Der Flughafen Zürich ist eine essenzielle Säule des Schweizer Tourismus. Über 30 Millionen Reisende nutzen die Drehscheibe jedes Jahr, rund ein Viertel aller ausländischen Gäste gelangt über ihn in die Schweiz. Doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass dieser Träger des eidgenössischen Wohlstands erhebliche Risse aufweist und nicht zukunftsfest ist.

Noch wird fleissig der glänzende Status quo mit langfristigen Wachstumsprognosen von zwei Prozent pro Jahr weiterpoliert und als Fortschreibung der Demokratisierung der Luftfahrt zelebriert. Diese Luftnummern machen jedoch die Rechnung ohne die zukünftig zu erwartende Regulierung des heute spottbilligen Lufttransports, in den die Klimaschäden bestenfalls marginal eingepreist sind. Wenn wir unsere Klimaziele ernst nehmen – und die zunehmenden Starkwetterereignisse, Klimakrisen und Migrationsströme werden uns in den kommenden Jahren immer wieder eindringlich daran erinnern, dies zu tun –, wird der Luftverkehr morgen ein anderer sein müssen. Aktuell erzeugen wir nur einen Bruchteil der Mengen an Sustainable Aviation Fuel (SAF), die wir gemäss den rosaroten Hochglanzprognosen für einen nachhaltigen Luftverkehr benötigen würden – ohne reelle Aussicht auf eine ausreichend schnelle Skalierung der Produktion. Trotzdem wird gebetsmühlenartig die Rettung der «Business (and Economy) Class as usual» durch den Einsatz von SAF beschworen. Angesichts dieser realitätsfernen Technikgläubigkeit wächst die reale Lücke zwischen Netto-null-Zielen und Branchenträumen stetig.

Die Zukunft des europäischen Tourismus liegt im terrestrischen Verkehr.

Fliegen ist eine grandiose Art des Reisens. Doch fernab aller Flugschammoralisierungen ist rational festzustellen, dass der europäische Freizeit- und Geschäftstourismus schleunigst ein alternatives Mobilitätskonzept benötigt. Insbesondere den energieseitig besonders ineffizienten Kurzstreckenverkehr werden wir uns nicht mehr leisten können, wenn wir interkontinental mobil bleiben wollen. Innereuropäische Destinationen, die jetzt ihre Bahnerreichbarkeit signifikant verbessern, werden in naher Zukunft bedeutend robuster auf die Korrekturen im Luftverkehr reagieren können. Die Schweiz muss daher schnell ihre Integration in das europäische Bahnnetz verbessern und neue Angebote im Tag- und Nachtzugsegment entwickeln. Letztlich könnte der Tourismusstandort Schweiz im Herzen Europas dann sogar gestärkt aus der alternativlosen Transformation unseres Mobilitäts- und Energiesystems hervorgehen.

Doch bislang ist der internationale Bahnverkehr ein Paradebeispiel für die Entropiezunahme in Systemen: War es zu Zeiten der Dampflok noch problemlos möglich, diese grenzüberschreitend von Amsterdam bis Bari einzusetzen, fragmentieren heute verschiedenste Strom-, Sicherungs- und Regulierungsphilosophien den internationalen Schienenpersonenfernverkehr zu einem ineffizienten Planungs- und Betriebsmonster. Alle Bestrebungen zu europaweiten Harmonisierungen haben den Flickenteppich bislang kaum beseitigen können. Von der Flexibilität, der Standardisierung und den Skaleneffekten eines A320 sind die heutigen Schienenfahrzeuge Lichtjahre entfernt – ebenso in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit und Attraktivität für Start-ups und Investoren.

Die Zukunft des europäischen Tourismus liegt im terrestrischen Verkehr. Die beste Zeit der Eisenbahn liegt noch vor uns. Aber nur, wenn jetzt fleissig an einem effizienten Bahnsystem geschraubt anstatt von sprudelnden SAF-Quellen geträumt wird.

Thomas Sauter-Servaes leitet als Professor den Ingenieurstudiengang Mobility Science an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), School of Engineering. Sein Forschungsfokus liegt auf innovativen Services und Geschäftsmodellen im Bereich Mobilität.