Stefan Aerni, wie wird man Sustainability Manager eines Luxushotels?
Zufällig! Angefangen habe ich mit einer Lehre zum Koch, habe die Hotelfachschule absolviert und nach verschiedenen Stationen in der Hotellerie bin ich nun schon seit über 17 Jahren bei der Dolder Hotel AG tätig.
Zuerst war ich Event Sales Manager, vor sechs Jahren habe ich dann das Qualitätsmanagement übernommen. Ab Sommer 2019 folgte der Aufbau eines Nachhaltigkeitsmanagementsystems, und seit November 2020 sind wir Earth-Check-zertifiziert.
Mein Know-how in Nachhaltigkeit vertiefte ich durch den CAS Sustainable Management an der HSLU sowie durch den Austausch in ERFA-Gruppen bei den Responsible Hotels of Switzerland und den Swiss Deluxe Hotels. Der professionelle Dialog in solchen Netzwerken und Tagungen ist für mich von unschätzbarem Wert.
Gab es einen Moment in Ihrer Karriere, der Ihr persönliches Engagement für Nachhaltigkeit entscheidend geprägt hat?
Die Entscheidung der Dolder Hotel AG für eine Nachhaltigkeitszertifizierung war auch für mich ein echter Meilenstein. Mit der Zertifizierung und dem dazugehörigen Rahmenwerk können wir Nachhaltigkeit systematisch, konzeptionell und kontinuierlich vorantreiben. Zuvor fehlte uns ein klarer Plan – unsere Massnahmen waren isoliert und ohne einheitliches Konzept.
Wie nachhaltig sind Sie persönlich heute Morgen schon unterwegs?
Ganz konkret heute Morgen? Sehr nachhaltig. Da ich kein Auto besitze, bewege ich mich mit S-Bahn, Tram und Dolderbahn zur Arbeit und abends auf die gleiche Weise wieder nach Hause.
In welchen Bereichen Ihres Lebens achten Sie selbst auf Nachhaltigkeit?
Interessanterweise wird von einem Sustainability Manager immer erwartet, in Sachen Nachhaltigkeit fehlerfrei zu sein. Grundsätzlich versuche ich, in verschiedenen Bereichen nachhaltiger zu leben.
Zum Beispiel wohnen wir in einem Minergie-Mehrfamilienhaus mit Fernwärme. Im Winter heizen wir unsere Wohnung nur auf rund 20 Grad. Ausserdem haben wir wassersparende Düsen in der Dusche und an den Wasserhähnen installiert und seit Jahren verwende ich statt Flüssigseife nur noch Stückseife, was viel Plastikmüll spart. Bei der Ernährung achte ich auf reduzierten Fleischkonsum und verzichte jeweils während drei Monaten im Jahr vollständig darauf. Und was Kleider betrifft, hat die Fashion Industrie keine Freude an mir. Wenn überhaupt, dann kaufe ich nur einmal im Jahr Kleider.
Das ganze Leben besteht aus Kompromissen. Ich finde eine ‹All or Nothing›-Haltung oft nicht zielführend.
Wo sind Sie nachlässig?
Auch wenn ich in Europa die letzten Jahre konsequent mit dem Zug unterwegs war, so reisen mein Partner und ich nach wie vor alle ein bis zwei Jahre in sein Heimatland Brasilien. Da ist Fliegen leider die einzig praktikable Option.
Wie begegnen Sie der Skepsis, dass Nachhaltigkeit und Luxus nicht vereinbar sind?
Ich verstehe diese Skepsis, da Luxus mit Überfluss assoziiert ist. Auch wenn man heute von Zeit und Erlebnissen anstelle von materiellen Dingen respektive vom sogenannten neuen Luxus spricht, so sind Luxusdienstleistungen und -produkte meist noch mit erhöhtem Ressourcenverbrauch verbunden.
Zudem sind auch nicht alle Gäste gleich offen für nachhaltige Veränderung. Was mir wichtig ist festzuhalten, ist, dass wir uns selbst nicht als nachhaltig bezeichnen. Wir verbrauchen nach wie vor im Durchschnitt mehr Ressourcen als der Planet langfristig bereitstellen kann – das gilt für uns alle. Es geht jedoch darum, die negativen Auswirkungen unseres Tuns stetig zu minimieren und den positiven Impact zu maximieren sowie um die kontinuierliche Verbesserung der Nachhaltigkeitsleistung.
Was war die skurrilste Reaktion eines Gastes auf Ihre nachhaltigen Massnahmen – positiv oder negativ?
Da kommt mir jetzt spontan nichts in den Sinn. Was wir jedoch an den Rückmeldungen der Gäste sehen, ist, dass unsere Nachhaltigkeitsbemühungen in der Regel wertgeschätzt werden. Aber es gibt auch Gäste, die beispielsweise reklamieren, warum wir die Bettwäsche nicht täglich wechseln, obwohl neben dem Bett ein Holzschildchen mit dem Hinweis steht, dass die Bettwäsche nur jeden dritten Tag gewechselt wird, ausser der Gast wünscht es ausdrücklich anders. Und dann gibt es auch Gäste, die nicht nachvollziehen können, dass die Zimmertemperatur im Sommer bei einer Aussentemperatur von 35 Grad und offenem Fenster nicht auf 17 Grad heruntergekühlt werden kann.
Die Entscheidung der Dolder Hotel AG für eine Nachhaltigkeitszertifizierung war auch für mich ein echter Meilenstein.
Gibt es eine nachhaltige Massnahme, die Sie gerne einführen würden, die aktuell aber noch zu radikal ist?
Da gibt es einige. Wir diskutieren intern, was umsetzbar ist und was nicht; und es herrscht nicht immer Einigkeit. Aber das gehört wahrscheinlich zum Prozess.
Welche Kompromisse gibt es, um Nachhaltigkeit und Luxus vereinbar zu machen?
Das ganze Leben besteht aus Kompromissen. Ich finde eine «All or Nothing»-Haltung oft nicht zielführend. Gerade beim Thema Fleischkonsum wird die Diskussion oft gehässig und wenig faktenbasiert geführt. Dabei geht es meiner Meinung nach nicht darum, dass sich alle nur noch vegan ernähren, sondern wie wir den Gesamtkonsum von tierischen Nahrungsmitteln reduzieren können.
Welche nachhaltige Innovation im Hotel macht Sie besonders stolz?
Ich bin mit dem Begriff «Innovation» etwas vorsichtig, da er in meinen Augen zu inflationär benutzt wird. Auch bin ich nicht auf eine Einzelmassnahme stolz. Mein Blick richtet sich meist nach vorne, dorthin, wo noch Baustellen warten und Ziele unerreicht sind. Trotzdem zwinge ich mich gelegentlich, innezuhalten und zurückzublicken. Und tatsächlich: Es erfüllt mich, zu sehen, wie viel wir in den letzten Jahren im Bereich Nachhaltigkeit – sowohl ökologisch als auch sozial – bewegt haben.
Wie sieht Ihr perfekter nachhaltiger Luxusmoment in einem Hotel aus?
Ich bin zwar ein Kind der Luxushotellerie – doch privat bin ich erstaunlich anspruchslos. Ich gehe nicht ständig mit einem kritischen Quality- und Sustainability-Blick durch die Welt. Aber ja, ich liebe schöne Hotels und aufmerksame Mitarbeitende. Oft nehme ich Inspirationen mit, die auch dem «Dolder» zugutekommen. Aber was mich jedoch wirklich stört, sind riesige Buffets mit unnötiger Lebensmittelverschwendung und der Einsatz von Einwegplastik.
Wenn Sie morgen ein neues Hotel bauen könnten, welches Nachhaltigkeitskonzept würden Sie unbedingt ausprobieren, das im «Dolder» noch nicht umsetzbar ist?
Das Thema Nachhaltigkeit wäre von Anfang an ein zentraler Bestandteil. Bereits beim Bau und Design würde ich auf die Einhaltung von Green-Building-Standards setzen, um einen klimaneutralen und energieeffizienten Betrieb sicherzustellen. Auf meiner Wunschliste stünden eine eigene Biogasanlage zur Verwertung unvermeidbarer Lebensmittelabfälle, eine moderne Abwasseraufbereitungsanlage und ein System zur Regenwassersammlung. Das gesammelte Wasser würde dann den üppig begrünten Aussenbereich mit klimaresistenten, einheimischen Pflanzen versorgen – ein perfekter Mix aus Ästhetik und Umweltschutz.