Der Tourismuspreis Milestone zeichnet Jahr für Jahr erfolgreich umgesetzte innovative Projekte im Schweizer Tourismus aus. Innovative Ideen entstehen indes nicht im luftleeren Raum. Um nicht bloss Erreichtes zu würdigen, sondern auch den Stein für zukünftige Erfolge anzustossen, findet unter dem Milestone-Patronat jedes Jahr eine zusätzliche «Innovationsveranstaltung» statt. In den vergangenen beiden Jahren präsentierten zahlreiche Jungunternehmen im Rahmen des Hospitality Technology Forum (HTF) ihre kreativen Branchenlösungen einem interessierten Fachpublikum. Im Corona-Jahr 2020 entschieden sich die Milestone-Verantwortlichen für ein neues Format: das Milestone Innovation Festival.
Mehr als nur gute Ideen
Kernstück des Festivals war ein 30-stündiger Tourismus-Online-Hackathon am 13. und 14. August, an dem Teilnehmende und Veranstalter gleichermassen ihre Technikbegabung unter Beweis stellen mussten (die htr hotel revue berichtete in der letzten Ausgabe). Elf Projektteams bearbeiteten zehn verschiedene Challenges und suchten nach cleveren Antworten auf aktuelle Herausforderungen in Tourismus und Hospitality. Dabei war es keineswegs das Ziel, fixfertige Produkte oder marktreife Servicelösungen aus dem Boden zu stampfen. Der Hackathon hatte vielmehr den Charakter eines intensiven Brainstormings, an dem die Teilnehmenden ohne Scheuklappen neue Ideen austesten sollten. Vor diesem Hintergrund beeindrucken die Ergebnisse der Gruppenarbeiten umso mehr: Während die meisten Projekte vielversprechende Grundlagen für zukünftige Entwicklungen liefern, sind einige bereits weit über die konzeptionelle Phase hinaus und auf gutem Weg, schon in naher Zukunft reif für den Markt zu werden.
Der volle Erfolg des Milestone Innovation Festival ist nicht zuletzt den zahlreichen Partnerorganisationen zu verdanken. Neben HotellerieSuisse wird das Festival vom Staatssekretariat für Wirtschaft im Rahmen des Milestone finanziell unterstützt. Wertvoller Support mit Ideen, Köpfen und Konzepten kam ausserdem von Fachschulen aus dem ganzen Land (EHL, IST, FH Graubünden), den Unternehmen fu-turismo, LiiP AG und Company Factory sowie den Branchenorganisationen STV und ST.
Interlake Hike 100: In fünf Tagen um zwei Seen
Rund um Thuner- und Brienzersee soll ein besonderes Wandererlebnis entstehen: Für die gesamte Umrundung beider Seen – immerhin 100 Kilometer – sind fünf Tage vorgesehen. Übernachtet wird in einfachen Holzmodulen aus lokaler Produktion und komplett CO₂-neutral. Die Tour soll modular abgekürzt oder erweitert werden können, je nach den individuellen Bedürfnissen. Der Interlake Hike 100 richtet sich an «fitte Gäste» aus der Schweiz und dem Ausland. Dank der Personalisierbarkeit soll sich das Angebot aber auch für Familien, Freundesgruppen oder Paare eignen. Der Vorteil: Ohne akribische Vorbereitung kann man eine geplante Route abwandern, ohne sich dabei um die Übernachtungsgelegenheit zu sorgen. Daneben sollen verschiedene Partnerangebote von lokalen Geschäften wie der lokalen Brauerei Rugenbräu oder Dorfbäckereien hinzugebucht werden können.
Eingereicht von Jan Geissbühler
Schweiz-Rundreisen für die ganze Familie
Die Nachfrage nach Familienferien in der Schweiz ist dank Covid-19 stark gestiegen. Zwar existieren unter anderem die Spezialisierungskategorie «Familienhotel» von HotellerieSuisse oder ganze, auf Familien spezialisierte Destinationen. Rundreiseangebote speziell für Familien fehlen indes. Und obwohl sich zahlreiche Leistungsträger in der Corona-Krise gerne neu auf Familien ausrichten würden, fehle vielen von ihnen das Wissen darüber, was umfassende Familienerlebnisse ausmache und wie man sie am besten vermarkte, so das Projektteam. Eine neue Online-Plattform für Familienerlebnisse soll diese Lücke schliessen. Die Plattform soll Betrieben die Schaffung und Vermarktungen von Dienstleistungen erleichtern und Familien eine umfassende Marktübersicht über massgeschneiderte Erlebnisreisen bieten. Damit Schweizer Familien auch nach Corona öfters ihre Ferien in der Schweiz verbringen werden.
Eingereicht von Miriam Kälin
Nachhaltigkeit erlebbar machen
Die Schweiz ist eines der nachhaltigsten Länder weltweit. Doch leider wissen das viele nicht. Um das Bewusstsein für nachhaltige touristische Erlebnisse zu stärken, soll ein neues Portal (Motto: «Entdecken – Erleben – Experimentieren») dem umweltbewussten Gast zahlreiche besonders nachhaltige Angebote in der Schweiz präsentieren. Die Angebote sollen in sechs filterbare Kategorien eingeteilt und frei kombinierbar sein: Mobilität, Unterkunft, Essen & Trinken, Kultur, Fauna & Flora, Wissen & Experimentieren. Jedes Angebot verfügt über eine Punktzahl, die als Ausweis über dessen Nachhaltigkeit fungiert. Anhand einer Gesamtpunktzahl soll der Gast abschätzen können, wie ökologisch «respektvoll» seine geplante Reise ist. Gäste mit dem nachhaltigsten Reiseverhalten sollen mit Medaillen oder Treffen mit Persönlichkeiten belohnt werden.
Eingereicht von Schweiz Tourismus, Maria Sägesser
Innovationskultur: Ein fruchtbarer Boden für Ideen
Innovation ist eine Voraussetzung, um im globalen Tourismusmarkt bestehen zu können. Doch gute Ideen allein bringen wenig, wenn im entsprechenden Betrieb die Innovationskultur fehlt. Bei der Umsetzung sollen deshalb die Innovationspartner von HotellerieSuisse Hand bieten. Sie helfen, einen betriebsinternen «Change-Agent» zu vermitteln, der eine Idee gemeinsam mit dem Hotel umsetzt. Der Innovationspartner unterstützt diesen Prozess zudem mit einer «Innobox». Darin finden sich Ressourcen für die Organisation sowie Zugriff auf das regionale Netzwerk (Erfa), in dem sich die Change-Agents unterschiedlicher Betriebe untereinander austauschen können. So soll nicht nur das einzelne Hotel profitieren, sondern gleich ein schweizweites Netzwerk von Change-Agents entstehen, das der ganzen Branche zugutekommt.
Eingereicht von der Hotelfachschule Thun, Janine Rüfenacht
Hotellerie nach Corona: Neuer Umsatz dank Umnutzung
Stadthotels mit einer einseitigen Ausrichtung auf Business-, Event- und Gruppentourismus sind von der Corona-Krise besonders stark betroffen. Gleichzeitig liegen diese Hotels oft an attraktiven Lagen, und ihre Infrastruktur ist in einem sehr guten Zustand. Mit einer Umnutzung dieser Häuser sollen neue und gewinnbringende Unterkunftsformen geschaffen werden. Verschiedene Formate sind denkbar: Longstay, Serviced Apartments, Studentenwohnungen oder Alterswohnungen. Das fiktive Beispiel einer alten Witwe illustriert die Win-win-Situation: Sie wohnt alleine auf dem Land, würde aber lieber in der lebendigen Stadt wohnen. Der Stadthotelier legt kurzerhand mehrere Zimmer in seinem Hotel zusammen und kann so der alten Dame eine grössere Wohnungen inklusive Hotel-Serviceleistungen anbieten. Sie ist glücklich, und er schreibt wieder schwarze Zahlen.
Eingereicht von IST, Nicole Diermeier
E-Fair: Virtuelle Messebesuche
Schon vor Corona habe ein Paradigmenwechsel in der Messewirtschaft eingesetzt, sind die Ideengeber von «x.swiss» überzeugt. Diese neue, komplett virtuelle B2B-Community will der Verkaufsförderung im Tourismus neue Chancen bieten. Mit individualisierten Avataren sollen sich die Gäste durch eine virtuelle Messewelt bewegen. Die Inszenierungsmöglichkeiten sind vielfältig: Neben Podien und Talks sind virtuelle Erlebnisse und Rundgänge in Hotels und Destinationen, Online-Beratungs- und Verhandlungsräume sowie eine breite Palette an Supportleistungen (z. B. Simultanübersetzungen) denkbar. Zur Realisierung des Projekts soll eine Aktiengesellschaft mit Beteiligung unter anderem von Schweiz Tourismus gegründet werden. Der Schweizer Tourismus soll so zum Vorreiter und Vorbild für die B2B-Online-Verkaufsförderung werden.
Eingereicht von der Hauenstein-Gruppe, Nathalie Hauenstein
Zukunft des Dorfs: Innovation geht nur sozial
Das Projekt «Zukunfts.Dorf» versteht sich als Antwort auf neue menschliche Bedürfnisse: Begegnungsorte, wo dank innovativen Angeboten neue Lebensräume entstehen. Im Zentrum steht der gemeinschaftliche Gedanke, d. h. Lösungen sollen partizipativ entwickelt werden. So soll nicht nur die Wertschöpfung in ländlichen Regionen steigen, sondern gleichzeitig dem Leerstand in der Hotellerie entgegengewirkt werden. Damit neue Ideen jedoch Akzeptanz fänden, müsse zunächst das Storytelling stimmen. Dazu wollen die Initianten in einem ersten Schritt ein mobiles «Plauderwägeli» in die Orte entsenden, welches die einheimische Bevölkerung zum spontanen Austausch mit den Projektpartnern einlädt. Später sollen Dialog-Events in verschiedenen Formaten den Austausch weiter vertiefen.
Eingereicht von Atma, Martin Hohn
Bern-Welcome-App 2.0: Berner Tourismus setzt auf digital
Die Weiterentwicklung der App Bern Welcome soll das Berner Lebensgefühl besser erlebbar machen. Ein Problem der heute bereits existierenden App sei, dass sie kaum genutzt werde. Neue Funktionen sollen ihr deshalb neues Leben einhauchen und den Nutzern einen Mehrwert bieten, zum Beispiel durch Push-Benachrichtigungen über Badetipps an der Aare oder freie Sitzplätze in der Stadtbibliothek, neue, auf den Nutzer abgestimmte Inhalte, personalisierte Touren sowie monetäre Anreize. Auch sollen Coupons, Rabatte oder Wettbewerbe, die eh schon auf Bern.com ausgespielt werden, zukünftig über die App laufen. Ziel ist es, dass die Bernerinnen und Berner, aber auch Gäste von ausserhalb die App jederzeit als digitalen «Reisebegleiter» in der Hosentasche bei sich tragen wollen. Die App soll so auch die lokalen und regionalen Leistungsträger unterstützen.
Eingereicht von Bern Welcome
Ferienwohnung mit Hotelservice
In der Schweiz gibt es Zigtausende Ferienwohnungen, die von ihren zweitheimischen Besitzern nicht vermietet werden. Würde man klassische Hoteldienstleistungen wie Catering oder Zimmerreinigung in diese Ferienwohnungen bringen, würde damit ein neues und in Corona-Zeiten besonders gefragtes Produkt geschaffen, ist das Projektteam überzeugt. Hotels und Zweitwohnungsbesitzer könnten dabei die Erbringung der Services in einem flexiblen Vertragsverhältnis regeln. Das Projektteam erkennt in dem Ansatz Vorteile für alle Beteiligten: Der Gast findet seine Wunschbeherbergung inklusive Flexibilität und Freiheit, die Liegenschaftsverwalter erweitern ihr Portfolio und generieren mehr Umsatz dank neuen, attraktiven Objekten, Hotels lasten ihre Services besser aus, und auch die Zweitwohnungsbesitzer erschliessen ohne grossen Aufwand neue Einnahmequellen.
Eingereicht von Graubünden Ferien, Mik Häfliger
Zukunft der Basler Stadthotellerie
«Wie kann sich die Basler Hotellerie neu ausrichten, um die leeren Betten zu füllen?» Diese Frage bearbeiteten gleich zwei Projektteams am Hackathon.
Eine der Antworten lautet: Wenn die Messen nicht mehr in die Stadt kommen, holt man sie eben in die Hotels. Baselcon.ch, eine Art Airbnb für Messen, soll dereinst als Plattform dienen, auf der Hotels Zimmer als Messeinfrastruktur anbieten können. Zwar gebe es aktuell immer mehr virtuelle Messen, aber für Produkte wie Uhren, Kunst oder Wein eigne sich dieses Format nicht. Stattdessen sollen die Messen physisch, dafür aber dezentral über verschiedene Stadthotels verteilt durchgeführt werden, sodass die Hygiene- und Schutzmassnahmen eingehalten werden können. Für einen Pilotversuch werden nun zunächst ein Veranstalter, ein Hotel, zwei Galerien oder Uhrenhersteller sowie 200 Gäste gesucht, «die Lust auf ein neues Erlebnis haben».
«Sinfra by Basel Hotels» heisst die Antwort der zweiten Projektgruppe auf das gegenwärtige Corona-Dilemma der Basler Stadthotellerie. Auf dem zukünftigen Portal sollen die Betriebe ihre momentan unausgelasteten Ressourcen bündeln und einzeln anbieten können. Jedes Hotel stellt dazu jene Services oder Infrastrukturen auf die Plattform, die es für den Hotelbetrieb zurzeit nicht benötigt. Die üblichen, lokalen Hotelangebote sollen somit aufgesplittet und modular buchbar gemacht werden, zum Beispiel Take-away, Conciergeservices, Textilreinigung, Shuttleservices, Kühlschrankauffülldienste usw. oder Infrastruktur wie Event-Locations, Küche, Fitness, Lagerräume oder Homeoffice-Plätze. Zusätzliche Services wie Frühstück sollen über die Plattform flexibel hinzubuchbar sein. Wenn viele Hotels mitmachen, entsteht ein vielfältiges Angebot sowie eine bessere Auslastung, so die Hoffnung.
Eingereicht von «Les Trois Rois», Jonas Schäfer