Marco Zanolari, im Mai kürte Hoteltester Karl Wild Ihr Resort zum besten Wellnesshotel der Schweiz. Was bedeutet Ihnen das?

Von einem profunden Branchenkenner wie Karl Wild ausgezeichnet zu werden, ist eine grosse Ehre. Speziell im Corona-Jahr ist so eine nationale Auszeichnung sehr wertvoll, da unser Kernmarkt seit jeher die Schweiz ist und wir über 50 Prozent heimische Gäste haben.

Nebst Medienpräsenz – was bringt so eine Auszeichnung?

Sie motiviert und steigert den Teamgeist. Wir arbeiten viel und hart – eine solche Bestätigung tut uns allen gut. Ob sie direkte Folgen auf Buchungen hat, ist schwer zu sagen, aber jeder Erfolg und gemeinsam erreichte Meilensteine machen Freude und verändern die Energie im Haus.

Im Mai logierte die Fussball-Nati zwei Wochen bei Ihnen. Wie gross war der Mehraufwand?

Nicht wesentlich. Mit dem Küchenchef der Mannschaft planten wir die Verpflegung, die unser Küchenchef eins zu eins umsetzte. Zusatzpersonal brauchten wir keines. Hat man die Schweizer Nati im Haus, kommt das einer Auszeichnung gleich. Es freut Personal wie Gäste. Diesen Sommer besuchen uns auch noch die Fussballteams aus Dortmund und Sevilla. Das sind jeweils 60 bis 70 Gäste, die etwas internationales Flair ins Haus bringen.

Erst jetzt spüren wir langsam eine Erholung, auch wenn wir noch wenig internationale Gäste begrüssen dürfen.

Auf ausländische Gäste mussten Sie nicht zuletzt wegen des abgesagten WEF und nicht stattfindender grösserer Events verzichten. Gehts langsam wieder aufwärts?

Die Zahlen für den Sommer sind vielversprechend, aber Platz hätten wir noch. Vor dem Herbst haben wir Respekt. 2020 war ein heftiger Schlag, die Nachfrage brach komplett  ein. Der Umsatz im Resort war um 25 Prozent geringer, was zu einem Verlust von 7,6 Mio. Franken führte. Erst jetzt spüren wir langsam eine Erholung, auch wenn wir noch wenig internationale Gäste begrüssen dürfen.

Im Frühling gabs schlechte Presse, weil Sie trotz vollem Haus bei Zulieferern einsparen wollten. Haben Sie Ihre Machtposition missbraucht?

Wir haben eine sehr schwierige Zeit hinter uns. Wir wussten nicht, wie und ob es überhaupt weitergeht. Zur Schadensbegrenzung diskutierten wir verschiedenste Ideen, eine war, Rückvergütungen von Lieferanten zu verlangen. Im Nachhinein war das nicht gut bedacht – heute würden wir anders handeln. Als es wieder aufwärtsging, zogen wir die Forderung zurück, ohne eine Rückvergütung verlangt zu haben.  

Wie ist das Verhältnis zu den Zulieferern jetzt?

Wir haben alle Lieferanten persönlich kontaktiert und ihnen unsere Notsituation erklärt. Das Thema ist vom Tisch.

Unter Ihnen ist die Gastronomie im Resort zu einem grossen Aushängeschild geworden. Sind Sie am Ziel?

Wir werden uns immer bewegen, wollen unsere Gäste auch kulinarisch überraschen und versuchen, Trends zu setzen und ihnen zuvorzukommen. Wir beobachten genau, was in der Welt passiert, vergessen aber nie, woher wir kommen. Kulinarik ist das Fenster zu einer Region geworden, sie will geschmeckt und erlebt werden. Ausländische Gäste zum Beispiel wollen wissen, wie ein regionales alpines Menü mit 18 Punkten gezaubert wird.

Weit gereister Hoteldirektor
Marco Zanolari (44) ist gebürtiger Churer und stammt aus einer Weinfamilie. Nach der Hotelfachschule an der EHL Lausanne (1998 bis 2001) arbeitete er weltweit in verschiedenen Hotels, u. a. in China, Thailand, Katar und den USA. Bei der Hotelkette Four Seasons Hotels and Resorts war er acht Jahre und leitete unter anderem das Resort in Miami und das Resort Maui auf Hawaii. Zanolari hat zwei Kinder (7 und 11) und lebt mit seiner Familie in Chur. Seine Frau lernte er an der EHL Lausanne kennen, sie arbeitet heute an der Hotelfachschule Passugg. Seit 2016 ist Marco Zanolari GM im Grand Resort. Er ist im Vorstand von Swiss Deluxe Hotels und Beirat der EHL Passugg.

Im «Memories» werden Gerichte und Geschmäcker von früher zelebriert.

Während sich die ältere Generation an Dinge von früher erinnert, finden jüngere Leute es spannend, diese Geschmäcker überhaupt erst zu entdecken. Habt ihr das wirklich so gemacht früher? Das gibt witzige Momente. Ein grosses Plus der Sterneköche ist, dass sie viele Gäste aus der Region sowie Tagesgäste zu uns bringen.

Wie viele Ihrer Gäste kommen wegen des Themas Gesundheit?

Bad Ragaz und Gesundheit gehört zusammen. Das ist unsere DNA. Gesundheit hat viele Berührungspunkte, angefangen beim Thermalwasser bis hin zum Gesundheitsrestaurant Verve mit einem Michelin-Stern und 14 Gault-Millau-Punkten. Gesundheit ist ein Lebensstil geworden, der durch Corona noch mehr Schub erhalten hat. Dass das Interesse an der eigenen Gesundheit stark gestiegen ist, spüren wir deutlich.

Wie?

Die Leute wollen mehr über sich lernen, im Optimum leben und arbeiten. Es geht um Körper, Seele, Geist und Energie. Gäste wollen wissen, wie sie möglichst lang gesund und erfüllt leben können und was sie dafür tun können. Die drei grossen Themen sind Bewegung, gesunde Ernährung und Erholung. Der Schlaf kommt noch etwas zu kurz, wird aber wieder mehr Gewicht erhalten. Wir möchten wissen, ob Elektrosmog den Schlaf beeinflusst, und verfügen neu über drei komplett strahlenfreie Zimmer.

Der Gesundheitsmarkt ist wachsend und sehr lukrativ. Wie heben Sie sich ab von anderen Anbietern?

Wir haben diesen Weg vor über 60 Jahren eingeschlagen und in den vergangenen Jahrzehnten viel Erfahrung und Kompetenz gesammelt. Unsere Gäste profitieren von geballtem medizinischem Wissen mit fast 30 Ärzten im Haus. Komfortabel können sie zum Zahnarzt, Venenarzt, Dermatologen oder wem auch immer – und dies ganz spontan. Zudem beziehen wir das Wasser für die Pools von einer Thermalquelle mit 1000 Liter Wasser pro Minute, während andere Bäder voller Chlor sind.

Der Faktor Mensch ist enorm wichtig ist. Der Gast will erkannt werden und selbst Leute erkennen.

Der heutige Hotelgast verlangt nebst Komfort ein bleibendes Erlebnis. Was bieten Sie ihm da?

Der Faktor Mensch ist enorm wichtig ist. Der Gast will erkannt werden und selbst Leute erkennen. Damit er sich rasch zu Hause fühlt, platzieren wir möglichst langjährige Mitarbeitende an zentralen Positionen. Während des Aufenthalts achten wir auf einen ständigen Austausch, halten aber auch Augen und Ohren offen. Nur so wissen wir, ob es dem Gast wirklich gut geht oder ob er schlecht geschlafen hat, weil die Matratze zu hart oder zu weich war. Ein ewiges Thema. Vor der Renovation organisierten wir jeweils umgehend eine andere Matratze, die heutigen sind regulierbar. Der Schlüssel liegt also im Persönlichen, der zweite Faktor ist das Produkt Haus. Wir wollen den Gast überraschen, indem wir ihm stets was Neues bieten.

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Wie ist das Persönliche in so einem Resort möglich?

Der Gast soll merken, dass ihm zugehört und er verstanden wird. Dafür investieren wir in Technologie und Personal, das die persönlichen Infos aufarbeitet und Wow-Momente kreiert.
Kürzlich vergassen wir bei einem abreisenden Gast, seine Jacke einzupacken. Als er uns von zu Hause anrief, entschuldigten wir uns und brachten ihm noch am gleichen Abend die Jacke nach Zürich. Das war ein Wow-Erlebnis für den Gast wie auch für den Mitarbeiter.

Wie verträgt sich Nachhaltigkeit mit Luxus?

Die Gästeansprüche sind sehr unterschiedlich. Der eine möchte gerne alles individuell verpackt und möglichst jeden Tag frische Bettwäsche – schliesslich ist er in einem Luxushotel. Der andere möchte die Umwelt schonen, nirgends Plastik und nur alle drei Tage frische Bettwäsche. Die Spannweite ist riesig, und deshalb ist es für uns wesentlich, den Gast genau zu kennen und zu verstehen. Generell ist uns Nachhaltigkeit sehr wichtig.

Für 2022 nehmen wir uns die Mission Nachhaltigkeit vor und wollen in jedem Bereich noch umweltfreundlicher werden.

Wie zeigt sich das konkret?

2011 verbrauchten wir eine Million Liter Heizöl pro Jahr für das gesamte Resort. 2020 waren es nur noch 34 000 Liter. Mit abgebadetem Thermalwasser beheizen wir 95 Prozent der Anlage und beziehen seit 2018 nur noch Ökostrom. Es gibt auch andere Aktionen. Zum Beispiel sammeln wir gebrauchte Seifen, bereiten sie auf und geben sie an Bedürftige weiter. Das kostet was, ist es uns aber wert. [IMG 2]

Wo können Sie noch optimieren?

Ein grosses Thema ist Food-Waste. Wir möchten die Thematik und den Gast besser verstehen und passen die Portionengrössen an. Das ist aber noch nicht alles. Aktuell haben wir im Park mit Studenten der Hotelfachschule Passugg das Pop-up-Restaurant Leftlovers kreiert. Reste aus der Hotelküche werden mit neuen Speisen kombiniert, was bei den Gästen gut ankommt. Zudem nehmen wir uns für 2022 die Mission Nachhaltigkeit vor und wollen in jedem Bereich noch umweltfreundlicher werden.

Branchenkenner sagen, dass die Schweizer Luxushotellerie wieder familienfreundlicher wird. Wie ist das bei Ihnen?

Stimmt absolut! Das Buchungsverhalten zeigt, dass viel öfter mit Kindern gereist wird. Damit die Familienzeit Spass macht, haben wir viel ins Kinderangebot investiert. Nebst einem Kinderspa haben wir die Kindervilla ins Leben gerufen, ein Kinderparadies auf zwei Etagen mit diversen Themenzimmern für die Kleinen und Grösseren sowie einer Küche. Während die Eltern Quality Time mit Sport, Golf oder Kunst geniessen, erleben auch die Kinder viel und erzählen abends im Restaurant vom Spielen, Basteln und Backen.

Zum Resort
Das ganzjährig geöffnete Resort gehört zu den Aushängeschildern der nationalen Luxushotellerie. Es ist eine Kombination aus Grandhotel, Gastronomie, Gesundheit, Well-Being, Business und Golf. Im Zentrum stehen das öffentliche Thermalheilbad Tamina Therme sowie das Thermal-Spa für Hotelgäste. Das Resort besteht aus den beiden Grandhotels Quellenhof & Spa Suites und Hof Ragaz (beide 5 Sterne) sowie dem Palais Bad Ragaz (4 Sterne) und hat 247 Zimmer und Suiten. Das Grand Resort betreibt acht Restaurants mit Top-Küchenchefs unter einem Dach und ist neben dem «Four Seasons George V» in Paris europaweit das einzige Hotel mit 5 Michelin-Sternen plus 76 Gault-Millau-Punkten. Das Unternehmen beschäftigt 689 Mitarbeitende.

Was ist Ihnen zudem wichtig?

Eine gute Gästedurchmischung. Mittlerweile sind wir ein 4-Generationen-Haus, neu dazugekommen sind junge Pärchen ohne Kinder, die hier ihre Zweisamkeit geniessen. Ein Grandhotel muss leben und darf kein Museum sein. Ich freue mich über Knirpse, die mit einem Ballon durch die Lobby rennen, über elegant gekleidete Gäste wie auch solche im Bademantel oder eben Fussballer in ihren Tenues. Alles, was man von ausserhalb kennt, soll man auch im Haus sehen dürfen. Das ist Leben und Energie – für mich das Wichtigste schlechthin.

Nebst Energie erfordert es viel Ehrgeiz, täglich Höchstleistungen zu erbringen. Wie spornen Sie Ihre Leute an?

Ich zeige ihnen, dass man gemeinsam viel erreicht. Sogar Dinge, die andere für unmöglich halten. Als wir in einem leer gewordenen Ladenlokal im Haus ein Sushi-Take-away realisierten, hörten wir von diversen Seiten, dass so etwas in einem Grandhotel nie funktioniere. Und jetzt? Das Take-away läuft prima. Solche Erlebnisse verändern das Denken und die Dynamik. Meine Mitarbeitenden können jederzeit ihre Ideen einbringen. Sie sollen sich entwickeln und etwas bewegen können und Freude haben an ihrem Tun.

Dürfen Mitarbeitende Fehler machen?

Wir alle machen Fehler. Viel wichtiger ist mir, wie jemand auf sie reagiert und Verantwortung übernimmt. Wir haben ein System, mit dem wir Beanstandungen oder Missgeschicke intern sehr schnell aufarbeiten und miteinander teilen können. Es ist mir wichtig, nach einem Fehler den Gast positiv zu überraschen sowie künftige Fehler zu vermeiden. Grundsätzlich sehe ich meinen Job darin, ein starkes Team aufzustellen und dieses zu coachen. Genau wie Vladimir Petkovic das macht. (lacht)