Zu viel auf dem Teller, Reste vom Buffet, Überproduktion oder zu viel Eingekauftes – Gründe, dass es in einem Gastrobetrieb zu Food-Waste kommt, gibt es viele. «Oft sind sich die Gastronomen nicht bewusst, wie viel weggeworfen wird», sagt Benno Rust von Kitro. Das 2017 gegründete Start-up entwickelt vollautomatisierte Messsysteme für die Gastronomie und bietet Beratungen zur Reduktion von Lebensmittelabfällen an.
Zusammen mit HotellerieSuisse hat es das Benchmark-Tool entwickelt, das HotellerieSuisse im vergangenen Dezember auf seiner Website aufgeschaltet hat. Mit diesem einfachen Tool können Betriebe mit ein paar wenigen Angaben eine erste Einschätzung vornehmen, wie sie in Sachen Food-Waste dastehen.
«Wir möchten die Betriebe sensibilisieren», sagt Andrea Grossenbacher von HotellerieSuisse. «Und sie natürlich auch dazu bewegen, dass sie Massnahmen ergreifen.»
Mit Messungen den Abfall in den Griff kriegen
Die junge Firma Kitro setzt für die Reduktion von Food-Waste auf ein ganz neues System: Es misst automatisch und mit intelligenter Bilderkennung die Lebensmittelabfälle. «Erst wenn wir genau wissen, wo wie viel Essensreste entstehen, wissen wir auch, in welchem Bereich man handeln muss», sagt Benno Rust.
Das System von Kitro funktioniert so: Der bestehende Eimer für Lebensmittelabfälle wird auf eine Waage gestellt, darüber eine Kamera montiert. Sobald Abfall in den Container gelangt und sich damit dessen Gewicht verändert, macht die Kamera ein Bild, das sie an die Cloud übermittelt. Die Software erkennt mittels intelligenter Bilderkennung, was im Container gelandet ist – Pommes, Brot, Rüstabfälle oder anderes. «Das Programm erkennt nicht nur, was wann weggeworfen wurde», erklärt Rust. «Aus den Daten lässt sich auch herauslesen, ob die Abfälle aus der Überproduktion in der Küche, vom Rücklauf des Buffets oder von den Resten einzelner Teller stammen.»
So praktisch der Einsatz dieses Geräts ist, es hat seinen Preis: Grundsätzlich lohnt es sich für alle Betriebe, da dank der gewonnenen Daten immer Lebensmittelabfälle reduziert werden können. Bei kleineren Betrieben ist jedoch die Kostendeckung durch die Optimierungen nicht immer gegeben. Das Messgerät wird im Abo gelöst, inklusive Beratung kostet es um 485 Franken pro Monat, ansonsten 350 Franken. «Die meisten Betriebe starten mit einem Full-Service-Abo und steigen später auf die günstigere Variante um.»
«Wenn man Food- Waste reduziert, wirkt sich das positiv auf die Qualität aus.», Roger Heid, Direktor Riders Hotel in Laax
Das Riders Hotel in Laax ist einer der Betriebe, die schon seit längerem auf die Vermeidung von Essensabfall achtet. «Wir wollen nicht unnötig Ressourcen verschleudern», sagt Direktor Roger Heid. «Nachhaltigkeit ist bei uns zentral.» Bei ihnen ist das Gerät von Kitro seit fünf Jahren im Einsatz. Das «Riders» spart damit nicht nur Ressourcen und Geld. «Wenn man Food-Waste reduziert, wirkt sich das positiv auf die Qualität aus», sagt Heid. «Haben wir beispielsweise bei einem Gericht viel Rücklauf, dann verbessern wir das Rezept.»
Am meisten einsparen konnten sie beim Frühstücksbuffet: als Erstes mit kleineren Tellern für die Gäste und kleineren Portionen auf dem Buffet. Später griff man zu weiteren Massnahmen wie der Weiterverwendung von Lebensmitteln: Aus trockenem Brot entsteht «Torta di Pane», alte Früchte werden getrocknet oder für Drinks weiterverwertet.
Der finanzielle Aspekt ist für Heid dabei zweitrangig, aber erfreulich: «Wir konnten teilweise mehr als 1000 Franken pro Monat einsparen», sagt er.
Halb so viele Lebensmittelsollen in der Tonne landen
Die Vermeidung von Food-Waste lohnt sich: Es lässt sich bis zu 24 Franken pro reduziertes Kilo Abfall sparen. Wie viel Lebensmittelabfall anfällt und wie viel man einsparen kann, hängt nicht nur von der Grösse eines Betriebes ab. Ein 5-Sterne-Haus generiert oft mehr Essensabfälle, weil es mehr inhouse produziert, etwa frisch gepressten Orangensaft. In Mittelklassehotels wird Fruchtsaft eher eingekauft, hier landen also weniger Orangenschalen im Abfall.
Das Gastgewerbe verursacht 14 Prozent der Lebensmittelabfälle in der Schweiz. HotellerieSuisse ist die Reduktion von Food-Waste ein grosses Anliegen. Im Mai 2022 hat der Verband mit 27 weiteren Unternehmen und Verbänden eine branchenübergreifende Vereinbarung unterschrieben: Bis 2030 sollen schweizweit unnötige Lebensmittelverluste in Produktion, Verarbeitung, Vertrieb und Gastronomie halbiert werden.
Angesichts der steigenden Lebensmittelpreise ist der Moment nun günstig, um gegen unnötige Verschwendung vorzugehen. Dabei muss man aber realistisch sein: Runter auf null beim Food-Waste, das geht nicht; aber es gibt noch viel Potenzial.
Nachgefragt
Herr Pabst, spart man Lebensmittel, spart man Geld. Warum entsteht dennoch Food-Waste?
Weil die Sensibilisierung und die Wertschätzung gegenüber Lebensmitteln fehlen. Viele Küchenchefs wissen gar nicht, wo und wie viel Abfall entsteht. Ihnen fehlt die Zeit, sich damit zu befassen. Sie benötigen externe Unterstützung, um sich klar zu werden, was sie tun können. [IMG 2]
Wie kann man den Abfall reduzieren?
Die Lösungen sind oft einfach, es benötigt bewusste Massnahmen. Dabei sind die Mitarbeitenden der entscheidende Faktor: Als Erstes muss man sie abholen und für die Sache gewinnen.
Was ist das Schwierige daran?
Man muss Gewohnheiten ändern und die Mitarbeitenden schulen. Es braucht Mut, neue Wege einzuschlagen. Bietet ein Hotel beispielsweise Vollpension an, kann es die Gäste morgens fragen, welches Menü sie abends am ehesten essen wollen. Wenn man das richtig kommuniziert, kommt es bei den Gästen gut an.
Was, wenn Gäste viel zu viel Essen bestellen?
Gäste aus bestimmten Kulturkreisen bestellen manchmal in Hülle und Fülle. Das Posthotel Rössli in Gstaad BE hat eine Lösung gefunden: In solchen Fällen servieren sie kleinere Portionen und verrechnen weniger. Doch das muss man sich erst mal getrauen. Viele wagen das nicht.
Es braucht Mut, neue Wege einzuschlagen.
Food-Waste-Projekt
Gemeinsam für weniger Verschwendung
Mitten in der Corona-Pandemie war der Startschuss: Im Juni 2021 fand das Kick-off für das Food-Save-Projekt von United Against Waste (UAW) im Berner Oberland statt. Es haben insgesamt 23 Hotels teilgenommen, Projektpartner waren HotellerieSuisse und der Regionalverband Berner Oberland, H + R Gastro und der Kanton Bern. In den ersten vier Wochen haben die Betriebe ihre Lebensmittelabfälle gemessen. Nach der Analyse der Daten wurden Massnahmen ausgearbeitet und umgesetzt. Während eines Jahres wurde danach gemessen, wie sich der Food-Waste entwickelt. Das Resultat: Einzelne Betriebe konnten bis zu 600 Kilogramm Lebensmittelabfälle einsparen. Insgesamt wurde der Food-Waste um rund 40 Prozent reduziert.
Es gab vereinzelt aber auch andere Resultate: dort, wo die Gästezahl aufgrund der aufgehobenen Corona-Massnahmen stark anstieg oder wieder mehr Gäste aus Kulturkreisen anreisten, die ein geringes Bewusstsein für sparsamen Umgang mit Lebensmittel haben. Das Mess-system funktionierte folgendermassen: Die Lebensmittelabfälle kamen je nach Art in separate Container. Diese wurden einmal pro Tag gewogen und die Daten in der Waste-Tracker-App erfasst. Der Vorteil: Durch die Visualisierung des Abfalls in einzelnen Kategorien steigt die Sensibilisierung bei den Mitarbeitenden. Mittlerweile läuft im Kanton Luzern ein ähnliches Food-SaveProjekt von UAW, weitere starten ab Mitte 2023 in Graubünden und Basel-Stadt.
united-against-waste.ch
foodsaveapp.ch