Die Weko sehe in der Digitalisierung in erster Linie eine grosse Chance, sagte Weko-Direktor Rafael Corazza an der Jahresmedienkonferenz in Bern. Sie könne zu mehr Wettbewerb führen.Die Konsumenten erhielten ein breiteres Angebot und profitierten von tieferen Preisen.
Die Weko begrüsst die neuen Geschäftsmodelle der digitalen Wirtschaft. So erlaubten es der Fahrdienst Uber, das Übernachtungsportal Airbnb oder die Finanzierung über Crowdfunding neuen Anbietern, ihre Dienstleistungen erfolgreich auf den Markt zu bringen. Das führe zu mehr Wettbewerb.Diese Geschäftsmodelle sieht die Behörde auch als Anlass, bestehende Regulierungen zu hinterfragen. «Es schadet dem Wettbewerb, wenn neue Geschäftsmodelle in alte, aber nicht passende Regulierungskorsetts gezwängt werden», sagte Corazza.
Ein Beispiel dafür findet sich im Jahresbericht: Es sei fraglich, ob es im digitalen Zeitalter mit Navigationssystemen erforderlich sei, von Taxifahrern einen Nachweis von Ortskenntnissen zu verlangen, schreibt die Weko. Im Klartext: Statt diese Regulierung auch auf Uber-Fahrer anzuwenden, könnte sie gekippt werden.
Komplexere Beurteilungen
Umgekehrt stellt die Digitalisierung die Weko auch auf die Probe.Die Beurteilungen seien komplexer, sagte Corazza. Digitale Plattformen als Vermittler bedienten beispielsweise gleich zwei Kundengruppen, die Anbieter und die Käufer. Als Beispiel nannte er Hotelgäste und Hoteliers bei Hotelbuchungsplattformen.
Bei solchen Plattformen hängt die Teilnahme einer Kundengruppe von der Teilnahme der anderen Kundengruppe ab. Je mehr Hoteliers ihre Zimmer auf einem Portal anbieten, desto attraktiver ist dieses für Reisende – umgekehrt locken viele potenzielle Gäste Hotelbetreiber auf eine Plattform. Das hat auch Einfluss auf die Preisgestaltung.Als Hinweis für die Stärke der Plattform zieht die Weko deshalb nicht nur den Marktanteil, sondern auch die Teilnehmerzahl beider Seiten heran.Aufgrund der verstärkten Grössenvorteile kommt es auch zu mehr Marktkonzentration.
Die Weko hält allerdings fest, dass Marktmacht für sich genommen nicht schädlich sei. Deshalb wartet die Behörde in mehreren Fällen zunächst ab. Erst wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen seine Marktmacht missbrauche oder bei einem Zusammenschluss die Möglichkeit der Beseitigung des Wettbewerbs bestehe, schritten die Wettbewerbsbehörden ein.
Gegen Sonderregelungen
So hatte die Weko 2015 etwa bei den sogenannten Paritätsklauseln bei Onlinebuchungsplattformen für Hotels interveniert. Diese verlangten von den Hotels, auf keinem anderen Vertriebskanal tiefere Preise oder eine grössere Anzahl Zimmer anzubieten. Die Weko ortete eine Einschränkung des Wettbewerbs und einen Verstoss gegen das Kartellgesetz und verbot die sogenannten weiten Paritätsklauseln (mehr dazu hier).
Seither führten die Buchungsplattformen engere Klauseln ein, die Hotels ein besseres Angebot auf ihrer eigenen Internetseite verbieten. Deren Beurteilung sei mangels aussagekräftiger Erfahrungswerte noch nicht möglich, hält die Weko fest.Derzeit wird ein Verbot solcher Klauseln im Parlament diskutiert; der Ständerat hat eine entsprechende Motion von Pirmin Bischof angenommen. Die Weko hingegen spricht sich gegen solche Sonderregelungen aus. Diese stünden im Widerspruch zum generellen Charakter des Kartellgesetzes.
Für den Wunsch der Hotels, enge Paritätsklauseln zu verbieten, äusserte Weko-Präsident Vincent Martenet Verständnis. Er habe aber auch Vorbehalte: So bestehe die Gefahr, dass Kunden jeweils auf der Buchungsplattform das Hotel auswählten und dann dieses zu einem günstigeren Preis direkt über dessen Seite buche. Es gelte, eine Intervention gut abzuwägen. (sda/og)