Ein Abend voller spannender Projekte und Persönlichkeiten, die eines gemeinsam haben: Sie alle verbindet der Erfolg im Spannungsfeld zwischen Althergebrachtem und Innovation.
Mit der Innovation und dem Tourismus ist es so eine Sache. Beides geht nicht ohne weiteres Hand in Hand. Innovation schafft Neues, macht Altes überflüssig. Der Tourismus dagegen lebt – zumindest in der Schweiz – vom Althergebrachten. Die Gäste kommen in unser Land, um einmalige Natur, urchige Tradition und über Jahrhunderte gewachsene Kultur zu erfahren. Zu viel Innovation im Tourismus und die Branche entfremdet sich von den Kernbedürfnissen der Gäste. Die grosse Herausforderung für die Touristiker unserer Zeit ist es, das richtige Mass an Innovation zu finden, um den Erfolg der Branche auch in Zukunft zu sichern.
Drei Innovationspreise für experimentierfreudige Beharrlichkeit
Der gelungene Brückenschlag zwischen Altem und Neuem zieht sich denn auch wie ein roter Faden durch die Preisverleihung des Milestone 2016 im Berner «Kursaal». Der erste Platz in der Hauptkategorie «Innovation» geht an die Event-Destination Arosa. Die Auszeichnung ist hochverdient, denn das Bündner Projekt ist erwiesenermassen erfolgreich und schafft das, woran viele Berg-Destinationen gegenwärtig noch scheitern: Die systematische Verlängerung der Saison und damit mehr Logiernächte und eine bessere Auslastung. Das «Weiter so, bravo!» von Laudatorin Birgit Steinegger darf deshalb nicht nur als Kompliment an Arosas Tourismusdirektor Pascal Jenny und sein Team verstanden werden, sondern auch als Aufforderung an andere Destinationen, das Erfolgsrezept von Arosa nachzuahmen. Auf Milestone-Projekte – um es in den Worten von Alt-Bundesrätin und Jury-Präsidentin Ruth Metzler-Arnold zu sagen – müsse die Schweiz auch noch in fünf Jahren stolz sein können. Bei Arosa ist dies heute schon der Fall.
Für Lacher und das ein oder andere Stirnrunzeln darüber, ob er die Grenze zur Ironie nicht ab und zu doch überschritten habe, sorgt ein weiterer ehemaliger Bundesrat: Adolf Ogi. In seiner mit überspitzter Verve vorgetragenen Laudatio auf die zweitplatzierte Schneesportinitiative Schweiz GoSnow.ch beschwört der routinierte Redner die Bedeutung der «Lebensschule Wintersport». GoSnow, übrigens unterstützt vom Schweizer Tourismus-Verband STV auf Motion von CVP-Nationalrat und STV-Präsident Dominique de Buman, fördert mit einfach schnürbaren Sportlager-Paketen das, was bei der Jugend von heute nicht mehr wahnsinnig en vogue ist, worauf der Schweizer Tourismus aber doch so dringend angewiesen ist: Ski- und Wintersport. Bescheiden gibt sich die Präsidentin der Schneesportinitiative, Tanja Frieden. Der Milestone sei zwar ein «schöner Stein», für sie jedoch lediglich ein «Pflasterstein» auf dem Weg in die Zukunft. Am Ziel sieht sich die ehemalige Profi-Snowboarderin nämlich noch lange nicht. Sie unterstreicht das Motto des Abends: «Tradition ist wichtig, Innovation ist noch wichtiger». Adolf Ogi dazu: «Voila!»
Bereits einen sehr langen Weg hinter sich haben die Drittplatzierten in der Kategorie «Innovation» von «Chaplin’s World By Grévin» aus Vevey. Bis zur Eröffnung des Museums über das britische Filmgenie vergingen nicht weniger als 16 Jahre. Auch hier ist der Spagat gelungen, Kulturgeschichte auf moderne, innovative Art auch einem jungen Publikum nahezubringen. Die Frage von Moderator Rainer Maria Salzgeber (offenbar kein Chaplin-Fan), warum sich der Nicht-Interessierte heute noch mit Chaplin befassen sollte, pariert die Kommunikationsverantwortliche Annick Barbezat-Perrin souverän: Chaplin sei schliesslich ein Mythos, zeitlos, er habe nichts von seiner Relevanz eingebüsst. Der Erfolg gibt Pigeon recht: Das Museum – mehr als ein Museum, wie Chicca Bergonzi in ihrer Laudatio nicht müde wird zu betonen – könne sich nicht über zu wenig Besucher beklagen. Und die Meisten von ihnen verliessen das Haus mit strahlenden Gesichtern.
Zeitlos, irgendwo zwischen alt und modern, durchaus gewöhnungsbedürftig aber sicherlich erfrischend und zweifellos innovativ ist am Milestone-Abend auch das musikalische Intermezzo des «Mozart Heroes»-Duos Chris & Phil. Auf eigenwillige Art kombinieren sie in ihrer Performance Mozart mit Metallica, Klassik mit Hardrock. Der gewagte Remix kommt beim Publikum an, und auch der in Auflösung begriffene Cello-Bogen von Phil hält bis zum Ende durch.
«Nachhaltigkeit»: Tradition und Tourismus in der Randregion
Nicht leicht hatte es die Jury bei der Wahl des Siegerprojektes im Bereich «Nachhaltigkeit». Nominiert waren die beinahe vollständig von fossilen Brennstoffen unabhängige Energieversorgung des Bürgenstock Resort Luzern sowie «SapoCycle», ein nicht nur ökologisch sondern auch sozial nachhaltiges Seifen-Recycling-Projekt aus Basel. Dass der Preis letztendlich ins Bündner Südtal Puschlav ging, ist dennoch nachvollziehbar. «Excellence in Tourism», so heisst der neue Claim des Milestone Tourismuspreises. Aus touristischer Sicht ist die Auszeichnung von «100% Valposchiavo» die einzig richtige Entscheidung, will der Preis doch «die Leistungen unserer Branche hinaustragen über die Branche hinweg in die breite Öffentlichkeit und auch zu unseren Gästen», wie Gastgeber und htr hotel revue Chefredaktor Gery Nievergelt bereits eingangs des Abends feststellte. Das Projekt der Ente Touristico Valposchiavo tut dies zweifellos. Laut Max Havelaar Geschäftsleiterin Nadja Lang setze das Projekt regionale Produkte in den touristischen Fokus. Die (kulinarische) Kultur des Tals werde so auf nachhaltige Weise gefördert und locke gleichzeitig neue Gäste in die Randregion. Ein weiteres Vorzeigeprojekt mit Nachahmungscharakter also.
«Nachwuchs» und «Lebenswerk»: Mit Menschlichkeit und Empathie
In der Kategorie «Nachwuchs» triumphiert Gianluca Marongiu. Der Jungunternehmer ist Partner beim Start-Up Swiss Hospitality Solutions. Daneben ist er Berater und Dozent im Bereich Revenue Management. Er berate jedoch nicht nur, vielmehr coache er Hoteliers und helfe ihnen, sich dem stetig wandelnden touristischen Umfeld anzupassen. Laudator Martin Bachofner, Präsident des Verbands Schweizer Tourismusmanager VSTM: «Die altgediente Tourismusdirektoren haben etwas Fett angesetzt. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu viel jammern.» Da sei es gut, wenn die Jungen mit neuen Ideen begeisterten. Doch was braucht es, damit alteingesessenen Hoteldirektoren einem Jungspund wie Marongiu überhaupt zuhören, will Moderator Salzgeber wissen. Marongiu antwortet wohlüberlegt: Der Austausch finde selbstverständlich nicht nur in eine Richtung statt. Die Jungen müssten gegenüber den Leistungen der Alten zunächst einmal Respekt zeigen. Dann erst könnten sie selbst zeigen, was sie können. «Danach funktioniert das automatisch», ist Marongiu überzeugt.
Vom Nachwuchstalent zum Hotelier-Urgestein: Standing Ovations und den Milestone für sein «Lebenswerk» gab es für den Wahl-Westschweizer Jean-Jacques Gauer. Als Sohn einer Hotelier-Familie sog er das Gastgewerbe sprichwörtlich mit der Muttermilch auf. Ein Abenteurer sei er stets gewesen, weiss sein Jugendfreund und Laudator, der (Lebens)Künstler Igor Ustinov, Sohn von Schauspiellegende Peter Ustinov, zu berichten. Spätestens seit dem frühen Tod des Vaters wurde Gauer gezwungen, sein Leben neu zu erfinden. Vollblutgastgeber «JJ» habe es zeitlebens verstanden, Menschen mit Charisma, Menschlichkeit und Gastfreundschaft zu begeistern, ist die Jury überzeugt. So sehr, dass er sogar das Fegefeuer in einen 5-Sterne-Betrieb umwandeln könnte, den er persönlich dem Paradies vorziehen würde, so Ustinov.
Schön war es am diesjährigen Milestone. Man darf gespannt sein, welche innovativen Geschichten die Branche im kommenden Jahr schreiben wird.