Die Wiler Beizenszene prägte das Leben der St. Galler FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter: In dem gutbürgerlichen Restaurant Ilge wirteten ihre Eltern. In der Trinkstube zum Hartz lernte sie ihren späteren Ehemann kennen, und im Hof zu Wil feierte sie viele politische Erfolge. Sie war auch im Patronatskomitee für das Wiler Wahrzeichen, das 1998 wiederbelebt wurde.
Mitte Juli gehen im Restaurant im Hof zu Wil die Lichter aus. Das Pächterehepaar habe sich entschieden, den Regelbetrieb ab 18. Juli aufzugeben, teilte die Stadt Wil am Freitag mit.
Fehlende Perspektiven
Das 800-jährige Baudenkmal wird in Etappen restauriert. Die Stiftung Hof zu Wil hatte bereits Anfang April mitgeteilt, dass die Gastronomie während der Bauphase von Juli 2023 bis Oktober 2024 geschlossen wird und die Pächter den Vertrag nicht mehr verlängern.
Seit längerem herrsche in der Gastronomie allgemein ein Fachkräftemangel. Die fehlende Perspektive habe nun dazu geführt, dass sich die Problematik im Hof zu Wil zugespitzt habe und ein Weiterbetrieb nicht mehr möglich sei, heisst es im Communiqué weiter.
Die Pächter Thomas und Nadine Buff stellen bis zum 30. September 2022 sicher, dass bereits gebuchte Anlässe, Sitzungen und regelmässige Veranstaltungen durchgeführt werden können. Was mit den bestehenden Reservationen ab Oktober passiert, soll in den nächsten Wochen geklärt werden.
Quereinsteigerinnen ansprechen
Schon vor der Coronakrise hatte die Gastronomie mit Personalmangel zu kämpfen. Nun kehren seit Beginn der Pandemie immer mehr Arbeitnehmende der Branche den Rücken.
Der Fachkräftemangel in der Gastronomie macht sich immer stärker bemerkbar. Für den Kanton St. Gallen sind auf den Jobportalen aktuell weit über 100 Stellen zu vergeben. Gastro St.
Gallen will versuchen, Quereinsteigerinnen und Anfänger für die Branche fit zu machen.
Seit Anbruch der Pandemie sind gemäss dem Branchenverband Gastrosuisse in der Gastronomie 30'000 Stellen verloren gegangen. Trotz weniger Jobs können viele Restaurants ihre ausgeschriebenen Stellen nur schwer besetzen. Es gibt auch immer weniger Personal.
Das Problem sei überall das gleiche, sagt Walter Tobler, Präsident von Gastro St. Gallen, gegenüber Keystone-SDA. «Es mangelt nicht nur an Fachkräften, sondern auch an Küchenhilfen und Putzpersonal.» Auch Gastrobetriebe, die höhere Löhne als im GAV gefordert bezahlten, bekämen keine Leute mehr.
Zusammen mit Gastrosuisse sei man daran, einen Programm auf die Beine zustellen. «Dabei versuchen wir unter anderem Quereinsteiger für die Gastroberufe zu gewinnen», so Tobler. Gastro St. Gallen bietet künftig auch Servicekurse für Einsteigerinnen und Einsteiger an. Anfänger können dabei in fünf Kursabenden das Grundwissen für den Serviceberuf erlernen. «Wir brauchen das Personal möglichst rasch,» betont der Kantonalverbands-Präsident. (sda)