Im Bündnerland sorgte die neue Zertifikatspflicht anfangs für etwas Verwirrung. Unter den Hoteliers kursierte die Falschinformation, ein Hotel dürfe weiterhin Zimmer/Frühstück für Gäste ohne Zertifikat anbieten.
Ansonsten verlief der Start ohne grosse Reibungsverluste, so die Mehrheit der Rückmeldungen aus der Branche: «Das ist überhaupt keine grosse Sache.» «Es gibt viel weniger Diskussionen als erwartet.» «Ich hätte es mir viel komplizierter vorgestellt.» So – oder so ähnlich – klingt es meistens, wenn man Hoteliers und Hotelièren nach der Zertifikatspflicht fragt. Selten hört man von negativen Erfahrungen.
Hotels, die nur noch Gäste mit Zertifikat empfangen
Einige Hotels gehen freiwillig einen Schritt weiter als vom Bundesrat verlangt und empfangen nur noch Gäste mit Zertifikat. Anstatt die Gäste im Restaurant, an der Bar oder im Wellness jedes Mal zu kontrollieren, werden sie so nur einmal nach dem Zertifikat gefragt.
«Einige, die storniert haben, lassen sich nun impfen und haben bereits wieder gebucht.»
Hansjörg Good
Direktor, Swiss Heidi Hotel, Maienfeld
Vor allem in der gehobenen Hotellerie kommt das Modell zur Anwendung – beispielsweise im Park Hotel Vitznau, im «The Chedi» in Andermatt oder im «Laaxerhof». Aber nicht nur, wie etwa das 3-Sterne-Hotel Swiss Heidi Hotel in Maienfeld beweist. «Bei uns buchen praktisch alle Gäste das Zimmer mit Frühstück und müssen deshalb so oder so ein Zertifikat haben», erklärt Direktor Hansjörg Good seinen Entscheid. Negative Erfahrungen habe er bisher keine gemacht. Die meisten Gäste würden ihr Zertifikat unaufgefordert vorweisen. Ein, zwei Stornierungen habe es zwar gegeben. «Einige lassen sich nun impfen und haben bereits für später wieder gebucht», so Good.
Wenn der Wellnessbereich zum Private Spa wird
Die meisten Hotels aber empfangen auch Gäste ohne Zertifikat. Je nach Betrieb wird das anders umgesetzt.
Das Hotel an der Aare in Solothurn etwa verkauft seine Zimmer unter der Woche nur inklusive Frühstück. Zimmerservice gibt es keinen – dafür wäre der Personalaufwand zu gross, wie die stellvertretende Geschäftsführerin Lisa Gruber erklärt. Wer ohne Zertifikat anreist, erhält dafür eine Gutschrift. Letzte Woche sei das aber bloss ein einziger Gast gewesen. Im Schwesterhotel Bären, einem Betrieb mit Self-Check-in, werden die Zertifikate vor dem Frühstück kontrolliert, was für eine Person im Frühdienst einen ziemlichen Zusatzaufwand bedeutet, wie Gruber sagt.
Christian Brawand, Direktor im Hotel Kirchbühl in Grindelwald, bucht seine Gäste ohne Zertifikat in Chaletappartements ausserhalb des Haupthauses. So könnten die Gäste im Hotel auf die Maske verzichten, was enorm geschätzt werde. «Am Sonntag hat mir ein Gast gesagt, er habe zugewartet, bis er wieder ohne Maske ins Hotel könne.»
Brawand bietet aber auch den Gästen ohne Zertifikat so viel Service wie möglich und erlaubt. Das Frühstück steht im Kühlschrank bereit, und für die anderen Mahlzeiten gibt es Zimmerservice. Sogar die Wellnesszone können die Gäste nutzen – gegen ein Entgelt, ausserhalb der Öffnungszeiten und als Private Spa.
«Ein Gast hat mir gesagt, er habe zugewartet, bis er wieder ohne Maske ins Hotel könne.»
Christian Brawand
Direktor, Hotel Kirchbühl, Grindelwald
Das Golfhotel Les Hauts de Gstaad wiederum setzt auf Armbänder, damit die Gäste mit Zertifikat ihren Nachweis nicht bei jedem Besuch im Restaurant oder im Wellness zeigen müssen. Das habe sich bis jetzt bewährt, sagt Hotelière Andrea Sprenger-von Siebenthal. Für die Direktion bedeute die Zertifikatspflicht zwar einen Mehraufwand für die Überzeugungsarbeit skeptischer Gäste. «Aber das ist es uns wert, wenn wir dafür im Hotel keine Masken mehr brauchen.»
Lieber keine Innengastronomie, als Zertifikate zu kontrollieren
Es gibt aber auch Betriebe, die keine Zertifikate kontrollieren: Im Hotel des Schöftländer Unterhaltungskomplexes Cinema 8 etwa verzichten die Betreiber stattdessen lieber auf die Innenräume der Gastronomie. Mahlzeiten können die Hotelgäste auf der Terrasse oder im eigenen Zimmer zu sich nehmen. Man wolle nur noch Dienstleistungen anbieten, die für alle Gäste zugänglich seien, teilen die Verantwortlichen auf der Website mit. Für eine Einschätzung, was das für die Hotelgäste und den Umsatz bedeute, sei es noch zu früh, sagt Geschäftsführer Rolf Häfeli.
In ihrem Hotel werde kein Gast nach dem Zertifikat gefragt, sagt auch eine Hotelière aus dem Wallis. Ein Frühstücksbuffet gibt es trotzdem. «Wir setzen weiterhin auf Abstand und Maske.»
Das Zertifikat entspreche schlicht nicht ihrer Lebensphilosophie als langjährige Gastgeberin. Freiheit sei für sie das höhere Gut als Gesundheit. Am Ende müsse derzeit jeder schauen, wie er das Hotel fülle. Seit ihr Hotel auf Animap.ch gelistet sei – auf dem Anti-Zertifikate-Portal sind um die 20 Hotels zu finden –, habe sie einige Anrufe erhalten, ob man bei ihr wirklich ohne Zertifikat ein Zimmer mit Frühstück buchen könne. Angst vor einer Busse habe sie nicht, sagt sie. Schlafende Hunde möchte sie aber nicht wecken und deshalb lieber anonym bleiben.
«Wir setzen weiterhin auf Abstand und Maske.»
Anonym
Walliser Hotelière, die die Zertifikatspflicht ablehnt
Letztlich sei es verrückt, wenn man geimpfte Gäste aus dem Ausland einreisen lasse, diese dann aber ohne zusätzlichen Test nicht ins Restaurant dürften. Die Hotelière spricht einen wunden Punkt an. Gäste aus Drittstaaten müssen sich testen lassen, wenn sie mit einem Impfstoff immunisiert wurden, der nicht auf der Liste der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) steht. HotellerieSuisse fordert, dass die von der WHO anerkannten Impfstoffe die Ausstellung eines Schweizer Zertifikates ermöglichen.
Nach 600 Kontrollen nur drei Verzeigungen
Insgesamt, das zeigt ein erstes Fazit aus dem Kanton Zürich, werden die Auflagen eingehalten. In der ersten Woche mit Zertifikatspflicht haben die Behörden rund 600 Betriebe überprüft – 80 Prozent davon im Gastgewerbe.
Das Resultat: drei Verzeigungen und zwei Ordnungsbussen für Gäste. Unter dem Strich zeigten sich die Behörden zufrieden: Die Kontrollen bestätigten, dass sich Bevölkerung und Gewerbe im Kanton Zürich – bis auf ganz wenige Ausnahmen – an die Vorgaben hielten.
Gäste aus Drittstaaten - Kein Zertifikat trotz Impfung
Sie habe vor zwei Wochen einen geimpften Amerikaner empfangen, sagt eine Hotelière. Aber was tun mit dessen Zertifikat? Eigentlich hätte sich der Gast testen lassen müssen, denn die Schweizer App kann US-Impfnachweise nicht lesen. Das fand die Gastgeberin dann doch übertrieben, hatte sich ihr Gegenüber doch mit dem auch in der Schweiz zugelassenen Impfstoff von Moderna impfen lassen. Sie handelte pragmatisch und winkte den Gast durch.
Was damals noch juristische Grauzone war, wurde mittlerweile durch den Bundesrat als Übergangslösung vorgestellt. Touristinnen und Touristen aus Drittstaaten können ihr Zertifikat in ein Schweizer Zertifikat umwandeln lassen. Voraussetzung dafür ist, dass es sich um einen von der Schweiz oder von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) zugelassenen Impfstoff handelt. In einer Übergangsphase bis 28. Oktober 2021 sind auch Impfnachweise gültig, die noch nicht in ein Schweizer Zertifikat umgewandelt worden sind.
Der Bundesrat will eine nationale elektronische Anmeldestelle aufbauen, um Personen wie etwa Touristen und Touristinnen, die sich im Ausland gegen das Coronavirus haben impfen lassen oder genesen sind, den Zugang zum Schweizer Covid-Zertifikat zu erleichtern. Diese Idee ist derzeit in der Vernehmlassung.
Und was ist mit Gästen, die mit einem nicht von der EMA zugelassenen Impfstoff geimpft sind? Sie haben aktuell keine Möglichkeit zur Umwandlung ihrer Zertifikate. Gäste ohne EMA-anerkannten Impfstoff müssen sich (vorerst) weiterhin testen lassen, oder sie haben keinen Zugang zu Innenräumen. (gck/stü)
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