36 Tourismusexpertinnen und -experten von vier verschiedenen Kontinenten haben die Chance zum gegenseitigen Austausch am alle zwei Jahre stattfindenden St.Galler Forum genutzt. Anthropologen, Geografen, Soziologen, Wirtschaftswissenschaftler und IT-Experten vertieften sich unter der Leitung des Organisatoren-Trios Christian Laesser, Pietro Beritelli und Stephan Reinhold in eine breite Themenpalette vom Management von Destinationen und dem Verhalten von Reisenden über Qualitätsmessung in der Hotellerie bis zu Problemen bei Tourismustaxen.
Es zeichne sich insgesamt eine neue Denkhaltung und Herangehensweise bei der Gestaltung und Vermarktung von Destinationen ab, heisst es in einer entsprechenden Mitteilung der Universität St. Gallen. Tourismusorganisationen und Leistungsanbieter müssen sich vor dem Hintergrund der Digitalisierung und der Gästeströme neu ausrichten und auf neue Weise zusammenarbeiten.
Mit ihren präsentierten Forschungsprojekten und Praxisbeispielen stossen die Teilnehmer des Forums bezüglich der Gestaltung und Vermarktung von touristischen Destinationen in Neuland vor. Ihre Erkenntnisse helfen, die Touristen und ihre Handlungen besser zu verstehen und dadurch die Tourismusleistungen zu optimieren. Das Forschungszentrum Tourismus und Verkehr an der Universität St. Gallen hat mit der Organisation dieses Forums, welches zum 4. Mal durchgeführt wird, die Schweiz zum führenden Denkplatz für Forschung im Bereich Destination Management etabliert.
Der richtige Umgang mit Daten
Die Herausforderungen durch die Digitalisierung bildeten einen besonderen Schwerpunkt der Konferenz. Beispielsweise plädierte Marija Nikolic von der EPFL (École polytechnique fédérale de Lausanne) dafür, Daten nicht intrusiv durch das gezielte Angehen der Probanden, sondern durch unbemerkte Beobachtung zu erheben. Statt die Reisenden zu ihrem Verhalten persönlich zu befragen, sollen sie eher über ihre öffentlich zugänglichen Daten via beispielsweise ihre geposteten Bilder auf Instagram analysiert werden. Denn nur schon zu wissen, dass Daten erhoben werden, könnte bei den Reisenden dazu führen, dass sie sich entsprechend verhalten und somit das Resultat verfälschen.
Das Fazit aus den Präsentationen am Forum brachte nicht nur Stärken und Chancen im Tourismus, sondern auch seine Schwächen zum Vorschein. Geschäftsmodelle im Tourismus sind heute aufgrund der Datenverfügbarkeit eher datengetrieben, als auf praktisches Verständnis ausgerichtet. Die Digitalisierung im Tourismus ermöglicht zwar eine Datenvielfalt, doch die Fähigkeit, diese Daten richtig und aussagekräftig zu nutzen, fehle häufig. Roy Ballantyne, University of Queensland, ist aus Australien angereist und zeichnete das Bild von Datengräbern im Tourismus, welche in Datenmülleimern wühlen und dann nicht wissen, mit dem gefundenen Schatz umzugehen. Es wäre demnach oft klüger, weniger Daten zu sammeln, diese dafür aber folgerichtiger und zweckmässiger im Sinne von Handlungsempfehlungen auszuwerten.
Tücken mit Tracking und Big Data im Tourismus
Ein weiteres Thema am Forum war der Overtourism: So viele Gäste wie möglich sei immer noch das erklärte Ziel im Tourismus, obwohl schon viele Destinationen unter zu vielen Besuchern leiden. Die Einheimischen sollten einen grösseren Nutzen aus dem Tourismus haben, waren sich die Experten einig. Bei Tourismusentwicklungsprojekten in Entwicklungs- und Schwellenländern nehme man sich diese Erkenntnis zu Herzen, wie aus den Referaten von den Swisscontact-Vertretern Gabriella Crescini und Ruedi Nützi hervorgeht. Und Zürich Tourismus macht es gemäss CEO Martin Sturzenegger vor, indem den Einheimischen in der Zwischensaison 5-Sterne-Hotelübernachtungen in ihrer eigenen Stadt für 50 Franken angeboten wurden. Insgesamt zeigte das Forum «Advances in Destination Management» breit gefächerte Forschungsresultate, aber auch Forschungsbedarf und offene Fragen zu beispielsweise Tracking und Datenmanagement.
Zum Schluss der Veranstaltung wählten die Forumsteilnehmenden die Präsentation «Visitor mobility and length of stay in a tourism destination: a network analysis» von Miriam Scaglione (University of Applied Sciences and Arts, Western Switzerland Valais) und Rodolfo Baggio (Bocconi University, Milan und National Research Tomsk Polytechnic University, Russland) zum Best Paper, welches durch das Journal of Destination Marketing & Management (Elsevier) ausgezeichnet wurde.