaaten müssen auch wissen, wie man die Flaschen aufbewahrt, und Wein als lebendiges Produkt betrachten. Deshalb sind funktionierende Vertriebskanäle so wichtig.
François Schenk
Selbst in der Schweiz ist es ja auch notwendig, dass sich die Waadtländer Confrérie du Guillon den Zürchern präsentiert.
Geoffrey Bentrari
Die Guillon-Bruderschaft verkörpert euer Arbeitsumfeld und zeigt, was euch zusammenschweisst.
Ruth Montereale
Schweizer Wein zu verkaufen erfordert viel Willen und Leidenschaft.
Ruth Montereale
Schweizer Wein zu verkaufen erfordert viel Willen und Leidenschaft. Unsere Hotelier-Nachbarn in Como zum Beispiel verkaufen nur sehr wenige Tessiner Weine. Und wir stellen fest, dass unsere italienischen Kunden meist Champagner bestellen. Zu beachten ist auch, dass die Weine des Mendrisiotto anders sind als jene aus dem Sopraceneri.
Ein letztes Wort auf den Weg
Die junge Kundschaft kommt in unsere Betriebe, um begleitet zu werden, nicht um auf der Post eine Rechnung einzuzahlen. Man kann nicht einfach süssliche Weine produzieren, von denen wir denken, dass sie ihnen gefallen werden. Man weiht sie ein, entdeckt zusammen mit ihnen und wächst gemeinsam. Man stellt Rebsorten vor, die zu Ikonen werden, und erklärt, wie man die Reben schneidet.
François Schenk
Man muss zum Beispiel aufhören, Fendant in Literflaschen zu verkaufen. Wir müssen unsere vielfältigen und hervorragenden Produkte in den sechs Weinregionen in den Vordergrund stellen.
Yann Künzi
Wir produzieren grossartige Weine, man muss nur noch die Zusammenarbeit intensivieren, um das weithin bekannt zu machen.
Ruth Montereale
Ohne jemals zu vergessen, dies durch Emotionen zu vermitteln.
Die Teilnehmenden
Eine Hotelière, zwei Produzenten und ein Sommelier
[IMG 3] Ruth Montereale, Hotelbesitzerin, Chiasso-Vacallo TI
Wir führen unser Albergo Ristorante in Vacallo seit 1984.
Mein verstorbener Mann Rocco Montereale hatte als grosser Weinkenner und Gastronom einen ausgezeichneten Weinkeller angelegt.
Um dieses Erbe aufzuwerten, haben mein Sohn und ich zusammen mit Swiss Hospitality Solutions beschlossen, in unserem Restaurant und unseren 17 Zimmern ein Weinthema zu schaffen, um die «Conca Bella» als erstes Tessiner Wine Hotel mit Produzenten aus dem ganzen Kanton zu positionieren.
[IMG 4] Yann Künzi, Kaufmännischer Leiter der Maison Mauler, Môtiers NE
Ich habe immer in der Weinbranche gearbeitet, so etwa 16 Jahre lang im Château d'Auvernier, die letzten sechs Jahre als Direktor.
Danach habe ich mehr als drei Jahre die Promotion von Weinen und Produkten aus dem Terroir des Kantons Neuenburg geleitet und bin dann ins Familienunternehmen Mauler in Môtiers eingetreten, wo ich seit einem Jahr als Verkaufsleiter tätig bin.
Der für mich neue Markt für Schaumweine nach der traditionellen Methode hat mich interessiert. Wir haben einen Keller mit zwei Millionen Flaschen, die in einem Priorat aus dem 6. Jahrhundert ausgebaut werden. Unser 1829 gegründetes Haus verkauft heute rund 500 000 Flaschen pro Jahr.
[IMG 5] Geoffrey Bentrari, Chefsommelier im Hotel President Wilson, Genf
Als Franko-Schweizer bin ich in Sierre im Wallis aufgewachsen, habe die Hotelfachschule von Tain l'Hermitage in Frankreich besucht und danach in mehreren Sternehotels in Frankreich und der Schweiz gearbeitet.
In Changins gebe ich Kurse für den eidgenössischen Fachausweis für Sommeliers.
Seit sechs Jahren arbeite ich als Chefsommelier mit Küchenchef Michel Roth im Genfer Hotel President Wilson. Ich verstehe meinen Beruf als den eines «Vermittlers von Genüssen» und bevorzuge immer einen sinnlichen, emotionalen, nicht intellektuellen Ansatz.
[IMG 6] François Schenk, Verwaltungsrat und Aktionär, Schenk Vins
Ich gehöre der vierten Generation eines Unternehmens an, das 1893 gegründet wurde. Wir verwalten 44 Weingüter in vier Ländern.
Auf dem Schweizer Markt haben wir eine bedeutende, manche sagen dominante Stellung.
Doch ich spreche nicht gerne über Volumen, sondern wir müssen uns auf den Aufstieg in ein höheres Marktsegment konzentrieren und unsere Qualität hervorheben. Der Waadtländer Weinbau hat sich auf seinen Lorbeeren ausgeruht und in der Schweiz viele Marktanteile verloren. Wir müssen uns jetzt die richtigen Fragen stellen.
Dieser Beitrag wurde von Robert Schnieper übersetzt.
[DOSSIER]
htr-Tischgespräch: Technik
Oft im Hintergrund – aber wehe, sie fällt aus
Mit einem Pieps wechselt das Lämpchen über der Türklinke auf grün. Die Türe zum Hotelzimmer ist offen. Für mich ist das stets ein ganz besonderer Moment, kurz bevor man zum ersten Mal das Zimmer und damit sein Zuhause auf Zeit betritt.
[IMG 2]Sieht das Zimmer so aus, wie im Internet? Wie ist die Aussicht? Wie fühlt sich das Bett an? Hat es ein Schöggeli auf dem Kopfkissen? Diese Mischung aus Vorfreude und Spannung wird sich bei mir nie ändern. Was sich dagegen verändert hat, ist die Art und Weise, wie der Gast die Türe aufsperrt. Die Schlüsselkarte hat den Schlüssel mehrheitlich abgelöst. Manchmal vermisse ich in einem Anflug von Nostalgie den guten alten Schlüssel mit diesem unmöglichen Plämpu dran, den es in meiner Jugend noch überall gab.
Das Beispiel zeigt: Die Technik im und um das Hotel verändert sich ständig. Was gestern Standard war, ist heute passé. Und morgen sieht vieles noch einmal anders aus. Das Beispiel zeigt aber auch: Die Technik mag sich verändern, doch die Emotionen bleiben. In der Hotellerie geht es um Menschen. Um die Gäste, die sich im Hotel willkommen fühlen sollen, die sich so wohl fühlen sollen, dass sie wiederkommen. Um die Angestellten, die stets als wichtigste Ressource bezeichnet werden, die es überhaupt erst möglich machen, dass sich die Gäste eben wohl fühlen.
Welchen Stellenwert hat Technik?
Was aber hat die Technik in diesem People's Business für einen Stellenwert? Tamara Dias ist Länderchefin Schweiz der niederländischen Hotelkette Citizen M. Ihre Hotels – eines in Zürich, eines in Genf – wurde auch schon als Hightech-Häuser beschrieben. «Bei uns hat Technik einen sehr hohen Stellenwert», sagt sie. Das sei von Anfang an die Idee hinter der 2005 gegründeten Hotelkette gewesen. Für Dias muss Technik im Hotel funktionieren wie ein Smartphone, das nicht als kühle, abweisende Maschine verstanden werde, sondern als hilfreiche Unterstützung.
So paradox es klingen mag, für Dias sorgt die Technik im Hotel nicht für weniger, sondern für mehr Menschlichkeit. «Wenn die Angestellten die Gäste beim Check-in nach einer Kreditkarte oder dem Ausweis fragen, fehlen die Wärme, die Menschlichkeit, die es ausmachen, dass man sich als Gast willkommen und wohl fühlt. Indem bei uns diese Aufgaben beim Self-Check-in die Technik übernimmt, haben die Mitarbeitenden mehr Zeit, echten Mehrwert zu schaffen.» Sie sollten besser nach den Wünschen des Gasts fragen, statt nach seinem Ausweis.[IMG 3]
Für Andreas Marti, Verwaltungsrat bei den Gebäudetechnikunternehmen der RMB-Gruppe, muss Technik vor allem eines: funktionieren. Wenn immer möglich, müsse sie im Hintergrund und im besten Fall sogar unsichtbar bleiben. Marti selber bezeichnet sich zwar als technikaffin. Aber sogar er wundert sich, wenn es in einem Hotelzimmer zwar jede Menge cooler Gadgets gebe, aber deren Funktionalität nicht immer gegeben sei.
In der Gebäudetechnik seien die Anforderungen komplexer geworden, meint Marti. Damit habe sich auch der Stellenwert verschoben. «Seit Corona stellt sich beispielsweise die Frage, was die Gebäudetechnik zum Schutz der Gäste beitragen kann.» Die Systeme, wie sie RMB plane, erfüllten zwar alle Anforderungen punkto Gesundheitsschutz. Trotzdem müsse man dem Kunden vermitteln können, weshalb er sich gerade in diesem Hotel besonders sicher fühlen könne.
Was verändert Corona?
Die Pandemie verändert nicht nur das Sicherheitsbedürfnis der Gäste. Auch die Frage nach Investitionen in die Technik muss oft neu evaluiert werden: Kann ich mir die Kosten für neue Technik im Hotel überhaupt leisten? Oder ist der Zeitpunkt für Investitionen jetzt gar besonders günstig, da weniger Gäste im Hotel absteigen?[IMG 4]
Welche Haltung am Ende überwiegt, darüber sind die Fachleute uneins. «Die Bereitschaft, mit Investitionen Energie- und Betriebskosten aktiv zu senken, ist mit Corona praktisch auf Null gefallen», sagt Martin Hofer, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Wattelse. Die Branche habe im Moment andere Sorgen als die Technik, was nachvollziehbar sei. Dabei wäre jetzt ein interessanter Zeitpunkt, den man nutzen könnte.
Bei vielen Berufskollegen sei der Fokus momentan tatsächlich woanders, sagt auch die Hotelière Dias. Nicht aber bei Citizen M: «Wir haben die Zeit genutzt, um auch auf der technischen Seite ganz viele Projekte anzugehen.» So können die Gäste neu etwa Essen und Getränke per App bestellen. Oder die Angestellten können im Rahmen eines vereinbarten Minimums und Maximums selber bestimmen, wie viel sie wann arbeiten wollen.
«Wir hatten gerade in der Covid-Zeit einen wahnsinnigen Aufschwung.»
Fabio Lo Curto
Salto Systems AG
«Wir hatten gerade in der Covid-Zeit einen wahnsinnigen Aufschwung», sagt auch Fabio Lo Curto, der beim Schliesssystemhersteller Salto Systems AG für die Kunden aus der Schweizer Beherbergungsbranche zuständig ist. Es gebe derzeit viele Hotels – auch in der Stadt –, die jetzt die Zeit mit weniger Gästen nutzten, um in Self-Check-in-Konzepte zu investieren und zu modernisieren.
Was bedeutet die Klimadebatte für die Technik?
«Corona hat vielleicht den einen oder anderen Hotelier davon abgehalten, aktuell in Technik zu investieren», sagt Marti von RMB. Aber in Zukunft komme man, wenn man den Wert seiner Liegenschaft erhalten möchte, wohl nicht darum herum, in Anlagen zu investieren, die den CO₂-Ausstoss reduzierten. Heute sei Ökologie in Zusammenhang mit einer Immobilie vielleicht noch ein Verkaufsargument, in 10, 20 Jahren sei sie aber eine Selbstverständlichkeit und werde vorausgesetzt, prognostiziert Marti. Eine Herausforderung sei der Dschungel an Nachhaltigkeitszertifikaten. In diesem müsse der Berater dem Hotelier helfen, die Übersicht zu behalten.
«Wir werden fossile Energieträger ersetzen müssen»
Martin Hofer
Geschäftsführer Wattelse
[IMG 5]«Wir werden fossile Energieträger ersetzen müssen», ist auch Wattelse-Geschäftsführer Hofer überzeugt. Aber es brauche auch Bemühungen, dass die Systeme besser aufeinander abgestimmt seien. «Weiss die Heizung heute, was die Lüftung tut? Die Antwort ist nein.» Denn die Heizung funktioniere nach der Aussentemperatur, die Lüftung nach der Temperatur im Innenraum. Technische Systeme in Hotels seien zudem oft historisch gewachsen und deshalb schlecht aufeinander eingestellt. Hier brauche es noch eine bessere Abstimmung, bis hin zu technologischem Fortschritt.
Welche Bedeutung haben die Betriebskosten für ein Hotel?
Über den Lebenszyklus einer Immobilie betrachtet fielen 80 Prozent der Kosten im Betrieb an, sagt Hofer. Die gute Nachricht: Mit Optimierungen wie besseren Einstellungen oder kleinen baulichen Anpassungen liessen sich diese Kosten relativ einfach reduzieren. Solche Massnahmen zahlten sich in der Regel für die Hotelièren und Hoteliers binnen einem bis zwei Jahren aus. Zudem lasse sich oft mit kleinen Massnahmen die Lebensdauer der Anlagen um fünf bis zehn Jahre verlängern «Umso überraschender ist, dass Hoteliers gemäss einer Bachelor-Studie den Komplettersatz von Anlagen gegenüber der Betriebsoptimierung oft vorziehen», so Hofer.
«Investitionen in Gebäudetechnik müssen sich heute ökologisch und ökonomisch lohnen.»
Andreas Marti
Verwaltungsrat RMB-Gruppe
«Investitionen in Gebäudetechnik müssen sich heute ökologisch und ökonomisch lohnen», sagt RMB-Verwaltungsrat Marti. Es sei aber nicht immer einfach, den Hoteliers zu vermitteln, dass sie mit Ausgaben für Gebäudetechnik über den gesamten Lebenszyklus betrachtet, auch Geld einsparen können. «In der Regel sind die Hotelbetreiber ja nicht besonders technikorientiert.»
Diese Herausforderung kennt auch Hofer: «Bei einigen Hotels ist die Gebäudetechnik Direktionssache. Nur ist das nicht ein Thema, das der Hoteldirektion besonders nahesteht.» Man schiebe es gerne vor sich her, bis es am Ende einen Ausfall gebe und man dann notfallmässig handeln müsse. Dann könne es nicht nur teuer werden. Im schlimmsten Fall sei es auch für die Gäste eine äusserst unangenehme Erfahrung.
Und wenn Technik die Gäste überfordert?
Auch funktionierende Technik kann im schlimmsten Fall für die Gäste zur schlechten Erfahrung werden. Dann nämlich, wenn sie die Gäste überfordert. «Wenn ich in manchen Hotelzimmern die alten Systeme sehe, die teilweise über mehrere Zwischenschritte bedient werden müssen oder drei, vier Bedienpunkte umfassen, frage ich mich schon, ob da der Gast nicht manchmal überfordert ist», sagt Marti.
Ein Schliesssystem müsse intuitiv und für den Gast einfach zu verstehen sein, findet Salto-Mann Lo Curto. «Man kann natürlich alles in Materialien verstecken und integrieren, wie man es etwa im Chedi in Andermatt getan hat.» Wichtig bei solchen Konzepten sei immer, wie es der Gast annehme. «Es muss den Betreibern und dem Architekten bewusst sein: Der Gast soll das System möglichst barrierefrei und ohne Unterstützung bedienen können.»
«Spielereien kommen bei uns definitiv nicht ins Haus.»
Tamara Dias
Länderchefin Schweiz Citizen M
«Wenn ich daran denke, wie sich die Leute teilweise am Flughafen beim Self-Check-in abmühen, war die Überforderung der Gäste auch etwas meine Befürchtung, als ich zu Citizen M gewechselt habe. Vor dem Tablet, mit dem sich im Zimmer alles steuern lässt, hatte ich grossen Respekt», sagt Dias. Glücklicherweise gab es bisher aber nie Probleme. Entscheidend seien zwei Dinge: Erstens müsse der Gast immer die Wahl haben. «Er kann das Licht mit einem klassischen Schalter an- und ausknipsen oder über das Tablet.» Zweitens dürfe nur die Technik eingesetzt werden, die auch wirklich einen Mehrwert bringe. «Spielereien kommen bei uns definitiv nicht ins Haus», hält Dias fest.
Wie sieht die Technik im Jahr 2040 aus?
Er staune immer wieder, sagt Fabio Lo Curto, wenn neue Systeme entwickelt würden, die so kompliziert seien, dass niemand ausser dem Erfinder selber sie wirklich verstehe. Salto setze stattdessen auf Systeme, die sich bewährt hätten und die es auch in Zukunft noch geben werde. Vorreiter in Sachen Schliesssystemen seien derzeit gewisse Reha-Kliniken: «Dort gibt es teilweise sehr innovative Konzepte, weil man möglichst nichts anfassen sollte. Das Ziel ist es, wirkliche Barrierefreiheit hinzubekommen.» Am Ende entscheide der Gast, was sich durchsetzt.
Einiges spricht dafür, dass sich die Bedürfnisse der Gäste auch in 20 Jahren nicht komplett verändern werden. Letztlich geht es in der Hotellerie heute wie vor 20 Jahren um eine Willkommenskultur, um Convenience und um erholsamen Schlaf. Es erstaunt deshalb nicht, dass selbst die Chefin der Hightech-Hotels sagt: «Die Hotellerie ist und bleibt eine sehr traditionelle Branche. Das durchschnittliche Hotel wird auch in 20 Jahren noch so aussehen wie heute.»
Kommt hinzu, dass die Hardware der Technik die Möglichkeiten begrenzt. «Inspiriert durch die Digitalisierung versucht man heute, mit Technik alles Mögliche zu erreichen», sagt RMB-Verwaltungsrat Marti. Aber Technik habe ihre Grenzen – gerade auf der mechanischen Seite. Eine Lüftung bleibe am Ende eine Kombination aus Kanälen, Ventilatoren und Filtern. Daran ändere alle Digitalisierung nichts. Dafür fehle gerade in der Luxushotellerie ab und zu das Verständnis.[IMG 6]
Für Marti ist klar: «Innovation entsteht heute nicht mehr durch die mechanische Technik. Innovation geschieht dort, wo man über Daten und Informationen verfügt und diese intelligent einsetzt.» Hofer von Wattelse sieht das ähnlich: «Intelligente Gebäudetechnik verhält sich in der Regel gar nicht so intelligent, wie das die Verkäufer gerne darstellen. Die Erfassung und Auswertung der Gebäudetechnikdaten wie Temperaturen, Luftqualität und Ventileinstellungen ermöglichen aber automatisierte Rückschlüsse auf die Gebäude- und Anlagennutzung und die Optimierung der Prozesse.»
Mehr zum Thema Technik und Gästedaten in der Hotellerie erfahren Sie in den Videos:
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[IMG 11]Herr Hofer, schätzen Sie als Gast personalisierte Dienstleistungen, die aufgrund Ihrer Daten ausgewählt werden?
Über die Schlüsselkarte lassen sich viele Daten erfassen. Ist Ihnen persönlich als Gast wohl dabei, Herr Lo Curto?[IMG 12]
[IMG 13]Frau Dias, was sind Ihre Erfahrungen, wie Hotels mit Gästedaten umgehen?
Am Tischgespräch teilgenommen haben:
[IMG 7]«Technik sorgt im Hotel für mehr Menschlichkeit»
Tamara Dias Länderchefin Schweiz, Citizen M
Citizen M wurde 2005 durch den Unternehmer Rattan Chadha (Modegruppe Mexx) gegründet. Die Hotelkette aus Amsterdam legt Wert auf Design und technische Lösungen wie Check-in-Terminals und Tablets zur Steuerung aller Funktionen im Zimmer. Als Länderchefin Schweiz ist Diaz für zwei Hotels (Zürich und Genf) zuständig.
«Hotels nutzen die Zeit, um zu investieren»[IMG 8]
Fabio Lo Curto Country Manager Hospitality, Salto Systems AG
Das 2001 gegründete Unternehmen Salto Systems gehört zu den führenden Anbietern von elektronischen Zutrittskontrolllösungen. Die Gruppe mit Hauptsitz in Spanien ist weltweit an 40 Standorten vertreten. Neben der Hotellerie kommen ihre Kunden auch aus anderen Branchen wie dem Gesundheitswesen und der Bildung.
[IMG 9]«Investitionen müssen sich auch ökologisch lohnen»
Andreas Marti Verwaltungsrat, RMB Group AG
Die Luzerner RMB-Gruppe besteht aus den Segmenten Engineering und Facility Management. Beim Engineering steht die Planung und Umsetzung der Gebäudetechnik im Zentrum, beim Facility Management die Gebäudeeffizienz und Werterhaltung. Zu den Kunden zählen u.a. Hotels, Detailhändler und Immobiliengesellschaften.
«Kein Roboter kann ein Lächeln ersetzen»[IMG 10]
Martin Hofer Geschäftsführer, Wattelse AG
Bei Wattelse dreht sich alles um die Optimierung von Heizungs-, Lüftungs-, Klima- und Sanitärinfrastrukturen. Das Unternehmen berät unabhängig von Planungsbüros, Herstellern und Installateuren die Bauherrschaft in Fragen der Gebäudetechnik und optimiert bei bestehenden Lösungen den Betrieb – etwa in Hotels und Restaurants.
htr-Tischgespräch zum Thema Nachhaltigkeit
Der Gast wünscht Infos, aber dosiert
Nachhaltigkeit darf kein Lippenbekenntnis sein, sondern muss von oberster Stelle vorgelebt werden. Nur so können die Mitarbeitenden diese Denkweise übernehmen und den Gästen glaubwürdig vermitteln. Darin waren sich die Teilnehmenden des htr-Tischgespräches auf Anhieb einig. Aufgrund der aktuellen Lage fand das Round-Table-Gespräch nicht in Bern an einem echten Tisch statt, sondern digital. Zugeschaltet waren Leo Maissen, CEO der Tschuggen Hotel Group, Daniel Lauber vom Cervo Mountain Boutique Resort in Zermatt, Roland Zegg, Präsident von Ibex Fairstay, Meike Rapp, Head of Sustainability der Brita Group, Fabrizio Gessa, Verkaufsleiter bei Geberit, und Joel Striegel, Verkaufsleiter bei ADA Cosmetics International.
Mit dem htr-Tischgespräch bietet die htr hotel revue Lieferanten, Hotelièren, Hoteliers und Vertretern der Branche die Möglichkeit, relevante Themen gemeinsam zu diskutieren und zu vertiefen. Die htr hotel revue lädt regelmässig zur Diskussionsrunde an den runden Tisch zu Themen wie Food & Beverage, Table Top, Technik, Digitalisierung, Interior Design, Wellness, Sauna und Spa.
Immer mehr Luxushotels streben Nachhaltigkeit an
Allen Teilnehmenden ist gemeinsam, dass das Thema Nachhaltigkeit in ihrem Alltag als Hotelier, CEO, Verkaufsleiter oder Head of Sustainability einen hohen Stellenwert hat. «Bei uns im ‹Cervo› spielt Nachhaltigkeit seit der Eröffnung vor elf Jahren eine grosse Rolle. Nach dem Umbau im letzten Sommer bekam das Thema noch mehr Gewicht», gibt Daniel Lauber zu Protokoll. Das «Cervo» erhielt Ende letzten Jahres das Goldlabel von Ibex Fairstay. «Wir wollten einen Schritt weitergehen, und mit Ibex Fairstay haben wir das passende Instrument gefunden, das uns in dem Prozess optimal begleitet.» Im Wallis ist das «Cervo» das erste 5-Sterne-Hotel mit einem Goldlabel. Dass auch Luxushotels ein Nachhaltigkeitslabel anstreben, entspricht ganz einem Trend, wie Roland Zegg von Ibex Fairstay bestätigt. «Wir konnten in den letzten Jahren vermehrt 4- bis 5-Sterne Hotels gewinnen, ihr nachhaltiges Wirtschaften dokumentieren und weiterentwickeln.»
«Wir konnten in den letzten Jahren vermehrt Luxushotels gewinnen.»
Roland Zegg, Ibex Fairstay
Die Tschuggen Hotel Group ist ebenfalls an vorderster Front mit dabei, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Das in der dritten Generation geführte Familienunternehmen mit Hotels in Arosa, St. Moritz und Ascona erhielt 2020 einen Myclimate Award, der nachhaltige und gleichzeitig wirtschaftlich erfolgreiche Angebote sowie besondere Anstrengungen würdigt. Das 2017 von der Hotelgruppe eröffnete Valsana Hotel & Apartments in Arosa, das über eine komplett CO₂-neutrale Gebäudetechnik verfügt, ist zudem von Green Globe zertifiziert und gehört zu den nachhaltigsten Schweizer Hotels.
Das Bewusstsein für Nachhaltigkeit sei im Tourismus und in der Beherbergungsbranche vor rund acht Jahren aufgekommen, weiss Roland Zegg. Zu Beginn waren es laut Zegg vor allem Idealisten. Als das nachhaltige Energiemanagement durch Benefits gefördert worden sei, sei das Interesse gestiegen. Ebenfalls um diesen Zeitpunkt sei der Druck vonseiten der Gäste spürbar geworden. «Seit rund drei Jahren stellen wir fest, dass Gäste noch stärker auf Nachhaltigkeit pochen», sagt Zegg.
Leo Maissen kann dies bestätigen, ortet diesbezüglich jedoch grosse Unterschiede. Gerade bei Gästen aus dem angelsächsischen Raum sei «Sustainability» sehr hip. «Wir stellen aber fest, dass das Thema insgesamt eine gewisse Selbstverständlichkeit erreicht hat», sagt Maissen. Als die Tschuggen Hotel Group das «Valsana» in Arosa vor vier Jahren eröffnete, gab es noch grossen Erklärungsbedarf.
«80 Prozent der Produkte stammen aus einem Umkreis von 150 Kilometern.»
Daniel F. Lauber. Cervo Mountain Resort
Mittlerweile hat die Tschuggen-Gruppe Nachhaltigkeitsräume eingerichtet, wo sich interessierte Gäste informieren können. «Als Hotelier sollten wir nicht in einen missionarischen Eifer verfallen und die Gäste bekehren wollen», sagt Maissen. «Unser Fokus sollte darauf liegen, Gastgeber zu sein und Erlebnisse zu schaffen.» Dem pflichtet Daniel Lauber bei: «Unsere Gäste möchten unbeschwert Ferien machen. Unsere Aufgabe ist es, hinter den Kulissen für ein nachhaltiges Wirtschaften zu sorgen.» Der Hotelier, dessen Resort in Zermatt über ein praktisch autarkes Energiesystem verfügt, ist überzeugt, dass Nachhaltigkeit in fünf Jahren zum Standard gehört. «Wir kommen gar nicht darum herum», sagt er.
Mit finanziellen Anreizen, Investitionen und neuen Technologien den Klimawandel bekämpfen
Die Uhr tickt. Unaufhaltsam. Die Temperaturen steigen hierzulande doppelt so schnell wie im weltweiten Durchschnitt. Umso wichtiger sind Massnahmen, um den Klimawandel einzudämmen. Doch die Schweiz hat ihre für 2020 definierten Klimaziele nicht erreicht. Um die nächsten Etappenziele einhalten zu können, sind deshalb umfassendere Eingriffe notwendig. Schon bis in zehn Jahren muss die Schweiz gemäss dem Pariser Klimaschutzabkommen ihren Treibhausgasausstoss nochmals deutlich reduzieren. Ziel ist eine Halbierung der Emissionen im Vergleich zu 1990.
Die gesetzliche Grundlage für die Umsetzung dieser Ziele bildet die Totalrevision des CO₂-Gesetzes, die das Parlament am 25. September 2020 verabschiedet hat. Am 13. Juni kommt das revidierte CO₂-Gesetz aufgrund eines Referendums zur Abstimmung und setzt wie bisher auf die Kombination von finanziellen Anreizen, Investitionen und neuen Technologien, jedoch mit verstärkten Massnahmen. Lenkungsabgaben sorgen dafür, dass sich klimafreundliches, nachhaltiges Verhalten lohnt.
Charta zur nachhaltigen Entwicklung bereits 2009 lanciert
Bei der Lancierung des bundesrätlichen Abstimmungskampfes Ende März in Bern äusserte sich Umweltministerin Simonetta Sommaruga folgendermassen: «Wir müssen beim Klimaschutz vorwärtsmachen und dafür jetzt die Weichen richtig stellen. Unsere Enkelkinder bekommen die Folgen des Klimawandels sonst noch stärker zu spüren.» Diese Aussage der Umweltministerin deckt sich mit der Definition von nachhaltiger Entwicklung, welche die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen 1987 wie folgt definierte: «Nachhaltige Entwicklung verlangt, dass die heute lebenden Menschen ihre Bedürfnisse befriedigen können, ohne den in Zukunft lebenden Menschen die Möglichkeit einzuschränken, ihre eigenen Bedürfnisse zu decken.» Darauf basiert das am Erdgipfel von Rio de Janeiro 1992 propagierte 3-Dimensionen-Konzept aus ökonomischen, sozialen und ökologischen Aspekten. Nachhaltige Entwicklung berücksichtigt demzufolge den Schutz der Umwelt wie auch wirtschaftliches Wohlergehen und eine soziale Gesellschaft.
Dass die Zukunft der Nachhaltigkeit gehört, hat die Schweizer Tourismusbranche bereits 2009 erkannt, indem sie sich mittels einer Charta zur nachhaltigen Entwicklung verpflichtet hat. Diese wurde von 26 Organisationen unterzeichnet, darunter den führenden Tourismusverbänden, HotellerieSuisse, Gastrosuisse, Schweiz Tourismus und den SBB. Die Anstrengungen haben Früchte getragen, der Schweizer Tourismus gehört heute weltweit zu den führenden nachhaltigen Feriendestinationen und belegt in diversen internationalen Rankings Spitzenplätze.
Diverse Institutionen wie etwa die Hochschule Luzern tragen mit ihren Studien, Forschungen und Weiterbildungsangeboten dazu bei, die Beherbergungsbranche noch nachhaltiger zu machen. Auch HotellerieSuisse setzt sich schon lange für eine nachhaltige Entwicklung ein und hat kürzlich einen Nachhaltigkeitskompass lanciert. Zurzeit erarbeitet der Verband ein neues digitales Portal, um das Thema Nachhaltigkeit für Hotelièren und Hoteliers praxisorientiert, übersichtlich und informativ zugänglich zu machen.
hotelleriesuisse.ch/kompass
40/40/20: So lautet die Faustregel der Nachhaltigkeit
Um Nachhaltigkeit im Bereich Wasserverbrauch, Energie und CO₂-Verbrauch möglichst effektiv umzusetzen, kann folgende Faustregel ein guter Anhaltspunkt sein: 40 Prozent kann man mit den richtigen Anlagen wie Spülkästen, Spartasten und Einmischventilen erreichen, 40 Prozent sind Schulungen zur Sensibilisierung der Mitarbeitenden, und 20 Prozent beruhen auf der Wahl der Produkte.
Eine wichtige Rolle im ganzen Kreislauf spielen demzufolge auch die Zulieferer, gerade was Verpackung, Transport sowie CO₂-Ausstoss und Wasserverbrauch angeht. So stellt Meike Rapp von der Brita Group vor allem bei den Wasserspendern und den personalisierten Wasserflaschen eine gesteigerte Nachfrage in der Gastronomie und Hotellerie fest. «Die Hotels und Restaurants können Plastik, Abfall und CO₂ reduzieren und brauchen keinen Stauraum», sagt Rapp.
Noch vor fünf Jahren war Wassersparen kein Thema
Das Thema Wasser, wenn auch in einer anderen Form, spielt auch beim Sanitärtechnikanbieter Geberit eine wichtige Rolle. Fabrizio Gessa betreut seit 2015 die Hotellerie: «Bei meinen ersten Besuchen war ich über die Reaktion der Hoteliers schon sehr erstaunt, als ich ihnen das Wassersparen ans Herz legte.»
Viele schauten ihn damals verständnislos an. Nach knapp zwei Jahren setzte jedoch eine Veränderung ein, als Gessa weitere Vorteile wie etwa die Reduktion von Reinigungsmitteln aufführte. Denn auch im Wasserschloss Schweiz ist die Ressource Wasser äusserst wertvoll und mit Bedacht einzusetzen.
Bei ADA Cosmetics International gehört die Vermeidung von Verschwendung zur DNA der Firma. Gründer Andreas Dahlmeyer setzte bereits vor 30 Jahren auf grosse Seifenspender. Heute dreht sich im Arbeitsalltag von Verkaufsleiter Joel Striegel neben der Regionalität der Zusatzstoffe und dem Entwickeln innovativer Verpackungsmaterialien vieles um den Transport und die Logistik.
Um Nachhaltigkeit in die internen Prozesse eines Hotels zu implementieren, ist es zentral, die Mitarbeitenden einzubinden. So kann etwa eine Nachhaltigkeitsverantwortliche definiert werden oder es können ganze Nachhaltigkeitsteams gebildet werden. Im «Cervo» steht einer Mitarbeiterin ein Teilpensum zur Verfügung, um die Abläufe auf Nachhaltigkeit zu prüfen. Zudem ist ein Nachhaltigkeitsteam im Einsatz, das sich regelmässig austauscht. Ebenso bei der Tschuggen Hotel Group, die ein Greenteam gebildet hat, das aus Mitarbeitenden besteht, die sich besonders für Nachhaltigkeit interessieren. «Dabei entstehen sehr innovative Lösungen. Und es ist sehr motivierend, dass diese nicht von der Direktion kommen, sondern aus dem Team heraus», sagt CEO Leo Maissen.
Neben der Verankerung im Team erachtet Roland Zegg das Storytelling als wichtigen Erfolgsfaktor. «Man darf die Gäste keinesfalls belehren, aber sie erwarten Geschichten», weiss Zegg. «Man könnte ihnen beispielsweise erzählen, wie viel Energie das Hotel spart, wie der Spa betrieben wird und dass das Fleisch von der nahen Alp kommt.»
Denn gerade auch die Lebensmittel sind in Bezug auf Energieaufwand und CO₂-Verbrauch der zweitgrösste Posten neben Heizung, Wasseraufbereitung und Kühlung. Auch in Bezug auf Food-Waste. «Um diesen Impact zu reduzieren, kann man mit einer entsprechenden Menügestaltung viel erreichen», sagt Maissen. Gerade auch mit der Reduktion des Fleischverzehrs. Die Tschuggen Hotel Group hat denn auch in ihren Häusern ein neues Ernährungskonzept umgesetzt, das den Gästen Plant-based-Menüs bietet. Auch im «Cervo» ist eines der drei Restaurants rein vegetarisch mit einem grossen veganen Anteil. Zudem setzt das «Cervo», wie auch die Tschuggen-Gruppe, stark auf Regionalität. «80 Prozent unserer Produkte stammen aus einem Umkreis von 150 Kilometern», sagt Lauber. Das heisst aber nicht, dass das ‹Cervo› nicht auf internationale Küche setzt. «Im Restaurant Bazaar, das eine orientalisch-asiatisch inspirierte Karte bietet, sind die meisten Produkte trotzdem aus der Region», sagt Lauber. Wie etwa das Zermatter Joghurt für den libanesischen Frischkäse Labné.
All diese Mosaiksteine und noch viele weitere tragen dazu bei, einen Hotelbetrieb nachhaltig zu führen. Es ist ein Kreislauf, der noch sehr viel weiter gefasst werden kann, wie Daniel Lauber überzeugt ist. Denn neben den ökologischen Aspekten spielen auch die soziale Verantwortung und die regionale Verankerung eine wichtige Rolle. Und nicht zuletzt die ökonomische Nachhaltigkeit, auf der das gesamte System beruht.
Sechs Branchenprofis sprechen über Nachhaltigkeit
Daniel F. Lauber führt seit elf Jahren das Cervo Mountain Resort zusammen mit Seraina Lauber. Nachhaltigkeit liegt den beiden Hoteliers seit den Anfängen am Herzen. Seit dem Umbau und der Erweiterung im letzten Jahr und der durch Corona auferlegten Zwangspause messen sie dem nachhaltigen Wirtschaften noch viel mehr Wert bei.
Fabrizio Gessa ist Verkaufsleiter beim Sanitärtechnik-Anbieter Geberit. Das weltweit tätige Unternehmen bietet innovative Produktlösungen und umfassendes Know-how. Die konsequente Nachhaltigkeitsorientierung zeigt sich in Wasser sparenden Produkten, bei neuen Lösungen in der Logistik und energieeffizienten Produktanlagen. Und dies schon seit Jahrzehnten.
Roland Zegg ist Gründer der Businessberatung Grischconsulta, wo er heute noch als Senior Advisor tätig ist. 2006 übernahm er das damalige Steinbock-Label. Aus dem Ökolabel machten Zegg und sein Team das Nachhaltigkeitslabel Ibex Fairstay. Das Schweizer Label vergibt Auszeichnungen von Bronze bis Platin. Zurzeit sind 60 Betriebe zertifiziert und 11 in Prüfung.
Meike Rapp verantwortet seit fünf Jahren den Bereich Nachhaltigkeit bei der Brita Group. Das auf Wasserfilter und Wasserspender spezialisierte deutsche Familienunternehmen hat das Thema Nachhaltigkeit letzten Herbst in der Strategie verankert. Nun gilt es für die Head of Sustainability, die Nachhaltigkeit in allen Unternehmensbereichen strukturiert zu implementieren.
Joel Striegel hat seit 16 Jahren die Funktion als Verkaufsleiter bei der ADA Cosmetics International inne. Das Unternehmen gehört zu den weltweit führenden Herstellern von Hotelkosmetik. Der Gründer Andreas Dahlmeyer entwickelte bereits vor 30 Jahren das erste Dispenser-Seifen-System, um Verschwendung zu vermeiden.
Leo Maissen ist seit 14 Jahren für die Tschuggen Hotel Group – die erste klimaneutrale Premiumgruppe der Schweiz – tätig. Während zehn Jahren führte er das Tschuggen Grand Hotel in Arosa, bevor er das Nachhaltigkeitsvorzeigeprojekt «Valsana» in Arosa eröffnete. Seit einem Jahr ist er nun CEO der Hotelgruppe. Nachhaltigkeit ist für den Familienbetrieb essenziell.
[DOSSIER]
htr-Tischgespräch
Damit der Hotelbetrieb auch digital rundläuft
Die Digitalisierung war noch nie so nötig wie jetzt, gleichzeitig fehlt jenen, welche von der aktuellen Krise am stärksten betroffen sind, das Geld zum Investieren. Ein Dilemma, welches nach einer Lösung ruft. Dies und weitere Herausforderungen rund um die Digitalisierung wurden Anfang November auf Einladung der htr hotel revue am Roundtable-Gespräch «Digitalisierung» diskutiert. Passend zum Thema der sechsköpfigen Gesprächsrunde, bestehend aus Hotelmanagern und Digitalisierungsexperten, fand der Austausch – Corona-bedingt – online statt.
Mit dem htr-Tischgespräch bietet die htr hotel revue Lieferanten, Hotelièren, Hoteliers und weiteren Vertretern der Branche die Möglichkeit, relevante Themen gemeinsam zu diskutieren und zu vertiefen. Die htr hotel revue lädt dafür regelmässig zur Diskussionsrunde nach Bern. Das hier publizierte htr-Tischgespräch erfolgte jedoch – Corona-bedingt – digital. Passend zum Thema «Digitalisierung».
htr.ch/dossiers-studien.html
Die Digitalisierung helfe in der aktuellen Situation enorm, betonte Anke Lock, Direktorin «The Cambrian», Adelboden. «70 bis 80 Prozent des Hotelbetriebs werden aktuell digital organisiert.» Die Hotelière wünscht sich in der aktuellen Krisensituation jedoch mehr Unterstützung und Entgegenkommen seitens der digitalen Partner. Wie punkto Kosten: Michael Böhler, Group General Manager der Meili Hotels, setzt auf cloudbasierte Systeme, bei denen die Kosten monatlich anfallen. «Gegenwärtig kann man nicht in Produkte mit zehnjähriger Abschreibung investieren.» Gleichzeitig benötige man krisenfeste Partner, junge Start-ups mit cloudbasierten Produkten böten nicht unbedingt diese Sicherheit. Digitalisierungsfirmen reagieren auf den Liquiditätsengpass in der Hotellerie. Die Mirus Software AG bietet ausschliesslich webbasierte Lösungen an. In Zukunft werden zudem neue Pricing-Modelle ein Thema sein. Stichwort: «Pay what you get.» Geschäftsführer Fabian Fingerhuth: «Es wird nur noch das verrechnet, was auch gebraucht wird.» Solche umsatz- oder cashflowabhängigen Softwarelösungen bergen für die IT-Industrie mehr Risiko. «Die unternehmerische Unsicherheit steigt.»
Bei der Rebag Data AG offeriert man bereits seit 2012 cloudbasierte Software, fast jeder dritte Kunde nutze das, meinte Geschäftsführer Sandro Berger. Berger stellt fest, dass bis anhin für digitale Investitionen in der Hotellerie wenig budgetiert wurde. Das könne sich jetzt ändern, wenn digitale Neuerungen auch für den Gast sichtbar würden, etwa Online-Check-in oder virtuelle Erlebnisse. Michael Böhler forderte jedoch, erst mal bestehende Systeme praxistauglich zu implementieren.
Der Hotelmanager griff damit einen Einwand von Anke Lock auf, welche die Problematik der vielen Schnittstellen ansprach: «Jeder Lieferant will sein Produkt verkaufen. Eine übergeordnete Implementierung der Systeme fehlt, damit wird der Hotelier alleine gelassen. Die Digitalisierung scheitert auf der operativen Ebene.» So sei der Streaming-Dienst Netflix auf Apple-TV nicht einfach nutzbar.
Remo Tschanz, CEO der Baeriswyl Tschanz & Partner AG und Gründer der Contact-Tracing-Lösung get-entry.ch, verglich die Problematik mit dem Bau eines Hauses ohne Architekt: «Als Beratungspartner verstehen wir uns als ‹Architekt› oder ‹Bauleiter› und unterstützen Kunden in Transformationsvorhaben.» Man konkretisiere mit dem Hotelier das Was, damit der Lieferant danach wisse, wie das Wie zu erfolgen habe. «Wir sind keine Experten in diesem Bereich und haben anderes zu tun», stellte Böhler klar. Es brauchte ein übergeordnetes Dashboard für all die Tools. Ein Beispiel, wie Zusammenarbeit funktionieren kann, ist das Roboterprojekt – «ein Kooperationsprodukt von Hotellerie, Lieferant und Wissenschaft», verdeutlichte Jean Christophe Gostanian, CEO Avatarion Technology AG. Ein zukunftsweisendes Projekt, nicht nur technisch.
Die Teilnehmenden
Remo Tschanz ist CEO der Baeriswyl Tschanz & Partner AG, die mit ihren 40 Mitarbeitenden Strategien und Konzepte entwickelt und Analysen in den Bereichen Informatik, Telekommunikation und Organisation durchführt. Im Zentrum stehen Projekte der digitalen Transformation. [IMG 2]
btpag.ch
Michael Böhler ist seit 2020 Group General Manager der Meili Hotels. Dazu gehören die vier 3-Sterne-Hotels Seehof, Rössli und Felix, Zürich, Hotel Sport in Klosters sowie die drei 4-Sterne-Hotels Opera und Ambassador, Zürich, und Piz Buin, Klosters. «Piz Buin» und «Felix» wurden komplett renoviert. [IMG 3]
meili-unternehmungen.ch
Anke Lock ist seit acht Jahren Hoteldirektorin und VR-Mitglied des The Cambrian Adelboden Hotel & Spa und seit drei Jahren VR-Mitglied der Bergbahnen Adelboden AG. Das 4-Sterne-Superior-Hotel The Cambrian verfügt über 71 Zimmer, einen Infinity-Pool, Wellness und diverse Seminarräume. [IMG 4]
thecambrianadelboden.com
Fabian Fingerhuth, Geschäftsführer Mirus Software AG, absolvierte die Hotelfachschule Lausanne, hat langjährige Erfahrung als Hotelier und einen Master in Corporate Finance. Mirus ist Schweizer Marktleader für Backoffice-Software im Gastgewerbe und organisiert in über 3500 Betrieben HR und Finanzwesen. [IMG 5]
mirus.ch
Sandro Berger ist seit 2013 bei der Rebag Data AG für Verkauf und Marketing tätig und hat 2018 die Geschäftsführung übernommen. Mit der Protel-Hotelsoftware in der Cloud sowie auf dem hoteleigenen Server bietet Rebag Data eine Lösung für Frontoffice und Reservation und mit Code2Order für die digitale Gästereise an. [IMG 6]
rebag.ch
Jean Christophe Gostanian ist CEO der Avatarion Technology AG. Die Firma entwickelt Applikationen für humanoide Roboter und mobile Geräte und stellt die komplette Infrastruktur für ein Arbeiten mit Robotern zur Verfügung. Branchen: Gesundheitswesen, Hotellerie, Bildung, Shows und Events. [IMG 7]
avatarion.ch
Humanoide Roboter im Hotel: Smarte Gästebetreuer, die entlasten
Seit rund einem Jahr sind die ersten humanoiden Roboter in der Schweizer Hotellerie im Einsatz. Das Projekt wird in der Startphase von der Fachhochschule Graubünden begleitet und analysiert. Die beiden angewendeten Robotertypen – Pepper und Cruzr – können sowohl verbal wie auch visuell Informationen ausgeben. Dies ermöglicht vielfältige Einsatzmöglichkeiten in der Gästebetreuung: beim Check-in/out, für die Informationsvermittlung, sei es zur Region, zum Hotel oder zum öffentlichen Verkehr, für die Tischreservationen im Hotel. Zudem kann ein humanoider Roboter die Gäste mit Spielen und Tänzen unterhalten, zum Beispiel während «Stosszeiten». Ab Anfang 2021 werden die Roboter zudem zur Videotelefonie fähig sein, sodass sie auch als Nachtportier eingesetzt werden können.
Die beiden Robotertypen eignen sich für unterschiedliche Betriebsarten: Pepper ist prädestiniert für kleinere, familiäre Hotels, da er ein ansprechendes Erscheinungsbild aufweist. In der Schweiz kommt er bis anhin im Hotel Opera in Zürich zum Einsatz. Cruzr ist eher der kühle, funktionale «Typ», der aufgrund seiner hochstehenden Navigationshardware vor allem in grösseren Hotels die Möglichkeit bietet, die Gäste im Gebäude zu begleiten – vorzugsweise auf der gleichen Etage. Cruzr testet man in der Schweiz im Welcome Hotel Allegra in Kloten, das im Erdgeschoss über einen grosszügigen und weitläufigen Grundriss mit Réception, Restaurant und Sitzungszimmern verfügt. Cruzr kann darüber hinaus ganz individuell designt werden.
Die Kosten für die verschiedenen Roboterlösungen und Einblicke in die Pilotprojekte sind über den unten stehenden Weblink zu finden. Die My-Hotel-Robot-Lösung beinhaltet sowohl Hard- als auch Software sowie den Support und wird monatlich verrechnet. Die Einbindung verschiedenster Schnittstellen ist möglich.
myhotelrobot.ch
htr-Tischgespräch
Diversity muss ernst gemeint sein
Diversity ist seit einiger Zeit in aller Munde. Der englische Begriff steht wörtlich übersetzt für Vielfalt – im Sinne eines ausgewogenen Verhältnisses von Geschlecht, ethnischer Herkunft und Hautfarbe, Alter, Beeinträchtigung, Religion und sexueller Orientierung. Das Konzept des Diversity-Managements entstand ursprünglich in den USA der 1960er-Jahre im politisch aufgeladenen Umfeld der Frauenrechts- und Bürgerrechtsbewegung. Seither ist ein halbes Jahrhundert vergangen. Heute ist unbestritten, dass heterogene Teams kreativer, wirtschaftlich erfolgreicher und innovativer sind. Trotzdem besteht noch in vielen Branchen grosser Handlungsbedarf (siehe Zweittext). Zu homogen sind die Teams meist noch aufgestellt.
Als Diversity-Management wird der verantwortungsvolle Umgang mit Vielfalt in einem Unternehmen bezeichnet. Dabei werden folgende Diversity-Dimensionen berücksichtigt:
- Geschlecht
- Alter
- Gesundheit/Beeinträchtigung
- Sprache
- Nationalität
- Sexuelle Orientierung
- Ethnie
- Religion
Wer nun auf Diversity-Management setzt, muss sich bewusst sein, dass dieser Prozess zeitintensiv ist. Denn ein Wandel der Unternehmensphilosophie passiert nicht von heute auf morgen. Es braucht jedoch nicht von Anfang an ein allumfassendes Diversity-Management. Die Schwerpunkte können je nach Bedarf gezielt gesetzt und mit der Zeit ausgebaut werden. In erster Linie geht es darum, dass die getroffenen Massnahmen gelebt werden und nicht ein reines Lippenbekenntnis bleiben.
Seit der Gründung in der Betriebsphilosophie verankert
Wie wichtig es ist, einmal gefasste Massnahmen zu leben, betonten auch die Teilnehmenden des Tischgesprächs, zu dem die htr hotelrevue Ende August geladen hatte. Mit am Tisch sassen Jeannine Graf, Regionalleiterin Service und Reparaturen bei Schindler Aufzüge; Verena Kern Nyberg, Direktorin Sinn & Gewinn Hotels; Walburga Kunz, stellvertretende Direktorin Hotellerie der Schützen Rheinfelden AG; Marcel Brader, Partner bei HR unlimited, und Beat Bühlmann, Leiter KMU-Vertrieb bei Swisscom.
Mit dem htr-Tischgespräch bietet die htr hotel revue Lieferanten, Hotelièren, Hoteliers und Vertretern der Branche die Möglichkeit, relevante Themen gemeinsam zu diskutieren und zu vertiefen. Die htr hotel revue lädt regelmässig zur Diskussionsrunde nach Bern zu Themen wie Food & Beverage, Table Top, Technik, Digitalisierung, Interior Design, Wellness, Sauna und Spa.
htr.ch/dossiers-studien.html
Bei den Sinn & Gewinn Hotels etwa ist Diversität seit der Gründung 1998 ein wichtiger Bestandteil der Betriebsphilosophie. Die gemeinnützige Aktiengesellschaft Frauenhotel AG, die in Zürich drei und in Lausanne einen Betrieb führt, bietet Arbeit und Ausbildung für Frauen mit erschwerten Voraussetzungen. So arbeiten in den Hotels 15 bis 20 Frauen, die eine psychische oder kognitive Beeinträchtigung haben, im sogenannten zweiten Arbeitsmarkt. Zudem wird ein Viertel der Zimmer in den beiden Pensionen für Frauen in Notsituationen zur Verfügung gestellt. «Ich habe den Eindruck, dass uns unsere Ausrichtung bei der Rekrutierung hilft. Gerade die Generation Y sucht immer öfter nach einer Sinnhaftigkeit in ihrer Arbeit», sagt Verena Kern Nyberg.
Auch die Schützen Rheinfelden AG lebt Sinnhaftigkeit und Diversität seit ihrer Gründung vor 38 Jahren. Auf der einen Seite ist da die Klinik, auf der anderen Seite die Hotellerie.
So arbeiten in dem Unternehmen Mitarbeitende unterschiedlichster Ausbildungsniveaus. In der Klinik bringen viele einen akademischen Hintergrund mit, in der Hotellerie ist das Ausbildungsniveau tiefer. «Umso wichtiger ist es, dass sich alle auf Augenhöhe begegnen», ist Walburga Kunz, Direktorin Hotellerie, überzeugt. «Und dies pflegen wir ganz bewusst, indem wir die beiden Bereiche Klinik und Hotellerie zusammenbringen. Jeden Morgen machen wir eine gemeinsame Znünipause und tauschen uns aus.»
Zudem legt das Unternehmen Wert auf eine Durchmischung der Generationen. Auch wird auf allen Hierarchiestufen Teilzeitarbeit angeboten. Rund 60 Prozent der Führungskräfte sind Frauen, und in den Teams sind 22 Nationen vertreten. Im Weiteren engagiert sich das Unternehmen auch sozial und bietet Menschen mit Beeinträchtigung einen Arbeitsplatz im zweiten Arbeitsmarkt. Im besten Fall können diese Mitarbeitenden in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden. Ein Diversity-Management, von dem viele Unternehmen noch weit entfernt sind.
Fokus auf Gender- und Altersdiversität gelegt
Bei Schindler Aufzüge sah die Geschäftsleitung vor rund drei Jahren Handlungsbedarf und beschloss, dass sich in Bezug auf die Gender- und Alterszusammensetzung etwas ändern müsse. Erstens hat sich die Kundenstruktur verändert – Bauführerinnen sind keine Seltenheit mehr –, zweitens fehlen Arbeitskräfte, gerade in den handwerklichen Berufen. Und drittens gaben diverse Studien, die gemischten Teams eine höhere Performance attestieren, den Ausschlag, den Frauenanteil zu erhöhen und auf eine Durchmischung der Altersgruppen zu setzen.
«Wir haben es nun geschafft, Frauen für unsere Firma zu gewinnen. Die grosse Herausforderung ist nun jedoch, dass sie sich auch integriert und akzeptiert fühlen», sagt Jeannine Graf, Regionalleiterin bei Schindler Aufzüge. Sie sieht diesbezüglich noch Verbesserungspotenzial. «Das Genderthema und die Altersdurchmischung waren bei uns in der Firma in der Schweiz – andere Länderniederlassungen sind da schon weiter – die drängendste Priorität.»
Zuerst sinkt die Performance eines Teams, dann steigt sie
Das Beispiel zeigt exemplarisch, dass es nicht darum geht, auf Biegen und Brechen alle Dimensionen der Vielfalt abzudecken –sondern Teams entsprechend zusammenzusetzen, damit sie ihr volles Potenzial ausschöpfen können. Das braucht Zeit, das geht nicht von heute auf morgen, wie Beat Bühlmann, der bei Swisscom als Leiter KMU-Vertrieb zuständig ist, bestätigt. «Zu Beginn sinkt die Performance erst einmal, sei dies nun in Bezug auf den Umsatz oder die Produktivität», erläutert Bühlmann. «Ein Jahr muss man einem Team geben, das neu nach den Kriterien der Diversität zusammengesetzt ist.» Auch der Auftritt nach aussen muss gut abgestimmt sein. Es bringt nichts, sich öffentlich Diversität auf die Fahne zu schreiben, und intern wird sie nicht gelebt.
So hat Schindler Aufzüge zuerst intern sensibilisiert und ist dann mit dem Thema Schritt für Schritt nach aussen getreten. Als Erstes hat das Unternehmen alle Stellen 80 bis 100 Prozent ausgeschrieben, danach über Hochschulen Ingenieurinnen angesprochen und beim Zukunftstag gezielt Mädchen informiert. Ein wichtiger Moment war auch die Anpassung der Bildsprache. Vor 2017 konnte diese den Eindruck vermitteln, dass ein weisser Mann Mitte 40 gesucht wird. Dadurch fühlten sich Frauen kaum angesprochen. Seither werden Bilder bewusster gewählt und komponiert, um dem Unternehmen ein anderes öffentliches Image zu verleihen.
Die Bedeutung der Bildsprache unterstreicht auch Marcel Brader, der als Partner bei HR unlimited tätig ist, einem Unternehmen, das HR-Interimmanagement anbietet. Hier müsse ganz klar ein Wandel stattfinden, ist der HR-Profi überzeugt.
Als weiteren wichtigen Punkt erachtet er Transparenz im Bewerbungsverfahren. «Lebt ein Unternehmen Diversität noch nicht lange, bringt es nichts, etwas anderes vorzuspielen. Das spüren die Bewerber auf Anhieb», sagt Marcel Brader.
Was ebenfalls nicht unterschätzt werden darf, ist die Sprache, mit der sich ein Unternehmen in seinen Stelleninseraten präsentiert. «Zu oft sind die Stelleninserate zu maskulin formuliert, das schreckt viele Frauen ab», sagt Beat Bühlmann, der gute Erfahrung mit einer Textsoftware gemacht hat, die Jobausschreibungen gendermässig analysiert.
Die Schützen Rheinfelden AG arbeitet zwar nicht mit Textsoftware, wie Walburga Kunz anmerkt, wendet jedoch ebenfalls viel Zeit für die Erstellung von Stelleninseraten auf, damit diese professionell formuliert und adäquat ausgeschrieben werden.
Ganz selbstverständlich integriert und inkludiert
Wie man sich nach aussen präsentiert, ist auch bei den Sinn & Gewinn Hotels in den letzten Jahren zu einem grossen Thema geworden. Zu Beginn sei kommunikativ nicht hervorgehoben worden, dass das Unternehmen ein Integrationsbetrieb sei, erzählt Verena Kern Nyberg. Man habe das Normalisierungsprinzip hochgehalten und niemanden «ausstellen» wollen. Mittlerweile habe innerhalb und ausserhalb der Firma ein Kulturwandel stattgefunden. Menschen mit Beeinträchtigung würden heute ganz selbstverständlich integriert und inkludiert.
«Auch mit dem 2018 eingeführten neuen Namen Sinn & Gewinn haben wir gezeigt, dass wir diese Sinnhaftigkeit stolz nach aussen tragen wollen.»
Fünf Branchenprofis sprechen über Diversität
Jeannine Graf ist Regionalleiterin Service und Reparaturen bei Schindler Aufzüge. Nach einem Studium der Betriebswirtschaft an der Hochschule für Wirtschaft in Zürich stieg sie 2010 bei Schindler Aufzüge ins HR ein. Seit fünf Jahren ist sie Linienverantwortliche. Schindler Aufzüge arbeitet seit 2017 an einer ausgewogenen Geschlechter- und Altersdurchmischung. [IMG 5]
schindler.ch
Verena Kern Nyberg amtet seit acht Jahren als Direktorin der Sinn & Gewinn Hotels mit drei Betrieben in Zürich und einem in Lausanne. Die gebürtige Deutsche war lange in der Luxushotellerie tätig, bevor sie zur gemeinnützigen Aktiengesellschaft hinter den Sinn & Gewinn Hotels wechselte. Die Betriebe leben Vielfalt und integrieren Schwächere. [IMG 6]
sinnundgewinn.ch
Walburga Kunz ist stellvertretende Direktorin Hotellerie der Schützen Rheinfelden AG und seit elf Jahren für das Unternehmen tätig. Die drei dazugehörigen Hotels sind ein Geschäftsfeld des Betriebes mit einem Klinik-im-Hotel-Konzept, in dem gesunde und kranke Menschen unter einem Dach beherbergt sind. Diversität ist in der DNA des Unternehmens verankert. [IMG 7]
schuetzen-ag.ch
Marcel Brader stieg vor eineinhalb Jahren als Partner bei HR unlimited ein. Das Unternehmen bietet HR-Interimmanagement. Der HR-Profi ist seit über 20 Jahren in HR-Funktionen tätig und war vor der Selbstständigkeit viereinhalb Jahre bei der Ospena Group unter anderem mit der Eröffnung des Marktgasse Hotels in Zürich betraut, wo Diversität ein Thema war. [IMG 8]
hr-unlimited.com
Beat Bühlmann leitet bei Swisscom den KMU-Vertrieb. Zudem ist er in der Lehre und Beratung tätig. Der gelernte Automechaniker studierte Informatik und Betriebswirtschaftslehre. Er war in Zürich, London und Genf für Dell, HP, Google und Evernote tätig und hat bezüglich Diversität und Inklusion viele verschiedene Firmenkulturen gesehen. [IMG 9]
swisscom.ch
Diversity-Index: Es besteht noch Handlungsbedarf
Das Institut für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) der Hochschule Luzern hat vor sieben Jahren einen Diversity-Index ins Leben gerufen. Dieser ist ein unabhängiges Instrument zur Erhebung der Vielfalt der Belegschaft in Schweizer Grossunternehmen. 2013 zum ersten Mal durchgeführt – lanciert aus einem Forschungsprojekt in Kooperation von Wissenschaft, Bund und Wirtschaft –, wurde er seither alle zwei Jahre erhoben.
Das Ziel des Diversity-Index ist es, die Heterogenität der Belegschaft zu messen und diese mittels einer Kennzahl abzubilden. Dabei fliessen die Diversity-Dimensionen Alter, Geschlecht, Nationalität, Religion, Gesundheit und Beeinträchtigung sowie die Verankerung des Themas in der Organisation des Unternehmens in den Diversity-Index ein. So lassen sich Aussagen zu den einzelnen Diversity-Dimensionen und zur allgemeinen Heterogenität machen.
Im Vergleich zu den ersten Erhebungen stellt Dr. Anina Cristina Hille, Projektleiterin von Diversity & Inclusion Management, eine deutliche Verbesserung fest. Trotzdem zeigen die Resultate des Diversity-Index, dass beim Thema Vielfalt in der Schweiz weiterhin Handlungsbedarf besteht. Obwohl durchschnittlich 87 Prozent der an der Umfrage teilnehmenden Unternehmen Grundsätze zum Diversity-Management festhalten, setzt im Durchschnitt nur die Hälfte der Unternehmen konkrete Massnahmen um. Positiv zu werten ist hingegen, dass im Bereich Gesundheit und Beeinträchtigung die Mehrheit der Firmen vielfältig aufgestellt ist und präventive oder unterstützende Programme zum Gesundheitsmanagement anbietet. Auch im Bereich Gender werden zahlreiche Massnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie umgesetzt. Knapp die Hälfte der Unternehmen beschäftigt sich mit einer vielfältigen Belegschaft in Bezug auf Nationalitäten und Religionen.
Als Alternative zum Diversity-Index, der dieses Jahr nicht erhoben wird, bietet das Institut Unternehmen Self-Assessments, diverse Programme und Dienstleistungen an, um den verantwortungsvollen Umgang von Diversity im Betrieb zu fördern. Zudem ist zurzeit ein Index für KMU in Entwicklung.
Tischgespräch
Bauen ist heute ein äusserst komplexes Unterfangen
Das Umfeld, in dem heute gebaut wird, hat sich stark verändert. Das gilt auch für die Hotellerie und die Gastronomie, sowohl für Neu- und Umbauten als auch für Sanierungen. Einerseits haben sich die Lebenszyklen einer Ausstattung, eines Interieurs verkürzt, andererseits hat sich die Art der Herangehensweise verändert. Die Planungsteams sind heute aufgrund der grösseren Komplexität breit und interdisziplinär aufgestellt, und der Austausch zwischen Bauherren und Planern ist rege. Dies trat auch ganz klar im Rahmen des Tischgespräches zutage, zu dem die htr hotelrevue Ende Februar eingeladen hatte, noch weit entfernt von der aktuellen Corona-Krise.
Mit am Tisch sassen Guido Henzmann, Innenarchitekt und Gründer von Ligno in-Raum, Kim Grenacher, Brandentwicklerin bei der Agentur Pointbreak, Giusep Arpagaus, Inhaber der Arpagaus Innenausbau und Möbeldesign AG, Peter Hummel, Innenarchitekt und Inhaber von Hunikat, René Koch, Inhaber und Gastgeber Seminar- und Wellnesshotel Stoos, sowie Martin Küttel, Partner der Katag & Partners AG.
Mit dem htr-Tischgespräch bietet die htr hotel revue Lieferanten, Hoteliers und Vertretern der Branche die Möglichkeit, relevante Themen gemeinsam zu diskutieren und zu vertiefen. 2019 lud die htr hotel revue bereits viermal zur Diskussionsrunde nach Bern zu den Themen: Food – Das Buffet; Table Top – Tischkultur; Interior Design – Lobby und Empfang; Wellness, Sauna und Spa.
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Wie unterscheidet sich ein Trend von einer Marktentwicklung?
Schon nach kürzester Zeit steckte die Runde mitten in der Erörterung der Definition des Begriffes Trend. Es stellte sich rasch heraus, dass die Runde damit sehr unterschiedlich umgeht. Einerseits ist ein Trend ein wichtiger Treiber, andererseits wird er mit Bedacht behandelt. So arbeitet die Agentur Pointbreak ganz nahe am Puls von Trends, um ihre Betriebe entsprechend auszurichten, die sich mehrheitlich an ein junges und urbanes Publikum wenden. «Bei Trends liegt die Schwierigkeit darin, zu spüren, wo es sich lohnt aufzuspringen. Denn ein Trend kann sich etablieren oder wieder vom Markt verschwinden», sagt Kim Grenacher. Das Team der Agentur durchstreift den internationalen Markt sehr genau nach neuen Gastrokonzepten, eruiert, was funktioniert und was nicht und was auf die Schweiz adaptiert werden könnte. Ist ein Entscheid für ein Projekt gefallen, realisieren es dieses so rasch wie möglich, um damit am Schweizer Markt der erste Anbieter zu sein.
René Koch ist in Bezug auf Trends hingegen vorsichtig. Als Hotelier geht es für ihn vielmehr darum, Marktentwicklungen frühzeitig zu erkennen und zu deuten. Wenn es ihm gelungen sei, eine Marktentwicklung richtig vorauszusehen, dann habe er nachhaltig investiert. Wie etwa 2005 / 2006, als es darum ging die Positionierung eines seiner Hotels auszuarbeiten: «Als klar wurde, dass Wellness eine Möglichkeit sein könnte, habe ich natürlich schon hinterfragt, ob dies nun ein Trend ist oder eine Marktentwicklung. Es hat damals auch Stimmen gegeben, die meinten, dass der Trend nur ein, zwei Jahre anhalten würde. Andere wähnten ihn damals schon am Abflauen.» René Koch hatte jedoch den richtigen Riecher, Wellness ist heute nicht mehr wegzudenken.
Der Gast von heute kann es sich erlauben, wählerisch zu sein
Wo sich nun die Grenze ziehen lässt zwischen Trend und Marktentwicklung, scheint also schwierig zu sein festzulegen. Oftmals vermischen sich die Tendenzen, oder ein kurzfristiger Trend geht in einen langfristigen über und wird zu einer Marktentwicklung. Nichtsdestotrotz haben Trends einen grossen Einfluss auf die Hotellerie, sei es nun in der Stadt oder in den Bergen, im Leisure- oder im Business-Bereich.
So erinnert etwa Martin Küttel von der Katag & Partners AG, die vor zehn Jahren das ganze 25hours-Hotel-Konzept in Zürich begleiten durfte, daran, dass diese Art von Hotels damals ganz neu war. Mittlerweile werde Europa mit ähnlichen Konzepten geflutet. «Diese Hotels ziehen eine bestimmte Community an, die bereit ist, einen bestimmten Preis dafür zu bezahlen», so Martin Küttel. Doch sei es nicht nur ein Trend, sondern auch ein Differenzierungsmerkmal, eine Positionierung mit viel Ausstrahlungskraft. Und hier hakt René Koch ein, der die ganze Entwicklung der Budget-Design-Hotels als klare Marktentwicklung sieht: «Wir nehmen natürlich Elemente davon auf und adaptieren das Konzept auch für unsere Betriebe.» So wird eines der neuen Projekte von René Koch – die Stoos Lodge – viel dienstleistungsreduzierter sein und in den öffentlichen Räumlichkeiten mehr Kommunikationsmöglichkeiten bieten. Er ist überzeugt, dass diese Hotelkonzepte allgemein auf die Ferienhotellerie einen grossen Einfluss haben und die Angebote verändern werden.
Doch nicht nur die Konzepte verändern sich, sondern auch die Bedürfnisse des Gastes, auch in Bezug aufs Interieur; darüber sind sich alle Teilnehmenden der Runde einig. Der Gast von heute ist tendenziell viel gereist, hat bessere Vergleichsmöglichkeiten und dementsprechend höhere Ansprüche. Zudem hat der Gast heute die Möglichkeit, aus unterschiedlichsten Angeboten auszuwählen. Er kann es sich also erlauben, wählerisch zu sein.
Das Produkt gemeinsam mit dem Kunden entwickeln
Sowohl Kim Grenacher als auch René Koch unterstreichen zudem, dass die Gäste heute ein Erlebnis wollen. «Man geht nicht mehr nur für eine Übernachtung ins Hotel oder nur zum Essen ins Restaurant. Der Gast sucht, gerade auch, weil das Angebot so gross ist, ein ganzheitliches Erlebnis», so Kim Grenacher. Umso wichtiger werden da eine klare Positionierung und eine eigene Identität, die sich auch in der Ausstattung spiegelt. «Wenn man heute ein Designkonzept für ein Hotel entwickelt, braucht es eine klare Identität und Aussage», ist auch Guido Henzmann, der mehrheitlich Konzepte für private Hoteliers entwickelt, überzeugt. Dies gelinge nur mit einem starken, breit abgestützten Team, wie auch Peter Hummel, Inhaber der Firma Hunikat, bestätigt. Zusammen mit seinem Team entwickelt er für seine Kunden massgeschneiderte Lösungen, die auf vielen Besprechungen sowie zahlreichen Koordinationsgesprächen beruhen. Martin Küttel stellt da ebenfalls eine grosse Veränderung fest: «Im Gegensatz zu früher entwickeln wir heute ein Produkt zusammen mit dem Kunden. Er ist stark in den Entstehungsprozess eingebunden.» Kim Grenacher stellt Ähnliches fest. «Wir als Konzeptler sind heute auch viel stärker in den Bauprozess unserer Projekte involviert. Und ich glaube, es ist aufgrund der gestiegenen Komplexität für alle viel anspruchsvoller geworden.»
Dass Kim Grenacher stärker in den Bauprozess integriert ist, nutzt sie nun auch direkt fürs Storytelling auf Social Media und lässt ihre Kunden und Gäste daran teilhaben, was auf den jeweiligen Baustellen gerade läuft.
Machbarkeitsanalyse oder Projektschätzung
Und wie soll nun ein Hotelier vorgehen, der einen Um- oder Neubau plant? Da gibt es zwei Möglichkeiten, wie Martin Küttel anführt. Entweder er beauftragt einen Generalunternehmer mit dem Projekt, der von A bis Z alle Leistungen erbringt, oder er tritt selber als Bauherr auf. Und da stellt sich nach der Erstellung eines Konzeptes und der Erarbeitung eines Businessplanes schon rasch die Frage nach der Finanzierung, die René Koch als erprobter Bauherr als eine der grösseren Herausforderungen bezeichnet.
Im Falle eines Neubaus empfiehlt Martin Küttel eine Machbarkeitsanalyse, die nachweist, dass der generierte Ertragswert die Investitionskosten nicht übersteigen wird. Ist dies der Fall, ist der Grundstein für die klassische Bankfinanzierung gelegt. Bei einem Umbau oder einer Renovation hingegen ist es laut Martin Küttel sinnvoll, eine Projektschatzung erstellen zu lassen. Dadurch kann der Wert der Immobilie allenfalls gesteigert werden. Neben den 30 Prozent Eigenkapital und der klassischen Bankfinanzierung ist die Schweizerische Gesellschaft für Hotelkredit ein starker Partner. Daneben gibt es weitere Möglichkeiten wie Teilhaber, Aktionäre und Institutionen,
Ist die Frage der Finanzierung erst einmal geklärt, geht es an die Planung. Und auch da spielt das Finanzielle natürlich immer mit. «Wir haben in Bezug auf die Kostenberechnung eine grosse Verantwortung, da meist kein grosser Spielraum da ist», weiss Peter Hummel. Dies bestätigt auch Giusep Arpagaus: Man muss sich nach dem Budget und den vorhandenen Begebenheiten richten.»
Gerade bei einem Umbau ist es gemäss Guido Henzmann jedoch wichtig, dass der Bauherr eine gewisse finanzielle Reserve einplant. Denn Unvorhergesehenes trete oft auf. Trotzdem seien dank viel Erfahrung relativ genaue Kalkulationen machbar. Alle drei Planer am Tisch sind denn auch überzeugt, dass es sich ausbezahlt, wenn man sich genügend Zeit nimmt, ein Projekt auszuarbeiten, Berechnungen fundiert auszuführen, Materialien und Konstruktionen zu definieren und Spezialisten beizuziehen.
Klimaanlagen sind bald schon ein Must-have
Ein zusätzliches Element, das bedacht werden sollte, sind Klimaanlagen. Im Gegensatz zur Schweiz sind diese in vielen Ländern bereits Standard. Doch auch hierzulande steigt die Nachfrage. So hat sich René Koch dazu entschieden, sogar auf dem Stoos auf 1300 Meter über Meer Klimaanlagen in die Zimmer einzubauen. «Wenn man heute ein neues Hotel ohne Klimaanlagen baut, dann hat man den Markt nicht studiert», so der Hotelier. Wolle man internationale Gäste ansprechen, müsse man über kurz oder lang Klimaanlagen einbauen. Dies beobachtet auch Peter Hummel, insbesondere in der Stadthotellerie. «Doch gerade in alten Häusern ist es sehr aufwendig und kostenintensiv, Klimaanlagen einzubauen.» Die Herausforderungen beim Bauen werden also definitiv nicht kleiner.
Soll man selber als Bauherr auftreten?
Bauen ist eine komplexe Sache. Stehen die Inhaber von privat geführten Hotels heute vor der Frage, in welcher Form ein Um- oder Neubau gestemmt werden soll, bieten sich zwei Möglichkeiten an. Entweder man wählt das Generalunternehmermodell, oder man entscheidet sich dafür, selber als Bauherr aufzutreten und sich passende Partner zu suchen.
Bei der erstgenannten Vorgehensweise übernimmt ein Generalunternehmer sämtliche Aufgaben und Leistungen, vertritt den Hotelier als Bauherrn und übergibt das Objekt auf einen vereinbarten Termin schlüsselfertig. Tritt man jedoch selber als Bauherr auf, eignet sich ein Pitch, um den am besten passenden Partner für die Erarbeitung des Projektes zu finden. Dies bedingt jedoch eine sehr grosse Bereitschaft, sich selber intensiv mit dem Thema Bauen auseinanderzusetzen.
René Koch, Inhaber des Seminar- und Wellnesshotels Stoos, ist in seiner rund 20-jährigen Tätigkeit als Hotelier und Unternehmer stets selber als Bauherr aufgetreten. Für sein neustes Projekt auf dem Stoos hatte er für die Innenausstattung einen Projektwettbewerb auf Einladung lanciert. «Wir haben die Vorgaben des Wettbewerbes für die Stoos Lodge sehr offen formuliert, um den Fächer an Ideen möglichst weit zu öffnen», erläutert René Koch das Auswahlverfahren. Zudem war der Pitch für den Hotelier eine gute Gelegenheit, um zu überprüfen, ob sie bei ihren Überlegungen alle Details bedacht hatten. Schlussendlich bekam der Partner, der schon einmal für René Koch gearbeitet hatte, den Zuschlag. «Das Zürcher Büro IDA14 hat das Produkt am besten verstanden.»
Die Stoos Lodge, für deren Ausführung das Architekturbüro Germann & Achermann aus Altdorf verantwortlich zeichnet, wird unmittelbar bei der Bergstation der neuen Stoosbahn entstehen, auf dem Grundstück des ehemaligen Hotels Klingenstock. Das Mittelklassehotel wird 99 Zimmer mit 250 Betten umfassen. Im Neubau soll ein Restaurant mit 300 Sitzplätzen und Sonnenterrasse realisiert werden, das sich auch an Tagesgäste richtet. Weiter sind ein Wellness- mit grossem Fitnessbereich, Tagungs- und Eventcenter sowie eine grosse Indoorspielhalle mit Kita vorgesehen.
«Die Definition eines Trends ist schwierig.»
Martin Küttel ist seit 2008 in der Unternehmens- und Betriebsberatung der Katag & Partners AG tätig, seit 2018 als Partner. Als Hotelier SHL kann er auf langjährige Erfahrung in der Führung verschiedener Hotels im In- und Ausland zurückblicken. Der Mitinitiant von Swiss Historic Hotels ist Delegierter des VR der Swiss Luxury Apartments in Genf. [IMG 5]
katag.ch
«Trends spielen bei uns eine marginale Rolle.»
René Koch übernahm 2001 das Sporthotel Stoos von seinem Vater Albert Koch. Trotz einer branchenfremden Ausbildung (Dipl. Ing. Masch. HTL) führte er das Hotel und die Gastronomiebetriebe acht Jahre selber. Das erste grössere Bauwerk war der Bau des Gipfelrestaurants Fronalpstock 2004. Seither beschäftigt ihn das Thema Bauen kontinuierlich. [IMG 6]
hotel-stoos.ch
«Trends stossen neue Hotelkonzepte an.»
Peter Hummel ist seit über 20 Jahren als Hotelarchitekt tätig. In dieser Zeit hat er Hotels, Restaurants und Businessräume gestaltet und umgesetzt. Seine berufliche Karriere begann er mit einer Schreinerlehre. Das prägt sein Schaffen bis heute. Er ist Praktiker geblieben und weiss, wie eine Baustelle funktioniert. Daneben ist er auch Ästhet, der Wert aufs Detail legt. [IMG 7]
hunikat.ch
«Tradition ist bei uns massgebender als ein Trend.»
Giusep Arpagaus hat die Firma Arpagaus AG 1987 gegründet. 2004 kam die Arpagaus Hotel-Concept AG dazu. Damit bietet der eidgenössisch diplomierte Schreinermeister und Brandschutzexperte VSSM mit seinem Team Hotelberatungen, -planungen und -ausführungen an. Mit der Arpagaus AG setzt Giusep Arpagaus Innenausbauten und Möblierungen um. [IMG 8]
arpagaus.ch
«Trends sind für unseren Betrieb sehr wichtig.»
Kim Grenacher ist seit fünf Jahren für die Kommunikation der Agentur Pointbreak zuständig. Dabei ist sie mittlerweile öfter auf Baustellen und an Projektbesprechungen anzutreffen als in ihrem Office. Die Agentur ist auf gastronomische Zwischennutzungen spezialisiert und tritt dabei selber als Bauherrin und Betreiberin der Projekte auf. [IMG 9]
pointbreakevents.ch
«Entscheidend ist die Identität eines Hauses.»
Guido Henzmann gründete 1996 die Ligno in-Raum AG. Nach 23 Jahren übergab er die Leitung des Unternehmens per April 2019 an seine Tochter Sara Henzmann und Peter Kunz. Die Ligno in-Raum hat sich mehrheitlich auf Projekte in Hotellerie und Gastronomie spezialisiert und begleitet Bauvorhaben von der ersten Vision bis hin zur schlüsselfertigen Übergabe. [IMG 10]
ligno.ch
Tischgespräch
Küchentechnik zwischen Must-have und Nice-to-have
Irgendwann im Verlauf der Diskussion erwähnt einer die Begebenheit, wonach ihm eine Küche gezeigt wurde, die ganz auf Convenience ausgerichtet war, der Betrieb aber einen Küchenchef am Start hatte, der ausschliesslich auf frische Kochkunst setzen wollte. Grosses Gelächter in der Runde. Solche und ähnliche Episoden kennen hier alle, und sie bringen exemplarisch auf den Punkt, was die Planer und Zulieferer von Küchentechnik tagtäglich beschäftigt: die elementaren Fragen, die ein Gastrobetrieb idealerweise im Vorfeld geklärt haben sollte – was aber längst nicht immer der Fall ist, etwa wenn Konzept oder Küchenchef fehlt. Wie viele Köche sind gleichzeitig im Raum? Wie viele Gerichte mit wie vielen Komponenten werden täglich zubereitet? Welche Art von Kulinarik auf welchem Niveau wird geboten? «Solange ich das kulinarische Konzept des Hauses nicht kenne oder keine Menükarte einsehen kann, kann ich keinem Betrieb sagen, wie er seine Küche auszustatten hat», betont denn auch Hugo Küng. Das Mitglied der Geschäftsleitung beim Grosskücheneinrichter Schmocker AG war eines von fünf Gästen, die sich anlässlich des von der htr hotel revue organisierten Tischgesprächs eingefunden haben, um über Tendenzen und Trends rund um Küchentechnik zu diskutieren. Sie ist ein Bereich, der nicht nur für die Köche und die von ihnen angestrebte Kochkunst, sondern letztlich auch für den Betrieb und seine Ausrichtung enorm wichtig ist, aber zuweilen etwas stiefmütterlich behandelt wird – nicht zuletzt, weil die Küche per se bislang ein eher verstecktes, für den Gast unsichtbares Dasein fristete.
Mit dem htr-Tischgespräch bietet die htr hotel revue Lieferanten, Hoteliers und Vertretern der Branche die Möglichkeit, relevante Themen gemeinsam zu diskutieren und zu vertiefen. 2019 lud die htr hotel revue bereits viermal zur Diskussionsrunde nach Bern zu den Themen: Food – Das Buffet; Table Top – Tischkultur; Interior Design – Lobby und Empfang; Wellness, Sauna und Spa.
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Weg vom «Metzgereilook» hin zur durchgestylten Profiküche
Das ändert sich derzeit enorm: Mit den offenen Küchen, den Chef’s Tables, Kitchen Parties und dem angesagten Counter Dining rückt vermehrt die Küche und ihre Architektur ins Blickfeld und damit auch die ganzen Gerätschaften. «Wir haben es in der Individualgastronomie vermehrt mit stylischen Wünschen zu tun. Da werden auch mal ein schwarz lackierter Induktionsherd, eine weiss beschichtete Abdeckung oder Messinggriffe geordert», sagt Walter Nef, Verkaufsdirektor bei der Menu System AG, und begrüsst die neue Herausforderung: «Selbst in der Profiküche zeigt man heute, was man hat und wie man arbeitet, rückt damit die Küche in ein neues Licht. Man will sich nicht verstecken.» Ebenso die Schmocker AG, die vermehrt Aufträge weg vom «Metzgereilook» verzeichnet und hochwertige Chromstahlgeräte etwa hinter Holzdekor verpackt.
Generell: In Küchen und Gerätschaften, ist sich die Runde einig, werde investiert, auch wenn der Kochbereich bekanntlich finanziell ein nicht zu unterschätzender Posten ist. «Unser Kundenstamm legt grossen Wert auf Qualität und Swissness», ergänzt Martin Oesterle, Vertriebsleiter bei der Rotor Lips AG, die spezialisiert ist auf Küchenmaschinen. Eine grosse Herausforderung sehen die Zulieferer weniger in der Gemeinschaftsgastronomie, in der der kulinarische Auftrag von Beginn weg klar definiert ist, sondern vielmehr in der klassischen Gastronomie, den Restaurants, und was die Anwendung der Geräte betrifft. «Wir bieten in rund 50 Trainingscentern schweizweit jährlich um die 150 kostenlose Schulungen. ‹Keine Zeit!› ist aber das, was wir von vielen Küchenbrigaden zu hören bekommen», bedauert Urs Briner, Geschäftsführer der Rational Schweiz AG, «dabei können wir dem entgegen wirken: Wir helfen unseren Kunden, Gartechnik effizient und zeitsparend einzusetzen, gleichzeitig die Qualität zu steigern und Kosten zu senken», so der Spezialist für moderne Gartechnik.
Brennende Themen auch hier: Nachhaltigkeit und Energie
Das bestätigt selbst Rolf Caviezel, einziger Vertreter der Kochzunft am Tisch. Die Schulung einer jeden Gerätschaft ist für ihn Pflicht. «Die modernste Technik nützt nichts, wenn sie nicht genutzt, das Wissen nicht vertieft und weitergegeben wird.» In seinen Kursen beobachtet der Molekularkoch immer wieder, «dass Branchenkollegen erstaunlich wenig aus Gerätschaften herausholen, während Hobbyköche sie bis zum Letzten ausreizen – und entsprechend profitieren». Auch bei Rational spürt man die Lust am Kochen abseits des Profibereichs: «Wir haben vermehrt Anfragen von Privathaushalten», bestätig Urs Briner. Dabei ist der Wissenstransfer, ein offener Austausch, und das von Beginn der Zusammenarbeit weg, gerade im Profibereich elementar, bestätigen die Zulieferer. Dies insbesondere, weil die Apparate immer digitaler, Themen wie Nachhaltigkeit, Energieverbrauch oder Wirtschaftlichkeit auch in diesem Bereich immer zentraler werden und die Hersteller in Zukunft noch stark beschäftigen.
Martin Oesterle von Rotor Lips erzählt von einer «connected kitchen», wie er sie an der «Host» in Mailand gesehen hat, bei der alle Infos zusammenfliessen. «Das», ist der Fachmann überzeugt, «birgt viel Potenzial, zum Beispiel bei der Wartung, zur vorzeitigen Erkennung von Störungen bis hin zum Zugriff via Handy und Wlan.» Gleichzeitig steigt die Nachfrage in den Bereichen System- und Gemeinschaftsgastronomie nach einfach zu bedienenden Geräten – mit gutem Grund: der Fachkräftemangel. Sie hätten kürzlich, erzählt Walter Nef, für ein Burgerkonzept eine neue Grillgerätsteuerung angebracht – eine mit noch genau zwei Temperaturstufen. «Das ermöglicht Betrieben überhaupt die Beschäftigung von ungelerntem Personal.» Dasselbe im Spital: Auch da nehmen vermehrt Apparate den Mitarbeitenden das Knowhow ab. Für Hugo Küng bieten solche Lösungen, ergänzt mit modernen Technologien, andererseits auch spannende, neue Ansätze: «Gut möglich, dass solch standardisierte Entwicklungen Spitälern künftig beispielsweise eine flexiblere, zeitverschobenere Patientenverpflegung ermöglichen.»
Von solchen Tendenzen profitiert letztlich auch die Individualgastronomie. Dennoch durchforstet Molekularkoch Caviezel bevorzugt den Haushaltsbereich auf der Suche nach neuen Geräten. «Für meine Begriffe hat dieser und nicht die Industrie die Nase vorn», sagt er und fügt als Beispiel den Ocoo an, den koreanischen Dampfkochtopf, der vor zwei Jahren an der «Madrid Fusion» auftauchte und seither avantgardistische Köche weltweit begeistert. Dasselbe widerfuhr Caviezel bei seinem enormen Verbrauch gefriergetrockneter Ware: Auch hierfür wurde er im Haushaltsbereich fündig, in den USA, wo Freezedrying auch im Profibereich längst Thema ist. Er wünschte sich von den Herstellern mehr Mut zu Innovationen. «Das wären Geräte, mit denen ein Gerätehersteller sich profilieren könnte», ist er überzeugt.
Überhaupt: Fragen wie wer wen beeinflusst, was wann markttauglich und was zuerst da ist, das Angebot oder die Nachfrage, beschäftigt die angeregt diskutierende Runde. Nach Induktion oder Sous vide habe auch keiner gefragt, das sei erst mit dem Angebot gekommen, wirft einer ein. «Der Markt in der professionellen Gastronomie ist im Gegensatz zum Privatbereich einfach relativ klein», gibt nicht nur Urs Briner zu bedenken. «Bei den Köchen herrscht so eine grosse Vielfalt: Ob ein junger Wilder oder einer im ‹Bären› kocht, 50 Gäste oder 1500 verpflegt, da liegen einfach Welten dazwischen», findet Hugo Küng. Dennoch, erzählt Walter Nef, habe er in einem Restaurant schon so Unglaubliches genossen, dass er sich beim Koch nach der Zubereitungsart habe erkundigen müssen. Diesbezüglich, findet er, «können auch wir viel vom Gegenüber lernen».
«In der Profiküche zeigt man heute, was man hat.»
Walter Nef ist seit 1993 Marketing- und Verkaufsdirektor bei der Menu System AG. Das 40-jährige Ostschweizer Unternehmen ist spezialisiert auf professionelle Induktionsherdanlagen in der Gastronomie und für Grossküchen. Jeder Herd ist massgeschneidert und individuell gefertigt. Die Entwicklung und die Herstellung erfolgen am Hauptsitz in St. Gallen. [IMG 7]
menu-system.ch
«Mit Innovationen könnten sich Anbieter profilieren»
Rolf Caviezel, Koch und Hotelier, eröffnete vor zehn Jahren sein Restaurant Station 1 in Grenchen. Der leidenschaftliche Molekularkoch hat ein eigenes Foodlab, bietet Workshops, schreibt Kochbücher und arbeitet eng mit Universitäten zusammen (u. a. Graz/A). Sein jüngstes Projekt: Mit «Kids ab an den Herd» holt er den Nachwuchs in die Küche. [IMG 8]
freestylecooking.ch
«Gastronomen haben für Schulung kaum Zeit.»
Urs Briner ist seit sechs Jahren Geschäftsführer der Rational Schweiz AG. Die Rational mit Sitz in Landsberg am Lech (D) wurde 1973 gegründet und ist führend im Bereich der modernen, multifunktionalen Gartechnik. Das Unternehmen ist mit seinen Kochsystemen und über einer Million verkauften Combi-Dämpfern heute Standard in den meisten Profiküchen. [IMG 9]
rational-online.com
«Eine neue Küche setzt ein klares Konzept voraus.»
Hugo Küng, Mitglied der Geschäftsleitung, gelernter Koch mit Hotelfachschule, ist seit fast 30 Jahren bei der Schmocker AG tätig. Die Interlakner Firma ist seit über 45 Jahren Spezialistin und Fabrikantin von Gastro-Einrichtungen, von Hotels über Bergrestaurants bis zu Heimen und Personal- und Gästerestaurants für Industrie- und Dienstleistungsbetriebe. [IMG 10]
schmocker-ag.ch
«Die ‹connected kitchen› birgt viel Potenzial.»
Martin Oesterle ist seit Frühjahr 2019 Vertriebsleiter der Rotor Lips AG mit Sitz in Uetendorf BE. Der Küchengerätehersteller ist spezialisiert auf die Entwicklung, die Fabrikation und den Handel von Maschinen für Gastronomie, Bars oder Gemeinschaftsverpflegung. Zu seiner Kundschaft gehören schweizweit rund 20 000 Betriebe, von Restaurants über Heime bis zu Kantinen. [IMG 11]
rotorlips.ch
Tischgespräch
Sozial, entspannt und nachhaltiger: die neue Wellness
«Wellness ist mehr als Sauna und Spa», stellte Roland Lymann, zuständig für Gesundheitstourismus und Destinationsmanagement am Institut für Tourismuswirtschaft ITW der Hochschule Luzern, gleich zu Beginn des «htr-Tischgesprächs» zum Thema «Wellness, Sauna und Spa» klar. Auf Einladung der htr hotel revue trafen sich Vertreter renommierter Wellness- und Spa-Ausstatter, ein Hotelier und der ITW-Forscher in Bern, um über Entwicklungen und Herausforderungen im Wellnessbereich zu diskutieren. Es gehe auch um mehr, als Körper und Seele einfach etwas Gutes zu tun, so Lymann weiter. «Wellness ist ein Gesamtpaket, das Ernährung genauso einschliesst wie Bewegung.»
Oft fehlt im Betrieb das gemeinsame Wellness-Verständnis
Widerspruch ernteten seine Aussagen nicht. Im Gegenteil. Die Wachstumskurve für Wellnesskonzepte im klassischen, engeren Sinne flache ab, beobachtet Mirco Plozza, Direktor Deltapark Vitalresort in Gwatt bei Thun. Die Zukunft liegt auch für ihn in der ganzheitlichen Wellness. «Heute geht es schlussendlich um die gesamte Dienstleistungskette. Der Gast sucht immer mehr ein stimmiges Gesamtpaket. Dafür müssen alle Elemente aufeinander abgestimmt sein.» Für so ein ganzheitliches Konzept müsse aber auch der ganze Betrieb zusammenspannen, fordert Roland Lymann, von der Küche bis zum Hotelmanager. «In jedem zweiten Betrieb versteht der Hoteldirektor unter dem hauseigenen Wellness- und Spa-Angebot etwas anderes als die Mitarbeitenden», zitierte der Forscher eine institutseigene Studie. Für ein Wellnessangebot aus einem Guss sei ein gemeinsames Verständnis aber Bedingung. Förderlich hierfür: Die Mitarbeitenden selbst das Wellness-Angebot testen zu lassen, lautet die Empfehlung von Martin Thurnheer, Projektberater SPA bei der Klafs AG.
Mit dem htr-Tischgespräch bietet die htr hotel revue Lieferanten, Hoteliers und Vertretern der Branche die Möglichkeit, relevante Themen gemeinsam zu diskutieren und zu vertiefen. 2019 lud die htr hotel revue bereits viermal zur Diskussionsrunde nach Bern zu den Themen: Food – Das Buffet; Table Top – Tischkultur; Interior Design – Lobby und Empfang; Wellness, Sauna und Spa.
htr.ch/dossiers-studien.html
Fristen Schattendasein: Fitnessraum und Medical Wellness
In der Schweiz gehen 13 Prozent der Bevölkerung regelmässig ins Fitnesscenter, zitierte Oliver Marangoni, Sales Director Johnson Health Tech. Schweiz, wiederum die Statistik. Aber nicht 13 Prozent der Hotelgäste begeben sich in den Fitnessraum. «In den Ferien geht man in die Berge, nicht in den Fitnessraum», konstatiert Roland Lymann. Sind die Fitnessräume in den Schweizer Hotels zu wenig attraktiv? Das sei gar nicht unbedingt entscheidend. Der Besuch des Fitnessraums gehört zum Pflichtenheft im Alltag. In den Ferien will man aber primär Spass haben. Das mache auch gesundheitlich Sinn. «Die Glücksgefühle, welche bei einer Bergwanderung neben der körperlichen Aktivität entstehen, sind unbezahlbar.» Rolf Schmidt, Leiter Marketing & Kundendienst, Mitglied der Geschäftsleitung der Keramik Laufen AG & Similor AG, findet, dass sich beides nicht ausschliessen muss, und verweist auf Workout-Places im Freien, die Erlebnis und Fitness kombinieren.
Potenzial sieht Plozza im «Functional Fitness», bei dem das Programm spezifisch auf den Kunden zugeschnitten ist. Das kann durch einen Trainer erfolgen, was je nach Angebotsgestaltung allerdings die Personalkosten in die Höhe treibt, oder automatisiert. Oliver Marangoni schlägt eine Cloud-Lösung vor, über die der Gast weltweit sein einmal erstelltes persönliches Fitnessprogramm abrufen kann. Eine in die Konsole der Fitnessgeräte eingebaute Cloud-Lösung sei aber in der Hotellerie noch nicht verbreitet. Erste Hotelketten wie Marriott International, das Bürgenstock Resort oder das Designhotel Wiesergut in Österreich führen solches im Programm. Auch Medical Wellness, ist der Gesundheitstourismusforscher aus Luzern überzeugt, funktioniere aufgrund des Genuss-Aspekts nur an «ausgewählten Hotspots» wie dem österreichischen Lanserhof. Wie schwierig es ist, mit Medical Wellness auf einen grünen Zweig zu kommen, weiss auch Mirco Plozza. Seit der Eröffnung vor drei Jahren bietet das 4-Sterne-Superior-Hotel Medical Wellness an. «Es läuft gut, aber wir stehen betriebswirtschaftlich noch nicht dort, wo wir sein wollen», so Plozza. Dafür wird der Wohlfühlfaktor im Wellnessbereich immer wichtiger. Erholungsbäder ersetzen immer mehr «Spassbäder» und Schwimmbecken, beobachtet Lymann die Entwicklung. Diese Prognose teilt auch Sonja Britschgi-Stalder, Geschäftsleiterin der Vivell Schwimmbadtechnik AG. Wasserflächen dienten zunehmend der Entspannung: Das kann ein «Floaten» im flachen Solebecken sein oder das Nutzen der Massagedüse und der Liegefläche im Warmwasserbecken.
Sowohl Liegeflächen als auch Massagedüsen werden allerdings oft zu knapp bemessen, bemerkt Britschgi-Stalder. Zudem empfiehlt sie anstelle weniger grosser Becken lieber mit mehreren mittelgrossen ein breiteres Angebot sicherzustellen. Ganz klein sollte die Wasserfläche aber nicht sein: Der klassische Whirlpool verschwindet zunehmend aus dem Wellnessbereich und findet heute seine Berechtigung noch im Private Spa, einem Segment, dem wiederum Martin Thurnheer viel Potenzial beimisst. Damit dieses nicht nur Suiten und damit der hochpreisigen Hotellerie vorbehalten ist, entwickelte Klafs AG eine ausziehbare Sauna mit kleinerem Platzbedarf.
Raum für soziale Interaktion im Wellnessbereich schaffen
Weniger Bewegung gibt es bei der Saunalandschaft. «Die Grundprinzipien bleiben», konstatiert Mirco Plozza. Das klassische Trio aus finnischer Sauna, moderat temperierter Biosauna und Dampfbad ist in der Regel gesetzt, ergänzt mit mindestens einem Duschbereich. Oft vergessen gingen aber ausreichende Zirkulations- und Ruheflächen, so der Hotelier. Überfrachten sollte man eine Sauna- und Wellnesslandschaft nicht, dafür genügend Ruheflächen einplanen, doppelte Martin Thurnheer nach.
Ein Saunameister hingegen müsse im Hotel nicht unbedingt sein, findet Plozza. Das Aufgussprozedere könne man gut automatisieren, pflichtet Thurnheer bei. Anders sieht das Roland Lymann: «Betreute Angebote werden immer wichtiger.» Denn Vereinsamung werde ein immer grösseres gesellschaftliches Problem, beobachtet der Gesundheitstourismusforscher.
Also lieber mehr persönliche Betreuung statt mehr Infrastruktur? «Sicher, es wird mehr und mehr unsere Aufgabe, spannende Möglichkeiten für mehr soziale Interaktion zu schaffen, so Mirco Plozza. «Das ist unsere Chance, dem Gast für diese im Hotel eine Plattform zu bieten.» Und das nicht nur in den üblichen öffentlichen Hotelräumlichkeiten, sondern eben auch im Wellnessbereich. Für Martin Thurnheer heisst das: Neben Entspannungsräumlichkeiten unbedingt auch einen Loungebereich vorsehen, in dem sich die Gäste treffen können. «In grösseren Häusern ist das kein Problem. Aber in kleineren Hotels wird aus Platzgründen nicht selten auf den Loungebereich verzichtet.»
Clouslösungen für die Fernsteuerung
Die Wellness-Anlage im Hotel ist oft Bedingung für die Bettenauslastung. Selbst einträgliches Profitcenter ist sie aber in den seltensten Fällen. Um die Bilanz zu verbessern, heisst es deshalb: Kosten senken. Cloudlösungen scheinen auch hier eine Antwort zu sein. Zum Beispiel für die Wartung der Anlage. Bei der Vivell Schwimmbadtechnik AG steht man kurz vor der Lancierung einer Fernwartung der Schwimmbad-Hygiene. «Überwachen kann man die Wasserwerte des Schwimmbades schon lange», so Sonja Britschgi-Stalder. Das «Ospa BlueCheck»-System ermögliche aber zusätzlich ein konkretes Intervenieren von extern. Das berge ein Riesenpotenzial für die Kosteneffizienz. Es könnte aber auch das Fachkräfteproblem in diesem Bereich lösen: «Die Betreuung der Wasseraufbereitung ist ein komplexes Thema. Oft ist es schwierig, die kompetenten Fachkräfte zu finden.» Die Reinigung der Duschen mit der Duschfrequenz stimmt ein Steuerungssystem der Keramik Laufen AG & Similor AG ab. Im Einsatz sei das bis anhin fast ausschliesslich in öffentlichen Anlagen, so Rolf Schmidt. Ein Kostentreiber ist ebenso der Energieverbrauch. Bei Klafs forscht man intensiv dazu. So lasse sich mit einem «Klima-Manager», der mittels CO2-Messung im Innenbereich der Sau-na deren Belüftung kontrolliert, viel Wärmeenergie einsparen, weiss Martin Thurnheer. «Die CO2-Messung in der Sauna wird immer häufiger installiert.»
«Mit einer Cloud das Fitness persönlich machen.»
Der studierte Betriebswirtschafter Oliver Marangoni ist Sales Director der Johnson Health Tech. (Schweiz) GmbH. Die Johnson Health Tech. (Schweiz) GmbH ist das Schweizer Tochterunternehmen der Johnson International Holding Corp. Ltd. mit Sitz in Taiwan. Die Firma gehört weltweit zu den Top drei der grössten Fitnessgerätehersteller. [IMG 8]
johnsonfitness.eu
«Betreute Angebote werden immer wichtiger»
Roland Lymann ist seit 2008 Dozent für Gesundheitstourismus am Institut für Tourismuswirtschaft an der Hochschule Luzern und ist Mitglied der Arbeitsgruppe für Thermalbäder des Global Wellness Institute in New York. Er auditiert Kurhäuser, Thermalbäder und Wellnessdestinationen und forscht zu Erfolgsfaktoren und Gästeverhalten. [IMG 9]
hslu.ch/itw
«Der Fernüberwachung gehört die Zukunft»
Sonja Britschgi-Stalder ist dipl. Wirtschaftsfachfrau VSK, seit zwölf Jahren Marketingleiterin und seit zwei Jahren Geschäftsführerin des Familienbetriebs Vivell AG. Das Unternehmen für Schwimmbadtechnik besteht seit 60 Jahren, plant und realisiert schweizweit Schwimmbäder. Vivell ist Schweizer Generalvertreter von OSPA-Wasseraufbereitungsanlagen. [IMG 10]
vivell.ch
«Spass und Fitness müssen sich nicht ausschliessen»
Rolf Schmidt, Kaufmann mit MBA, ist seit 2005 bei der Keramik Laufen AG Leiter Marketing, Verkauf und Kundendienst, und dies seit 2009 auch für die Similor AG. Laufen ist ein Komplettausstatter im Badezimmerbereich. Die Similor AG ist Spezialist für Bad-Armaturen. Entwickelt und produziert wird in der Schweiz. [IMG 11]
laufen.ch
similor.ch
«Unbedingt einen Loungebereich vorsehen»
Die Klafs AG ist seit über 90 Jahren marktführend im Bereich Sauna, Pool und Spa und betreibt eigene Entwicklungs- und Produktionsstätten, um den stetig wachsenden Ansprüchen der Kunden gerecht zu werden. Martin Thurnheer ist Projektspezialist und gehört seit acht Jahren zum 40-köpfigen Team des Schweizer Unternehmens der Klafs-Gruppe. [IMG 12]
klafs.ch
«Ruheflächen gehen oft vergessen»
Der gebürtige Churer mit Hotelfachschuldiplom (HF Thun) und MBA der Universität Guelph, Mirco Plozza, begleitete als verantwortlicher Direktor für die Hauenstein Hotels Neukonzeption und Neubau des ehemaligen Gwatt-Zentrums in Gwatt (Spiez). Seit der Eröffnung des Deltapark Vitalresorts mit Schwerpunkt Medical Wellness führt er das am Thunersee gelegene Hotel. [IMG 13]
deltapark.ch
Tischgespräch
Die Lobby ins Zentrum rücken
Betten bieten können auch andere. Auf Airbnb werden Zimmer angeboten, die oft kreativer und sicher individueller sind als ein Hotelzimmer. Der Unterschied zum Hotel liegt im Drumherum, im Service. Nicht in der klassischen Gastronomie, das können andere oft besser, gerade Stadtbetriebe überlassen das Geschäft lieber Restaurants in der Umgebung. Sondern im Empfang, in der Betreuung, in der Social Community.
Und hierfür ist die Lobby die immer bedeutendere Drehscheibe. Denn wenn das Restaurant wegfällt und auch der Check-in online läuft, braucht es neue Möglichkeiten der Vernetzung unter den Gästen und zwischen Hotel und Gast – und das offline. Wie Lobby und Empfang gestaltet sein müssen, damit sie dieses Potenzial voll entfalten, darüber diskutierten auf Einladung der htr hotel revue Designer, Vertreter der Einrichtungsbranche und ein Hotelier.
Branchenprofis bringen die Themen auf den Punkt
Mit dem htr-Tischgespräch möchte die htr hotel revue Lieferanten, Hoteliers und weiteren Vertretern der Branche die Möglichkeit geben, relevante Themen gemeinsam zu vertiefen. Die Diskussionsplattform in Bern bewährt sich bereits im zweiten Jahr. Das erste Tischgespräch im 2019 stand unter dem Thema «Das Buffet», im April diskutierte man über «Tabletop». Weitere Tischgespräche folgen im Verlaufe des Jahres.
Immer mehr wird die klassische Réception im Empfang eher als trennendes statt als verbindendes Element zwischen Gast und Hotel gesehen. Michael Böhler, General Manager der Ambassador & Opera AG in Zürich, hat in der im Mai eröffneten «The Lobby» deshalb auf die Réception verzichtet und stattdessen eine Café & Cocktailbar mittig in die Lobby platziert. Die ehemaligen Réceptionsmitarbeitenden sind heute Gastgeber, servieren genauso Kaffee und Co. und der Check-in und -out erfolgt am Tablet, direkt am Tresen oder auf einem der gemütlichen Loungesitze. Die neue Aufgabenbreite verlange weniger Fachkompetenz und mehr Sozialkompetenz, was auch die Rekrutierung erleichtere.
Als eine der Ersten hatte Hyatt mit seiner Luxus-Trend-Marke Andaz sich bereits vor einigen Jahren von der Réception verabschiedet. Die Lobby wirkt wie ein weitläufiges Wohnzimmer, am grossen «Küchentisch» kredenzt der Andaz-Mitarbeitende dem Gast sein Getränk, selbst auf den Bartresen hat man hier verzichtet.
Wenn das Réceptionsdesk auch Apérotisch ist
Der Schweizer Innendesigner Claudio Carbone, der auch das jüngste «Andaz» in Wien gestaltete, betonte beim htr-Tischgespräch jedoch, dass man je nach Konzept von einem kompletten Verzicht auf die Réception wieder abkommt. «Man hat gemerkt, dass man an einem Desk nicht vorbeikommt.» Insbesondere dort, wo gehäufte Gästeankünfte in kurzer Zeit zu verkraften seien, wie im Kongress- oder Gruppengeschäft, scheint das Réceptionsdesk noch immer die zweckmässigste Lösung. Das lässt sich aber durchaus auch mit einer individuelleren Empfangslösung, wie es «The Lobby» praktiziert, verknüpfen. Im frisch renovierten und ebenfalls von Claudio Carbone designten «Quellenhof» in Bad Ragaz (siehe Seite 15) bildet ein riesiger, gehauener Granit das Réceptionsdesk. Der Stein kann aber genauso als Apérotisch oder Stehtisch benutzt werden. Im Idealfall sei die Lobbyeinrichtung multifunktional, die «Bespielung» gebe dem Inventar erst seine Funktion, so Carbone und verweist auf das Beispiel «Quellenhof»: «Nur wenn der Réceptionsmitarbeitende am Granitdesk steht, wird dieses als Réception wahrgenommen.»
Der renommierte Innendesigner relativiert in diesem Zusammenhang die Bedeutung seiner eigenen Zunft fürs Hotelgeschäft: «Die Menschen, machen ein Hotel zu dem, was es ist, nicht die Innenarchitektur», so Carbone. 50 bis 70 Prozent des Umsatzes hingen von den Menschen, also den Mitarbeitenden und der Führung ab. Die Inneneinrichtung biete den Rahmen dafür.
Diese gilt es ins richtige Licht zu setzen. Das ist das Kerngeschäft von Markus Bührer, Geschäftsinhaber der Bührer Licht AG. Die Beleuchtung sollte mehr als dem Gast den Weg zum Lift weisen. «Im Lobbybereich sehe ich häufig lieblos ausgeleuchtete Sitznischen. Da kann der Gast sich nicht wohlfühlen», meint Bührer. Die Beleuchtung sei bei Um- und Neubauten oft kein vorrangiges Thema, vielmehr stünde sie im Schatten der Inneneinrichtung. «Ist der Raum gestaltet, denkt man zum Schluss noch ans Licht, und dann muss oft allles sehr schnell gehen. Das ist schade», moniert der Beleuchtungsexperte während der Diskussion.
Wie eine gute Lichtführung aussehen muss, erläutert Claudio Carbone: Für eine Wohlfühlatmosphäre sollte Licht in erster Linie gerichtet, nicht gestreut sein, ganz unabhängig von der eigentlichen Lichtquelle. Nur gerichtetes Licht bringe auch Schatten hervor, demonstrierte der Innendesigner anhand eines Modells der versammelten Runde. Das sei auch das Geheimnis des stimmungsvollen Kerzenlichts. Claudio Carbone erläutert: «Nicht das Licht ist wichtig, sondern der Schatten.» Erst das Zusammenspiel aus beidem lasse den Raum leben, setze Akzente.
Verena Zaugg, Innenarchitektin der Krucker Partner AG, ergänzt, dass gestreutes Licht je nach gastgewerblichem Konzept aber durchaus Sinn machen kann: «Beim Take-away wird Licht bewusst gestreut. Hier will man die Verweildauer des Gastes an der Theke kurz halten, damit der Verkauf nicht behindert wird.» Die Innenarchitektin betont zudem, neben dem Visuellen seien Gerüche und Akustik genauso bedeutend für die Raumatmosphäre.
Oft wird zuerst in die Hotelzimmer investiert
Nicht nur das Licht, sondern die Gestaltung von Lobby und Empfang per se stünden beim Hotelier häufig nicht an erster Stelle, wenn es um eine Neugestaltung des Hauses geht. «Oft wird erst in die Zimmer investiert. Der öffentliche Raum wird selten prioritär behandelt», konstatiert Daniel Meer, Mitglied der Geschäftsleitung des Objekteinrichters Meer AG. Dabei sei der Empfang die Visitenkarte des Hauses und die Lobby Bühne für das Hotelleben. Die Priorisierung der Zimmer bei Neuinvestitionen ist für Verena Zaugg nachvollziehbar: «Mit den Zimmern verdient der Hotelier das Geld», trotzdem müsse das Gesamterlebnis stimmen, betont sie. Dass eine attraktive Lobby ebenso wie frisch renovierte Zimmer einen positiven Einfluss auf Auslastung und RevPAR hat, davon ist Michael Böhler überzeugt: «Ich rechne damit, dass unsere neue «The Lobby» den RevPAR im Hotel Opera nach oben treiben wird.»
Viel zur Atmosphäre trägt die Innenbegrünung bei, darüber waren sich alle Teilnehmenden einig. Der Spezialist in der Runde, Moritz Küderli, Inhaber und CEO der Hydroplant AG, weist darauf hin, dass Raumbegrünung viel mehr ist als Schnittblumen oder Blumengestecke: «Damit Pflanzen eine Wirkung auf das Raumklima haben, müssen sie wachsen können.» Ein höherer Feuchtigkeits- und Sauerstoffgehalt sowie weniger Lärm seien das Resultat. Zudem senke der Anblick von Pflanzen-Grün den Stresslevel. Das ist ein wissenschaftlich belegter Fakt.
Der neue Trend: Einrichtung, die Bestand hat
Innenbegrünung kann aber noch mehr. Zum Beispiel bei einem Stadthotel eine fehlende Terrasse kompensieren. Moritz Küderli führt Hotelbeispiele aus Singapur an: das Park Royal Hotel und das Oasia Hotel (beide von Woha Architekten) sowie das Shangri-La Hotel, bei denen ganze Innenbereiche so begrünt seien, «dass man den Innenbereich eher als Aussenbereich wahrnimmt». «Da braucht es dann keine Terrasse mehr», wirbt Moritz Küderli. Beim frisch renovierten «Quellenhof» habe man eine halbe Million Franken, was rund einem Prozent der Investitionssumme entspricht, in die Innenbegrünung investiert, verrät Claudio Carbone.
Hotels könnten nicht nur grüner, sondern auch nachhaltiger werden. Daniel Meer stellt ein steigendes Bewusstsein für die Herkunft der Einrichtungsmaterialien fest. «Immer mehr wollen keine Produkte aus China mehr und geben Schweizer Schreinern, die Schweizer Ware einsetzen, den Vorrang», so der Objekteinrichter. Beim Licht sei das noch anders, entgegnet Markus Bührer: «Hier wird oft gespart und Billigware aus China gewählt.» Nachhaltigkeit hiesse aber auch, dass weniger häufig, dafür qualitativ hochwertiger erneuert wird, betont Claudio Carbone. «Hotelzimmer müssen wieder 20 Jahre halten.» Die immer kürzer werdenden Renovationszyklen vieler Hotelketten, finanzierbar nur mit Billigware, hätten keine Zukunft. «Die künftige Gästegeneration goutiert das nicht mehr», ist Carbone überzeugt.
«Der öffentliche Raum wird selten prioritär behandelt.»
Daniel Meer ist Mitglied der Geschäftsleitung der Meer AG in Bern. Der Objektmöblierer zählt Gastronomie, Heime, Hotellerie, Spitäler, Verwaltungen und öffentliche Räume zu seinem Kerngeschäft. Schwerpunkt ist die Konzepterarbeitung von individuellen Lösungen mit Standardprodukten. Die Meer AG hat ihre Wurzeln in einer 1876 eröffneten Schreinerei in Huttwil. [IMG 7]
meer.ch
«Gerüche und Akustik sind genauso wichtig für das Raumerleben.»
Verena Zaugg-Faszl ist Innenarchitektin bei dem schweizweit tätigen Innenarchitektur- und Bauleitungsbüro Krucker Partner AG in Rothenburg, das sich auf die Gesamtkonzeption von Hotel- und Gastronomie-Um- und -Neubauten spezialisiert hat. Das Unternehmen wurde 2002 gegründet. Zaugg-Faszl arbeitet seit sechs Jahren in der Hotellerie. [IMG 8]
krucker-partner.ch
«Ich rechne damit, dass ‹The Lobby› den RevPAR nach oben treibt.»
Michael Böhler ist seit 2016 CEO der Small Luxury Hotel Ambassador & Opera Hotel Zürich AG. Die 4-Sterne-Hotels Ambassador und Opera liegen einander direkt gegenüber im Zürcher Seefeld. Das Ambassador ist ein Boutiquehotel mit 45 Zimmern, das Opera ein Hotel garni mit 58 Zimmern und dem neuen Konzept «The Lobby», das Hotelbar und Empfang vereint. [IMG 9]
ambassadorhotel.ch
operahotel.ch
«Von einem völligen Verzicht auf die Réception kommt man ab.»
Innenarchitekt Claudio Carbone gründete 2000 Carbone Interior Design. Mit seinem Team gestaltet der renommierte Designer 5-Sterne-Hotels und Luxuswohnungen. Seine Kunden sind internationale Hotelketten und bekannte Einzelhotels von Rang und Namen: Carbone gestaltete das am 10 Juli wiedereröffnete Grand Hotel Quellenhof in Bad Ragaz. [IMG 10]
carbone-design.com
«Die Beleuchtung sollte mehr als dem Gast den Weg zum Lift weisen.»
Markus Bührer ist Geschäftsinhaber der Bührer Licht AG. Die Firma realisiert umfassende Beleuchtungskonzepte – von der Planung über die Auswahl der passenden Leuchten bis hin zur Montage. Kunden sind sowohl Private als auch Hotels oder Restaurants. In Matzingen führt man einen Lampenshop, der mit über 2000 Lampen zu den grössten der Schweiz zählt. [IMG 11]
buehrerlicht.ch
«Man kann so begrünen, dass man Innen als Aussen erlebt.»
Der Betriebswirtschafter Moritz Küderli hat 2007 die Geschäftsleitung der Hydroplant AG von seinem Vater übernommen. Das Schweizer Unternehmen für Innenbegrünung mit eigener Gärtnerei in Gossau wurde 1972 gegründet und zählt heute über 50 Mitarbeitende. Für die Innovation Verticalis wurde Hydroplant mit dem Red Dot Design Award ausgezeichnet. [IMG 12]
hydroplant.ch
Gudrun Schlenczek
Tischgespräch
Das Tischgedeck im Windschatten der Kulinarik
Sie stecken derzeit mitten im Findungsprozess: Im «Casino Bern», welches im September sein Comeback feiert und unter der Leitung von Ivo Adam zu einem kulinarischen Flaggschiff der Bundesstadt mit insgesamt fünf Outlets werden will, ist das Tabletop derzeit ein Dauerthema. «Setzen wir im Restaurant auf weisses Tischtuch oder lassen wir es gleich weg? Welches Besteck passt zum avantgardistischen Geschirr der Bistro-Bar? Was lassen wir anfertigen, und was beziehen wir ab Stange? Sicher ist derzeit einzig, dass der gesamte Eventbereich mit seinen bis zu 550 Plätzen allein im 1. Stock klassisch mit Tischtuch, Silberbesteck und nachhaltig produziertem, weissem Porzellan ausgerichtet sein wird», lässt Dave Wälti die Runde am Prozess teilnehmen. Wälti, von der ausgezeichneten und mittlerweile geschlossenen «Eisblume Worb» kommend, ist als Küchenchef der Bistro-Bar massgeblich beteiligt an der Entwicklung und sagt selber, dass dieses Suchen nach der auf allen ebenen stimmigen Ausstattung gar nicht einfach ist, «erst recht nicht, wenn man wie wir eine Carte blanche hat», lacht er.
Branchenvertreter diskutieren relevante Themen
Mit dem htr-Tischgespräch möchte die htr hotel revue Lieferanten, Hoteliers und weiteren Vertretern der Branche die Möglichkeit geben, relevante Themen gemeinsam zu diskutieren und zu vertiefen. Bereits im Januar 2019 lud die htr hotel revue zum Tischgespräch nach Bern zum Thema «Das Buffet». Das erste Tischgespräch war dem Thema «Hotelfrühstück» gewidmet (htr hotel revue vom 8.2.2018), das zweite dem «Hotelzimmer» (htr hotel revue vom 19.4.2018), das dritte dem «Convenience Food» (htr hotel revue vom 14.6.2018), das vierte dem Thema «Kaffee und Tassenbeilage» (4.10.2018), das vorletzte «Einkauf und Logistik» (13.12.2018). Die htr-Tischgespräche haben sich als Diskussions- und Austauschplattform bewährt; weitere folgen im Verlaufe des Jahres. gsg/fee
Die Terroir-Küche hat das Tischgedeck stark verändert
Gemeinsam mit fünf weiteren Fachleuten hat sich der Koch an diesem Mittwochvormittag für ein Roundtable-Gespräch der htr hotel revue eingefunden rund um das Thema «Tabletop – Tischkultur». Es ist ein Bereich der Gastronomie, der sich seit geraumer Zeit und im Zuge der ganzen Terroir-Küche, die längst auch die Schweiz erfasst hat, einem grossen Wandel unterworfen sieht, der irgendwo schwankt zwischen Klassik und Avantgarde, zwischen herkömmlichem weissen, opulenten Gedeck und reduzierter, kühler Tischkultur, vor allem aber immer individueller wird – was sich gut zeigt am Beispiel «Casino Bern». Dieses gehört der Burgergemeinde Bern, ist daher ein Haus mit weitreichender Tradition und entsprechender Klientel, will aber als modernes Konzert- und Gesellschaftshaus in die Zukunft gehen, will also – um es kulinarisch zu sagen – den trendigen Foodie wie auch den Liebhaber von Grosses Pièces abholen. So erhält ein jedes Outlet seine eigene Tischkultur, die die gebotene Kulinarik unterstreichen soll. So verfährt aber auch das Zürcher Traditionshotel St. Gotthard, das in seiner legendären «Hummer- und Austernbar» auf klassisch weisse Tischkultur und im Lobby-Bistro auf Läufer und Stoffservietten setzt, während man in der Manzoni-Bar auf all dies verzichtet, um mit dieser Bandbreite eine möglichst breite Klientel anzusprechen, wie General Manager Martin Santschi erzählt.
Insbesondere am Beispiel Textilien ist gut ersichtlich, zeigt die angeregt diskutierenden Runde, wie gross derzeit der Wandel ist. Ob sie, fragt Hotelier Santschi die beiden anwesenden Textilfachleute ganz direkt, einen Einbruch erfahren hätten, und wie der sich zeige. «Es sind sicherlich herausfordernde Zeiten», erwidert Manuel Küng und bestätigt damit, was Dave Wälti mit seinen Ausführungen rund um die Ausstattung des «Casino Bern» bereits angedeutet hat. «Zahlreiche neue Restaurants, selbst solche im hohen Gourmet-Segment, reduzieren ihre Tischkultur vermehrt auf ein Minimum. Das bekommen wir sehr wohl zu spüren: Oftmals will man kein Tischtuch mehr, da werden bestenfalls Läufer oder Sets eingesetzt – wenn überhaupt. Der Trend geht eindeutig hin zu mehr Kleinteilen, was letztlich Auswirkungen auf die Stoffmenge hat», erzählt der Verkaufsleiter der Burgdorfer Leinenweberei Schwob AG. Diese ganze Entwicklung führte, fügt er an, zu einem völligen Umdenken innerhalb des Betriebs mit einem stärkeren Fokus auf individuelle Anfertigungen im Kleinstmengenbereich.
Das bestätigt Lars Zimmermann, Mitinhaber der Zimmermann Textil AG in Belp BE: «Unser beider Vorteil ist sicherlich, dass wir als KMUs sehr flexibel sind. Wir arbeiten beispielsweise mit einer Weberei in Deutschland, dank der wir Halbleinen in 40 verschiedenen Farben bereits ab einem einzigen Stück produzieren können. Der Einsatz von individuell gestalteten Läufern beispielsweise ermöglicht auch Res- taurants ganz neue stilistische Wege – solche Lösungen als Ergänzung zur herkömmlichen, standardisierten Handelsware wurde für uns zu einem wichtigen Wirtschaftszweig». Die Terroir-Welle hatte aber nicht nur zur Folge, dass das klassische Tischtuch vermehrt verschwindet. Im Gegenzug, bemerkt Küng, hat die Haptik an Bedeutung gewonnen, was ihnen auch zugutekommt. «Der Gast von heute will das Material spüren, wünscht Wertigkeit, insbesondere auch beim Stoff, was sich einerseits beim verwendeten Material, aber auch in der Webart zeigt», erklärt er.
Die Herausforderung heute: alles aufeinander abzustimmen
Dieser Wunsch nach Haptik, die die moderne, regionale, nachhaltige Kochkunst mit sich bringt, sie beschäftigt die Tischkulturbranche durch alle Bereiche hindurch. Auch Heinz Bolli, Kundenberater bei der Solothurner Firma Banholzer AG bemerkt: «Weisses, klassisches Porzellan? Heute sind vor allem Steingut und Keramik in allen Erdfarben und allen möglichen Formen gefragt, das durchaus auch unvollkommen daherkommen darf». Und Besteck-Spezialist Matthias Spitz fügt an: «Abgesehen von Klassikern wie etwa die unverwüstliche Gastro-Serie Baguette kommen selbst in gehobensten Restaurants immer mehr ultramoderne Serien zum Einsatz wie etwa Gaya mit seiner matten Oberflächenbehandlung, dem Set in Kupfer, Gold oder gar Schwarz», so der CEO des Besteckherstellers Sola mit Sitz in Emmen LU.
Die grosse Herausforderung besteht dann wiederum darin, alle Teile aufeinander abzustimmen – selbst wenn es eine Mischung aus Standard- und Massanfertigung ist – sodass von der klassischen Menüfolge bis zum Sharing-Dinner jeweils ein stimmiges Ganzes entsteht. Dass dies vielfach gar nicht so einfach ist, weiss Dave Wälti derzeit nur zu gut: «Es ist enorm wichtig, den Ablauf auch als Koch zu testen. Sprich: Wie isst es sich aus dem Teller? Wie speichert er die Wärme? Passt der Löffel dazu? Welches Geräusch gibt dieser beim Anhäufen ab? Wie funktioniert das Ganze als Gesamtbild? Das sind alles Punkte, die man selbst zwingend beachten und durchspielen muss», sagt er. Für seine Bistro-Bar haben sie sich für sechs verschiedene Teller entschieden, die gar beidseitig einsetzbar sind, also insgesamt zwölf Serviervarianten ermöglichen. Nach zwei, drei Jahren, so die Idee, soll das Set verkauft und der Erlös in die nächste Produktion investiert werden. «Damit versuchen wir, auch im Non-Food-Bereich einen Kreislauf zu schliessen. Gleichzeitig können wir uns Schritt für Schritt weiterentwickeln und unser Konzept schärfen», so Wälti.
Diese Herangehensweise an eine Tischkultur – kurzlebiger, flexibler, aber sehr wohl wirtschaftlich durchdacht – kommt bei den anderen gut an. «Allein zu überlegen, wo wollen wir in zwei, wo in zehn Jahren stehen, lohnt sich auch in dieser Hinsicht für jeden Betrieb», findet Martin Santschi vom Hotel St. Gotthard anerkennend. Dennoch ist man sich auch einig: Was beim einen funktionieren kann, ist noch kein Garant für den anderen. Was zu welchem Haus passt und ob die entsprechende Ausstattung vom Gast auch honoriert wird und allenfalls zu mehr Gästeaufkommen führt, das ist so eine Krux. «Letztlich ist die Kultur eines Hauses alles entscheidend», sagt Banholzer-Kundenberater Heinz Bolli. Gerade auch für die Zulieferer haben sich im Zuge des individualisierten, massgeschneiderten Tabletops die Anforderungen gewandelt. «Wir werden immer mehr zu persönlichen Beratern und Ideenlieferanten», bemerkt Spitz von Sola. Und Heinz Bolli ergänzt: «War Banholzer einst bekannt für seinen dicken Katalog, ab dem einfach bestellt wurde, so wünscht der Gastronom und Hotelier heute eine allumfassende Beratung, ein individuelles Gesamtpaket». Dies hat zur Folge, dass der Solothurner Gastrobedarf-Anbieter sein Angebot mit neu- en Showrooms in St-Légier JU und St. Gallen stetig ausbaut, um so auch mehr Kundennähe garantieren zu können.
Was zu den einen Betrieben passt, funktioniert in anderen nicht
All diese Veränderungen werfen letztlich auch die Frage auf: Wie ist das nun mit der weissen Tischwäsche und dem Porzellan – ist das völlig überholt? Im Gegenteil, ist man sich einig, und das zeigt sich nicht zuletzt auch am Beispiel Hotel St. Gotthard, das mehrere Versuche gestartet hat, zeitgemässer zu werden. Santschi erzählt, dass sie oft die Frage umtreibe, was zu einem Haus wie dem ihren passe. «Bunte Läufer auf den Tischen unserer Terrasse, Kellner in T-Shirts, Dinieren am Tresen unserer ‹Hummer Bar› – alles Dinge, die andernorts ziehen, funktionieren bei uns einfach nicht», lautet General Manager Santschis Erkenntnis. «Bei uns drängt sich einfach die weisse Tischkultur auf», fügt er augenzwinkernd an. «In einem so klassischen Haus wie dem ihren ist das aber auch einfach stimmig», bestätigt ihn Küng von der Leinenweberei Schwob, der auch mit Freude beobachtet, wie selbst Gastrogruppen mitunter aus Nachhaltigkeitsgründen von Papier- wieder vermehrt auf weisse Stoff-Servietten umstellen.
Die Textilbranche hat längst neue Wege eingeschlagen. «Wir experimentieren mit Hanf oder Flachs vom benachbarten Bauern – was nicht nur punkto Haptik spannend ist, sondern auch bezüglich Regionalität», so Küng. «Es ist letztlich auch eine Frage der Verfügbarkeit», schliesst sich Zimmermann an, «Leinen ist auch in der Mode sehr gefragt, weswegen sich Engpässe ergeben, was wiederum die Preise in die Höhe treibt», so der Mitinhaber der Textil-Firma, welche sich ebenfalls an neuen Rohstoffmaterialien versucht, wie etwa einer Faser aus rezyklierten PET-Flaschen.
Gut möglich, dass das Pendel zurückschlägt, nicht nur im Textilen. «Vermehrt fragen Junge nach klassischem Silberbesteck», beobachtet Matthias Spitz von Sola, und Heinz Bolli von Banholzer spürt das Traditionelle in einer erhöhten Nachfrage nach Weingläsern mit hohem Stiel. Dave Wälti, als 31-Jähriger ein Vertreter dieser neuen, jungen Generation, bestätigt sie in ihrer Wahrnehmung: «Ich bin je länger desto mehr überzeugt von der klassischen, weissen Tischkultur. Es gibt nichts, das so zeitlos und vielseitig einsetzbar ist und dabei doch immer modern bleibt.»
«Die Kultur des Hauses entscheidet mit.»
Heinz Bolli ist Kundenberater bei Banholzer AG mit Sitz in Deitingen SO. Der Anbieter von Dienstleistungen und Artikeln für die Gastronomie, Gemeinschafts- und Systemgastronomie beschäftigt 36 Mitarbeitende. Das Unternehmen investiert derzeit in den Aussendienst: Nebst dem Showroom in Deitingen wurde neu einer in St-Légier JU eröffnet. Per Juli 2019 folgt ein dritter in St. Gallen. www.banholzer.ch [IMG 3]
«Die Haptik ist wichtig, man will spüren.»
Manuel Küng ist Leiter Verkauf bei der Emmentaler Leinenweberei Schwob AG. Seit 1872 produziert, näht und veredelt sie Textilien nach Schweizer Qualitätsstandards für die Hotellerie und Gastronomie sowie für das Gesundheitswesen rund um die Wäsche für Tisch, Bett, Küche und Bad. Das Unternehmen ist Öko-Texund Max-Havelaar-zertifiziert, zu ihm gehören sechs eigene Wäschereien. www.schwob.ch [IMG 4]
«Wir setzen vermehrt auf Kleinstmengen.»
Lars Zimmermann, Mitinhaber Zimmermann Textil AG mit Sitz in Belp, hat 2006 zusammen mit seinem Bruder Jens und seinem Vater Ulrich die Textilfi rma gegründet. Das Familienunternehmen ist spezialisiert auf Tisch-, Bett-, Frottier- und Küchenwäsche. Nebst Standardprodukten setzen sie verstärkt auf Sonderanfertigungen und spezielle Konfektion, Farben, Einwebungen bis hin zu Stickereien. www.zimmermanntextil.ch [IMG 5]
«Wir stehen für die klassische Tischkultur.»
Martin Santschi ist seit 16 Jahren General Manager des 4-Sterne-Superior-Hotels St. Gotthard in Zürich, das 1889 vom Hotelier Caspar Manz eröffnet wurde und heute in vierter Generation, aber weiterhin von Verwaltungsratspräsidentin Ljuba Manz geführt wird. Das Familienhotel verfügt über 138 Zimmer und ist weit herum bekannt für seine bereits 1935 gegründete «Hummer- und Austernbar». www.hotelstgotthard.ch [IMG 6]
«Klassisches SilberBesteck ist gefragt.»
Matthias Spitz ist CEO der Firma Sola Switzerland AG mit Sitz in Emmen LU. Die Firma, 1866 gegründet, ist der grösste Schweizer Hersteller von Besteck, Porzellan und ServierZubehör. Die Versilberung erfolgt nach wie vor in Emmen in der hauseigenen Galvanik. In ihrem Designstudio werden 3D-Modelle eins zu eins entworfen, produziert wird an verschiedenen Standorten der Welt. www.sola.ch [IMG 7]
«Es ist enorm wichtig, alles selber zu testen.»
Dave Wälti ist Küchenchef der Bistro-Bar im «Casino Bern», welches im September wiedereröffnen wird. Derzeit wird das Traditionshaus für 78 Millionen Franken umgebaut. Unter der Leitung von Ivo Adam entsteht in der Berner Kulturstätte eine moderne Gastronomie mit fünf verschiedenen Betrieben: eine Kaffee-Bar, eine Bistro-Bar mit Counter Dining, ein FineDining-Restaurant, ein Kitchen Table sowie ein Chefs Table. www.casinobern.ch [IMG 8]
Tischgespräch
Ein kulinarischer Evergreen orientiert sich neu
Das Thema ist enorm breit, vielseitig, komplex, ja, man könnte fast sagen: ufer- und bodenlos. Das zeigte sich nur schon in der kurzen Zeit vor dem offiziellen Tischgespräch, als die geladenen Gesprächsteilnehmer eintrafen und zur allgemeinen Beschnupperung erste Worte miteinander wechselten. «Das reicht ja vom Salatbuffet in der Gemeinschaftsgastronomie über das Flying Buffet während eines Seminars bis zum Frühstücksbuffet im 5-Sterne-Hotel», fasste es Willy Iten zusammen, Key Account Projekt Manager bei Beer Grill, dem Spezialisten für kalte und warme Speisenvitrinen. Und auch wenn man sich dann gut zwei Stunden später, am Ende des Gesprächs, einig war, dass es das Buffet in irgendeiner Form immer geben wird, es eigentlich ein «gastronomischer Evergreen ist, irgendwo halt zwischen verstaubt und zeitgemäss», wie TV-Koch und Gastrounternehmer René Schudel pointiert anmerkt, so gab es dazwischen doch enorm viel zu diskutieren: Wie und wann und in welcher Form wird es heute eingesetzt? Wie gehen die verschiedenen Beteiligten – der Gastronom, aber auch der Gerätehersteller oder der Geschirr-Vertreiber – mit dem hochaktuellen Thema Food-Waste um? Welche Rolle spielt das Personal? Welche die Präsentation, die Lichtführung, die Hygiene?
Branchenvertreter diskutieren relevante Themen
Mit dem htr-Tischgespräch möchte die htr hotel revue Lieferanten, Hoteliers und weiteren Vertretern der Branche die Möglichkeit geben, relevante Themen gemeinsam zu diskutieren und zu vertiefen. Bereits im Januar lud die htr hotel revue erneut zum Tischgespräch nach Bern, diesmal zum Thema «Das Buffet». Das erste Tischgespräch war dem Thema «Hotelfrühstück» gewidmet (htr hotel revue vom 8.2.18), das zweite dem «Hotelzimmer» (htr hotel revue vom 19.4.2018), das dritte dem «Convenience Food» (htr hotel revue vom 14. Juni), das vierte dem Thema «Kaffee und Tassenbeilage» (4.10.2018), das vorletzte «Einkauf und Logistik» (13.12.2018). Die htr-Tischgespräche haben sich als Diskussions- und Austauschplattform bewährt; weitere folgen im Verlaufe des Jahres. (gsg/fee)
Mit kleineren Gefässen und Food-Inseln Abfall verringern
Um diesen und vielen Fragen mehr auf den Grund zu gehen, haben sich an diesem Januar-Mittwoch sechs Fachleute aus den verschiedensten Ecken der Gastro-Branche für ein Roundtable-Gespräch eingefunden und sich angeregt ausgetauscht. Martin Lemke, als Operation Business Partner von SV Hotel verantwortlich für den Operations Support und den Einkauf, hat sich im Vorfeld an das Tischgespräch noch in seinem Unternehmen erkundigt – immerhin umfasst die zur SV Group gehörende Unternehmung rund zehn Hotels, darunter auch die trendige Lifestyle-Hotelmarke Moxy und das eigene, innovative Hotelkonzept Stay Kooook. Bis zu 60 Prozent der Gäste, hat man ihm bescheinigt, würden nach wie vor vom Hotel-Frühstück Gebrauch machen. Mehr noch, so Lemke: «Im ‹Moxy› boten wir zu Beginn – passend zum lässigen Image, so dachten wir jedenfalls – ein eher rudimentäres Frühstück an. Das kam aber nicht nur gut an und brachte uns in den einschlägigen Online-Portalen Kritik ein. In der Folge haben wir es angepasst und vor allem das Buffet mit einem Warmanteil ergänzt». Seither zeigt das Gästeerlebnis nach oben – was zu der Erkenntnis führte: Das Frühstück ist matchentscheidend, und da spielt das Buffet nach wie vor eine ganz zentrale, eine entscheidende Rolle.
Dennoch erfährt auch dieses, einst ein grosses Aushängeschild so manchen Betriebs, derzeit grosse Veränderungen, und die kommen nicht von ungefähr: Food-Waste ist das Stichwort der Stunde, das von Beginn weg auch die Tischrunde dominiert und, wie sich zeigt, alle Bereiche der Branche beschäftigt. Schudel erzählt von verschiedensten Betrieben – vom urbanen, internationalen «25hours» bis zum luxuriösen «Cervo» in der Feriendestination Zermatt –, die neue Formen anstreben und bestehende ergänzen: ersterer etwa mit To-go-Möglichkeiten für die geschäftige Gästeschar, letzterer mit einem kleineren Buffet ergänzt mit Kochinseln sowie einem A-la-carte-Angebot, mittels denen Frische zelebriert, aber auch nur noch zubereitet wird, was geordert wird. «Beides hat zum Ziel, Food-Waste zu verringern, gleichzeitig aber auch den heutigen Gästebedürfnissen gerecht zu werden und die Mitarbeiterkosten im Griff zu halten», ist Schudel überzeugt.
Diese aktuellen Tendenzen – Nachhaltigkeit gepaart mit trendigen Innovationen – spürt auch der Convenience-Spezialist Gmür: «Bei uns sind insbesondere im Apéro- und Dessert-Bereich Flying Buffets mit möglichst grosser Flexibilität vermehrt gefragt. Will heissen: kleinere Einheiten, die flexibel einsetz- und kalkulierbar sind. Das ist nicht nur im Sinne des Food-Waste und des Kostendrucks, es zelebriert Essen gleichzeitig auf unterhaltsame Weise, was bei den Gästen derzeit hoch im Kurs steht. Ganz abgesehen davon, dass es unliebsame Staubildungen, wie sie vor Buffets schnell möglich sind, verhindert», erzählt Gmür-Key-Account-Manager Dominik Salzer.
Das Buffet ist zwar ein Selbstläufer, erfordert aber Pflege
Auch die Zulieferer im Bereich der Gerätschaften beschäftigt das Abfall-Thema rund um das Buffet. «Wir empfehlen den Gastronomen vermehrt kleinere Gefässe und Schüsseln. Sie sind nicht nur attraktiver, sondern auch von Vorteil, um die Menge besser kontrollieren und die Frische garantieren zu können. Das bedingt jedoch einen grösseren Zeit- und Personalaufwand – weswegen sich am Ende dann doch viele wieder für grössere Behältnisse entscheiden. Da kollidieren vielfach Wünsche und Vorstellungen mit Logistik und täglichem Ablauf», so die Erfahrung von Tabletop-Fachmann Kurt Rüegg, Directeur Commercial der eben neu gegründeten Firma Ecotel Suisse SA. Ähnliches berichtet Willy Iten von der Beer Grill AG, die Systeme rund um die Präsentation und Zubereitung von Buffets erstellt. Er sagt: «Nicht selten mangelt es auch an einem klaren Konzept. Sprich: Der Gastronom wünscht zwar ein Buffet, hat aber wenig Vorstellung davon, welchen Anforderungen es genügen, welcher Gästestruktur es entsprechen und mit welchem Personalaufwand es bewältigt werden soll.» Denn Fakt ist und bleibt: Auch wenn das Buffet eine Art kulinarischer Selbstläufer ist, so erfordert es Aufwand, vor allem regelmässige Aufmerksamkeit und Pflege, eine optimale Lichtführung, ja, auch einen Gastgeber, der Auskunft zu Produkten und Inhaltsstoffen geben kann. Dinge, findet Iten, die gerne vergessen gehen.
Tibits machts vor: Klassisches Buffet in seiner modernsten Form
An diesem Punkt kommt nicht nur für Dominik Salzer von der Gmür AG, der sich heute viel mehr als Berater denn als Verkäufer sieht, die Bedürfnisabklärung ins Spiel. Was führt man für einen Betrieb? Welche Infrastruktur ist bereits vorhanden, wie viel Personal steht zur Verfügung? Fragen, die auch Marcel Bischofberger tagtäglich umtreiben. Für den Verkaufsleiter der Gehrig Group, welche sich umfassenden Gastro-Lösungen annimmt, sind alle Eckpfeiler entscheidend für den perfekten Foodflow. «Wir versuchen vor allem die Trends beziehungsweise die Bedürfnisse der Gäste etwa nach mehr Transparenz, Gesundheitsaspekten und Flexibilität mit in eine optimale Lösung aufzunehmen, stellen aber im Gespräch mit den Gastronomen immer auch wieder eine gewisse Ideenarmut fest, wenn es darum geht, sich neu aufzustellen.» Dabei, ist man sich einig, machen junge, innovative Betriebe – allen voran das vegetarische «Tibits» – längst vor, was in Sachen trendiges Buffetkonzept alles möglich ist. «In besagtem Fall», betont Willy Iten von Beer Grill, «gelingt sogar das, was ansonsten nur in Selbstbedienungsrestaurants oder in der Betriebsverpflegung funktioniert: dass der Gast per Gramm zahlen muss und dadurch viel bewusster schöpft.»
Über das Ganze gesehen, fördert das Tischgespräch zutage, setzen sich immer mehr Misch- und mobile Formen durch, die je nach Betrieb, Anlass und Tageszeit gewählt werden. Das Zmorge-Buffet wird ergänzt mit Frontcooking, Food-Inseln und A-la-carte. Im Business- und Mittags-Bereich dominieren eher Flying Buffets. Selbst in der Hotellerie lockern sich Strukturen, wie beispielsweise die der Halbpension, indem zur Vorspeise ein Salatbuffet zum Einsatz kommt, die Hauptspeise am Tisch serviert wird und das Dessert wiederum in Buffetform erfolgt. «Mit einem Buffet», hat Schudel einst bei seinem legendären Patron Hans C. Leu im «Kulm» in Arosa gelernt, «lässt sich die vielfach steife Halbpension richtig zelebrieren und mit einem Themenabend sogar inszenieren.» Die Firma Gmür geht noch einen Schritt weiter, indem sie für die stetig wachsende Gästeschar aus Asien und Indien mit «Just like home» ein Frühstücksangebot bereithält, um eine Alternative zu bieten zum Continental Breakfast.
Für viel Gesprächsstoff sorgen nicht nur die Hygienevorschriften, die sich hierzulande von Ort zu Ort unterscheiden und so manchen Gastronomen, aber auch die Gesprächsteilnehmer zuweilen an seine Grenzen bringen, wie freimütig erzählt wird: Ebenfalls in Bezug auf Allergene beziehungsweise Unverträglichkeiten macht sich ein jeder Branchenvertreter viele Gedanken, wie man bestmögliche Sicherheit bieten kann. Transparenz vor Ort und gut sichtbar für den Gast ist natürlich das A und O. «Ebenso gut ausgebildetes und sensibilisiertes Personal», betont nicht nur Martin Lemke von SV Hotel. Dennoch ist – ein vertauschter Löffel hier, ein Brotmesser am falschen Ort da – gerade das Buffet ein idealer Ort für Unachtsamkeiten.
Nichtsdestotrotz beobachtet Willy Iten mit Interesse neue, digitale Lösungen, wie beispielsweise in Form kleiner Bildschirme, welche direkt beim Produkt angebracht werden, versehen mit allen wichtigen Infos. Und bei der Gehrig Group denkt man über Apps nach, mittels derer sich der Gast im Vorfeld informieren kann, wie Marcel Bischofberger berichtet. So oder so aber bleibt die etwas nüchterne Erkenntnis: Der administrative Aufwand ist hoch und die Kosten sind es ebenso. Am Schluss ist sich die Gruppe einig, auch wenn sich das Buffet derzeit neu erfindet: Es bleibt eine der dynamischsten, kommunikativsten, ja gar völkerverbindendsten Arten, Essen zu servieren.
«Beim Frühstück ist das Buffet zentral.»
Martin Lemke verantwortet als Operation Business Partner bei SV Hotel den F&B-Bereich sowie den ganzen Einkauf. SV Hotel gehört zur SV Group mit seinen rund 8500 Mitarbeitenden. Als Franchisenehmerin betreibt SV Hotel die Marriott-Marken Courtyard, Residence Inn, Renaissance und Moxy in der Schweiz und in Deutschland. Zudem gehören individuelle Hotels in Bern und Olten zum Portfolio. [IMG 2]
sv-hotel.ch
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«Kleinere Einheiten sind kalkulierbarer.»
Dominik Salzer ist Key Account Manager bei der Gmür AG in Zürich. 1951 als Käsehandelsfirma gegründet, gilt das Familienunternehmen heute als führender Logistikbetrieb für Tiefkühlprodukte und innovativer Multidienstleister für die Gastronomie. Es nahm sich früh den Insekten als Delikatessen an und lancierte mit «Just like home» ein Frühstücksangebot für asiatische und indische Gäste.
gmuer.ch
«Nicht selten fehlt ein klares Konzept.»
Willy Iten ist Key Account Project Manager bei der Beer Grill AG mit Sitz in Villmergen. Das familiengeführte Unternehmen ist Hersteller von elektrothermischen Geräten und Systemen für die professionelle Zubereitung und Präsentation von Speisen. In den Bereichen der Gemeinschaftsverpflegung, Verkehr-, Hotel- und Betriebsgastronomie widmet sich Beer Grill dem stetig wachsenden Sektor «to go». [IMG 4]
beergrill.com
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«So lässt sich die Halbpension aufwerten.»
René Schudel, vielen als TV-Koch («Funky Kitchen Club», «Schudel on the Rocks») bekannt, ist auch Gastro-Coach und Mitinhaber der Restaurants Benacus und Stadthaus (beide Unterseen BE). Mit dem Projekt «Raus aus der Komfortzone», bei dem Lernende die Kulinarik beim Rockfestival Greenfield bestreiten, wurde er 2018 mit dem Tourismuspreis Milestone in der Kategorie «Innovation» ausgezeichnet.
funkysoulfood.ch
«Kleine Gefässe helfen Foodwaste mindern.»
Kurt Rüegg ist Directeur Commercial der fusionierten Ecotel Suisse in St. Gallen. Die Firma setzt sich zusammen aus Kreis AG und Ecotel Fribourg und vertreibt neu exklusiv die Marken WMF Professional und Tafelstern Porzellan. Zusammen mit der Firma Andy Mann-
hart in Küssnacht am Rigi, die auch zum Konzern gehört, verfügt Ecotel Suisse über ein riesiges Sortiment an Gastronomie- und Hotelartikeln. [IMG 6]
ecotelkreis.ch
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«Aspekte wie Transparenz sind wichtig.»
Marcel Bischofberger, Verkaufsleiter Thermik und Kaffee bei der Gehrig Group AG, kommt aus der Gastronomie: Er war Gastronom und Küchenchef, bevor er zur Zürcher Traditionsfirma wechselte. Seit über 70 Jahren nimmt sich die Gehrig Group den modernen Kochtechniken an und fungiert als Spezialist für Profi-Gerätschaften und Konzepte in Gastronomie, Hotellerie sowie im Care-Bereich.
gehriggroup.ch
Tischgespräch
Der Kampf um die letzte Meile
Dass Hoteliers und Zulieferer wie beim Roundtable der htr hotel revue zum Thema «Einkauf & Logistik» an einem Tisch sitzen, passiert nicht oft. Zu tun haben sie miteinander dabei fast täglich, dann wenn der Camion vorfährt und die bestellte Ware liefert oder der Hotelier seine Bestellung aufgibt und bezahlt. Dass man sich näher ist, als man manchmal meint, zeigte schon der gemeinsame berufliche Hintergrund: Auch die Mehrheit der am Tisch aus der Zulieferindustrie Vertretenen brachte einen Hotelfachschulabschluss mit.
Mit dem htr-Tischgespräch möchte die htr hotel revue Lieferanten, Hoteliers und weiteren Vertretern der Branche die Möglichkeit geben, relevante Themen gemeinsam zu diskutieren und zu vertiefen. Im November lud die htr hotel revue bereits zum fünften Tischgespräch in diesem Jahr nach Bern, diesmal zum Thema «Einkauf und Logistik». Das erste Tischgespräch war dem Thema «Hotelfrühstück» gewidmet (htr hotel revue vom 8.2.18), das zweite dem «Hotelzimmer» (htr hotel revue vom 19.4.2018), das dritte dem «Convenience Food» (htr hotel revue vom 14. Juni) und das vierte dem Thema «Kaffee und Tassenbeilage». Die htr-Tischgespräche haben sich als Diskussions- und Austauschplattform bewährt und werden auch 2019 fortgesetzt.
Der Weg bis ins Tal ist heute den Lieferanten noch zu weit
Dass man im gleichen Boot sitzt, wurde aber auch anderweitig klar. Da wirbt nicht nur der Zulieferer um die Gunst seiner Hotelierskunden, dieser ist genauso froh um den Dienstleister im Hintergrund – für das richtige Produkt im Haus, für die Prozessoptimierung bis hin als Antwort auf den Fachkräftemangel. Denn Einkaufen kann durchaus zum Stolperstein werden. Zum Beispiel im Lötschental, wo Lukas Kalbermatten Gastgeber im Hotel Edelweiss in Blatten ist. Er sei froh, wenn Logistiker das Lötschental überhaupt regelmässig anfahren, verkündete der Berghotelier der Runde. In der Arnold Walker AG aus Bietsch bei Brig haben die gastgewerblichen Betriebe in dem Seitenarm des Rhonetals einen verlässlichen Partner gefunden. Durch die Ausweitung der Produktepalette kann die Arnold Walker AG heute dreimal pro Woche alles Nötige bis hin zu Frisch- und Fleischprodukten in das Walliser Tal liefern.
Dass das Gastgewerbe im Lötschental beliefert wird, ist nicht selbstverständlich, das weiss der Hotelier, der ebenfalls Mitglied der Lötschentaler Hotelkooperation «Die Lötschentaler» ist. Den nationalen Zulieferern ist der Weg heute zu weit oder die Mindestbestellmenge für den Hotelier zu gross.
Für den regelmässigen Lieferdienst nimmt Lukas Kalbermatten deshalb durchaus höhere Einkaufspreise in Kauf: «Der Preis steht bei einer Lieferung bis ins Lötschental heute nicht mehr im Vordergrund.» Wichtig dagegen ist ein Einhalten des Liefertermins: «Wenn die Bestellung um 8 Uhr terminiert ist, soll diese dann auch eintreffen», richtete Christian Schübert, Direktor Hotel Glärnischhof Zürich, eine Forderung an die Zulieferer.
Das Gastgewerbe in den Bergen ist also eine attraktive Abnehmergruppe. Sowohl Transgourmet als auch Saviva wollen noch näher an diese Kundschaft. Transgourmet verfügt bereits über sieben Verteilzentralen und wird nächstes Jahr sein achtes Regionallager in Kriens eröffnen, verriet Ralph Zigerlig, Leiter Verkauf Schweiz und Mitglied der Geschäftsleitung beim htr-Tischgespräch. Saviva eröffnete im September in Landquart ihr erstes regionales Verkaufs- und Logistikzentrum, das die Marken Scana, Lüchinger+Schmid sowie die Gastrometzgerei Mérat unter einem Dach vereint. «Wir planen neun solcher Plattformen bis Ende 2019 in der Schweiz», kündete André Hüsler, Unternehmensleiter Saviva AG an, die nächste soll im Tessin Anfang Februar 2019 eröffnen. So wolle der Grosshändler «die letzte Meile» bis hin zum Kunden stark verkürzen und die Lieferleistung erhöhen». Über diese Plattformen will man auch die logistische Bündelung weiterer regionaler Lieferanten ermöglichen, «sodass die Anzahl Anlieferungen bei unseren Kunden reduziert werden kann».
Einkaufsgemeinschaft mit Hoteliers: Pro & Contra
Nähe zum Kunden ermöglicht auch eine Einkaufsgemeinschaft, wie die IG Procurement Gstaad-Saanenland, vor drei Jahren vom Hotelierverein Gstaad-Saanenland gegründet. Über eine Online-Bestellplattform ordern die Betriebe der Interessengemeinschaft Produkte von Pistor – sowie weitere Artikel von ortsansässigen Lieferanten, wie Früchte, Gemüse und Getränke der Schmid AG aus Saanen. Diese ist in diesem Fall der lokale Logistikpartner von Pistor und kümmert sich um die Feinverteilung der Waren an die IG-Betriebe. Pistor möchte noch mehr solcher Kooperationen, betonte beim htr-Gespräch Silvan Pfister, Key Account Management Gastronomie der Pistor AG. «Wir steuern das ganz bewusst: Betriebe, die sich zusammenschliessen, belohnen wir mit vorteilhaften Konditionen», verdeutlichte Pfister. Ziel sei, gemeinsam die Prozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von der digitalen Menüplanung über die Online-Bestellung bis hin zur elektronischen Verrechnung inklusive Kontierung – zu optimieren. «Wir verfolgen eine Win-win-Strategie», so Pfister. Belohnt werden also jene, die mehr auf einmal bestellen und seit diesem Jahr auch wer online einkauft.
Eine Einkaufsgemeinschaft, wie sie die 22 Saanenländer Hoteliers zusammen mit Pistor realisierten, sieht Lukas Kalbermatten fürs Lötschental allerdings nicht als Lösung. Es seien zu wenige und zu unterschiedliche gastgewerbliche Betriebe in dem Walliser Seitental, um die Nachfrage entsprechend kanalisieren zu können. Das Lötschental zählt gesamthaft gerade mal neun Hotels, die Hotelkooperation selber, zu der Hotels, aber auch ein Campingplatz gehören, umfasst drei Betriebe und total rund 100 Betten. «Ein Gault-Millau-Betrieb hat ganz andere Bedürfnisse als ein Campingplatz», warf der Lötschentaler Hotelier in die Diskussionsrunde.
Ralph Zigerlig von Transgourmet Schweiz sieht jedoch durchaus die Möglichkeit, dass unabhängige Einkaufsgesellschaften einen Mehrwert bringen und durch die Bündelung ihrer Anforderung Vorteile erzielen. Und gemäss Silvan Pfister zeigt sich auch Pistor überzeugt von dem Modell der Einkaufsgemeinschaft. Ausgehend von der IG Gstaad-Saanenland strebt Pistor eine Weiterentwicklung der Zusammenarbeit mit regionalen Partnern und Händlern an.
Nähe zur Region suchen die Lieferanten bei den Produkten
Nähe zu Produzenten suchen auch die Branchenleader Saviva und Transgourmet. Saviva bietet ein umfangreiches regionales Sortiment in allen Frischekategorien. Die Nachhaltigkeitsmarke der Transgourmet Schweiz AG heisst «Origine»: Hinter jedem Origine-Produkt steht ein lokaler Produzent mit seiner Geschichte, die Herkunft, Handwerk, Tradition und die Philosophie des Produzenten sowie ethische und ökologische Aspekte verbindet. «Wir sehen die Origine-Produkte als sinnvolle Ergänzung zu unserem Kernsortiment», betonte Ralph Zigerlig. Mit der Nachhaltigkeitslinie will man regionale Produzenten fördern; diese können von der Prozessoptimierung eines nationalen Lieferanten profitieren.
Transgourmet unterstützt ihre Kunden in der Kommunikation des Mehrwerts gegenüber dem Gast. Dies unter anderem mit Kurzfilmporträts der einzelnen Produzenten und Verarbeiter, mit Fotos und Geschichten, welche die Hoteliers und Gastronomen frei nutzen dürfen. «Regionales ist gut für das Storytelling», ergänzte Christian Schübert, der im «Glärnischhof» aus ökologischen Gründen schon seit sieben Jahren soweit machbar auf Regionales setzt.
Zigerlig bedauerte, dass nur wenige von den Origine-Kommunikationsmitteln Gebrauch machen. «Wir bieten Hand bei der Kommunikation der Origine-Produkte, zurzeit wird das Angebot dieser Toolbox aber noch wenig genutzt.» Christian Schübert begrüsste das Engagement der Grossverteiler. Als er anfing, im «Glärnischhof» auf Regionales zu setzen, führten die nationalen Zulieferer noch nicht Entsprechendes im Sortiment. Denn der Bezug direkt beim Bauern oder Lokalproduzenten sei mit viel Aufwand verbunden. Deshalb kann er sich durchaus vorstellen, in Zukunft ergänzend Regionalprodukte über die Grossverteiler zu beziehen. Gleichzeitig schätzt er die Flexibilität der lokalen Partner: «Schmeckt das Brot nicht, spreche ich direkt mit meinem Bäcker. Und am nächsten Tag ist das Brot besser.»
«Nose-to-Tail»: Glückliche Gäste und viel Rendite für den Hotelier
Die Grossverteiler folgen ebenfalls dem Nose-to-Tail-Trend: Bei Mérat (Saviva) besteht die Möglichkeit, ein ganzes Tier zu kaufen, das nach Kundenwunsch aufbereitet wird. Die Mérat-Linie Swiss Gourmet Grand Cru gewährleistet Rückverfolgbarkeit bis zum Bauer und «sichert die Einhaltung höchster Produktions- und Nachhaltigkeitsstandards», so Hüsler. In den Prodega- und Growa-Märkten von Transgourmet zeigen die Köche des hauseigenen Kulinarik-Kompetenzteams beim «Live Cooking», wie Special Cuts am besten zubereitet werden. Nose-to-Tail lohne sich auch betriebswirtschaftlich, so Kalbermatten: Eine seiner Tellerspezialitäten ist «Lammleber aus dem Oberwallis». Die Lammleber kauft Kalbermatten für 5 Franken direkt beim lokalen Metzger – kann aber für das bei den Gästen sehr beliebte Gericht trotzdem den üblichen Tellerpreis verlangen. «Das Resultat ist eine entsprechend attraktive Marge.»
Eine Alternative zur Hauslieferung ist für Kalbermatten der Cash & Carry, der heute nächstgelegene ist der CC Growa von Transgourmet nahe Brig.
Auch der «Cash & Carry» soll die letzte Meile zum Kunden abdecken
Alle sechs bis acht Wochen lässt der Hotelier sich hier sehen, nicht für Alltagsprodukte, sondern insbesondere Spirituosen und Zigaretten für die Gäste landen im Einkaufswagen: «Der Cash & Carry ist der Convenienceshop für die Berghotellerie», so Kalbermatten. Der Hotelier schätzt den «CC» auch als Inspirationsquelle, zum Beispiel in der Vorweihnachtszeit. Dann nehme er sich durchaus mal Zeit und schlendere durch den Growa-Markt, um Anregungen für die Weihnachtsdekoration zu sammeln. Anregungen will auch Transgourmet dem Kunden mit ihren Growa- und Prodegamärkten geben: «Der Abholmarkt ist der Verkaufsschauraum für unsere 25 000 Produkte», erklärte Ralph Zigerlig. Auch mit dem CC-Markt wolle man «die letzte Meile» bedienen. Den nächsten Cash&Carry-Markt eröffnet Prodega 2019 in Hinwil.
«Ziel ist, die letzte Meile zum Kunden zu verkürzen.»
André Hüsler ist dipl. Hotelier EHL/VDH. Nach Stationen als Hotelier in Graubünden hat er sich sein Gastronomie-Know-how in führenden Funktionen bei Mövenpick im In- und Ausland sowie in der Migros-Gruppe als Leiter Gastronomie der Migros Aare und des Migros-Genossenschafts-Bundes erarbeitet. 2013 übernahm er die Leitung der Saviva AG. Die Migros-Tochter ist Zustellgrosshändler und erzielte 2017 einen Umsatz von 1,093 Mrd. Franken. saviva.ch [IMG 2]
[IMG 3] «Nachhaltigkeit ergänzt gut das Kernsortiment.»
Ralph Zigerlig hat ein EMBA der Columbia University & London Business School und studierte Wirtschaft an der Universität St. Gallen. Der Leiter Verkauf Schweiz ist Mitglied der Geschäftsleitung Transgourmet Schweiz AG. Vorher bekleidete er Führungsfunktionen u. a. bei Carlsberg, Nestlé, Gate Gourmet. Die Coop-Tochter ist die grösste Abhol- und Belieferungsgrosshändlerin mit 30 Abholmärkten und sieben Regionallagern. Nettoumsatz 2017: 1,5 Mrd. Franken. transgourmet.ch
«Hotels, die sich zusammenschliessen, belohnen wir.»
Silvan Pfister hat die Hotelfachschule Belvoirpark Zürich absolviert und ist zuständig für die Hotellerie im Key Account Management Gastronomie der Pistor AG. Pistor ist eine Genossenschaftsholding: Pistor AG, Proback AG und Fairtrade SA zählen dazu. Die Pistor AG beliefert Bäcker, Confiseure, Gastgewerbe und Pflege. 2017 hat die Pistor AG einen Umsatz von 622 Mio. Franken erzielt, gut 40 Prozent des Umsatzes wird bereits im Gastgewerbe erzielt. pistor.ch [IMG 4]
[IMG 5]«Regionales ist nachhaltig und gut fürs Storytelling.»
Christian Schübert, Direktor Hotel Glärnischhof Zürich, ist gelernter Koch und Hotelfachmann, Betriebswirt und dipl. Hotelmanager NDS HF. Seit 2011 führt er das 4-Sterne-Superior-Hotel Glärnischhof im Stadtzentrum von Zürich. Der Glärnischhof positioniert sich als nachhaltiges Luxushotel und ist mit dem Green Globe zertifiziert. So stammen die Eier von einem lokalen Bauern – jeder Glärnischhof-Mitarbeitende ist Pate einer Legehenne. hotelglaernischhof.ch
«Cash & Carry ist ein Convenienceshop für Berghotels.»
Lukas Kalbermatten, Direktor Silencehotel Edelweiss in Blatten/Löt
schental, führt den 3-Sterne-Familienbetrieb in dritter Generation mit ins
gesamt 23 Zimmern und 49 Betten. Mit dem Nachdiplom-Studium von hotelleriesuisse absolvierte er die Ausbildung zum dipl. Hotelier-Restaurateur. Das Hotel-Restaurant Edel-
weiss ist ein typischer alpiner Zwei
saisonbetrieb mit rund 8 Vollzeitstellen, ca. 60% des Geschäfts erfolgt im Sommer, 40% im Winter. hoteledelweiss.ch [IMG 6]
Tischgespräch über Kaffee
Ein Getränk sucht seine Gäste
Als ich 1979 in die Schweiz kam, war sie ein Café-crème-Land. Und eigentlich ist sie das auch heute noch», wirft er salopp in die Runde und erntet für diese Aussage schallendes Gelächter. Bei aller Überspitzung Francesco Illys, Espresso-Spezialist in dritter Generation und Gründer von Amici Caffè – unrecht hat er damit nicht, gehört doch der typisch schweizerische Café crème laut Branchenverband Cafetier Suisse nach wie vor zum bevorzugten Kaffeegetränk hierzulande: Auch in Zeiten von begehrten Espressi und trendigem Filterkaffee ist nach wie vor mehr als jedes dritte in der Gastronomie bestellte Kaffeegetränk ein Café crème, zeigen aktuelle Zahlen (siehe Kasten). Zeitgleich beobachtet man auch beim Schweizer Cafetier Verband seit geraumer Zeit, was sich an diesem vierten htr-Tischgespräch der htr hotel revue zum Thema «Kaffee und Tassenbeilagen» offenbart, für das sich sechs Exponenten aus verschiedensten Ecken der Branche eingefunden haben: Die Qualität steht derzeit über allem. Und diese entsteht nicht auf Knopfdruck, sondern hängt entscheidend von Anbau, Ernte, Handel, Röstung, Mahlgrad, Zubereitung sowie Fachwissen der Baristi ab.
Branchenvertreter diskturieren relevante Themen
Mit dem htr-Tischgespräch möchte die htr hotel revue Lieferanten, Hoteliers und weiteren Vertretern der Branche die Möglichkeit geben, relevante Themen gemeinsam zu diskutieren und zu vertiefen. Im August lud die htr hotel revue bereits zum vierten Tischgespräch nach Bern, diesmal zum Thema «Kaffee- und Tassenbeilage». Das erste Tischgespräch war dem Thema «Hotelfrühstück» gewidmet (htr hotel revue vom 8.2.18), das zweite dem «Hotelzimmer» (htr hotel revue vom 19.4.2018), das dritte dem «Convenience Food» (htr hotel revue vom 14. Juni). Ein weiteres Tischgespräch zu «Einkauf und Logistik» folgt noch im November und wird noch vor Ende Jahr in der Zeitung wiedergegeben. (fee/gsg)
Der wichtige Umsatzträger erhält noch zu wenig Aufmerksamkeit
Etwas, das Milo Kamil, der sich als Barista, Latte Art Schweizer Meister und Kopf des Zürcher Coffee Labs vorab in der «Third Wave», der dritten Kaffeewelle, bewegt, stark spürt: «Die Qualitätsanforderungen sind derzeit enorm hoch und haben längst jedes Detail der Wertschöpfungskette erfasst», bestätigt er. Entsprechend viele Fallen und Stolpersteine gibt es, die aus einer erstklassigen Bohne mit erstklassiger Röstung ein ungeniessbares Produkt werden lassen. Den ganzen Prozess von A bis Z überblicken und kontrollieren zu können, – war man sich in der angeregt diskutierenden Runde einig – ist schwierig bis unmöglich und hängt von vielen Faktoren ab. Zumal die Qualitätsansprüche je nach Ausrichtung des Betriebs unterschiedlich gelagert sind. «Es zeigt sich nur schon darin, ob ich einen Siebträger habe, den bewussten Kaffeegenuss zelebriere und entsprechend ausgebildetes Personal habe oder ob ich einen Betrieb mit viel Laufkundschaft betreibe und auf einen Vollautomaten setze», bemerkt Patrick Hanhart vom Kaffeemaschinenhersteller Cafina. Dennoch stellt er immer wieder überrascht fest, wie wenig Aufmerksamkeit die Gastronomen dem wichtigen Umsatzträger Kaffee schenken, der nicht selten krönender Abschluss eines Essens bildet: «Da liegt viel Potenzial brach. So mancher Gastgeber kann mir nicht auf Anhieb sagen, von welchem Röster er die Bohnen bezieht», bedauert er. Dabei habe dies Auswirkungen auf das Resultat: Je mehr man sich einem Produkt widmet, desto besser ist letztlich die Qualität.
Für Svea Meyer, Gründerin und Inhaberin der Kaffeekette Kaffeeklatsch, hat Qualität ganz viel auch mit Vertrauen zu tun: «Wir versuchen, die Abläufe, die wir verantworten – von der Einstellung der Maschine über die Wassertemperatur bis zum fixfertigen Getränk – so perfekt wie möglich zu bewerkstelligen – und erwarten aber von jenen, die für die anderen Bereiche innerhalb des Prozesses zuständig sind, dasselbe», sagt sie, die für den Kaffeeausschank ausgebildete Barista beschäftigt, die bis zu 50 verschiedene Getränke beherrschen müssen.
Ihr kleines Imperium gehört zu der steigenden Zahl an Kaffeebars, die sich bewusst mit dem Produkt Kaffee auseinandersetzen und die stetig steigende Qualität massgeblich beeinflussen. Eine Entwicklung, die Francesco Illy dennoch kritisch beobachtet: «Natürlich hat es in den letzten 15 Jahren einen starken Wandel und ein neues Bewusstsein gegeben», sagt der Kaffeespezialist, der seit einigen Jahren auch als Winzer fungiert. Aber: «Der Weinkonsument ist deutlich besser informiert – und will es auch wissen! Er kann die Qualität einschätzen und beurteilen. Auch jeder unter uns würde einen Wein, der Zapfen hat, erkennen und umgehend zurückgeben. Nicht so der Kaffeekonsument: Ein Getränk kann noch so astringierend, bitter, unausgewogen sein – ich kenne kaum jemanden, der sich getraut, einen Kaffee, der nicht schmeckt, zu retournieren.» Der Konsument, so Illys Fazit, kennt die Mängel eines Kaffees nicht, Mängel notabene, die er bei einem Wein relativ mühelos erkennt. Kaffee werde halt nach wie vor wenig als Genussmittel wahrgenommen und vorab als «Muntermacher» konsumiert, ergänzt Patrick Hanhart. «Umso wichtiger ist die Rolle des Gastronomen. Dafür braucht es nicht zwingend einen Barista, aber einen Gastgeber mit Knowhow, dem das Thema am Herzen liegt, der weiss, wo er Qualitätsansprüche stellt.»
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Kaffee und Guetzli sollen miteinander harmonieren
Qualität, Know-how und Genuss sind zentrale Punkte, welche auch das Familienunternehmen Kambly beschäftigen. Der Feingebäck-Spezialist hält mit über 10 Millionen Guetzli jährlich einen wesentlichen Anteil an den 100 Millionen schweizweit verteilten Tassenbeilagen. «Wenn sich zum Beispiel die Luftfeuchtigkeit verändert, können auch wir nicht einfach den Knopf drücken, sondern müssen mit viel Feingefühl die Backkurve neu einstellen und den Backprozess eng begleiten», gibt Werner Gerber, Leiter Verkauf, Einblick in ihre Arbeit. Qualität steht an erster Stelle: Denn zu einem guten Kaffee gehört eine feine Tassenbeilage. «Eine genussvolle Tassenbeilage kann einen minderwertigen Kaffee unter Umständen aufwerten, umgekehrt aber kann eine minderwertige Tassenbeilage den Genuss eines feinen Kaffees beeinträchtigen. Es kann leider auch sein, dass die beiden, Kaffee und Beilage, nicht harmonieren, was letztlich schade ist und teuer kommt» – kostet doch eine Tassenbeilage zwischen zwei und zwanzig Rappen. Dennoch, sagt Gerber, ist die Nachfrage ungebrochen hoch: «Ein feines Guetzli erhöht einfach den Kaffeegenuss.»
Der Schweizer trinkt täglich drei Tassen
Seit jeher rangiert die Schweiz beim Pro-Kopf-Kaffeekonsum mit 1093 Tassen an der Weltspitze (vor Deutschland und Norwegen), zeigen die Zahlen 2016 der Branchenorganisation Cafetier Suisse. Das sind durchschnittlich drei Tassen täglich. Entsprechend hoch bleibt für die Gastronomie das Umsatzpotenzial mit Kaffee. Der Preis für ein Café crème ist im Vergleich zum Vorjahr nur geringfügig um einen Rappen auf einen Durschnittspreis von Fr. 4.24 gestiegen. (fee)
Die Tassenbeilage als Geschmacksverstärker und USP
Patrick Schneider, Chocolatier im Maison Cailler, sieht das ebenso. Die älteste noch existierende Schokoladenmarke der Schweiz führt als Tassenbeilage verschiedene Schokoladen im Angebot,
es ist aber vor allem Schneiders Erfahrung als Confiseur, die ihn lehrte: Zum Café crème gehört etwas Süsses. Bis vor vier Jahren führte der gelernte Patissier-Confiseur in La Chaux-de-Fonds die Confiserie Schneider, und zu all seinen Kaffeegetränken reichte er ein hausgemachtes kleines Schoggi-S. Fehlte es, gab es Reklamationen, seinetwegen, hat er erfahren, kommen die Gäste wieder oder trinken gar noch eine zweite Tasse. «Damit konnte ich mich nicht nur von anderen Betrieben abheben. Das aussen knusprige, innen weiche Macaron machte den Kaffee besser, es diente als Geschmacksverstärker», findet der Chocolatier, während Svea Meyer das Goodie als «Lächeln, das man nicht kaufen kann» bezeichnet. Dennoch kommen im «Kaffeeklatsch» die Gäste nur gelegentlich in den Genuss einer Tassenbeilage, «um keine Abhängigkeiten zu schaffen», wie Meyer sagt. Ab und an liebäugelt sie mit einem Café Gourmand, weil sie immer mal wieder nach «etwas Kleinem, Süssem zum Kafi» gefragt werde – und kommt dann doch wieder davon weg: «All die Kaffeespezialitäten, bei denen der Kaffee eine untergeordnete Rolle spielt, da ist noch mehr Süsses schlicht zu viel», findet sie.
Francesco Illy ist der Meinung, dass der Genuss einer Beilage die rund 800 Aromen des komplexen Getränks gar negativ verändert und letztlich verfälscht. «Einen top zubereiteten Espresso spürt man nach zwei Stunden immer noch im Mund. Da braucht es keine weiteren Aromen, nicht einmal Zucker», findet der Purist und führt die Runde dorthin zurück, wo sich alle einig sind: Kaffee, so der Tenor, ist ein Genussmittel und dürfte von Gästen wie Gastgebern durchaus mehr Aufmerksamkeit und Achtung erfahren. Welcher Kaffee der auserwählte sein darf, hängt von unzähligen Faktoren ab. Er habe kürzlich den Satz gelesen, und der bringe es seiner Meinung nach bestens auf den Punkt, sagt Milo Kamil: «The best coffee is the coffee that you like.»
«Qualität hat viel mit Vertrauen zu tun.»
Svea Meyer ist Mit-Inhaberin der Café-Kette Kaffeeklatsch, die sie 2002 in Davos zusammen mit Geschäftspartner Orlando Caeiro Fernando gründete. Das kleine Imperium umfasst heute zwei «Kaffeeklatsch»-Cafés in Davos, das erste eröffnete 2003, zwei in Klosters (Franchise), ein Café in Rapperswil seit letztem Winter und ab Frühling 2019 einen weiteren Betrieb in Chur im alten Postgebäude. kaffeeklatsch-klosters.ch [IMG 3]
[IMG 4] «Der beste Kaffee ist der, den man mag.»
Milo Kamil, Barista und Latte Art Schweizer Meister 2015/ 2016, ist Gründer des Coffee Lab in Zürich, das er zusammen mit anderen Kaffee-Spezialisten wie etwa Nina Rimpl, Barista Schweizer Meisterin 2014, führt. Das Lab dient als Schulungszentrum, bietet Kurse vom Barista-Handwerk über Sensorik bis hin zu Latte Art und richtet sich mit ihren ausgewiesenen SCA-Kursen auch an Profis. coffeelabswiss.ch
«Für Gastgeber birgt der Kaffee Potenzial.»
Patrick Hanhart ist Leiter Verkauf und Kundendienst bei der Cafina AG in Hunzenschwil AG. 1938 begann Cafina mit der Kaffeemaschinenproduktion und bietet bis heute Vollautomaten wie auch Siebträger für die Gastronomie. Seit 30 Jahren ist das Unternehmen Teil der Melitta-
Gruppe und ermöglicht damit Kaffeegenuss auf der ganzen Welt. Es beschäftigt in der Schweiz 75 Mitarbeitende. cafina.ch [IMG 5]
[IMG 6] «Der Gast kennt die Kaffee-Mängel nicht.»
Francesco Illy gehört zur Familiendynastie Illy. Sein Grossvater ist der Erfinder des Überdruckverfahrens, dessen Illycaffè ist in über 140 Ländern präsent. Der Enkel gründete 1979 zusammen mit seiner Frau Annemarie in der Schweiz die Kaffeemarke Amici Caffè AG in Steinhausen ZG. Illy ist Vizepräsident des Triester Unternehmens und entwickelte unter anderem 1995 die erste Haushalts-Espressomaschine. amici.ch
«Die Nachfrage nach Beilagen ist hoch.»
Werner Gerber ist Leiter Verkauf Schweiz bei Kambly SA Spécialités de Biscuits Suisses in Trubschachen BE. Der Feingebäck-Spezialist, 1910 aus einer Bäckerei entstanden, wird heute in dritter - und auf dem Weg in die vierte -Generation als Familienbetrieb geführt. Das Unternehmen stellt zahlreiche Feingebäck-Spezialitäten her, die in mehr als 50 Länder exportiert werden. Es beschäftigt rund 580 Mitarbeitende. kambly.ch [IMG 7]
[IMG 8] «Ein Guetzli macht den Kaffee besser.»
Patrick Schneider, der als Patissier während 20 Jahren die Konditorei Schneider in La Chaux-de-Fonds führte, gehört seit 2015 zum Chocolatierteam von Maison Cailler, wo er im Atelier du Chocolat den Besuchern das Handwerk des Chocolatiers näherbringt. Das im Jahr 2010 eröffnete Maison Cailler im fribourgischen Broc bietet Einblick in die älteste noch existierende Schokolademarke der Schweiz. maisoncailler.ch
Tischgespräch
Convenience ist für alle ein Gewinn
Ich kannte einen Koch, der sagte, dass er seine frische Fisch-Sauce durch Fermentation macht. Dann habe ich gefragt, wie lange das denn dauert, da sagte er sechs Jahre.» Amüsiertes Lachen in der Runde: Die Anekdote von Rainer Laabs, Marketingleiter Foodservice Hilcona AG, brachte am dritten htr-Tischgespräch der htr hotel revue zum Thema «Convenience-Food» aber auch das Spannungsfeld der Thematik gut auf den Punkt: Wann spricht man von Convenience und wann nicht? Die Teilnehmer aus Zulieferindustrie und Hotel- respektive Gastroküche machten sich auf die Suche nach der Antwort. Die Zeit, welche zwischen Produktion und Genuss liegt, kann es nicht sein, wie das Beispiel zeigt. Vielmehr scheint ausschlaggebend, wer das Produkt zubereitet: Eine vom Gastronomiebetrieb aus gesehen externe Gross- respektive Industrie küche oder das Küchenteam vor Ort. «Wenn ich als Koch alle Verarbeitungsstufen selber bestreite, auch wenn es danach haltbar gemacht wird, dann ist das Essen für mich frisch», meinte Mirko Buri, der mit seiner Firma «Mein Küchenchef» im Sous-vide-Verfahren Gäste bekocht wie auch Gastronomen beliefert. Im Gastge werbe gilt ein Produkt als frisch, wenn es selbst herstellt wird, «egal ob man danach die Haltbarkeit verlängert oder nicht».
Mit dem htr-Tischgespräch möchte die htr hotel revue Lieferanten, Hoteliers und weiteren Vertretern der Branche die Möglichkeit geben, relevante Themen gemeinsam zu diskutieren und zu vertiefen. Im Mai lud die htr hotel revue bereits zum dritten Tischgespräch nach Bern, diesmal zum Thema «Convenience-Food». Das erste Tischgespräch war dem Thema «Hotelfrühstück» gewidmet (htr hotel revue vom 8.2.18), das zweite dem «Hotelzimmer» (htr hotel revue vom 19.4.2018). Weitere Tischgespräche in diesem Jahr folgen und werden dann jeweils in der Zeitung wiedergegeben.
Mit Convenience-Produkten die Qualität im Griff
Im Gegenteil: Die längere Haltbarkeit verleiht dem Aufgetischten oft noch mehr Frische. Auch das sei kein Widerspruch, so
Buri: «Tiefkühlprodukte sind oft frischer als normale Produkte.» Beispiel Fruchtwähe: Am Morgen gebacken, kann sie am Nachmittag schon unansehnlich sein. Frisch aufgebacken dagegen nicht.
Convenience als Qualitätsgarant? Auf jeden Fall, waren sich die Gesprächsteilnehmer einig – ob nun das Haltbargemachte aus der gastgewerblichen oder industriellen Küche stammt. Entscheidend ist das Wie, also das Management der Produktionsprozesse. 80 bis 90 Prozent der Betriebe hätten die Kücheninfrastruktur, um selber Convenience-Food herzustellen, ist Oliver Brouwer, Leiter Vertrieb und Entwicklung bei der Hugentobler Schweizer Kochsysteme AG, überzeugt. «Es fehlt in erster Linie an Wissen, aber auch an der Produktionsplanung und den Rezepturen.» Von diesen hat Marco Hächler, Küchenchef Belvédère Strandhotel & Restaurant, genug, einfach sei eine Qualitätskonstanz trotzdem nicht: «Ich habe in den letzten Jahren einige hundert Rezepte selber geschrieben, damit wir immer eine gleichbleibende Qualität haben.» Mache ein Koch im Team dies dann plötzlich anders, bemerken es die Gäste oft. Berufskollege Mirko Buri lieferte die Antwort: Ein Küchenteam müsse heute lernen, zwischen «Freestyle» und «normaler» Küche zu differenzieren.
[IMG 2] Qualitätskonstanz, das kann die Lebensmittelindustrie garantieren: Das gleich grosse Schnitzel wie der Tischnachbar, die Frischpasta, die dank Tiefkühlprozess immer gleich frisch schmeckt. «Punkto Qualität gelten bei uns die exakt gleichen Ansprüche wie in jeder professionellen Küche», betonte Yvonne Richard, Leiterin Marketing & Verkauf, Kadi AG. Das beginne bereits beim Einkauf, die Herkunft der Rohware sei wie in jedem guten Gastronomiebetrieb auch bei der Hilcona AG zentral, betonte Rainer Laabs: «Wir wissen, wo unsere Zutaten herkommen. Wir bauen zum Teil sogar unser eigenes Gemüse an. Unsere Produkte bestehen aus hochwertigsten Rohstoffen, wenn es geht Schweizer Rohstoffen.»
«Ich möchte ko chen. Aber in der bezahlten Zeit, nicht während Überstunden.»
Mirko Buri
«Mein Küchenchef»
Individuelle Rezeptur ab einer Bestellmenge von 20 Kilo
Auch das Argument, dass aus der Industrie immer alles gleich schmecke, also wiederum die individuelle Note fehle, mit der sich ein Koch abheben kann, wollten die Industrievertreter am htr-Tischgespräch nicht gelten lassen: Ab einer regelmässigen Bestellmenge von 20 Kilo produziert Le Patron auch nach individuellen Rezepturen. So produziere man in Böckten beispielsweise 20 verschiedene Sorten Älpler Makkaroni: mit oder ohne Zwiebeln, eine oder zwei Komponenten, Pasta mit oder ohne Rille. «Dahinter steckt viel Entwicklungsarbeit», so Sandra Buess, Leiterin Verkauf & Marketing, Le Patron Orior Menu AG. Selbst ein eigenes Lager bekommt der Gastro-Kunde und kann dann von seinem eigenen Stock bestellen. Dem gastgewerblichen Kochprozess dient die Industrie durchaus als Vorbild, ergänzte Oliver Brouwer: «Wir schauen immer wieder, wie die Industrie produziert und versuchen, das dann auf ein kleineres Format herunterzubrechen.»[IMG 3]
Für eine schlanke Betriebsstruktur sind Convenience-Produkte heute unumgänglich, nur so können Arbeitsspitzen gebrochen und Mitarbeitende effizient eingesetzt werden. «Ich möchte kochen. Aber ich möchte das in meiner bezahlten Zeit machen und nicht während Überstunden», stellte Mirko Buri klar. Welche Rolle hier Convenience spielt, verdeutlichte Marco Hächler: «Wir stellen in unserer ‹toten Zeit› unter anderem Teigwaren wie Tortellini und Ravioli selber her und schockkühlen sie anschliessend. Bei Bestellung können wir innerhalb von Minuten eine frischgekochte Pasta servieren.» Bei Betriebsabläufen gehe es immer um Geschwindigkeit und dass der Gast nicht zu lange warten müsse.
Convenience gegen Fachkräftemangel
Zudem werden immer weniger Köche gefunden und erst recht nicht solche, die bereit sind, Überstunden zu leisten. Convenience-Produkte und -Produktion seien deshalb auch eine nötige Antwort auf den Fachkräftemangel, von dem gerade die Küche im Gastgewerbe besonders betroffen ist, so der Tenor der Runde. Der Gastronom müsse sich die Frage stellen, was er im Betrieb und was er von Dritten produzieren lässt, betonte Rainer Laabs. Und zitierte einen ihm bekannten Sternekoch aus München, der gesagt habe: Wenn er etwas selbst nicht so machen kann, dass der Gast wahrnimmt, dass es besser ist, warum solle er das dann noch selbst machen?
«Unsere Pfannen sind etwas grösser. Vom Prinzip her machen wir aber das Gleiche.»
Sandra Buess
Le Patron Orior Menu
[IMG 4]Der Unterschied sei eher eine Frage der Philosophie, ergänzte Buess: «Unsere Pfannen sind zwar etwas grösser, aber vom Prinzip her ist es genau das Gleiche.» Eine Frage der Philosophie respektive schlussendlich eine Frage des Marketings: Was lobt ein Koch als hausgemacht und was nicht – und nicht: Welche Produkte kommen aus dem (Sous-vide-)«Beutel» und welche nicht. Bei welchen Produkten – um bei der Sous-vide-Produktion zu bleiben – füllt der Koch im gastgewerblichen Betrieb also das Gekochte selbst in den Beutel und bei welchen darf dieser Vorgang im Industriebetrieb erfolgen. Yvonne Richard: «Der richtige Mix macht es aus. Es gibt kein entweder – oder, beides kann sich ergänzen. Als Küchenchef muss man ein Konzept haben, womit man sich profiliert und was man hinzukauft.» Für Selbergemachtes könne der Gastronom einen höheren Preis verlangen, der Gast müsse aber auch den Unterschied spüren, betonte Rainer Laabs: «Sonst hat der Gastronom ein Problem.» Das Marketing sei nicht glaubwürdig, die Preispolitik gehe nicht auf.
Wie eng die Convenience-Produktion von Dritten bereits mit der Gastronomie verknüpft ist, zeigt «Mein Küchenchef»: Der Koch steht für Gäste und Gastronomen am Herd. Immer mehr Gastronomen werden selbst zum Zulieferer oder Caterer. Und sitzen damit im gleichen Boot wie die Zulieferindustrie. Sandra Buess: «Noch vor einigen Jahren war die Zusammenarbeit mit Küchenchefs schwierig. Oft kam das Gefühl auf, man wolle ihm den Job wegnehmen. Heute ist es eine Win-win-Situation».
Convenience: Die fünf Stufen
Ob industriell oder inhouse hergestellt, Convenience Food wird gemeinhin in fünf Fertigungsstufen unterteilt. Es gilt: Je mehr Arbeitsschritte erledigt sind, desto höher die Stufe.[IMG 5]
- Stufe 1: küchenfertig. Damit gemeint sind Lebensmittel wie geputztes, geschältes Gemüse oder zerlegtes Fleisch, das vor dem Garen noch vorbereitet, also portioniert, paniert oder gewürzt werden muss.
- Stufe 2: garfertig. Unter garfertigen Lebensmitteln figurieren Teigwaren, Tiefkühlgemüse oder gewürztes Fleisch, also Lebensmittel, die ohne weitere Verarbeitung gegart und zubereitet werden können.
- Stufe 3: aufbereitfertig. Darunter versteht man Instantsuppen oder -Desserts, die durch das Mischen mit weiteren Lebensmitteln oder durch Würzen zu fertigen Speisen werden.
- Stufe 4: regenerierfähig. Das sind ganze Speisen oder einzelne Komponenten, die durch Aufwärmen verzehrfertig werden – das können industriell hergestellte Fertiggerichte oder aber auch das inhouse produzierte Gulasch sein.
- Stufe 5: verzehrfertig. Alles, das genau so, wie es ist, tischfertig ist und keinen Arbeitsschritt mehr verlangt, wie kalte Saucen, fertige Salate
[IMG 6] Die Teilnehmer: Sechs Profis im Dienste des «bequemen» Foods
Mirko Buri, gelernter Servicefachangestellter und Koch, war vor seiner Selbstständigkeit u. a. im «Palace» in Gstaad. 2014 gründete er die Firma Mein Küchenchef, mit der er Fertiggerichte vertreibt, die mittels Sous-vide-Verfahren ohne künstliche Konservierung haltbar sind und beliefert damit Gastronomen wie Endverbraucher. Er engagiert sich stark für No-Food-Waste, eröffnete in Köniz BE das Restaurant zum Thema, gibt Kochkurse und Bankette. mein-kuechenchef.ch
Rainer Laabs ist Marketingleiter bei Hilcona. Die Firma, 1935 als Konservenfabrik im Fürstentum Liechtenstein gegründet, gehört heute zur Bell-Gruppe und beschäftigt über 2000 Mitarbeiter. Sie ist spezialisiert auf Frische-Convenience in der Schweiz, in Deutschland, Österreich, Frankreich, Benelux und seit 2013 auch Polen. Sie beliefert mit Hilcona Foodservice Gastronomie wie Gemeinschaftsgastronomie inklusive massgeschneiderten Lösungen. hilcona.com [IMG 7]
[IMG 8] Yvonne Richard ist Leiterin Marketing und Verkauf bei Kadi. Der Kühl- und Tiefkühlproduktehersteller Kadi mit Sitz in Langenthal hat rund 170 Mitarbeitende und generiert Dreiviertel seines Umsatzes in der Gastronomie; 2017 betrug der Gesamtumsatz 70 Millionen Franken. Jährlich verarbeitet der Pommes-frites-Spezialist 26 000 Tonnen Kartoffeln, was etwa 100 Millionen Portionen Pommes frites entspricht. Die Firma ist Mitglied bei United Against Waste. kadi.ch
Oliver Brouwer ist Leiter Vertrieb und Entwicklung bei der Firma Hugentobler mit Sitz in Schönbühl BE. Der Familienbetrieb mit seinen rund 120 Mitarbeitenden ist spezialisiert auf Projektierung, Einrichtung, Montage von Grossküchen und setzt sich dafür ein, dass Küchen in Restaurants, Hotels, Heimen und Spitälern ihre eigene Convenience nach eigenen Rezepturen herstellen – mittels Technik, aber auch durch Ausbildung und Coaching. hugentobler.ch [IMG 9]
[IMG 10] Sandra Buess ist Leiterin Verkauf und Marketing bei
Le Patron Orior Menu in Böckten BL. Das international tätige Schweizer Lebensmittelunternehmen mit seinen 1700 Mitarbeitenden ist auf Frisch-Convenience-Food und Fleischveredelung spezialisiert. Spezielle Gastro-Konzepte wie Go Large (für die Event-Gastronomie) oder Be Smart (für die Frequenzgastronomie) bieten Food-Lösungen und -Konzepte, die individuell auf die Bedürfnisse zugeschnitten werden. lepatron.ch
Marco Hächler, früher im Tropenhaus in Frutigen tätig, amtet als Küchenchef im Belvédère Strandhotel & Restaurant in Spiez BE, welches Wellness- wie auch Seminarhotel ist. Das über 100-jährige 4-Sterne-Superior-Haus unter der Leitung von Bruno Affentranger und David Romanato setzt auf eine gehobene kreative Küche mit traditioneller Ausrichtung. Hächler setzt Randzeiten gezielt für die Produktion von Inhouse-Convenience ein. belvedere-spiez.ch [IMG 11]
Tischgespräch
Mehr Swissness im Hotelzimmer
Das Hotelzimmer ist das eigentliche Kernprodukt eines jeden Hotels. Hier werden die Logiernächte generiert, hier erzielt der Hotelier im Idealfall auch seinen Profit. Dass es aber gerade um dieses Kernprodukt in der Schweizer Hotellerie nicht bestens bestellt ist, zeigt ein Blick in die Trust-you-Bewertungsstatistik: In allen Sternekategorien liegt die Note fürs Zimmer unter der Gesamtnote, und das meist sehr deutlich: 25 Prozent waren es im März bei den 2-Sterne-Betrieben, 20 Prozent bei den 3-Sterne-Hotels. Aber auch bei den 5-Sterne-Hotels bewertete der Gast das Zimmer unterm Strich noch um 15 Prozent schlechter als das Gesamthaus. Gastronomie und Service geben die Gäste dagegen in allen Kategorien bessere Noten. Die Zuteilung der Bewertungen erfolgte mithilfe semantischer Sprachanalyse-Software.
Grund genug, sich mit dem Thema «Hotelzimmer» intensiver zu befassen. Die htr hotel revue lud namhafte Vertreter aus der Branche deshalb zum Tischgespräch: Einrichter, Ausstatter, Innenarchitekten und einen Lead-Auditor von hotelleriesuisse. Gemeinsam ging man der Frage nach, wie es um das Produkt «Hotelzimmer» nun wirklich steht: Wie sollte man investieren? Was muss ein gutes Hotelzimmer bieten, auf was kann man verzichten?[IMG 2]
Schweizer Produkte sind auch bei der Einrichtung im Trend
Dass man auch bei der Einrichtung auf Swissness setzen kann, zeigte schon die Auswahl der Gesprächspartner: Mit Stephan Hirt, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Schwob AG, Roland Walker, Geschäftsleiter und Mitinhaber der Beck Konzept AG, und Marcel Flury, Leiter Key Account Management bei der Wilhelm Schmidlin AG, waren drei Firmen präsent, welche Hotelausstattung für Schweizer Hotels auch in der Schweiz produzieren. Swissness sei bei der Einrichtung ein neuer Trend, betonte Stephan Hirt: «Der Gast will wieder wissen, was er isst, was auf den Teller kommt, aber eben auch, woher die Textilien im Hotel kommen oder auch, wer dieses Zimmer mitgestaltet hat.» Viele Gäste bestellten die Bett- und Frotteewäsche aufgrund der guten Erfahrung dann über das Hotel auch für zu Hause. «Dies ist für mich ein klares Zeichen, dass der Gast die Schweizer Qualität definitiv wahrnimmt.»[IMG 2]
Swissness sei bei den Hoteliers wieder mehr gefragt, beobachtet auch hotelleriesuisse-Lead-Auditor Roland Mattman – vor allem bei kleineren, familiengeführten Betrieben. Denn ein Schweizer Hersteller kann individueller auf die Bedürfnisse seiner Kunden eingehen. So biete man bei der Beck Konzept AG eine «industrielle Einzelstückfertigung», erklärt Roland Walker: Also ein individuell designtes Zimmer in Serie hergestellt, was zudem die Kosten entsprechend senkt.
Vorteil eins: Schweizer Hersteller bieten kürzere Lieferzeiten
Die immer kürzere Zeit zwischen behördlicher Baubewilligung und Eröffnungszeit drückt auf die Lieferfristen. Inwieweit dabei Schweizer Hersteller von Vorteil sind oder nicht, darüber gingen die Meinungen auseinander: «Müssen grosse Investitionen in kurzer Zeit gemacht werden, vermögen Schweizer Unternehmen dies oft nicht zu leisten», so der Eindruck von Roland Mattmann. Stephan Hirt macht die gegenteilige Erfahrung: «In China beträgt die Lieferfrist vielleicht sechs Monate, in Indien ist es ähnlich. Wir in der Schweiz produzieren in acht bis neun Wochen.»
[IMG 3]Vorteil zwei: am Ende nicht teurer
Welche Produzenten zum Zuge kommen, entscheiden meistens der Investor und der Preis. «Man muss hierbei zwischen Investoren aus der Schweiz und internationalen Investoren unterscheiden», verdeutlichte Guido Henzmann, Geschäftsleitung und Inhaber der Ligno in-Raum AG. Ausländische Investoren würden Schweizer Produzenten zum einen gar nicht kennen. Zum anderen hätten internationalen Ketten ein so straffes Budget, dass Schweizer Player gar nicht mithalten könnten. Roland Walker: «Für einen Investor, besonders im 4- und 5-Sterne Bereich, geht es primär um den Preis.»
Doch auch das wollte Stephan Hirt so nicht stehen lassen: «Wenn man das Gesamtpaket anschaut, ist ein Schweizer Produkt nicht teurer.» Hirt spielte dabei insbesondere auf die Langlebigkeit der Materialien an: Wird der spätere Unterhalt mit budgetiert, was bei inhabergeführten Betrieben eher der Fall ist, sehe die Kalkulation nämlich ganz anders aus. Zudem besteht bei Schweizer Produktion immer die Möglichkeit auch kleiner Nachbestellungen.
Soft-Lifting oder lieber gleich Neugestaltung aus einem Guss?
Neue Hotelzimmer sind kostspielig; je länger eine Investition hinausgezögert werden kann, umso besser. Für Marcel Flury, Wilhelm Schmidlin AG, wird der Renovationszeitpunkt bereits beim Bau bestimmt. Ein kritischer Punkt für den Key Account Manager des Schweizer Bad-Herstellers sind die Fugen der Nasszellen. Er empfiehlt Duschwannen ohne Silikonfugen. «Dadurch gibt es weniger zu putzen und keine Fugen, die schimmeln. Langfristig zahlt sich der höhere Preis aus.»[IMG 4]
Auch mit zwischenzeitlichen «Faceliftings» lässt sich der Renovationszyklus verlängern. Zum Beispiel mit neuer Bett- oder Frottierwäsche. So könne man alle drei bis fünf Jahre das Hotelzimmer auffrischen: Die Massnahme koste praktisch nichts, der Gast nehme sie aber sofort wahr, so der Schwob-CEO. Eine andere Möglichkeit, so André Brun, Business Development Manager bei Samsung Electronics Switzerland: Bevor man das ganze Zimmer renoviert, den Fernseher austauschen und zum Beispiel durch einen grösseren ersetzen. Roland Mattman sieht das jedoch etwas anders: «Um einen Gast zu überzeugen, braucht es mehr als ein Soft-Lifting.» Guido Henzmann warnt generell vor einer «Pflästerli-Politik» bei der Renovation, und auch Roland Walker empfiehlt einen Umbau aus einem Guss. Ersetze ein Hotelier zum Beispiel alle Sessel in den Zimmern, müsse er diese nach fünf Jahren eventuell wieder wegwerfen, weil sie nicht mehr zum restlichen Zimmer passen.
Sinnvoll: Umbau in Etappen
Von Vorteil kann dagegen ein Umbau in Etappen sein, in dem Sinne, dass immer nur ein Teil der Zimmer renoviert wird. «Dies kostet im Endeffekt vielleicht schon ein bisschen mehr», so Flury, «dafür muss das Hotel nicht geschlossen werden, für den Umbau reicht eine Zwischensaison.» Vor allem könne der Hotelier bei den frisch renovierten Zimmern einen anderen Preis realisieren, meint Roland Walker. «Dadurch kann er dann die Renovierung der weiteren Zimmer finanzieren.» Anders sieht das Roland Mattmann: Renovationen und Investitionen dienen seiner Meinung nach nicht unbedingt dazu, einen höheren Preis zu erzielen. Sondern eher dazu, wiederkehrende Gäste zu halten.
[IMG 5]Was ist nun das Wichtigste für den Gast: das grosszügige Bad, der perfekte Schlaf, der grosse TV?
Schlafqualität ist und bleibt das A und O
Selbst der Key Account Manager des Schweizer Bad-Herstellers, Marcel Flury, meinte: «Für mich ist in einem Hotel das Bett am wichtigsten. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn das Bett nicht gut ist.» Guido Henzmann wand diesbezüglich Schweizer Hotels ein Kränzchen: «Schweizer Hotels bieten im Vergleich zum Ausland einen sehr guten Qualitätsstandard.»
Tipps fürs Hotelzimmer-Design
▶ Alles steht und fällt mit dem Konzept: Ein Umbau oder eine Renovation erfordern professionelle Beratung. Bei der Auswahl der Partner sollte man auf deren Referenzen achten. Wichtig sind Berater mit Schweiz-Kenntnissen, welche die Kostensituation auch beim Unterhalt kennen. Eine Hilfestellung kann das Beraternetzwerk (auf der Homepage) von hotelleriesuisse sein. Man muss nicht unbedingt immer alles neu machen, aber auch kleinere Anpassungen im Design brauchen System.
▶ So kann bei einer veralteten Nasszelle ein Spiegelschrank den Raum grösser erscheinen lassen, mehr Ablageflächen können Komfort vermitteln, neue Armaturen das Duscherleben steigern.
▶ Eine Auswahl an Kissen mit verschiedenen Grössen und Füllmengen vermitteln dem Gast ein Gefühl der Individualität.
▶ Der Fernseher zählt noch immer zur Grundausstattung eines Hotelzimmers. Grösse: mindestens 40 Zoll. Der Gast will seinen Content vom Handy auf den TV bringen und die Möglichkeit eines grösseren Bildschirms nutzen.
▶ Die IT sollte mit dem ganzen Zimmer verschmelzen. Das Design des Zimmers muss im Mittelpunkt stehen, nicht der Fernseher.Im Businesshotel mit Gästen, welche auch tagsüber im Zimmer schlafen, ist es ratsam, Vorhänge ziehen zu können, welche wirklich verdunkeln.
▶ Störend für den Gast sind kleine Lichter am Fernseher oder an den Lichtschaltern. Ebenso wie Lärm, von aussen und vom Korridor.
Die Teilnehmer: Sechs Branchenprofis für die Zimmereinrichtung
[IMG 6]Guido Henzmann
«Keine Pflästerli-Politik beim Umbau.» Guido Henzmann gründete 1996 die Ligno in-Raum AG in Emmen. Die Firma ist ein Gesamtdienstleister für Raumkonzepte. Der Geschäftsleiter ist u.a. gelernter Möbelschreiner.
Stephan Hirt
«Gast will wissen, woher die Wäsche ist.»
Stephan Hirt studierte Betriebswirtschaft und ist seit 2012 Geschäftsführer Schwob AG. Schwob produziert Bett- und Tischwäsche und bietet Mietwäschekomplettservice.[IMG 7]
[IMG 8]Roland Mattmann
«Swissness ist bei Hoteliers wieder gefragt.»
Roland Mattmann ist Lead Auditor der Schweizer Hotelklassifikation bei hotelleriesuisse. Der gelernte Koch leitete zuvor verschiedene Hotels, zuletzt das Belvedere Locarno.
Roland Walker
«Umbau aus einem Guss, aber in Etappen.»
Roland Walker ist seit 2013 Geschäftsleiter der Beck Konzept AG und ist auch Mitinhaber. Walker ist diplomierter Hotelier und schloss noch ein executive MBA ab.[IMG 9]
[IMG 10]André Brun
«Als Soft-Lifting den Fernseher tauschen.»
André Brun ist Business Development Manager bei der Samsung Electronics Switzerland GmbH. Das Unternehmen bietet verschiedene Technologie-Lösungen für Hotels an.
Marcel Flury
«Im Hotel ist mir das Bett am wichtigsten.»
Marcel Flury ist Sanitär-Installateur und seit 2000 bei der Wilhelm Schmidlin AG – Schweizer Hersteller von Duschwannen, Waschtischen etc. – im Aussendienst tätig.[IMG 11]
Tischgespräch
Zmorge bestimmt das Gästeglück
Eine gross angelegte Frühstücksumfrage von Hero bei Schweizer Konsumenten zeigte, dass Frühstück immer noch eine zentrale Mahlzeit ist, und 90 Prozent jener, die frühstücken, nehmen sich auch gerne Zeit dafür. Und das geht besonders gut in der arbeitsfreien Zeit – Ferienzeit ist also auch Frühstückszeit. Thomas Infanger, Sie betreiben ein Ferienhotel in Engelberg. Welchen Stellenwert hat Frühstück in Ihrem Betrieb?
Thomas Infanger: Einen sehr hohen. Wir sind ein Ferienhotel, und bei uns nehmen sich die Leute Zeit fürs Frühstück. Bevor der Gast in die Berge geht, wird erst mal ausgiebig gefrühstückt.
Andri Zinsli, Sie sind Food-und-Beverage Manager im Hotel Widder in Zürich. Wird in einem Stadt- und Businesshotel auch so gern gefrühstückt?
Andri Zinsli: Ja genau, das Frühstück ist auch für uns wichtig – und interessant, weil es ein nicht ganz einfaches Geschäft ist. Wir haben sehr viele Business-Kunden, die haben aufgrund ihres geschäftlichen Programms nicht viel Zeit, nehmen nur kurz ein Gipfeli oder haben einen Termin, welcher bereits mit einem Frühstück verbunden ist. Zugleich haben wir Gäste, die sich Zeit nehmen und das Frühstück sehr schätzen und auch geniessen. Die Frühstücksgewohnheiten der Hotelgäste sind sehr individuell.
htr-Tischgespräch
Hoteliers und Lieferanten diskutieren Mit dem htr-Tischgespräch möchte die htr hotel revue Lieferanten, Hoteliers und weiteren Vertretern der Branche die Möglichkeit geben, relevante Themen gemeinsam zu diskutieren und zu vertiefen. Das erste htr-Tischgespräch 2018 war dem Thema «Hotelfrühstück» gewidmet. Weitere Tischgespräche folgen und werden dann jeweils in der Zeitung wiedergegeben.
Das Frühstück ist also ein anspruchsvolles Geschäft?
Andri Zinsli: Das ist durchaus so. Im Vergleich zum Mittags- oder Abendgeschäft sind Wünsche und Bedürfnisse beim Frühstück deutlich individueller und deren Erfüllung wird auch so eingefordert. Viele Gäste möchten im Hotel am liebsten das gleiche Erlebnis haben, wie sie sich das zu Hause gewohnt sind – das kann je nach Gast sehr unterschiedlich sein und viele Sonderwünsche beinhalten. Da wir ein 5-Sterne-Superior-Hotel sind, wollen wir all diesen Wünschen entsprechen. Heutzutage will der Gast alles essen, auch wenn er eine Unverträglichkeit hat. Das sind Herausforderungen, denen wir uns tagtäglich annehmen.
Carla Koller, Getränkeproduzent Rivella bietet mit den «Michel»-Säften Klassiker für den Frühstückstisch. Wie anspruchsvoll ist für Sie als Brand-Managerin das Frühstücksgeschäft?
Carla Koller: Frühstück unterteile ich in zwei verschiedene Situationen: In der Alltagssituation muss es in der Regel schnell gehen, beim Business-Trip hat man bereits ein bisschen mehr Zeit. Im Gastgewerbe haben die Menschen meist Zeit, ihr Frühstück zu geniessen. Vor allem an Wochenenden oder in den Ferien. Ist die Zeit knapp, wie in der Alltagssituation, greift der Konsument tendenziell zu einem Fruchtsaft oder Multivitaminsaft, der ihm bekannt ist. Bei einer Genusssituation, wie bei einem Hotelfrühstück in einer Leisure-Region, beobachten wir, dass der Gast experimentierfreudiger ist und eher unsere neuen kalt gepressten Saft-Produkte wählt.
Also auch für Sie ein anspruchsvolles und polarisierendes Geschäft, wie es Andri Zinsli beschreibt?
Carla Koller: Als Zulieferer müssen wir die Bedürfnisse der Gäste kennen und die Trends erkennen. Zum Beispiel hat man im Tessin und in der Westschweiz ganz andere Fruchtsaftvorlieben als in der Deutschschweiz. Dank unseren Markterhebungen, wissen wir, was der Gast wünscht. Davon kann der Hotelier profitieren.
Der Konsument pflegt ganz unterschiedliche Frühstücksvorlieben. Brot, Gipfeli und Co. gehören aber wohl immer dazu. Wie teilen Sie, Benoît Bougro, als Vertreter des Backwaren-Konzerns Aryzta das Frühstücksgeschäft ein?
Benoît Bougro: Für mich gibt es drei Kategorien von Frühstück: zu Hause mit der Familie, «to go» und Frühstück in der Hotellerie. Eine Erweiterung des Frühstücks in der Hotellerie ist der Brunch an Wochenenden, der durchaus zeitlich bis ins Mittags- oder sogar Nachmittagsgeschäft hineinragt. Dazu kommt noch eine vierte Tendenz: Heute wird in Etappen gefrühstückt. Vor allem Business-Gäste teilen sich das Frühstück auf und essen morgens und dann in der Kaffeepause noch einmal. Zudem werden Getränke immer komplexer und machen auch satt, wie ein Latte macchiato, der zu einem grossen Teil aus Milch besteht. Eine Folge davon ist der steigende Bedarf an kleineren Portionen. Für uns heisst das: Ein Mutschli wiegt statt über 60 Gramm nur noch 40 Gramm, das Gipfeli gibts auch in der halben Portion. Kleinere Portionen sind zudem eine Massnahme gegen Foodwaste. Aber wir kennen auch ein Re-Sizing: Hierbei bringen wir die Produkte auf Midi- und Lunch-Grösse.
[IMG 2]Die eingangs erwähnte Frühstücksstudie stammt aus dem Hause Hero. Was hat die Studie bei Ihnen, Urs Züttel, als Verkaufsleiter Hero Schweiz ausgelöst?
Urs Züttel: Wir versuchen, die Themen, welche sich aus der Studie ergaben, aufzunehmen. Wir fragen uns zum Beispiel, wie wir unsere Produkte «to-go»-tauglich machen können. Denn vor allem bei den Jungen und Berufstätigen muss es morgens und insbesondere im Arbeitsalltag schnell gehen. Der Klassiker «Gipfeli mit Konfi» ist ein Produkt, das sich zum Mitnehmen und Verzehr für unterwegs schlecht eignet. Deshalb haben wir zusammen mit Aryzta ein Zöpfli konzipiert, bei dem die Konfitüre schon drin ist. Das ist natürlich vor allem ein Produkt für den Retail-Kanal. In der Gastronomie sind wir mit unseren Verkaufsberatern im Aussendienst sehr nahe bei den Kunden und erfahren so direkt deren Bedürfnisse und jene der Gäste. Ein Resultat davon sind unsere Fairtrade- und Origine-Konfitüren-Linien. Heute produzieren wir bereits über 1,6 Millionen Fairtrade-Honig- und Nuss-Kakao-Portionen pro Jahr.
Der Latte macchiato wurde schon angesprochen. Neben den italienischen Kaffeevariationen feiert aber gerade der Filterkaffee eine Renaissance bei Kaffeeliebhabern. Vittorio Maspoli, Sie sind Marketingchef von Caffè Chicco d'oro: Wird Filterkaffee das Frühstücksgeschäft zurückerobern?
Vittorio Maspoli: Ich bin kein Fan vom Filterkaffee. Das widerspiegelt unsere italienische Röst-Qualität nicht. Kaffeegetränke mit Milchschaum wie Cappuccino oder Latte macchiato stellen immer noch einen Mehrwert auf dem Frühstückstisch dar.
Thomas Infanger: Ein guter Kaffee zum Frühstück ist wichtig. Je nach Herkunft des Gastes muss es aber gerade ein Filterkaffee sein: Engelberg zählt viele skandinavische Gäste, die wollen eine grosse Tasse Filterkaffee. Man muss seine Gästestruktur kennen.
Stichwort Mehrwert: Wie kann sich der Hotelier im Frühstücksgeschäft abheben?
Thomas Infanger: Als traditionelles Haus in Engelberg fokussieren wir sehr stark auf lokale Produkte und können mit einer guten Palette an verschiedenen Käsesorten oder Joghurts trumpfen. Ein Mehrwert für den Kunden ist zudem, dass er zum Beispiel den Käse bei uns probieren und später dann im lokalen Geschäft kaufen kann. Sonst legen wir grossen Wert auf Hausgemachtes, wie bei Fruchtsalat oder Birchermüsli.
Hausgemachtes und Regionales: Inwieweit haben auch Convenience-Produkte vom Zulieferer Platz auf dem Frühstückstisch?
Thomas Infanger: Das Problem ist, dass mit den Convenience-Produkten eine Vergleichbarkeit entsteht. Nimmt man nur das Convenience-Produkt und trägt nichts dazu bei, dann wird unser Angebot mit jenem irgendeines anderen Hotelbetriebes in der Schweiz auswechselbar. Um erfolgreich zu sein, müssen wir uns abheben, indem wir Produkte anbieten, die es in dieser Form woanders nicht gibt.[IMG 3]
Urs Züttel: Da gebe ich Ihnen recht, wenn Sie das Convenience-Produkt nur eins zu eins vergleichen. Der Gast jedoch vergleicht das Frühstücksbuffet als Ganzes. Man ist vielmals zu bequem, mehr aus einem Convenience-Produkt und damit mehr aus dem Frühstück herauszuholen und den Gast zu überraschen. In der Hotellerie und Gastronomie wird das, was man auf dem Frühstücksbuffet offeriert, oft zu wenig vermarktet. Da gibt es zwar den Käse aus der Region, als solcher deklariert ist er aber nicht. So kann man sich auch nicht abheben.
Benoît Bougro: Sie haben hier zwei Kataloge (er winkt mit den Produktkatalogen von Hiestand und Coup de pates). Wir haben total 1200 Produkte und insgesamt 89 verschiedene Gipfel. Die Chance, dass der Nachbarhotelier das genau gleiche Gipfeli hat, ist eher gering. Zudem produzieren wir in der Schweiz an drei Standorten. Hier ist viel Manufakturarbeit, so wird jeder Zopf noch per Hand geflochten. Das Wort Convenience wird zu oft gebraucht. Für mich ist Convenience eine Technologie, es ist nur ein Stadium, in dem sich das Produkt befindet. Ich spreche bei Convenience vom «Dornröschenprinzip»: Das Dornröschen muss zum richtigen Zeitpunkt wachgeküsst werden. Wir als Hersteller sind dann der Garant für die Qualität. Ich denke, der Gast merkt das schon.
Andri Zinsli: Das sind genau die wichtigen Punkte. Wir setzen auf Qualität und die Zusammenarbeit mit den Lieferanten. Umso besser, wenn ein Produkt zugleich aus der Region stammt. Brot zum Beispiel ist besser frisch von der Bäckerei. Das Gipfeli beziehen wir aber lieber tiefgekühlt als Convenience-Produkt und können es dann ofenwarm servieren.
[IMG 4]Andri Zinsli, Sie führen auch Produkte auf dem Frühstückstisch, bei denen die Marke des nationalen Zulieferers für den Gast ersichtlich ist. Passt das zu einem 5-Sterne-Frühstück?
Andri Zinsli: Die Industriequalität ist nicht unbedingt schlechter, sogar manchmal besser. Zum Teil produziert auch die Industrie noch handwerklich. Wenn wir uns für ein Produkt auf dem Markt entscheiden, dann tun wir das ganz bewusst und stehen auch voll hinter dem Produkt und damit der Marke. Wir stehen zu unserer Auswahl an Convenience-Produkten. Wir überprüfen laufend: Was gibt der Markt her, was ist interessant, was kann man anbieten? Als Mitglied der Swiss Deluxe Hotels haben wir unsere preferred Suppliers, welche ein strenges Auswahlverfahren hinter sich haben. So können wir mit einem noch besseren Gewissen und Vertrauen unsere Lieferanten auswählen und mit ihnen partnerschaftlich zusammenarbeiten.
Der Kunde wünscht aber möglichst Authentisches, Regionales. Hoteliers, die sich profilieren wollen, setzen auf Produkte vom ortsansässigen Produzenten. Ist das nicht ein Konflikt?
Andri Zinsli: In Zürich schreit man nach Regionalität, aber gleichzeitig orientieren sich viele an den neuen Trends im Speisenangebot, welche zum Teil Produkte beinhalten, die von weither kommen. Doch was ist regional überhaupt? Wo sind die Grenzen? Die Definition ist nicht klar geregelt, und man kann diesen Ausdruck geografisch nicht klar einordnen.
Carla Koller: Die Gewährleistung der Regionalität gewisser Produkte ist in der Schweiz sehr schwierig. Eben: Was ist regional überhaupt? Orangensaft wird mit 80 Prozent am meisten konsumiert. Orangen gibt es halt keine in der Schweiz. Bei diesem Getränk ist es schwierig sich durch die Herkunft der Rohware zu differenzieren, das muss man eher durch den Produktionsstandort. Das gehört auch zu einem unserer besten Argumente. Jedoch ist die Produktion in der Schweiz sehr teuer. Und Hotellerie und Gastronomie sind extrem unter Kostendruck.
Urs Züttel: Wir setzen bei der Konfitüre sehr auf Regionalität, das ist einfach der aktuelle Trend. So bieten wir die Origine-Linie mit 55%-Fruchtanteil aus Walliser Aprikosen, Aargauer-Seetal-Erdbeeren und Waadtländer Zwetschen an. Auch wir deklarieren bei ausgesuchten Produkten unsere Rohstoff-Lieferanten, wie Felchlin als Schokoladenlieferant für den Nuss-Kakao Brotaufstrich. Ausgewählte Zulieferer sind ein Qualitätszeichen.[IMG 5]
Frühstück ist auch immer ein Kostenfaktor. Beim Dinner verdient der Hotelier etwas, beim Hotelfrühstück kaum.
Andri Zinsli: Das ist eine schwierige Aussage, die so allgemein nicht gilt. Hotelübernachtung und Frühstück gehören zusammen. Aber natürlich ist ein Kostenmanagement beim Frühstück ein Thema. Mit einem À-la-carte-Frühstück kann man beispielsweise Gästewünsche optimal erfüllen und hat die Kosten wie auch die Abfälle besser im Griff.
Thomas Infanger: Aber genau ein solches à la carte ist wieder eine Preisfrage. Ich setze eher auf ein hohes Mass an Selbstbedienung. So kann man Mitarbeiterkosten senken und im Gegenzug mehr in die Produkte investieren.
Haben Sie lieber den Gast, der frühstückt oder jenen, der die reine Übernachtung bucht?
Andri Zinsli: Ich persönlich bevorzuge den Gast, welcher sich Zeit für unser Frühstücksangebot nimmt. Weil wir dem Gast so das komplette Erlebnis im Widder Hotel bieten können. Gleichzeitig können wir während dem Frühstück die Bindung zum Gast stärken…
Thomas Infanger: … und Frühstück ist eine der Leistungen, welche vom Gast online am meisten kommentiert wird. Vom Frühstück hängt ein grosser Teil der Gästezufriedenheit ab.
Urs Züttel: Heute stellen die Buchungsportale eine Problematik dar. Bei diesen ist das Frühstück oft nicht mehr inbegriffen. Gäste, welche die Spesen anders nutzen wollen, nehmen dann anstelle eines ausgedehnten Frühstücks oft nur ein Gipfeli-to-go. In der Business-Hotellerie verkaufen die Buchungsplattformen tendenziell ohne Frühstück. So können sie einen tieferen Übernachtungspreis kommunizieren.
Nützen Hotels das Frühstückpotenzial schon ausreichend?
Urs Züttel: Ich glaube, es gibt immer noch sehr viel mehr Potenzial beim Frühstück. Oft unterscheidet sich das Angebot zwischen Hotels nicht massgebend. Das ist schade und verschenktes Potenzial. Ziel muss sein, den Kunden mit dem Frühstück zu überraschen. Nur so wird dieses zum Faktor für die Gästebindung. Ein wichtiger Faktor ist, wer die Frühstückskompetenz im Betrieb innehat: Wer ist für das Frühstück zuständig und schaut, dass alles stimmt.
Andri Zinsli: Ob das Potenzial schon ausgeschöpft ist, ist eine Frage vom Konzept. Sinnvoll ist, das Frühstück auch für externe Gäste, nicht nur Übernachtungsgäste, offenzuhalten.
Carla Koller: Das sieht man vor allem in den Städten. Die Gäste wollen auch um 14 Uhr noch frühstücken und nicht schon um 10 Uhr morgens fertig sein müssen.
[IMG 6]Noch eine Abschlussfrage: Wie sehen Sie jeweils die künftige Entwicklung im Frühstücksgeschäft, was planen Sie in Ihrem Unternehmen?
Vittorio Maspoli: Bio ist ein Thema. Das hat inzwischen nun definitiv den Transfer vom Detailhandel in den Gastrobetrieb erlebt. Der Kaffeemarkt verhält sich sehr ähnlich wie der Saftmarkt. Wir haben eine Profilinie, die ist ganz unterschiedlich zur Detailhandelslinie. Die Hotellerie ist sensibler geworden und geht detaillierter auf die Bedürfnisse der Gäste ein. Ein anderer Trend ist der Single Origin, Kaffee mit einem genau definierten Ursprung, zum Teil bis hin zur Plantage. Kaffee ermöglicht so ein Storytelling und bietet dem Betrieb einen Mehrwert, weil die Kunden es schätzen, wenn sie wissen, woher der Rohkaffee stammt. Die Gastronomen geben uns die Möglichkeit, solche Produkte mit Erklärungsbedarf beim Endkunden gut zu präsentieren.
Thomas Infanger: Bio und Regionalität sind für uns sehr wichtig. Es braucht jedoch immer ein klares Konzept und jemanden der mit Herzblut hinter diesem steht. Ich sehe die Zukunft des Hotelfrühstücks in der Individualisierung, ein Frühstück, bei dem der Gast noch mehr als heute selber das Gewünschte zusammenstellen kann. Zudem sehe ich noch ein Potenzial beim Service und der Betreuung der Gäste. Frühstückszeit kann der Hotelier bestens nutzen, um mit dem Gast ins Gespräch zu kommen und ihm als Ratgeber zur Seite zu stehen.
Frühstückszeit also als jene Zeit, um eine emotionale Bindung zum Gast aufzubauen?
Thomas Infanger: Genau. Der Gast hat Zeit, ist offen und froh um lokale Tipps und erste Gespräche. Den Rest des Tages ist er ja meist ausser Haus.
Machen wir weiter mit der Abschlussrunde zur Zukunft des Hotelfrühstücks.
Andri Zinsli: Die Zusammenarbeit mit Breakfast-Marktplayern können wir sicherlich noch intensivieren, um das Werbe- und Marketing-Potenzial von Lieferanten voll auszuschöpfen. Interessant wäre ein Qualitäts- oder Punktesiegel im Bereich Frühstück, ähnlich wie bereits Bewertungen in der Gastronomie und Hotellerie vorhanden sind. Das Frühstück ist für die Bewertung eines Hotels wichtig.
Carla Koller: Ich sehe die Zukunft darin, dem Bedürfnis des Gastes noch näher zu kommen. Es dreht sich für uns alles um Gesundes, das geschmacklich auch überzeugt. Das Essen sowie die Qualität des Essens hat heutzutage einen höheren Stellenwert. Als Firma reagieren wir mit einem frisch gepressten Saft und der ausgewählten Herkunft der Produkte, die Fairtrade-Zertifizierung steht für uns dabei im Mittelpunkt. Damit unterstützen wir Kleinbauern, wie in Brasilien, wo unsere Orangen herkommen. Es ist unsere Verantwortung als Unternehmen, dass die Rohstoffe wirklich aus einer guten Quelle herkommen.
Urs Züttel: Frühstück muss Genuss und eine Visitenkarte vom Betrieb sein. Für uns ist Fairtrade und Regionalität wichtig, sodass wir inzwischen Produktelinien haben, die komplett Fairtrade-gelabelt oder regionaler Herkunft sind. Das Zweite, was uns gegenwärtig stark beschäftigt, sind alternative Verpackungsformen, wir überprüfen die möglichen Materialvarianten. Drittens möchten wir die Kompetenz erhöhen durch Frühstücks-Schulungen mit ausgesuchten Partnern. Heute verkaufen wir nicht mehr nur Konfitüren, sondern eine umfassende Frühstückskompetenz. Solche Schulungen sind wir aktuell am Aufbauen.[IMG 7]
Benoît Bougro: Für uns steht Genuss im Vordergrund und gilt als unsere Visitenkarte. Swissness ist ebenfalls ein zentrales Markenzeichen unserer Linien. Unser Ziel als Schweizer Hersteller ist, Produkte zu liefern, welche auch in der Schweiz produziert wurden. Durch die Digitalisierung erfolgt das Frühstück immer mehr to go, hier müssen auch die Hotels mithalten. Frühstück ist und bleibt ein Kerngeschäft für uns: Im Mai bringen wir 74 Neuheiten auf den Markt, davon sind 20 für den Frühstücksbereich.
Die Teilnehmer: Sechs Branchenprofis zum Thema Frühstückstrends
[IMG 9] Carla Koller, Rivella AG. Als Senior Brand Manager Michel kümmert sie sich um die Fruchtsaftlinie des Schweizer Herstellers. 2017 lancierte Michel mit «Pure Taste» den ersten unerhitzten Fruchtsaft.
Benoît Bougro, Aryzta Food Solutions. Der Leiter Verkauf Food Service ist Mitglied der Geschäftsleitung der Aryzta Food Solutions Schweiz AG mit ihren Tiefkühl-Backwaren-Marken Hiestand und Coup de pates.[IMG 10]
[IMG 11] Thomas Infanger, Engelberg Trail Hotel. Der Hotelier führt zusammen mit seiner Frau Nadia Infanger Baldoni das 3-Sterne-Hotel Engelberg Trail Hotel, ein Familienbetrieb in sechster Generation mit 24 Zimmern.
Urs Züttel, Hero Gastronomique. Der Verkaufsleiter Gastronomie bei Hero Schweiz in Lenzburg ist gelernter Koch und im Vorstand der Aargauer Kochgilde sowie Vizepräsident des SVG.[IMG 12]
[IMG 13] Vittorio Maspoli, Caffè Chicco d'Oro. Er ist Marketingchef der Caffè Chicco d'Oro di Er. Rino Valsangiacomo SA in Balerno. Das Traditionsunternehmen mit internationalem Vertrieb röstet ihren Kaffee im Tessin.
Andri Zinsli, Widder Hotel Zürich. Er ist Food & Beverage Manager des 5-Sterne-Superior-Hotels Widder in Zürich Das Boutique Hotel mit seinen 49 Zimmern schafft es in Hotelratings immer wieder nach ganz oben.[IMG 14]
Gudrun Schlenczek