Nicole Brändle Schlegel ist Leiterin Arbeit, Bildung, Politik bei HotellerieSuisse.
In Corona-Zeiten ticken die Uhren anders. Die «grüne Welle» des Wahljahres 2019 scheint weit weg, und auch die Klimaschutz-Kundgebungen wurden von der Tagesaktualität einer Jahrhun-dertpandemie verdrängt. Dennoch steht die Zeit nicht still und können dringliche Probleme nicht einfach verdrängt werden. Nebst dem Primärfokus auf die Bewältigung der Corona-Krise gilt es für die Beherbergungsbranche gleichzeitig, nachhaltige Wege aus der Talsohle zu beschreiten.
Im Klimaschutz drängt die Zeit, wie uns Naturextreme in der Schweiz und weltweit vor Augen führen. Die Wissenschaft warnt seit Jahren und liefert eindrückliche Befunde zum Zustand unseres Klimas. In der Gesellschaft ist die Sensibilität für Nachhaltigkeit massiv gestiegen. Nicht nur die Klimajugend fordert zum Handeln auf, auch die Konsumentinnen und Konsumenten legen immer mehr Wert auf nachhaltige Produkte.
Der Schweizer Tourismus kommt an diesen Tatsachen nicht vorbei. Im Gegenteil, er muss sich ihnen in einer proaktiven Weise stellen. Intakte Natur und Landschaften sind mithin die wichtigsten Verkaufsargumente für Ferien hierzulande. Auch die touristischen Leistungserbringer müssen ihre Beiträge zum Schutz der Umwelt liefern. Immer mehr Gäste wünschen sich explizit nachhaltige Angebote.
In der Politik wurden die Weichen längst Richtung Nachhaltigkeit gestellt. So hat die Schweiz 2017 das historische Pariser Klimaabkommen von 2015 ratifiziert. Demgemäss verpflichtet sie sich zur Treibhausgasreduktion von mindestens 50 Prozent bis 2030. Im totalrevidierten CO2-Gesetz, über das wir am 13. Juni 2021 abstimmen, werden die dazugehörigen Ziele und Massnahmen implementiert.
Beherbergung und Tourismus müssen mitziehen, damit sie nicht aufs Abstellgleis geraten. Mit Blick auf die Zeichen der Zeit hat die Verbandsleitung von HotellerieSuisse bereits Ende 2020 den Nachhaltigkeitskompass für die Beherbergungsbranche verabschiedet sowie die Ja-Parole zum CO2-Gesetz beschlossen. Der Kompass berücksichtigt sämtliche Dimensionen – die ökologische, die soziale und die wirtschaftliche – angemessen.
Nicht alle Aspekte des neuen CO2-Gesetzes entsprechen den Wünschen unserer Branche. So dürfen Gebäude ab 2023 deutlich weniger CO2 emittieren, und es dürfen faktisch keine neuen Ölheizungen mehr eingebaut werden. Auch wenn sich HotellerieSuisse in der politischen Ausmarchung für weniger scharfe Gebäudevorgaben in der kurzen Frist eingesetzt hat, unterstützen wir das Gesetz. Nichtstun ist keine Lösung und könnte zum gefährlichen Bumerang werden – nicht nur aus ökologischen, sondern auch aus ökonomischen Gründen.
Rechts- und Planungssicherheit sowie wertvolle Zeit gingen bei einem Nein verloren. Die Branche würde ihr Image «nachhaltig und innovativ» mit Füssen treten. In Zukunft wird mehr Klimaschutz verlangt sein und nicht weniger. Das CO2-Gesetz bietet zudem viele Vorteile. Für Projekte mit energetischen Sanierungen und Klimaschutzmassnahmen stehen Beiträge aus dem Klimafonds zur Verfügung. Neu können alle Unternehmen an Effizienzprogrammen teilnehmen und sich von der CO2-Abgabe befreien lassen. Mehr Energieeffizienz und saubere Technologien bringen mittel- und langfristig Kosteneinsparungen. Der Hotellerie bietet sich die Chance, die Weichen rechtzeitig Richtung Nachhaltigkeit zu stellen.