In der kommenden Wintersaison wird die Bergluft im Oberengadin noch ein bisschen frischer sein: Ab dann fahren in den Skigebieten Corviglia und Corvatsch bei St. Moritz alle Pisten-, Bau- und Personalfahrzeuge mit dem synthetischen Treibstoff GTL Fuel Alpine. Nach Angaben der Oberengadiner Bergbahnen verbrennt der Kraftstoff fast geruchsfrei, ohne Russ und Schadstoffe. Zudem würden künftig alle Dienstgebäude, Betriebe und Restaurants mit dem synthetischen Heizöl GTL Fuel Heating geheizt. Beide Produkte stellt der Öl- und Gaskonzern Shell aus Erdgas her.
Alpen-Initiative kritisiert Skidestination
Dass die Destination St. Moritz seit der Umstellung mit «klimaneutralem Skifahren» wirbt, kritisierte die Umweltorganisation Alpen-Initiative scharf. Mit Klimaneutralität habe dies «überhaupt nichts» zu tun, kommentierte sie per Medienmitteilung.
Laut Adrian Jordan von der Engadin St. Moritz Mountains AG werden die Emissionen für die beiden Treibstoffe direkt durch den Hersteller Shell weltweit durch diverse Klimaschutzprojekte kompensiert. St. Moritz ist nicht die einzige Skidestination, die sich um mehr Nachhaltigkeit bemüht. Betriebe wie die Titlis Bergbahnen oder die Zermatt Bergbahnen verwenden den teureren, aber umweltfreundlicheren Eco- Speed-Diesel, der nach Händlerangaben mit elf Prozent weniger Kohlenmonoxidausstoss, schwefelfrei und nahezu geruchsarm verbrennt.
Sind Kompensationen im Spiel, ist es nicht netto null
Wie aber können Destinationen wirklich klimafreundlich werden? Laut Martin Ruff von der Act Cleantech Agentur Schweiz dürfen bei der Bezeichnung «klimaneutral» Kompensationen im Spiel sein. Beim Begriff «netto null» hingegen nicht, dort müssten die verbleibenden Emissionen durch den Einsatz natürlicher und technischer Speicher, sogenannter Senken, ausgeglichen werden.
Die Act Cleantech Agentur hat einen Auftrag des Bundes, den Vollzug der Klima- und Energiegesetzgebung zu unterstützen. Um das vom Bund angestrebte Ziel netto null zu erreichen, müssten auch Scope-3-Emissionen in die Betrachtung einbezogen werden, also Emissionen, die beispielsweise bei der Herstellung von Produkten oder der Anreise der Gäste entstehen.
«Grundsätzlich wäre es für ein Skigebiet vergleichsweise leicht, die eigenen Emissionen zu reduzieren. Die Scope-3-Emissionen sind generell eine Herausforderung, obwohl die Dienstleistung relativ einfach und die Zahl der Produkte limitiert ist», sagt Ruff. Nach Ruffs Einschätzung führt in den Skigebieten, die das Netto-null-Ziel des Bundes erreichen wollen, kein Weg an umweltfreundlichen Pistenfahrzeugen vorbei, die beispielsweise mit Wasserstoff oder Elektrizität betrieben werden. Denn diese führten zu einer echten Reduktion von Treibhausgasen.
Erste Hersteller haben bereits elektrische Pistenbullys auf den Markt gebracht oder sind daran, serienreife Modelle zu entwickeln. Nach Abklärungen habe man die Anschaffung von elektrischen Pistenbullys verworfen, sagt Jordan von der St. Moritz Mountains AG: Es sei heute noch kein Elektro-Pistenfahrzeug und auch kein Wasserstoff-Pistenfahrzeug am Markt verfügbar, das die komplexen Ansprüche der heutigen Pistenfahrzeuge erfüllen könne.
Bund fördert Effort mit Geld
Die Act Cleantech Agentur Schweiz bietet Begleitungen für Unternehmen an für mehr Energieeffizienz beziehungsweise zur Dekarbonisierung. Gemäss Marketingleiter Martin Ruff stehen aktuell Fördergelder des Bundes zur Verfügung, welche eine Begleitung durch die Agentur bis zu 40 Prozent günstiger machen. Die Kosten seien je nach Grösse des Skigebietes unterschiedlich. Fördermittel vorausgesetzt, sei mit 15 000 bis 30 000 Franken zu rechnen. ua