Gerade in Zeiten wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Turbulenzen ist die Hotellerie besonders vulnerabel; so auch jetzt, ist sie doch eine der weltweit am stärksten betroffenen Branchen. Die Umsatzausfälle in Euro haben die Billionengrenze überschritten – und trotz all des Ungemachs gibt es Hotels, die überaus erfolgreich sind. Also stellt sich rasch einmal die Frage, was diese Betriebe anders machen als jene, denen der Erfolg aktuell verwehrt bleibt. Es sei der Wellnessbereich, der gerade sehr populär sei, hört man landauf, landab; die Möglichkeit, im Restaurant essen zu können; und wieder andere führen den Erfolg auf das gekonnt inszenierte Bubble-Konzept zurück. Sind dies die Erfolgsfaktoren? Nein, kaum…

Die Hotellerie hat sich im In- wie im Ausland einem extremen Wettbewerb zu stellen. Nicht selten artet er in einem zerstörerischen Preiskampf aus, so erlebt in Phuket und Bali, jetzt auf den Malediven, und was hört man da aus Interlaken und anderen Schweizer Städten? Verkauft sich ein Hotel einmal über den Preis und nicht über das Produkt, setzt ein schwer kontrollierbarer Teufelskreis ein, dem oft kleine und Kleinsthotels nichts entgegensetzen können. Doch auch Hotels, die im Upper- und High-End-Bereich operieren, werden mit der Zeit schmerzlich erkennen müssen, dass der Verkauf über den Preis zu einer Veränderung der Klientel führt, der (teils irreversible) Image- und Revenue-Schäden hinterlässt.

«Die Welt hat sich rasch weiterentwickelt und lechzt nach neuen Oasen des Well-Being.»
Marc Aeberhard, Lead-Auditor

Der Schlüssel zum Erfolg? Die Positionierung und Definition der Einzigartigkeit eines Hotels. Was sich recht simpel anhört, ist in Tat und Wahrheit ein intensiver Prozess des Soul Searching, in dem es darum geht, die Unique Selling Proposition (USP), die signifikante Leistungsdifferenz, zu definieren. Diese Uniqueness muss aber gekoppelt werden mit dem Profil von Gesellschaften; denn die Vorstellung des Hoteliers von «unique» kann sich erheblich von der des Gastes unterscheiden, und rasch wird erkennbar, dass es das Profil nicht gibt: Profiling ist eine komplexe Mischung aus Werten und Trends, die dynamisch von unsystemischen Parametern abhängt.

Kurz: Die Definition von «unique» muss multidimensional angegangen werden, und so ist neben einer Signature-Infrastruktur ein massgeschneidertes Service- und Dienstleistungspaket unabdingbar. Dieses wiederum muss in einem ökologischen, geografischen Umfeld stehen, das unter Berücksichtigung der technischen, infrastrukturellen und ökonomischen Grundlagen erreicht werden kann.

Es gilt, den USP eines Hotels weiter zu fassen
Dabei spielt die Verknüpfung von Hotel und Destination eine wesentliche Rolle, wobei sich aber das Hotel nicht unilateral auf das Verkaufsargument eines Ortes reduzieren kann. Wenn also ein Hotel in Zermatt betont, sein USP sei die Aussicht auf das Matterhorn, so irrt dieses in dem Punkt, als sein oft nur wenige Meter nebenan liegender Mitbewerber von der genau gleichen Aussicht profitiert. Dieses Beispiel illustriert die Komplexität und führt zur weiter gefassten Definition: Der USP eines Hotels ist um folgende Achsen zu erweitern:

  •  Infrastruktur & Design
  • Service und Dienstleistung
  •  Location
  • Realistische Einschätzung der Konkurrenz (lokal und global)
  • Glokale Hoteloperation: global denken, lokal handeln
  • Proaktive Pflege des Distributionsmixes: dynamische Pull-Push-Relation zu seinen direkten, indirekten und digitalen Absatzpartnern aufbauen
  • Gezielter Einsatz aller Tools des Kommunikationsmixes

Der Alltag zeigt aber, dass sich viele Hotels über Jahr(zehnt)e hinweg in der privilegierten Situation von profitablen Cashcows wähnten, und nun drohen, zu Poor Dogs zu verkommen. Um aber als Star am Markt zu bestehen, braucht es den koordinierten Einsatz aller beschriebenen Mittel. Es kann also nicht sein, dass für Sales & Marketing nur gerade 0,5 bis 1 Prozent eingesetzt wird, strategisches Marketing an Tourismusorganisationen delegiert oder die Produktgestaltung vernachlässigt wird und die ständige Marktrecherche und Entwicklung gesellschaftlicher Trends vergessen geht.

Die touristische Welt beginnt sich wieder aufzurichten. Nun einfach dort anzuknüpfen, wo vor zwei Jahren abgebrochen wurde, greift zu kurz. Die Welt hat sich weiterentwickelt und lechzt nach Oasen des Well-Being und der Geborgenheit, sie verlangt ein neues «Normal». Dies bedeutet eine einzigartige Chance, jetzt neue Konzepte zu entwickeln und den Fokus auf einen veränderten USP zu setzen. Immer aber steht am Anfang eines solchen Prozesses ein Hotelier, dessen Grundhaltung geprägt und beseelt sein muss vom Gedanken: «anything, anytime, anywhere».


Zum Fachautor
Marc Aeberhard ist einer der vier Lead-Auditoren von HotellerieSuisse und zuständig für den Bereich Deutschschweiz West. Zudem ist der 53-Jährige Fachdozent an der Hotelfachschule Luzern. Davor war Marc Aeberhard mit Hoteleröffnungen, -management und -sanierungen von kleinen und Kleinsthotels im Top-End-Segment beschäftigt. Zudem kann der Hotelier auf 25 Jahre in der internationalen Luxushotellerie zurückschauen.