In der Küche des Park Hotel Winterthur war es Ende 2021 so weit: Die 4-Tage-Woche wurde eingeführt. Hauptsächlich, um von der Zimmerstunde wegzukommen, der Pause zwischen 14 und 18 Uhr. «Die Mitarbeitenden wollten diese nicht mehr, weil sie viermal statt zweimal pro Tag den Weg zwischen Zuhause und Arbeitsplatz zurücklegen mussten», so Direktor Philipp Albrecht.
4-Tage-Woche als USP
Die ursprünglichen 42 Stunden Arbeitszeit sind aber geblieben, nun auf noch vier Tage verteilt. Der Arbeitstag dauert also 10,5 statt 8,4 Stunden. Weswegen sich die Produktionszeiten ändern mussten: Der Mittagsservice wird jetzt jeweils am Nachmittag für den nächsten Tag vorbereitet. So ist die Vorlaufzeit am Mittag sehr kurz. «Für Improvisation bleibt da wenig Zeit.» Insgesamt überwiegen aber die Vorteile. So fällt es leichter, neue Leute zu rekrutieren.
«Die 4-Tage-Woche ist unser USP. Dadurch heben wir uns ab», so Albrecht. Zudem sind die Mitarbeitenden zufriedener. Jedoch gibt es auch Nachteile: Am nächsten Tag hat häufiger jemand anderes Dienst, was Übergaben verkompliziert. Zudem sind die Kosten bei Krankheit gestiegen, da ein Mitarbeiter, der einen Tag zu Hause bleibt, nun gleich 10,5 Stunden abwesend ist.
Auch in der Abwaschküche wurde die Umstellung ausprobiert, aber wieder zurückgenommen. «Das Personal dort kommt als Erstes, um das Frühstück abzuwaschen. Und es geht als Letztes. Bei dieser langen Präsenzzeit funktionieren vier Tage nicht.» Nur angedacht war das Modell bei Housekeeping und Service. Die Gründe, die dagegen sprachen: «Nehmen wir den Service: Das Personal muss viel laufen, da sind zehn Stunden am Stück nicht produktiv.»
Zudem sei die ruhige Nachmittagsphase nicht optimal nutzbar: Die Küche könne mal 20 Kilogramm Gnocchi vorproduzieren, beim Service gebe es solche Prozesse nicht. Grundsätzlich funktionierten vier Tage besser in der Hochsaison, wenn immer viel los sei.
Lösungsansatz gegen den Fachkräftemangel
Arbeitszeitmodelle sind aber nur «kleine Puzzleteile» gegen den Fachkräftemangel. Um Hotellerie und Gastronomie attraktiv zu machen, brauche es zusätzlich ein höheres Lohnniveau, mehr Wertschätzung für die Arbeit und attraktive Ausbildungsplätze. «Das Image der Branche ist nach wie vor schlecht, wir haben grossen Aufholbedarf.»
Raphael Herzog, Gastgeber im Hotel Vitznauerhof, sieht es ähnlich: Die 4-Tage-Woche allein behebe das Problem Fachkräftemangel nicht. «Es ist wichtig, sie mit anderen Massnahmen zu verknüpfen – mit Weiterbildung, Mitarbeiterentwicklung und attraktiven Zusatzleistungen.» Letztere sind im Hotel Vitznauerhof unter anderem ein stark verbilligtes Rigi-Jahresabo, kostenlose Parkplätze beim Hotel, Fitnesskurse, Unterbringungsmöglichkeiten in Gehdistanz. Zur Attraktivitätssteigerung gehört es auch, auf Ferienwünsche einzugehen.
Dabei helfen die digitale Zeiterfassung und die Arbeitsplanung. Die 4-Tage-Regelung wurde schrittweise in fast allen Abteilungen eingeführt und ist individuell vereinbar. Sie wirkt sich positiv auf die Stimmung aus, weil die Work-Life-Balance stimmt. So gab ein Mitarbeiter an, dass er nun mehr Zeit für seine Familie habe und sich besser erholen könne. «Insgesamt haben wir weniger Ausfallzeiten wegen Überforderung», so Herzog. Zudem habe sich der Service verbessert. «Die Gäste sind oft überrascht, dass alle im Haus so freundlich und motiviert sind. Egal ob bei Hitze im Hochsommer oder spät in der Nacht.»
Letztlich lebe ein Hotel von zufriedenen Gästen. Auch Herzog sieht, dass die 4-Tage-Woche die Chancen bei der Talentsuche verbessert. «Wir haben ein starkes Argument, qualifizierte Mitarbeitende zu halten und neue zu gewinnen. Die Fluktuation hat bereits abgenommen.» Einige bevorzugten jedoch weiter die 5-Tage-Woche.
Flexibilität und Mitarbeitendenbindung
Die Hotelkette 25 hours hat mittlerweile auch in den beiden Zürcher Häusern die 4-Tage-Woche eingeführt. Die Mitarbeitenden können individuell wählen: Bei der 5-Tage-Woche beträgt die Arbeitszeit 42 Stunden, bei der 4-Tage-Woche 38 Stunden. Bei Letzterer bildet sich ein Minusstundensaldo. Sollte ein Mitarbeiter mal länger arbeiten, werden die Überstunden nicht bezahlt. Wenn ein Mitarbeiter aber einen Tag mehr arbeitet, kommt dieser auf den Guttagesaldo. Die Stunden werden am Ende des Jahres genullt. «96 Mitarbeiter haben sich für die 4-Tage-Woche entschieden, nur 9 dagegen», so Lukas Meier, General Manager der Zürcher Häuser.
Auch für ihn zahlt sich die neue Regelung aus, in mehrfacher Hinsicht: bessere und zahlreichere Bewerbungen, Motivationsschub, weniger Krankheitsfälle. Auch die Mitarbeitenden, die sich vielleicht schon mal nach einer neuen Stelle umgeschaut haben, bleiben eher. Da die Fluktuation abnimmt, sinken die Kosten für Bewerbungsverfahren. Die Nachteile: Teambildung und Dienstplanung sind schwieriger geworden, manchmal auch die Kommunikation. Die Mitarbeitenden lassen sich nicht mehr so flexibel einsetzen.
In der 25-hours-Umsetzung gehen zudem die Minusstunden zulasten des Arbeitgebers. Die Personalkosten immerhin sind nicht so stark gestiegen wie gedacht: «Momentan liegen wir bei plus zwei Prozent.» Meier rät dazu, die 4-Tage-Woche nach und nach auszurollen: bei den Mitarbeitenden anfangen, die nicht auf der Führungsebene arbeiten. Dann die Supervisors und Assistants – und schliesslich die Manager.
38,5 statt 42 Stunden
Die Mitarbeitenden im «Trafo» und im Blue City Hotel Baden der Cachet Collection kommen weiterhin an fünf Tagen, arbeiten seit Oktober aber nur noch 38,5 statt 42 Stunden in der Woche. «Wir hatten über die 4-Tage-Woche nachgedacht, uns aber dagegen entschieden», so Ruzica Dujmic, Direktorin beider Häuser. In der Gastronomie seien oft nicht mal die fünf Tage zu schaffen. Werde ein Mitarbeiter krank, müsse kurzfristig jemand anderes einspringen. Da kämen schnell sechs Arbeitstage zusammen.
«Wir haben nicht gesehen, wie vier Tage funktionieren könnten – ausser vielleicht mit Mehrkosten für den Betrieb. Was für uns aber nicht infrage kam, weil die Margen in der Hotellerie so schon niedrig sind.» Organisatorische Hauptveränderung zum Start der 38,5-Stunden-Woche: die Verkürzung der Übergabezeit zwischen zwei Schichten. Dafür ist jetzt nur noch eine Viertelstunde eingeplant statt einer Stunde. Die ganze Stunde war vorher schon nicht mehr nötig, da es im Betrieb viele zeitsparende Verbesserungen bei der Technik gegeben hatte. Beseitigt ist seit Oktober ein weiterer «Zeitfresser», das Staubsaugen des Lobbybereichs. Diese Aufgabe erledigt jetzt ein Roboter. Die Übergabe läuft digital über das Hotelkit-Tool. Die Person, die die nächste Schicht antritt, bekommt alles Wichtige vorab aufs Smartphone. So geht der Wissensfluss nicht verloren. Auch im «Limmathof» in Baden, dem dritten Hotel der Cachet Collection, wurde die Arbeitszeit verkürzt, nachdem die Umstellung im «Trafo» und im «Blue City» so gut geklappt hatte.
Masterarbeit: Hotelierssohn Nico Züllig hat seine Masterarbeit an der Ostschweizer Fachhochschule zur 4-Tage-Woche in der Schweizer Hotellerie geschrieben. Zwei Empfehlungen daraus:
- Hotels sollten Meinungen und Bedenken der Mitarbeitenden berücksichtigen und sie in den Einführungsprozess einbeziehen.
- Die Branche und die Verbände sollten sich gegenseitig unterstützen, um innovative Mitarbeiterkonzepte zu entwickeln und Best-Practice-Beispiele zu präsentieren.