Frage: Ich habe gelesen, dass Mitarbeitenden, die krank, verunfallt, schwanger, im Mutterschaftsurlaub oder im Militärdienst sind, nicht gekündigt werden darf. Wie beurteilen Sie das?

Antwort: Das Arbeitsverhältnis kann vom Arbeitgeber nicht gekündigt werden, wenn der Mitarbeiter ohne eigenes Verschulden infolge Krankheit oder Unfall an der Arbeitsleistung verhindert ist, und zwar:

Im 1. Dienstjahr 30 Tage

Im 2. bis 5. Dienstjahr 90 Tage

Ab dem 6. Dienstjahr 180 Tage

Nach Ablauf dieser Frist kann der Vertrag unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist auf den nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt werden. Die Sperrfristen gelten erst nach Ablauf der Probezeit.

Die Mitarbeiterin kann den Arbeitsvertrag jederzeit kündigen, die Sperrfristen gelten nur bei Kündigungen, welche durch den Arbeitgeber ausgesprochen wurden.

Eine Kündigung während der Sperrfrist ist nichtig, sie muss nach Ablauf der Sperrfrist unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist wiederholt werden.

Die Kündigung vor der Sperrfrist ist gültig. Die Sperrfrist unterbricht aber die Kündigungsfrist, was bedeutet, dass diese erst nach der Sperrfrist weiterläuft. Nach Ablauf der fortgesetzten Kündigungsfrist endet das Arbeitsverhältnis am nächstmöglichen Kündigungstermin (jeweils am Ende eines Monates).

Dieser Kündigungsschutz gilt sowohl bei vollständiger als auch bei teilweiser Arbeitsunfähigkeit:

  • Beispiel: Krankheit ab dem 10. Juni 2022 im 1. Dienstjahr. Bis am 29. Juni 2022 100 Prozent Arbeitsunfähigkeit, danach noch 50 Prozent. Die Sperrfrist dauert bis am 9. Juli 2022 (30 Tage), ab dem 10. Juli 2022 kann die Kündigung unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist ausgesprochen werden.

Fällt ein Dienstjahreswechsel in die Sperrfrist, verlängert sich die Sperrfrist nur, wenn im neuen Dienstjahr eine längere Sperrfrist gilt. Ab dem Dienstjahreswechsel gilt die längere Sperrfrist, wobei die bereits verstrichenen Tage abgezogen werden:

  • Beispiel: Krankheit ab dem 10. Juni 2022, Dienstjahreswechsel vom 1. ins 2. Dienstjahr am 1. Juli 2022. Ab dem 1.7.2022 gilt eine Sperrfrist von 90 Tagen. Die 21 Tage des Monats Juni können zur Berechnung der Sperrfrist mitgezählt werden, sie dauert somit noch 69 Tage und endet am 7. September 2022. Ab dem 8. September kann der Vertrag unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist gekündigt werden.

Sollte der Mitarbeiter früher seine volle Arbeitsfähigkeit erlangen, kann der Vertrag natürlich früher gekündigt werden. Jede unterschiedliche Krankheit und jeder neue Unfall löst eine neue Sperrfrist aus.

  • Beispiel: Krankheit vom 4. April bis am 28. Juni 2022 im 2. Dienstjahr, zudem verunfallt die Person am 29. Juni und ist bis am 10. Juli 2022 arbeitsunfähig. Krankheit und Unfall lösen je eine Sperrfrist aus, während der nicht gekündigt werden kann.

Wird die Mitarbeiterin während der laufenden Kündigungsfrist wegen Krankheit oder Unfall arbeitsunfähig, wird die Kündigungsfrist unterbrochen und bei Wiedererlangen der vollen Arbeitsfähigkeit um die Dauer der Arbeitsunfähigkeit, maximal aber um die erwähnten Fristen verlängert. Grund für die Verlängerung ist, dass die Arbeitnehmerin die Möglichkeit haben soll, während der vollen Kündigungsfrist eine neue Stelle zu suchen.

Gemäss L-GAV Art. 6 kann der Arbeitsvertrag nur auf das Ende eines Monates gekündigt werden. Somit verlängert sich das Arbeitsverhältnis um die Abwesenheitstage, maximal aber um die in OR 336c genannten Sperrfristen, und endet zum nächstmöglichen Termin, also jeweils am Letzten des Monats:

  • Beispiel: Der Arbeitgeber kündigt den Arbeitsvertrag am 25. Juni auf den 31. August 2022. Die Mitarbeiterin ist vom 14. Juli bis 17. August 2022 krank, sie befindet sich im 3. Anstellungsjahr. Der Arbeitsvertrag verlängert sich um die 35 Krankheitstage auf den 5. Oktober. Da gemäss L-GAV der Vertrag nur auf das Ende eines Monates gekündigt werden kann, endet der Arbeitsvertrag am 31. Oktober 2022.

  • Beispiel: Der Arbeitgeber kündigt den Arbeitsvertrag am 25. Juni auf den 31. Juli 2022. Der Mitarbeiter verunfallt am2. Juli und ist bis 15. August 2022 arbeitsunfähig. Er befindet sich im ersten Dienstjahr. Der Arbeitsvertrag verlängert sich um die maximale Sperrfrist von 30 Tagen, obwohl der Mitarbeiter 45 Tage arbeitsunfähig geschrieben ist. Der Arbeitsvertrag endet am 31. August 2022.

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Schwangerschaft, Mutterschaft
Während der Schwangerschaft gilt nach Ablauf der Probezeit eine Sperrfrist über die gesamte Dauer der Schwangerschaft bis 16 Wochen nach Geburt des Kindes. Stellt sich also erst im Nachhinein und nach Aussprechen einer Kündigung heraus, dass die Arbeitnehmerin zum Zeitpunkt der Kündigung bereits schwanger war, ist die Kündigung rückwirkend nichtig, sofern die Probezeit bereits abgelaufen ist.

Wird die Mitarbeiterin während der laufenden Kündigungsfrist schwanger, wird die Kündigungsfrist unterbrochen, die verbleibende Kündigungsfrist läuft erst ab der 17. Woche nach der Geburt weiter. Auch hier endet das Arbeitsverhältnis auf den nächstmöglichen Zeitpunkt jeweils am letzten Tag des Monates.

Militär, Schutzdienst oder Zivildienst
Eine Kündigung gilt ferner als unzulässig, wenn sie ausgesprochen wird, während Arbeitnehmende schweizerischen obligatorischen Militär- oder Schutzdienst oder schweizerischen Zivildienst leisten sowie – sofern der Dienst mehr als 11 Tage dauert – während vier Wochen vor und nach dem Militärdienst.

Annette Rupp ist Projektleiterin Rechtsdienst bei HotellerieSuisse