Ihr Mann hält Nadine Wächter den Rücken frei, während sie auf dem internationalen Parkett den Schneebesen schwingt. Nach mehreren Jahren in Florida, Australien, Japan, Mexiko, Indonesien und Singapur heuerte sie im Sommer 2023 im Grand Resort Bad Ragaz an und liess sich mit ihrer Familie im gleichnamigen St. Galler Dorf nieder.

Anfang 2024 übernahm sie die kulinarische Gesamtleitung des renommierten Resorts. Der Palmarès des Grand Resort Bad Ragaz umfasst 6 Michelin-Sterne, einen grünen Michelin-Stern und 75 Gault-Millau-Punkte. Wächter bleibt bescheiden. Die Familie ist Ankerpunkt der 45-Jährigen: In der Freizeit kocht sie mit ihrer Tochter Currys aus allen Landesteilen Indiens. [RELATED]

Nadine Wächter, letzten Sommer sind Sie nach fast 20 Jahren in den USA, Asien und Südostasien in die Schweiz zurückgekehrt. Weshalb?

Seit ich selbst Mutter bin, begann ich die Schweiz zu vermissen. Ich fand es schade, dass wir meine Familie nicht unkompliziert sehen konnten. Mir wurde auch bewusst, wie toll meine Kindheit und Jugend in der Schweiz war.

Ihre Tochter ist elf und spricht einen Mix aus Schweizerdeutsch, Spanisch und Englisch. Wie gelingt ihr die Integration in der Schule?

Lucia macht das wunderbar. Ich bin stolz auf sie. Die grösste Herausforderung war allerdings nicht die Sprache.

Sondern?

Sie musste lernen, mehr Eigenverantwortung zu übernehmen und selbstständiger zu werden, als sie das bisher gewohnt war. Aufgrund des Sicherheitsaspekts können viele internationale Schulen im Ausland das nicht einfordern.

dies oder das?

Miso-Suppe oder Bündner Gerstensuppe?
(zögert) Miso-Suppe

Safran oder Sumach?
(überlegt) Sumach

Chili oder Sauce béarnaise?
(zieht die Augenbrauen hoch) Das ist eine schwierige Frage! Sauce béarnaise, die beste gibts im Grand Resort Bad Ragaz, aber Chili liegt auch ganz weit oben.

Hawker Center oder Fine Dining?
Ah, das ist eindeutig: Hawker Center!

Erdbeeren oder Caramelköpfli?
Ich mag Süsses: Caramelköpfli.

Zuletzt lebten Sie in der 5-Millionen-Stadt Singapur. Was vermissen Sie am meisten?
Ich will nicht herummeckern, denn wir sind happy in der Schweiz. Wenn wir etwas vermissen, dann sind es Kleinigkeiten wie die Authentizität der asiatischen Küche in den Hawker Center, wo es eine Vielzahl an preiswerten, frisch zubereiteten Speisen gibt.

Bereuen Sie heute, so lange im Ausland gewesen zu sein?

Überhaupt nicht! Ich bin für jeden Karriereschritt dankbar und auch für die Zeit, die wir als Familie in den verschiedenen Kulturen erlebt haben.

Ihr Vorgänger Renato Wüst arbeitete 45 Jahre lang im Grand Resort Bad Ragaz. Wie hat er Sie eingeführt?

Er hat es verstanden, mich professionell und ohne Druck zu integrieren. Man muss verstehen, dass so eine Übernahme nicht von heute auf morgen geschieht, sondern ein Prozess mit dem ganzen Team ist. Es unterstützt mich mit Elan und Wissen.

Bestimmt gab es Arbeitsabläufe und Angebote, die eingefahren waren.

Nicht unbedingt. Renato war ein innovativer Macher, der viele Dinge ausprobiert hat. Wenn ich neue Ideen habe, weiss das Team genau, was funktionieren könnte und was nicht. Diese Erfahrung müssen wir nicht wiederholen, sondern wir können einen Schritt weitergehen.

Was macht Ihre ganz persönliche Küche aus?

Ich bin kein grosser Fan von Schnörkeleien. Ich mag es unkompliziert, vielleicht sogar ein wenig puristisch, wobei die Qualität der Produkte zuoberst steht. Ebenso lege ich grossen Wert auf Authentizität.

Bleibt das Konzept der unterschiedlichen Restaurants auch in Zukunft?

Wir überarbeiten momentan die einzelnen Restaurantkonzepte. Das ist ein spannender und lustvoller Prozess, den ich gemeinsam mit dem ganzen Team mache. Aber keine Angst, die Ausrichtung wird bleiben: Gourmet, italienisch und asiatisch. Wir schärfen aber das Profil.

Ich mag es unkompliziert, vielleicht sogar ein wenig puristisch, wobei die Qualität der Produkte zuoberst steht.

Sie arbeiten mit drei Michelin-Köchen zusammen. Beschreiben Sie das Zusammenspiel.

Grundsätzlich funktionieren die Restaurants unter Sven Wassmer, Joël Ellenberger und Sebastian Titz autonom. Aber natürlich pflegen wir einen engen Austausch und ergänzen uns wirklich gut. Joël Ellenberger beispielsweise ist ein Supertalent der neuen Generation. Er bringt eine spannende Energie und neue Kreativität mit.

Wie können Ihre Lernenden davon profitieren?

Unsere Lernenden absolvieren ihre Ausbildung grundsätzlich in der Hauptküche. Aber sie helfen bei einzelnen Anlässen auch in der Gourmetküche aus. Das ist eine grosse Chance für sie.

Welchen Führungsstil pflegen Sie persönlich?

Ich kommuniziere mit meinen Mitarbeitenden auf Augenhöhe, ziehe sie in der Ideenfindung mit ein und lasse sie mitentscheiden.

Sie sagten einmal, dass Frauen in der Küche heute die gleichen beruflichen Chancen hätten wie Männer. Weshalb gibt es trotzdem nicht mehr weibliche Chefs?

Ich beobachte in der Szene wahnsinnig talentierte junge Frauen mit viel Ehrgeiz. Ich hatte das Glück, einen Partner zu haben, der mich unterstützt. Das hat meine Karriere und die Familienplanung vereinfacht. Wenn Frauen mit typischen Rollenverständnissen aufräumen und für sich das Beste suchen, können sie die Spitze des Fine Dining erreichen.