Artikel von Jurij Lambrecht, AWP
Deutschland, Frankreich und Italien wollen ihre Wintersportorte aus Angst vor möglichen Coronavirus-Ansteckungen bis im Januar geschlossen halten. Und sie machen sich dafür stark, dass sämtliche Skigebiete in Europa schliessen. Die Schweiz dagegen wehrt sich ebenso wie Österreich gegen diesen Schritt. Die hiesige Losung lautet: Schutzkonzepte statt Schliessungen.
Schweizer Tourismus- und Bergbahnvertreter sind zuversichtlich, dass dies reicht, damit es nicht zu einem zweiten Ischgl kommt. Ischgl hatte sich während der ersten Infektionswelle zu einem Corona-Hotspot entwickelt. Als Profiteure von Schliessungen in den benachbarten Alpenländern sehen sich die Touristiker derweil nicht. Denn erwartet werden vorwiegend Schweizer Gäste.
Kaum Gäste aus dem Ausland
«Unsere soeben angelaufene Werbekampagne konzentriert sich auf den Schweizer Markt», sagt etwa Martin Vincenz, CEO von Graubünden Ferien, auf Anfrage von AWP. Bereits im Sommer und Herbst habe der Anteil an den Logiernächten von inländischen Gästen 80 Prozent ausgemacht. Und die bisherigen Buchungen für den Winter stammen fast nur aus dem Inland. Buchungen aus dem Ausland dürften denn auch – zumindest vorerst – grösstenteils ausbleiben.
Der Grund dafür ist klar: Reisbeschränkungen im Ausland und die Quarantäne-Pflicht bei einer Rückreise aus der Schweiz verhindern weitgehend, dass Gäste aus dem Ausland kommen. Zudem sei es im Interesse der Schweiz, die guten Beziehung zu den Nachbarstaaten aufrechtzuerhalten, meint Simona Altwegg von Zermatt Tourismus.
Schlussendlich brauche es aber offene Grenzen als Basis für einen internationalen Tourismus, so Vincenz. Und vieles hange derzeit selbstverständlich vom Verlauf der Pandemie ab. Schlussendlich mache jedes Land seine eigene Risikobeurteilung. Inwiefern Gäste aus der Schweiz das Fehlen ausländischer Touristen wettmachen können, bleibt noch offen. Viele Buchungen erfolgten derzeit sehr kurzfristig, heisst es von verschiedenen Seiten.
Zermatt Tourismus spricht allerdings von deutlich tieferen Buchungen als in den Vorjahren. Aus Graubünden heisst es immerhin, dass für die meisten Destinationen bereits eine grosse Nachfrage nach Ferienwohnungen und Ferienhäusern bestehe. Die Buchungen stammten aber fast nur aus dem Inland, während Gäste aus dem wichtigsten Auslandmarkt Deutschland ihre Reisen oft vorsorglich storniert hätten und nun die Entwicklung abwarteten.
Schliessungen in der Schweiz nicht erwartet
Dass es auch in der Schweiz wie im Frühjahr zu Schliessungen von Bahnen und Skiliften kommt, wird derweil nicht erwartet. «Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, unsere Schutzkonzepte funktionieren», sagt etwa Michael Kirchner von der Engadin St. Moritz Mountains AG.
So gilt bei den Bergbahnen: Wo der Mindestabstand von 1,5 Metern nicht eingehalten werden kann, muss eine Maske getragen werden. Die Maskenpflicht gilt in Warte- und Anstehzonen vor Stationen innerhalb und ausserhalb von Gebäuden sowie für Skilifte und Sesselbahnen.
Einige Bergbahnunternehmen verlängern auch ihre Betriebszeiten, um grössere Menschenansammlungen zu vermeiden. Zudem wird der Online-Verkauf gefördert – so etwa in Laax, wo es Tages- und Halbtageskarten nur noch übers Internet gibt. Oder es werden gar Reservationssysteme für eine Bergfahrt eingeführt wie etwa in der Skiarena Andermatt-Sedrun.
Kein Après-Ski
Zur Herausforderung könnte allerdings die Wartezeit vor dem Betriebsbeginn an der Talstationen werden, sagt Simona Altwegg von Zermatt Tourismus. Abhilfe schaffen soll zusätzliches Personal, das Gäste auf Abstandsregeln aufmerksam macht. Möglich sei aber auch eine Anpassung des Busfahrplans, um Personen dezentral warten zu lassen.
Après-Ski wie in normalen Wintern werde es aber nicht geben, zeigt sich Altwegg überzeugt. Denn auch in Gastronomiebetrieben gilt Maskenpflicht – erst, wer platziert wurde, darf die Maske abnehmen. Dabei gilt: Getränke und Speisen dürfen nur sitzend eingenommen werden.
Und nur maximal vier Leute dürfen an einem Tisch zusammensitzen. Ausgenommen davon sind Familien – sprich Grosseltern, Eltern und Kinder. Aber nur, sofern sie im gleichen Haushalt leben, was für viele Familien kaum ein realistisches Szenario ist. (awp sda)